Günter Kochan verstorben

  • Hallo,


    als ich eben bei Wikipedia vorbeischaute, musste ich mit einiger Betroffenheit zur Kenntnis nehmen, dass der von mir sehr geschätzte Komponist Günter Kochan gestern im Alter von 78 Jahren verstorben ist.


    Ich weiß nicht, wie vielen Mitgliedern seine Musik wirklich bekannt ist (ein paar dürften es schon sein); ich persönlich habe sie jedenfalls in den letzten Jahren sehr zu schätzen gelernt: hoch expressiv und packend, nicht unbedingt avantgardistisch, aber doch durchaus modern. Ich habe mir mittlerweile einige seiner Werke auch als Partitur zugelegt, weil ich diese hoch interessante Musik gerne näher studieren möchte.


    Kochan ist in der DDR eine Größe gewesen; dass er heute etwas in Vergessenheit geraten ist, liegt sicherlich auch an seiner eindeutigen politischen Positionierung, die aber bei der Bewertung seiner Musik keine Rolle spielen sollte. Werke wie die Zweite, Vierte oder Fünfte Sinfonie, die Kantate "Die Asche von Birkenau" oder die beiden Musiken für Orchester ("In Memoriam" und "Und ich lächle im Dunklen dem Leben") sind einfach sehr hörenswert, wie ich finde.


    Da ich im Moment leider wenig Zeit finde, folgt eine angemessene Würdigung später; vorerst begnüge ich mich mit diesem Hinweis.


    Viele Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    vielen Dank für diesen Hinweis. Kochan ist mir durch "Die Asche von Birkenau" bekannt, ein Werk, das ich sehr schätze. Merkwürdigerweise habe ich mich nie gefragt, ob sein Schöpfer noch unter den Lebenden weilt. Nun also ist sein Ableben zu beklagen.


    Daß ein Bekenntnis zum Sozialismus einem Künstler zum Nachteil gereicht (Herbert Kegel war ja auch so ein Fall) spricht gegen die bewertende Gesellschaft, nicht gegen den Komponisten.


    Möge er in Frieden ruhen; seinen Frieden vor der Gesellschaft hat er nun.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Holger,


    wie immer eine traurige Nachricht. Ich besitze von Kochan den UA-Mitschnitt seiner 2. Symphonie im Rahmen der Musik-Biennale 1969 - erschienen in der Reihe Musik in Deutschland 1950-2000. Außerdem besitze ich Kopien seiner Musik für Orchester Nr. 1 "In Memoriam" als auch seiner 4. Symphonie zur Sicherheitsverwahrung für einen RussischenMusikKenner, der zufälligerweise den gleichen Namen trägt wie Du. :D
    Bisher habe ich den beiden Werken noch kein Ohr geliehen, das wird in den nächsten Tagen umgehend geändert. Ein Anlass, wenn auch ein trauriger.


    :hello:
    Wulf

  • Zum Tode von Günter Kochan findet sich ein sehr lesenswerter Artikel von Stefan Amzoll in der Tageszeitung "Junge Welt" unter der Überschrift "Lächeln im Dunkeln":


    http://www.jungewelt.de/2009/02-26/047.php?sstr=kochan


    Ich persönlich habe leider nur ein Werk von Ihm auf Tonträger; und zwar seine Zweite Sinfonie mit dem Berliner Sinfonie-Orchester unter Kurt Sanderling vom März 1970 in einer Berlin Classics-Aufnahme. Ich habe das Werk lange Zeit nicht mehr gehört und von daher keine Erinnerung mehr daran. Es ist eine einsätzige Sinfonie mit einer Dauer von 16:27 Min. Sie ist in einer 3-CD-Box namens "Musik in der DDR" enthalten (Vol. I "Musik für Orchester"), zusammen mit Werken von Goldmann, Zimmermann, Kurz, Matthus, Dittrich, Bredemeyer, Gerster, Wagner-Régeny, Schenker, Katzer und Zechlin. Jedes Werk auf diesen CDs ist m.E. von Interesse, und sei es auch nur unter historischen Gesichtspunkten. Die "Festouvertüre 1948" von Ottmar Gerster ist fast schon ein Reißer von 6:32 Min. Länge, der es verdient hätte, endlich bekannter gemacht zu werden. Die "Landschaften für großes Orchester" von Friedrich Schenker (übrigens ein Schüler von Kochan) und "Einleitung und Ode für symphonisches Orchester" von Rudolf Wagner-Régeny sind ebenfalls fantastische Werke mit einem sehr eigenständigen Stil.
    Günter Kochan war Meisterschüler von Hanns Eisler und komponierte wie dieser auch zahlreiche Arbeiterlieder, die heute natürlich in Vergessenheit geraten sind. Daß Kochan überzeugter Kommunist war, sollte Ihn gerade in heutiger Zeit nur noch interessanter machen.



    Agon

  • Hallo!


    Agon, ich danke dir für den Link - eigentlich hatte ich mir fest vorgenommen, die Internetseite der Jungen Welt, einer Zeitung, die ich durchaus interessant finde, auf einen Nachruf hin zu überprüfen, bin aber irgendwie davon abgekommen. Von daher ist es schön, dass du auf diesen Artikel abseits der gängigen Nachrufe hinweist.


    Allerdings enthält er zumindest ein sachliches Defizit: die Mendelssohn-Variationen sind nämlich keinesfalls in den 1980ern, sondern bereits 1971/72 entstanden. Damit verschiebt sich die Aussage über einen stilistischen Umbruch auch etwas. Ich mache mir über eine etwaige Kategorisierung von Kochans Ouevre schon länger Gedanken und finde diese Aufgabe nicht so einfach, wie es zunächst scheinen mag. Vielleicht ist eine Einteilung gemäß Jahrzehnten hilfreich.


    Ein paar persönliche Anmerkungen möchte ich mir noch erlauben.


    Die Mendelssohn-Variationen sind das letzte Werk Kochans, das ich vor seinem Tod gehört habe - und zwar in genau der Woche, in der er auch verstorben ist. Gestern habe ich sie noch einmal gehört, in der Tat ein fantastisches Werk.


    Die Edition von Berlin Classics habe ich natürlich auch, und Kochans Zweite Sinfonie ist in der Tat ganz vorzüglich. Wagner-Régenys Einleitung und Ode ist ein Werk, das ich ebenfalls sehr gerne mag (und dementsprechend oft höre).


    Mit Kochans politischen Ansichten habe ich persönlich nicht das geringste Problem.


    Viele Grüße
    Holger

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  • Zitat

    Original von Wulf
    Ich besitze von Kochan den UA-Mitschnitt seiner 2. Symphonie im Rahmen der Musik-Biennale 1969 - erschienen in der Reihe Musik in Deutschland 1950-2000.


    Ja, die hab ich auch, ganz nett, ein paarmal gehört.
    :hello: