Placido Domingo - Plus Ultra

  • Natürlich soll man in einem Klassik-Forum darüber diskutieren. Denn hier geht es um das Kulturleben. Und selbstverständlich sind die Vorgänge aufzuklären. Nur geht es um Dinge, die mehrere Jahrzehnte zurück liegen. Aus der letzten Zeit sind keine solchen Vorwürfe bekannt. Wieso ein Domingo Auftritt heute eine Gefahr darstellen und man deshalb wie in den USA geschehen seine Konzerte absagen soll, ist erst einmal kaum einsichtig. Der Mann hat schließlich viel für den Erfolg der Opernhäuser getan, die ihn jetzt so schnell chassen. Das sieht dann stark nach einer Ächtung und Vorverurteilung aus bzw. typisch puritanischer Saubermann-Mentalität. Erst lässt man die Dinge Jahrzehnte so laufen und dann auf einmal sorgt man sich ums Image, sehr opportunistisch und lässt die Person, der man so viel verdankt, fallen wie eine heiße Kartoffel. Der Presse kann man gar keinen Vorwurf machen finde ich. Das ist in unserer Mediengesellschaft normal. Promis haben nun mal ein öffentliches Leben.


    Schöne Grüße

    Holger

  • Nachtrag: Die Annahme, dass die Unschuldsvermutung genauso für einen Beschuldiger gelte wie den Beschuldigten, finde ich einigermaßen seltsam. Erst einmal wird eine Schuld nur dem Beschuldigten gegeben und nicht dem Beschuldiger. Wenn mit dieser Gleichstellung allerdings ein Schutz des Beschuldigers gemeint sein soll, dass seine Anschuldigung als gerechtfertigt zu gelten hat, nur weil sie eine Anschuldigung ist mit dem Hintergrund in diesem Fall, dass Frauen die Männer beschuldigen grundsätzlich unschuldig sind weil als Opfer zu gelten haben, dann ist das ein Verstoß gegen die Beweislastverteilungsregel: Wer jemand eines Vergehens und einer Straftat beschuldigt, trägt die Beweislast und nicht der Beschuldigte. Genau das schützt eben auch die Unschuldsvermutung und unseren Rechtsstaat. Die Unschuldsvermutung ist immer eine "Einbahnstraße". Natürlich kann man die Frauen ebenso wenig einfach beschuldigen, vorsätzlich eine Falschaussage zu machen. Das tut aber keiner, solange nur die Berechtigung solcher Vorwürfe angezweifelt wird.



    Schöne Grüße

    Holger

  • Natürlich kann man die Frauen ebenso wenig einfach beschuldigen, vorsätzlich eine Falschaussage zu machen. Das tut aber keiner, solange nur die Berechtigung solcher Vorwürfe angezweifelt wird.

    Die Sache ist ganz einfach: Bis zum Beweis des Gegenteils hat Herr Domingo nicht als Sittenstrolch oder Belästiger zu gelten, die Damen, die ihn beschuldigen, allerdings auch nicht als Lügnerinnen oder Verleumderinnen. Beides geschieht aber derzeit mit zum Teil ehrabschneidenen Vokabular in den sozialen Medien und beides ist gleichermaßen unerträglich.

  • Die Sache ist ganz einfach: Bis zum Beweis des Gegenteils hat Herr Domingo nicht als Sittenstrolch oder Belästiger zu gelten, die Damen, die ihn beschuldigen, allerdings auch nicht als Lügnerinnen oder Verleumderinnen. Beides geschieht aber derzeit mit zum Teil ehrabschneidenen Vokabular in den sozialen Medien und beides ist gleichermaßen unerträglich.

    Da bin ich mit Dir völlig einig! Bauschmerzen machen mir auch weniger die Individuen, die das Recht natürlich haben, dass Ihnen Gerechigkeit widerfährt. Problematisch finde ich die Kultur der Verdächtigung, wo die Grenzen zwischen berechtigten und unberechtigten Vorwürfen, zwischen Anschuldigung und Vorverurteilung verließen. Dann gibt es eben beides: Dämonisierung und Verharmlosung und die Gerechtigkeit bleibt auf der Strecke. Wenn von 10 Vorwürfen nur einer berechtigt ist, hat es dieser eine um so schwerer, glaubwürdig zu erscheinen. Deswegen finde ich, dass es Zeit ist, sich über die Kultur Gedanken zu machen und sie so zu verändern, dass all das gar nicht erst entsteht und klare Regeln im Umgang mit solchen Fällen zu finden, die eben diese ungemütliche Zeideutigkeit nicht haben.


    Schöne Grüße

    Holgerl

  • Sehr lesenswert:


    https://www.swr.de/swr2/musik-…ingo,av-o1145529-100.html


    Daraus:


    Zitat

    Wer Plácido Domingo verurteilt, macht einen Fehler

    Viele MeToo-bewegte Geister sagen da: „Warum denn nicht? Geschieht ihm recht! Elender Grabscher!“ Diese selbstgerechten Ankläger machen einen fundamentalen Fehler: Placido Domingo hat weder wie James Levine Kinder missbraucht noch junge Mädchen verführt wie Epstein, er hat Frauen nicht Gewalt angetan wie Weinstein oder Künstlerinnen erpresst.

    Die Sängerin Patricia Wulf, die einzige der neun Frauen, die sich namentlich äußert, hat im Interview des National Public Radio wörtlich erklärt: Domingo habe es immer wieder bei ihr versucht, sie habe deutlich „nein“ gesagt und hätte deshalb keine beruflichen Nachteile gehabt. Sie habe dennoch in der Zauberflöte und im Don Carlo gesungen. Trotz ihrer Weigerung, mit ihm ein Verhältnis zu beginnen. Und sie ginge jetzt, nach so langer Zeit, nur deshalb an die Öffentlichkeit, um jungen Künstlern zu vermitteln: Ihr dürft ablehnen und „nein“ sagen. Es passiert Euch nichts.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • zumindest ein (inzwischen gelöschtes) Urteil hat es ja auch gegeben ...

    ….. auf das Du mächtig stolz sein kannst! Ein Lob aus dieser Ecke kommt einem Ritterschlag gleich. Schade, daß es gelöscht wurde, sonst hättest Du es ausdrucken und in Goldrahmen fassen lassen können. So ein Pech aber auch ….

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Und auch in dieser Rubrik scheint der User "nemorino" nur rumstänkern zu wollen, ohne auch nur das Geringste zum Thema beisteuern zu können...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wirklich lesenswert! Vor allem finde ich es mehr als bedenklich (was in den Domingo-kritischen Beiträgen hier unterschlagen wurde) dass die Beschuldigungen anonym sind. Nun werden schon Berufsverbot erteilt wegen anonymer Anschuldigungen! Hier geht MeToo zu weit. Man regt sich über die Burka auf aber genau das ist eine vollverschleierte Anklage! Indiskutabel!


    ST Holger

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  • Lest doch mal bitte genau - von Beginn war davon die Rede, dass nur Patricia Wulf ihren Namen hergegeben hat - eben weil sie damals stark genug war, nein zu sagen: „Acht der neun Frauen legen Wert auf ihre Anonymität. Einzig die Mezzosopranistin Patricia Wulf, heute 61 Jahre alt, steht namentlich zu den Vorwürfen gegen den achtundsiebzigjährigen Künstler. Keine der Frauen kann Dokumente für die Vorfälle, also Notizen, Fotos, Sprachaufzeichnungen vorlegen. Die Datierungen sind aber von AP überprüft und durch Hotelbuchungen sowie Besetzungspläne bestätigt worden; zudem gäbe es Aussagen von Kollegen, die ähnliche Verhaltensweisen von Domingo beobachtet hätten. (FAZ)


    Es wurde also recherchiert und geprüft und ist nicht aus der Luft gegriffen. Einen Prozess wird es eh nicht geben.

    Was mich wirklich empört, ist, dass Frauen, die diese Kraft von Patricia Wulf nicht hatten, dafür jetzt großspurig verurteilt werden.

    Aber es sind nicht sie, die sich - mutmaßlich - etwas zu Schulden haben kommen lassen.


    Viele Grüße, Christian

  • Lest doch mal bitte genau - von Beginn war davon die Rede, dass nur Patricia Wulf ihren Namen hergegeben hat - eben weil sie damals stark genug war, nein zu sagen...

    Ich kann das Erstaunen von Holger auch nicht nachvollziehen, insbesondere, da der Ausgangsartikel ja hier von Anfang an Gegenstand der Diskussion war. Wer den gelesen hat, wusste, wer sich namentlich geäußert hat und wer nicht.

  • Es wurde also recherchiert und geprüft und ist nicht aus der Luft gegriffen.

    Selbst in den USA mehren sich inzwischen die kritischen Stimmen gegenüber diesem Ausgangsartikel.


    https://www.wsws.org/en/articles/2019/08/17/plac-a17.html


    Ich erlaube mir, einen Teil daraus in Übersetzung durch ein im Internet frei zugängliches Übersetzungsprogramm zu zitieren:


    Zitat

    Geckers AP-Artikel ist ein Versuch, Domingo's Karriere und Ansehen zu beschmieren und zu schädigen. In der bereits altehrwürdigen, McCarthyite-Manier der #MeToo-Kampagne wird jede Frau zitiert, außer einer Frau, die anonyme Behauptungen aufstellt. Außerdem könnte "keine der Frauen", räumt Gecker ein, "Unterlagen wie Telefonnachrichten anbieten".

    Patricia Wulf, die einzige der Anklägerinnen, die ihren Namen genannt hat, bestätigt in einem separaten Interview mit NPR, dass Domingo sie nie unangemessen berührt oder ihre Gesangskarriere in irgendeiner Weise verletzt hat. Er verfolgte sie, und sie wies ihn ab. Es ist schwer zu wissen, welche Strafe für ein solches Verhalten zu streng wäre!

    Es gibt wachsende Abscheu oder Misstrauen gegenüber den destruktiven, antidemokratischen Methoden der #MeToo Hexenjagd. Die AP-Geschichte über Domingo scheint eine etwas verspätete und müde, wenn auch bösartige, Anstrengung zu sein, Luft in einen zunehmend entleerten Ballon zu pumpen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • In dieser Diskussion haben sich - wenn ich nichts übersehen habe - nur Männer gemeldet. Das liegt wohl auch daran, dass weibliche Mitglieder im Forum leider eine Minderheit geworden sind, was ich beklage. :( Der uns als lesenswert empfohlene große Zeitungsbeitrag, der den Wind aus dem Vorgang um Domingo nehmen soll, ist von einem Mann geschrieben worden. Gibt es auch weibliche Vereidigungsreden in den Medien? Domingo hat seine internationale Karriere vor mehr als fünfzig Jahren gestartet. In diesem halben Jahrhundert haben sich die Umgangsformen und -regeln zwischen den Geschlechtern stark geändert. Der flotte Hecht stirbt aus. Und das ist gut so. Es gibt also auch ein positives Artensterbens. ;) Mir scheint, Domingo ist da etwas aus der Zeit gefallen. Er ist eine Marke geworden, ein Konzern. Wo solche Fülle ist, da kreisen auch die Geier. Er wäre gut beraten, sich am Ende seines erfolgreichen künstlerischen Lebens zurückzuziehen und Gutes im Stillen zu tun. Die Unschuldsvermutung wird ihn nicht retten, denn die greift in diesem Fall nicht so wie bei einem juristischen Verfahren, das es ja nicht gibt. Was immer alles dran oder nicht dran ist an den Vorwürfen, er wird sie nie mehr los. Wo immer er sich zeigt, wird man zuerst daran denken, zustimmend oder ihn in Schutz nehmend. Am Ende läuft es aufs Gleiche hinaus.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Ausserdem: Ändert es den Wert oder die Richtigkeit des Inhalts eines Artikels, wenn er von einem Mann oder eben einer Frau geschrieben wurde??? <X

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Maria Ossowski ist ein Mann? Wieder was gelernt! :hahahaha:

    The newest #MeToo atrocity: Opera singer Plácido Domingo comes under attack

    "By David Walsh
    17 August 201"


    Habe ich das missverstanden?

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Danke, Christian, für den Hinweis. Hole ich sofort nach.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich kann das Erstaunen von Holger auch nicht nachvollziehen, insbesondere, da der Ausgangsartikel ja hier von Anfang an Gegenstand der Diskussion war. Wer den gelesen hat, wusste, wer sich namentlich geäußert hat und wer nicht.

