Nicht nur Kängurus und Ayers Rock - Musik aus Down Under

  • Jawoll!


    Auch der fünfte Kontinent unseres blauen Planeten beheimatet so einige Musikschaffende, von denen manche zu Bekanntheit auch außerhalb ihres Landes gelangten, manch andere eher weniger. Dieser thread möge ein Licht auf deren Werke und Leben werfen und ist - ähnlich dem "Nordlichter-thread" - als Appetizer gedacht.


    Ich starte selbst mit einem Komponisten, der durch ein einziges Werk für relativ kurze Zeit über die Landesgrenzen hinaus bekannt wurde:


    John Antill (1904-1986)


    In der Tat kennt man John Antill außerhalb Australiens aufgrund eines einzigen Werkes: Corroboree. Ursprünglich als Ballettmusik konzipiert, wurde die Fassung als Konzert-Suite 1946 unter Eugene Goossens uraufgeführt, während die Premiere des Balletts bis 1950 auf sich warten lassen musste.


    Doch was hat es mit dem seltsam anmutenden Titel auf sich??
    Corroboree bezeichnet ein traditionell-zeremonielles, häufig sakrosanktes Treffen der Aborigines, Interkation findet durch Tanz, Kostüm und Spiel statt. Das Wort ist eine Schöpfung europäischer Einwanderer, die es dem Original der Aborigines - caribberie - abgelauscht haben. Oft ist Aussenstehenden weder Teilnahme noch Zuschauen erlaubt.
    John Antill, 1904 in Sidney geboren, gehörte als achtjähriger Knirps zu einem erlesenen kleinen Kreis eingeladener Gäste - ein Erlebnis, das ihn nachhaltig beeinflusst haben muss und ihn gut dreißig Jahre später eben zu diesem Ballett inspirierte.
    So vermischt Antill traditioneller Elemente (u.a. Instrumentierung) mit Techniken und Formen der europäisch-abendländischen Musik.
    Sucht man nach Einflüssen, so wird man hie und da bei Stravinsky, vielleicht auch bei Bartok fündig. Dennoch besitzt Antills Werk eine - wie ich finde - durchaus originäre Sprache, die sich nicht im bloßen Exotismus fremdartiger Instrumente erschöpft.


    Wie so häufig, kann ich mir durchaus vorstellen, daß die eh schon spannende Konzert-Suite als Ballettmusik noch deutlich gewinnt.


    Einspielungen gibt es derzeit zwei:


    1. die Uraufführung durch Eugene Goossens


    2. Einspielung jüngeren Datums unter James Judd:


    Außerdem liegt die Goossens-Einspielung als "DVD ohne Bildmaterial" vor, worunter ich mir ehrlich gesagt weniger vorstellen kann:


    Wie bereits angedeutet: Corroboree ist das einzig auch außerhalb, vielleicht sogar innerhalb Australiens bekannt gewordene Werk des Komponisten. Auf der Naxos-Scheibe gesellt sich noch die "Outback-Overture" hinzu, weitere Werke finden sich im deutsprachigen Wikipedia-Eintrag gelistet. Wer an einem kurzen biographischem Abriss interessiert ist, dem empfehle ich die englishe Wikipedia-Präsenz und die dort angegebenen Links zu konsultieren.


    :hello:
    Wulf

  • Hallo Wulf,


    danke für diesen Thread - ich habe kürzlich mal nach einem solchen gesucht, bin aber damals noch nicht fündig geworden.


    Ich selbst muss gestehen, dass ich noch nicht besonders viel aus Australien kenne, bin bloß kürzlich mit ein paar Werken in Berührung gekommen, die bei mir zum Teil eher gemischte Gefühle hervorgerufen haben. Ich schildere mal das, was mir im Gedächtnis geblieben ist:


    Ziemlich interessant fand ich Peter Sculthorpe - ich kenne ein Klavierkonzert, das ich mir aber noch mal anhören müsste, und eine mehrsätzige "Music for Federation" für Orchester. Letztere hat ein ziemlich prägnantes, kantiges Hauptthema, das leider gegen Ende etwas arg süßlich behandelt wird (nun, das soll wohl die "Federation" darstellen). Aber trotzdem fand ich diese (nicht besonders moderne) Musik ingesamt so ansprechend, dass ich mich bei Gelegenheit näher damit beschäftigen werde. Zusammen mit Sculthorpe habe ich ein Konzert für zwei Klaviere und Orchester von Malcolm Williamson kennen gelernt, das ich auch recht ansprechend fand - es ist neoklassizistisch geprägt und nicht ohne Esprit.


