Gundula Janowitz

  • Nun hielten sich gerade an der Komischen Oper zu ihrer hohen Zeit die stimmlichen Leistungen etwas in Grenzen, so dass ich mir nicht vorstellen kann, wo Ensemblemitglieder international hätten gastieren sollen? Es wurde nur in deutscher Sprache gesungen, oft in Felsensteins eigenen Übersetzungen, die mit anderen Inszenierungen nicht kompatibel waren. Da Felsenstein an einer Inszenierung monatelang arbeitete, bekam er meist nur Sänger, die sich das zeitlich leisten konnten, die bereit waren, auf andere Aufgaben zu verzichten. Dadurch "sperrte" er seine Sänger ein, um das mal etwas salopp zu bemerken. Und was Frau Priew anbelangt, so hätte ich schon gern gewusst welcher bedeutende Dirigent aus dem Westen mit ihr um die halbe Welt hätte reisen wollen. Wir müssen hier nicht betonen, wie fies es von der DDR gewesen ist, Menschen in Gefangenschaft zu halten. Auch daran ist sie schließlich verdient zu Grunde gegangen. Die Vorstellung aber, dass man sich im Westen um DDR-Sänger in größerem Maße gerissen hätte, wenn sie denn hätten international auftreten können, weil sie doch so gut waren, teile ich nicht. Das ist eine Legende. Diese Nachschub war mir wichtig, obwohl er nicht hierher gehört.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nun hielten sich gerade an der Komischen Oper zu ihrer hohen Zeit die stimmlichen Leistungen etwas in Grenzen, so dass ich mir nicht vorstellen kann, wo Ensemblemitglieder international hätten gastieren sollen?

    Na, vielleicht nich an der MET, aber doch an anderen mittleren europäischen Bühnen.

    Es wurde nur in deutscher Sprache gesungen, oft in Felsensteins eigenen Übersetzungen, die mit anderen Inszenierungen nicht kompatibel waren.

    Es gibt auch ein deutsches Fach, wo dieses Textproblem nicht vorkommt. Die DDR-Sänger, die im westlichen Ausland gastierten, taten dies ja auch fast ausschließlich im "deutschen Fach". (Auch darüber hat Wlaschiha in seiner da-capo-Sendung gesprochen - und das hatte nicht nur mit DDR zu tun, sondern mit allgemeinem Schubladendenken.)

    Und was Frau Priew anbelangt, so hätte ich schon gern gewusst welcher bedeutende Dirigent aus dem Westen mit ihr um die halbe Welt hätte reisen wollen.

    Das weiß ich auch nicht, ich weiß aber, dass viele berühmte Dirigenten häufig und gerne mit ihr zusammengarbeitet hatten. Sinopoli wollte sie 1992 als Kundry in einer an der Deutschen Oper Berlin geplanten "Parsifal"-Premiere, die sich dann durch das Zerwürfnis zwischen Friedrich und Sinopoli zerschlug. Danach sang sie die Kundry unter Sinopoli noch in Bayreuth und Dresden. Undglaubwürdig ist die Aussage also weiß Gott nicht!

    Wir müssen hier nicht betonen, wie fies es von der DDR gewesen ist, Menschen in Gefangenschaft zu halten. Auch daran ist sie schließlich verdient zu Grunde gegangen.

    Vielleicht müssen wir das ja hier doch nochmal betonen, das du ja wiederholt gerne so tust, als sei die Karriere einiger Sänger auch unter anderen Umständen incht größer gewesen. Halten wir also fest: Alle DDR-Bürger waren durch die politischen Umstände benachteiligt, also auch die in ihr lebenden und arbeitenden Opernsänger bezüglich ihrer Gastiermöglichkeiten.

    Die Vorstellung aber, dass man sich im Westen um DDR-Sänger in größerem Maße gerissen hätte, wenn sie denn hätten international auftreten können, weil sie doch so gut waren, teile ich nicht. Das ist eine Legende.

    Auch die Gastierpraxis mit der allgemeinen Künstleragentur wurde schon oft genug beschrieben. Die westlichen Bühnen konnten sich nie ganz sicher sein, ob sie den Sänger, den sie haben wollten, auch da haben würden - und die DDR-Sänger konnten sich nie sicher sein, ob sie von Angeboten, die sie betreffen überhaupt erfuhren. Das ich faktisch von dutzenden Sängern bestätigt und auch sonst leicht nachprüfbar.