    Darüber bin ich nun erstaunt! Anschuldigungen, die strafrechtlich relevant sind, haben in einem Rechtsstaat öffentlich und nicht anonym zu sein! Denn sonst ist das eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte. Der Beschuldigte hat sonst nämlich keine Möglichkeit, sich zu verteidigen. Und noch haarsträubender ist, dass öffentliche Institutionen wie eine Oper das als rechtsrelevant einstufen und ein Berufsverbot erteilen. Dann können Nachbarn einen Polizisten anonym beschuldigen, er sei alkoholisiert Auto gefahren und er wird deshalb von Dienst suspendiert. Und dann übt eine Institution, ein Opernhaus, Selbstjustiz (bei der katholischen Kirche kritisiert man das zu Recht, aber hier gelten offenbar andere Maßstäbe), macht aber zur Grundlage ihrer Entscheidung nicht die öffentliche Äußerung, welche Domingo entlastet, sondern die anonym belastenden. Das ist erst einmal willkürlich und ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Und weiter fragt man sich, warum die Institution die Anonymität schützt. Die Frauen hätten keinerlei Nachteile aus der Anonymität herauszutreten, denn die Vorgänge liegen fünf Jahrzehnte zurück und es schützt sie auch noch MeeToo-Solidarität. Ihre Karriere ist zudem längst beendet. Auch beruflich hätten sie keinerlei Nachteile. Die einzige plausible Antwort ist, dass sie sich durch die Anonymität davor schützen wollen, dass der Beschuldigte Rechtsmittel einlegt, also einstweilige Verfügungen erwirkt oder Klage einreicht. Das aber ist Rechtsvereitelung und nicht hinnehmbar und mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats nicht vereinbar.


    Schöne Grüße

    Holger

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  • Die Frauen hätten keinerlei Nachteile aus der Anonymität herauszutreten, denn die Vorgänge liegen fünf Jahrzehnte zurück und es schützt sie auch noch MeeToo-Solidarität. Ihre Karriere ist zudem längst beendet. Auch beruflich hätten sie keinerlei Nachteile. Die einzige plausible Antwort ist, dass sie sich durch die Anonymität davor schützen wollen, dass der Beschuldigte Rechtsmittel einlegt, also einstweilige Verfügungen erwirkt oder Klage einreicht. Das aber ist Rechtsvereitelung und nicht hinnehmbar und mit den Grundsätzen eines Rechtsstaats nicht vereinbar.

    Lieber Holger,


    den Schritt aus der Anonymität heraus an die Öffentlichkeit ist doch der schwierigste überhaupt - denn er beinhaltet das Eingeständnis, dass man sich auf die Angebote und Nachstellungen eingelassen hat. Das man schwach war und sich Vorteile erhofft hatte. Dass man eben nicht widerstehen konnte. Oder in anderen Fällen: Dass man missbraucht wurde (aber darum geht es hier nicht). Auch in meiner Branche haben nur sehr wenige diesen Schritt geschafft. Nicht von ungefähr hat hier nur Patricia Wulf diesen Schritt getan, denn sie hat damals nein gesagt. Die anderen haben das nicht geschafft. Warum nur ist es so schwer, diese Scham nachzuvollziehen? Statt dessen wird hier über die Opfer Hohn ausgeschüttet. Eben deshalb der Wunsch nach Anonymität. Ich kann das sehr gut verstehen und verweise noch einmal auf den guten Beitrag auf Capriccio von Herrn Zeyn.

    Es geht eben nicht um justiziable Vorgänge. Auch der Prozess um Weinstein führte ja zu keinem Ergebnis, auf dieser Ebene ist nichts auszurichten.


    Viele Grüße

    Christian

  • Lieber Christian,


    die Scham sehr gut nachvollziehen kann ich bei wirklichen Missbrauchsopfern. Wo die Scham aber zum erheblichen Teil das eigene Fehlverhalten betrifft wie hier, ist das einfach eine Doppelmoral. Es ist nämlich auch schamlos, Jemanden aus der Anonymität heraus so massiv zu beschuldigen. Der Betreffende nimmt dadurch erheblichen Schaden. Das nimmt man aber gerne in Kauf, weil es einen selbst nicht betrifft. Rücksichtnahme gegenüber sich selbst und den eigenen Empfindlichkeiten, aber nicht gegenüber Anderen. So etwas zeugt von mangelnder Ehrlichkeit gegenüber sich selbst, von mangelnder Zivilcourage und ist mit einem Wort gesagt hinterhältig und feige. Solche Maßstäbe sollten eigentlich unabhängig davon gelten, ob Mensch Mann oder Frau ist. Aber offenbar sind wir soweit in der öffentlichen Meinung, dass der Mythos der Frau als dem "schwachen Geschlecht" dazu führt, dass ein solches feiges und selbstverlogenes Verhalten bei einer Frau als heroische Tat der Selbstverteidigung gebilligt wird, was man bei einem Mann natürlich verurteilen würde. Das aber ist letztlich eine Moral des Ressentiments, wo mit Friedrich Nietzsche gesprochen die Schwäche zum Verdienst umgelogen wird. Ich glaube auch kaum, dass eine Simone de Bauvoir so etwas gut geheißen hätte, würde sie das miterleben müssen.


