Sinfonie Nr. 70 D-Dur
Besetzung: Flöte, je zwei Oboen, Fagott, 2 Hörner (2 Trp. Pk. später ergänzt), Streicher
entstanden ca. 1779
1. Vivace con brio (3/4)
Ein sehr knapper Satz in schnellem Menuett/Scherzo-Tempo (ganztaktig). Das Haupthema beginnt mit der (den Satz prägenden) Folge einer fallenden Quarte und einer fallenden Terz; der erste Viertakter ist dreiklangs-, der zweite tonleiterbasiert, basale Elemente, aber prägnant zusammengefügt (nicht zuletzt durch die staccato-Artikulation). Bereits in der Überleitung findet sich eine Verarbeitung des Kopfmotivs; das Seitenthema basiert auf demselben Material (jetzt aber hauptsächlich dem der zweiten Phrase)
Die Durchführung ist nur knapp halb so lang wie die Exposition (82 T.), bietet aber dichte motivische Arbeit: Das Thema wird in seine Elemente zerlegt, das Kopfmotiv durchläuft imitatorisch die Stimmen und das Nebenthema tritt kurz vor der Reprise in einer melancholischen Variante auf. Die Reprise ist wuchtiger instrumentiert und wartet in der Überleitung nun mit einer kleinen kanonischen Entwicklung auf, ist aber insgesamt noch knapper als die Exposition.
2. Andante (d-moll) Specie d'un canone in contrapunto doppio
Ungeachtet der Bezeichung ist der Satz kein wirklicher Kanon, sondern der Hauptabschnitt besteht aus einem cantus firmus mit obligatem Kontrapunkt; "doppelt" weil die Stimmen vertauscht werden können, was auch sogleich geschieht. Bei der ersten Vorstellung ist der cantus firmus in den Geigen, unmittelbar anschließend im Baß (u. 2. Vl.), während 1. Vl. und Fl. den obligaten Kontrapunkt spielen; im zweiten Teil dieses Abschnittes folgen zuerst 6 freiere Takte, dann wieder der erte Achttakter, jetzt mit Holzbläsern.
Diesem Teil (unten mit A bezeichnet, T1-30) folgt nun ein kontrastierender Dur-Abschnitt, der thematisch verwandt, aber nicht kontrapunktisch gehalten ist. Die karge, meist auf gedämpfte Streicher beschränkte Instrumentation wird an einigen Stellen durch sparsamen Bläsereinsatz wirkungsvoll ergänzt.
A "Kanon" 1-16 /: 17-30
B D-Dur /: 31-36 ://: 37-48
A' bringt zuerst wieder das Doppelthema als ersten Viertakter, dann bleibt nur der "Kontrapunkt" erhalten, während die Hauptstimme in Figurationen aufgelöst wird, die durch die Stimmen wandern; der Themenkopf erscheint auch wieder kurz in der Originalgestalt.
B' Figurative Variation
A'' eine knappe "Reprise" (ohne Wdh.), wobei eine neue, sehr ausdrucksvolle Variante als Oberstimme (T. 115-120) in der 1. Vl. (Vl. 2 und Viola haben das Thema) eingeführt wird.
3. Menuet. Allegretto
Ein kräftiges, aber ziemlich schlichtes Menuett, das durch den nun wieder erklingenden Blechbläser und Pauken einen deutlichen Kontrast zum andante bildet.
Besonders bemerkenswert ist hier, daß der Menuett-Hauptteil eine kurze (12 T.) Coda enthält, die nach seiner dacapo-Wiederkehr gespielt werden soll, das Blechbläser-Echo noch einmal ausspielt und zu einem pompösen Schluß führt
Sehr schön das Trio, das eine etwas melancholische einfache Melodie bringt, von der Oboe angeführt und durch den zweistimmigen Satz (Violinen und Viol/Bass jeweils in Oktaven, Oboen mit den Violinen) eine besonders volkstümliche Färbung erhält.
4. Finale. Allegro con brio (2/2)
Hier wird der "gelehrte" Stil des andantes erneut aufgegriffen. Der Satz ist beinahe durchgehend fugiert und steht größtenteils in d-moll. Er beginnt aber zunächst mit einer Art Einleitung, die zwischen Komik und Mysteriosität schwankt und aus fünfmal wiederholten 5 Vierteln auf d, auf die jeweils eine immer länger ausgestaltete melodische Antwort folgt, besteht.
Nach dieser Vorstellung des Materials beginnt nun eine Fuge ("a 3 soggetti in contrapunto doppio"), also mit drei Themen und Stimmenvertauschung, wobei ein Thema mit vier Vierteln auf d beginnt; dieser Kopf klingt immer mal wieder aus dem dichten Stimmengewebe heraus, wenn von Trp. & Pk. markiert.
Nach etwa 120 Takten eifriger kontrapunktischer Arbeit kehrt dieser Beginn so ähnlich wieder, führt nun aber zur Wende nach Dur. Das erneute Fugato erweist sich aber nur als Anlauf, das Schlußwort gehört den klopfenden Vierteln vom Anfang.
Man mag die Kombination der "gelehrten" Sätze 2 und 4 in d-moll mit den beiden leichteren D-Dur-Sätzen inhomogen finden, ich meine, daß dieses knappe Werk dennoch insgesamt sehr geschlossen und konzentriert wirkt.
Seit langem einer meiner Favoriten.
JR