    Für Legendenbildung scheinst eher du hier zuständig zu sein, nämlich mit deiner gebetsmühlenartig hier immer wieder geposteten Behauptung, dass die in der DDR arbeitenden Opernsänger auch ohne diese Karrierehindernisse wie Mauer, Stasi, staatliche Künstleragentur etc. auch nicht mehr gastiert hätten als so. Ich finde auch deinen Eifer erstaunlich, wie du das - schon alleine in dieser Rubrik - immer und immer wieder betonst. Was ich davon halte? Nun ja...


    Die "Waffenschmied"-Arie von Frau Ebert scheint mir jedenfalls ein Dokument dafr zu sein, dass sie auch an westlichen Bühnen in ihrem Fach mehr als konkurrenzfähig gewesen wäre.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Eines muss man Stimmenliebhaber ja lassen - die Zitierfunktion beherrscht er gut. :yes:

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ja, und das Faktische auch. :yes:


    Hätte ich nur polemisiert, hätte ich mich auf den Satz beschränken können, dass Frau Ebert und andere DDR-Opernsängerinnen durch die Mauer weit schwieriger dazu in der Lage waren, sich einen erfolgreichen Plattenproduzenten zu angeln... :hahahaha:


    Aber auch das hat nichts mit Frau Janowitz zu tun, also sollten wir diese Diskussion hier wirklich beenden, und wenn auch nur mit dem Minimal-Konsens, dass wir uns darüber einig sind, dass wir uns nicht einig sind. (Wobei die Fakten für sich sprechen.)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Für Gundula Janowitz stellte sich die Zusammenarbeit mit Leonard Bernstein bei Fidelio in Wien als ein absolutes Desaster heraus. In einem Interview zu ihrem 80. Geburtstag nahm sie hierzu erstmal persönlich genauer dazu Stellung. Sie geht dabei nicht nur auf die Aufführungen an der Wiener Staatsoper ein, sondern auch auf die anschließende Studioproduktion, bei deren Entstehung sie ein weiteres unangenehmes Erlebnis mit Bernstein hatte. Ich habe mir mal die entsprechende Stelle herausgesucht.


    Gundula Janowitz: Wissen Sie, ich bin jetzt alt genug und schade niemanden mehr damit. Jetzt erzähle ich mal meine Version von diesem Fidelio und dem Intrigenstadel drum herum: Es fing an: Ich hatte eine Einladung von Solti, in Chicago konzertant Fidelio zu singen. Weil ich ja Mitglied der Wiener Staatsoper war, habe ich also um Urlaub eingereicht, und war dann bei Solti im Wort. Doch dann hieß es auf einmal, ich kann den Urlaub doch nicht haben, weil die Wiener Staatsoper den Fidelio unter Bernsteins Leitung aufführt und ich soll die Leonore singen. Der Seefehlner, der Direktor der Wiener Staatsoper, hat darauf bestanden. Also ich habe mich hingesetzt und an Solti in Chicago einen Brief geschrieben, daß sich das so ergeben habe und ob er so nett wäre, mich aus dem Vertrag zu entlassen. Das hat er gemacht. Ich komme also zur ersten Probe mit Bernstein, und das war eine eiskalte Dusche – er wollte mich nicht. Er wollte Gwyneth Jones und war wie ein ungezogenes Kind und hat es an mir ausgelassen. Er hat mich nicht einmal angeschaut, er hat mir keine Einsätze gegeben – gar nichts![.....]

    Und als dann nach dieser Serie von Aufführungen auch die Platte eingespielt wurde, bin ich irgendwann einmal zu ihm hingegangen und hab gesagt: „Können wir, bitte, den ‚Allegro-Teil der Arie noch einmal machen?“ Er hat mich gar nicht angehört. Überhaupt nicht! Dann kam aber der Berger, der erste Trompeter von den Wiener Philharmonikern und hat gesagt: „Herr Bernstein, dös müss ma‘ noch mol mochen. I hob mi do vagickst!“ Und nur so bekam ich dann doch noch die Chance, die Arie noch mal zu singen.


    Für Janowitz war dieser Fidelio doppelt bitter. Denn die Zusammenarbeit mit Bernstein zerstörte ihr gutes Verhältnis zu Karajan. Er hat ihr den Bernstein-Fidelio nicht verziehen.



    Gregor

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  • Ich hätte das an ihrer Stelle vor allem dem Sehfeehlner nicht verziehen!!! Und ihr selbst für den Wankelmut und die Inkonsequenz, hier ggü Solti und anderen.

    Dass sich L.B., wenn es so stimmt, schofel benommen hat, bleibt unbenommen.