    Schöne Grüße

    Holger


  • Der uns als lesenswert empfohlene große Zeitungsbeitrag, der den Wind aus dem Vorgang um Domingo nehmen soll, ist von einem Mann geschrieben worden. Gibt es auch weibliche Vereidigungsreden in den Medien?

    Der von mir als "sehr lesenwert" in Beitrag 365 verlinkte Artikel, auf den du in deinem Beitrag 374 selbst nochmel einen Link gesetzt hast (also auf meinen Beitrag 365) ist namentlich gezeichnet von der RBB-Kulturredakteurin Maria Ossowski!


    The newest #MeToo atrocity: Opera singer Plácido Domingo comes under attack "By David Walsh
    17 August 201"


    Habe ich das missverstanden?

    Offensichtlich ja, denn das ist ein anderer Artikel, den ich in Beitrag 373 verlinkt habe.


    Maria Ossowski ist eine Frau. Das ist aber eigentlich völlig unerheblich. Der Inhalt eines Artikels, seine Gültigkeit und Richtigkeit ist überhaupt nicht abhängig vom Geschlecht des Schreibenden. Wer das nicht begreift, ist von der Gleichbehandlung der Geschlechter noch meilenweit entfernt.


    Domingo hat seine internationale Karriere vor mehr als fünfzig Jahren gestartet. In diesem halben Jahrhundert haben sich die Umgangsformen und -regeln zwischen den Geschlechtern stark geändert. Der flotte Hecht stirbt aus. Und das ist gut so. Es gibt also auch ein positives Artensterbens. ;)

    Und auch das ist nur frommes Wunschdenken: Es mag sicher stimmen, dass das bei einem Teil der Menschheit (nennen wir ihn die "westliche Zivilisation", was aber so in toto auch nicht stimmt) so ist, aber dieser Teil wird kleiner und der Anteil derer, bei denen das nicht so ist, wird immer größer. Höre dich doch heute mal auf Berliner Schulhöfen um! Und in Berlin hat man sich ja beinahe schon daran gewöhnt, wenn vom nächsten Ehrenmord eines Bruders an seiner Schwester berichtet wird, weil diese sich in den Augen ihrer Familie durch die Wahl ihres (unwürdigen) Geliebten "ehrlos" gemacht hat. Ehre ist diesen Menschen weit wichtiger als das Leben einer Frau. Der Automatismus, den du meinst erkennen zu können, ist also so keinesfalls empirisch ablesbar, eher nehmen die "Strömungen", bei denen die Männer den Frauen keine Gleichberechtigung zugestehen, zahlenmäßig deutlich zu, nicht nur in Berlin, sondern überall auf der Welt. Und im Vergleich zu solchen "Ehrenmorden", die immer von Männern an Frauen verübt werden - oder anderen Strafen, die Frauen etwa in islamisch geprägten Ländern bei "unsittlichem Verhalten" erleiden müssen, ist der Fall Domingo nun wirklich harmlos.


    Die Unschuldsvermutung wird ihn nicht retten, denn die greift in diesem Fall nicht so wie bei einem juristischen Verfahren, das es ja nicht gibt. Was immer alles dran oder nicht dran ist an den Vorwürfen, er wird sie nie mehr los. Wo immer er sich zeigt, wird man zuerst daran denken, zustimmend oder ihn in Schutz nehmend. Am Ende läuft es aufs Gleiche hinaus.

    Und genau das ist es, was immer mehr Menschen gerade nicht mehr bereit sind zu akzeptieren: Dass die konzertierte Aktion von zwei Handvoll Menschen die Laufbahn eines Künstlers und Menschen zerstören kann und soll, ohne dass dieser überhaupt eine Chance hat, sich effektiv dagegen zu wehren. Bei den frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen hatte die als Hexe Beschuldigte bei der "Wasserprobe" auch keine Chance: Entweder ging die unter, dann wurde die Ertrunke nachträglich von Schuld freigesprochen, oder sie ging nicht unter, dann wurde sie verbrannt. Solche öffentliche Stürme, bei denen das Ende so oder so feststeht und dem Beklagten keine Chance bleibt, sind inakzeptabel!