    Nun muss ich gestehen, dass der dritte australische Komponist, dem ich bisher begegnet bin, mich alles andere als begeistert hat: es handelt sich um einen gewissen Ross Edwards, Jahrgang 1943. Was ich von ihm gehört habe, fand ich ehrlich gesagt ausgesprochen langweilig. Seine erste Sinfonie habe ich nach etwa acht Minuten wogender e-moll-Akkorde wieder ausgestellt, und was ich sonst so gehört habe, war leider auch nicht viel interessanter. Es soll wohl in Richtung Naturmystik gehen... Musikalisch ist es aber doch größtenteils sehr konservativ und meiner Ansicht nach höchstens solide. Ich will nicht ausschließen, dass ich mich dabei auch täuschen kann, aber ich hatte nach ein paar Werken keine größere Lust mehr, mir das alles zu Gemüte zu führen.


    Besonders viel kenne ich also nicht. Deine Beschreibung der Musik Antills (den ich vorher noch nicht kannte) hört sich aber gar nicht übel an, ich werde mir diesen Komponisten mal vormerken.


    Viele Grüße
    Holger

  • Lieber Wulf,
    Der "Sacre" ist also in seiner australischen Übersetzung zu Dir gedrungen. Wundert mich keineswegs. War eher eine Frage der Zeit.
    Ich halte "Corroboree" für ein verdammt gutes Werk, und wenn man Antill glaubt, daß er den "Sacre" nicht kannte, staunt man umso mehr. Die Goossens-Aufnahme habe ich auf Platte, es handelt sich um eine Suite, während Naxos komplett ist. Ich rate zu Naxos, das Werk ist es wert, ganz gehört zu werden.


    Und jetzt fang' ich an, Euch zu quälen mit Neid und Mißgunst. Ja, so bin ich.
    Nämlich: Wenn's um australische Musik geht, sollte man zwei Opern kennen, die man aber nur noch zu astronomischen Preisen auftreiben kann.


    Eine davon ist "Judith" von Goossens. Klingt, als habe Holst die Strauss-"Salome" bearbeitet. Was ja nicht eben als Schaden erachtet werden kann. Kurz: Ein Exzeß an Klang und Rhythmus, dazu schwelgerische Kantilenen. Spieldauer: 80 Minuten. Eine hervorragende Aufnahme gab's bei EMI Australia - leider nie auf CD umgeschnitten worden.


    Eine andere Oper gab's auf CD (Philips) - jetzt ist sie gestrichen - und auch die ist ein Knaller: "Voss" von Richard Meale. Meale kommt aus dem Boulez-Umfeld und hat auch die erste australische Aufführung des "Marteau" dirigiert. Im Zuge der Postmoderne machte er einen Schritt zurück (oder nach vorne, wer kann das schon so genau sagen?) und schreibt eine Musik, die irgendwie von Messiaen herkommt, was die dichte Akkordik und mitunter die Behandlung des Schlagzeugs betrifft, aber melodisch eher an Mahler orientiert ist. Mich erinnert "Voss" stark an Hersants "Karpathenschloß", das ich ja auch sehr, sehr schätze.


    :hello:

    ...

  • Lieber Hoger,


    ich hätte die Flinte eigentlich auch ins Korn werfen können, kenne ich doch auch eine (von meinem Bruder sehr geschätzte) CD mit Klavierkonzerten australischer Komponisten, u.a. Sculthorpe und wenn ich mich nicht täusche Williamson und Edwards. Vielleicht handelt es sich sogar um die gleiche CD, bis auf ein Werk (glaube, es war der Sculthorpe) konnte der Rest micht nicht wirklich begeistern.


    Von Antill bzw. Corroboree und dessen Geschichte habe ich durch eine Kritik auf classicstoday erfahren und war von da an einfach nur neugierig. An die Australien-KK-CD habe ich gar nicht mehr gedacht. Mich stachelt sowas eher an, frei nach dem Motto: "Auch dort muss es doch Musik geben, die mich zu begeistern vermag" .- etwas, was nicht vordergründig mit Klischees daherkommt.
    Und siehe da: es wurde Antills Corroboree. :yes:


    Lieber Edwin,


    danke für die wichtige Ergänzung bzgl. Naxos. Eine dieser Neuveröffentlichungen, über die man sich richtig freuen kann. Für wenig Geld das ganze Werk in einer sehr gelungenen Intepretation, wie ich finde. James Judd zählt man vielleicht nicht zu DER crème de la crème der Dirigenten, aber hier scheint er wohl wirklich in seinem Element zu sein. Ich denke, die Einspielung des Werkes ist ihm eine Herzensangelegenheit. Und so motiviert er das New Zealand Symphony Orchestra (irgendwie naheliegend) zu formidablen Spiel.


    :hello:
    Wulf