    Karma is a bitch. Only when you are. :-)

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Und hier spricht Gundula Janowitz mit Brigitte Fassbaender - anlässlich der Veröffentlichung der Gundula Janowitz Edition der Deutschen Grammophon - über den Bernstein-Fidelio und erklärt gleichzeitig warum es zum Bruch mit Karajan kam.

    Zumindest eines muss man Karajan bei all seiner Mimosenhaftigkeit und Überempfindlichkeit lassen - er wusste wie man einen filmreifen Abgang hinlegt.





    Gregor

  • Und hier spricht Gundula Janowitz mit Brigitte Fassbaender - anlässlich der Veröffentlichung der Gundula Janowitz Edition der Deutschen Grammophon - über den Bernstein-Fidelio und erklärt gleichzeitig warum es zum Bruch mit Karajan kam.

    Zumindest eines muss man Karajan bei all seiner Mimosenhaftigkeit und Überempfindlichkeit lassen - er wusste wie man einen filmreifen Abgang hinlegt.

    Lieber Gregor, ich danke dir sehr für diese beiden hochspannenden Beiträge, in der die große Janowitz ihre Sicht auf diese zwei Dirigenten darlegt.

  • Für Gundula Janowitz stellte sich die Zusammenarbeit mit Leonard Bernstein bei Fidelio in Wien als ein absolutes Desaster heraus.

    Lieber Gregor,


    diese Geschichte war mir bis heute unbekannt!

    Nun zähle ich mich zu den ausgesprochenen Bewunderern, ja Fans von Gundula Janowitz, und deshalb denke ich, daß einige kritische Anmerkungen meinerseits zu ihrer Rolle als Leonore in Bernsteins FIDELIO nicht mißverstanden werden sollten.


    In meiner CD-Sammlung befinden sich, von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, sämtliche Studio-Produktionen mit dieser wunderbaren Sängerin. Natürlich auch der FIDELIO unter Leonard Bernstein, für den ich mich generell, von einigen Ausnahmen abgesehen, nur mäßig erwärmen kann: Als Konzertdirigent überzeugt er mich mehr als bei der Oper, was aber nicht zuletzt seine teilweise larmoyanten Tempi in dieser Aufnahme betrifft.

    Doch wenn Bernsteins Einwände künstlerisch begründet gewesen wären (von der Art und Weise, wie er die große Künstlerin behandelt hat, die nun alles andere als gentlemanlike war, einmal abgesehen), so wäre das durchaus nachvollziehbar, denn selbst ein Laie wie ich kann nicht überhören, daß Gundula Janowitz mit dieser Partie überfordert war, und sie m.E. ihrer Stimme mit der Übernahme dieser hochdramatischen Rolle keinen Gefallen getan hat. Sie kommt mehrfach deutlich an ihre Grenzen, an einigen Stellen sogar darüber hinaus. Ein weiteres Manko scheint mir ihr Partner als Florestan, René Kollo, zu sein, dessen Stimme erstens mit Janowitz ganz und gar nicht harmoniert, und zweitens ohnehin eine totale Fehlbesetzung zu sein scheint. Er hätte bei seinen Sigmunden bleiben sollen. Nicht ohne Grund spricht Jürgen Kesting von "vokalen Entgleisungen", wenn von seinem Florestan die Rede ist.

    Ich komme also zur ersten Probe mit Bernstein, und das war eine eiskalte Dusche – er wollte mich nicht. Er wollte Gwyneth Jones und war wie ein ungezogenes Kind und hat es an mir ausgelassen.

    Daß Bernstein ihr aber als Leonore Gwyneth Jones vorgezogen hätte, kann ich nun gar nicht nachvollziehen. Deren Mitwirkung in Karl Böhms FIDELIO von 1969 war für mich der Hauptgrund, mir diese Aufnahme (nachdem ich sie im Rundfunk hören konnte) nicht anzuschaffen, denn Böhms Leistung als Dirigent dieser Oper gefällt mir um Längen besser als Bernsteins sentimentale Auslegung der Partitur. Doch das mag Geschmacksache sein. Aber jedenfalls kann ich mich für das unstete Singen von Frau Jones nun ganz und gar nicht begeistern. Immerhin habe ich mir vor Jahren einen Querschnitt der Aufnahme beschafft, aber hauptsächlich wegen Böhm.