    Insofern finde ich deinen morgendlichen Beitrag Nr. 374 gleich in mehrfacher Hinsicht völlig daneben! :thumbdown:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Da sehr auführlich auf meinen Beitrag zum Thema eingegangen wurde, fühle ich mich auch genötigt, etwas zu erwidern. Mein Irrtum, die Autorenschaft eines Zitats betreffend, dürfte sich geklärt haben. Inhaltlich aber habe ich über das hinaus, was von mir zu hören war, nichts mehr zu sagen. Es ist mir auch völlig egal, was Stimmenliebhaber dazu anzumerken hat.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ein - wie ich finde - sehr interessant geschriebener Artikel aus dem "Van Magazin" (das Presseorgan, das auch die Barenboim-Diskussion ins Rollen gebracht hat), der sich kritisch mit autoritären Mustern im Kulturbereich und auch mit dem Artikel von Frau Ossowski auseinandersetzt:


    https://van.atavist.com/domingo


    Die Los Angeles Opera hat unterdessen eine Rechtsanwältin engagiert, die die Untersuchungen in der "Causa Domingo" führen sollen:


    https://www.latimes.com/entert…-behind-usc-investigation

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  • Ein - wie ich finde - sehr interessant geschriebener Artikel

    Beim Wort "interessant" muss ich unwillkürlich an eine Anekdote in Adolf Dresens Buch "Wieviel Freiheit braucht die Kunst?" denken: Dresden fragte einst den damaligen DT-Intendanten Wolfgang Heinz, wie er sich denn als Intendant verhalte, wenn ein Gastregisseur eine Inszenierung abliefere, die ihm persönlich nicht gefalle. Wie würde er sich auf der Premierenfeier diesem Gastregisseur gegenüber äußern? Die Antwort von Wolfgang Heinz: "Ich mache ihm gegenüber eine kurze Verbeugung und sage: Interessant!"


    Wenn ich nun konkret in diesem "interessanten" Artikel das lese:


    Zitat

    (zum Beispiel, in Domingos Fall, »Sex vor jedem Auftritt, um besser singen zu können«),

    dann wird mir klar, dass der Autor des Artikels, Hartmut Welscher, nicht den Hauch einer Ahnung von der Materie hat, über die er meint schreiben zu müssen.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wenn ich nun konkret in diesem "interessanten" Artikel das lese:

    ...

    dann wird mir klar, dass der Autor des Artikels, Hartmut Welscher, nicht den Hauch einer Ahnung von der Materie hat, über die er meint schreiben zu müssen.

    Das hat sich nicht Herr Welscher ausgedacht, sondern es ist eine, wenn auch in der Wortwahl etwas ungenaue (denn ums besser singen geht es nicht, sondern darum, überhaupt auftreten zu können) , Paraphrase aus dem Original-Artikel aus der "LA Times", wo eine der Frauen Domingo den Aberglauben unterstellt, "that he has to be with a woman before the show".

  • Kennst du irgendeinen männlichen Sänger, der ernsthaft der Meinung ist, dass Sex unmittelbar vor dem Auftritt leistungsfördernd sein könnte? Ich nicht. Von Sängerinnen habe ich so etwas zwar gehört, kann das aber auch nicht verifizieren. Im Falle eines männlichen Sängers finde ich das geradezu absurd.


    Und wenn Herr Welscher das nachbetet, zeigt sich doch, wie wenig Ahnung er von der Materie hat.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Vielen Dank für den Hinweis auf den sehr lesenswerten Van-Artikel! Ich möchte daraus den letzten Absatz zitieren:


    Die große Zahl derer, die in der Klassikwelt Opfer von sexueller Belästigung oder Machtmissbrauch geworden sind, wird die jetzige Diskussion nicht ermutigen, öffentlich und namentlich darüber zu sprechen. Im Gegenteil. Warum sich einer Öffentlichkeit aussetzen, die ihre Stars reflexhaft schützt und die mutmaßlichen Opfer reflexhaft diffamiert? Auch die, die einen grundsätzlichen Kulturwandel wollen, realisieren spätestens jetzt: Es wird lange dauern.“


    Hier noch die gesamte Recherche der AP mit den „unappetitlichen“ Details - das ist schon recht detailliert und meines Erachtens nicht zu ignorieren:


    https://www.apnews.com/7943ada7ec7d432da57e76fc38fae7b1


    Viele Grüße, Christian


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