    Doch hier geht es um Gundula Janowitz und ihre Leonore. Man vergleiche einmal die große Arie "Abscheulicher, wo eilst du hin" mit der alten Aufnahme von Elisabeth Schwarzkopf von 1954 (unter Karajan, EMI), die nun ganz und gar keine ideale Leonore war (und diese Rolle auch nur ganz wenige Male auf der Bühne gesungen hat), um den Unterschied zwischen ehrlichem Bemühen (Janowitz) und echter Erfüllung (Schwarzkopf) zu erfassen.

    Die Stärken der Janowitz lagen auf anderen Gebieten: Mozart (fast alles), ihre Agathe im "Freischütz" (unter Carlos Kleiber, mehr noch im vorausgegangen Recital mit Leitner, beides auf DGG), und Richard Strauss. Doch auch als Liedersängerin (Schubert) war sie großartig. Nicht umsonst spricht der Kritiker Ivan Nagel 1971 in der Süddeutschen Zeitung von einem "betäubenden Glück ihres Gleichmaßes" und der "schönsten Stimme, die heute zu hören ist" (nach einem Brahms-Liederabend in Stuttgart) und endet mit dem schier hymnischen Lob: "Gundula Janowitz singt so, daß die Engel im Himmel bei ihr dazulernen könnten".


    Fazit: Gundula Janowitz ist eine gute, aber keineswegs ideale Leonore. Ihr Einsatz ist zwar lobenswert, aber nicht in allen Teilen überzeugend. Für mich ist und bleibt die alte Klemperer-Aufnahme von 1962 mit der überragenden Christa Ludwig als Leonore nach wie vor erste Wahl.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Auch wenn dies ansonsten nicht mein mudikalisches Gebiet ist. Aber das war interessant zu e rfshren, welche Abenteuer die Solistem mit ihren Dirigenten erleben.

    Meinen Dank geht an Gregor für diese interessten Beiträge.


    P.S. Heute ist Gewitterwetter ... ;) da ist wieder Zeit für Tamino ...

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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  • Daß Bernstein ihr aber als Leonore Gwyneth Jones vorgezogen hätte, kann ich nun gar nicht nachvollziehen.

    Das war auch mein erster Gedanke, als ich den Bericht von Gundula Janowitz gelesen hatte. Immerhin hat Bernstein Gwyneth Jones für Beethovens 9. bekommen, aber da überzeugt sie mich ebenso wenig, scheint mir sogar die schwächste im Solistenquartett zu sein.

    Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget (Johann Sebastian Bachs Eigentitel auf dem Titelblatt des Autographs des Wohltemperierten Claviers, Teil I, 1722)

  • Nun, dass Bernstein Frau Jones als Sängerin bevorzugt hat, ist das eine. Aber Gundula Janowitz büßen zu lassen, dass sie nicht die Sängerin ist, die er gerne gehabt hätte, ist nun völlig daneben. Was mich hier besonders stört, ist das alberne Verhalten, nicht mit ihr zu reden und sie einfach zu ignorieren. So eine Respektlosigkeit verdient niemand und es macht einem den Menschen Bernstein wirklich nicht sympathisch. Er demontiert sich und seine Reputation ja praktisch selbst mit so einem Verhalten.


    Man sagt zwar manchen Sängern gerne nach, dass sie schwierig und exaltiert sind, und man mit dem einen oder der anderen nur schwer zusammenarbeiten kann, aber mir kommt oft vor, als gäbe es nichts Schwierigeres als Dirigenten. Das sind wohl die wirklichen Diven.


    Karajan war ja auch berühmt dafür, so manchen Sänger fallen zu lassen, weil beispielsweise eine Rolle, die er angeboten hat, abgelehnt wurde.

    Da fällt mir in diesem Zusammenhang auch Inge Borkh ein, die sich ja auch mal einen Fauxpas gegenüber Karajan geleistet hat. Ihre "Strafe" dafür war, dass er eine geplante Zusammenarbeit mit ihr sofort abgesagt bzw. ihr eine Rolle entzogen hat.


    Gregor

  • Liebe Freunde und Verehrer von Gundula Janowitz, zu denen ich mich auch zähle. Wir alle sind wohl interessiert an Nachrichten von hinter den Kulissen. Einschlägige Bücher sind voll davon. Für mich zählen aber weniger die Befindlichkeiten und menschlichen Enttäuschungen von Sängern, die ich nachvollziehen aber nicht nachhören kann, für mich zählt das Ergebnis. Im Falle des "Fidelio" hat uns weiter oben nemorino an seinen Eindrücke teilnehmen lassen. Die finde ich sehr aufschlussreich, wenngleich ich mit der Janowitz als Leonore nicht ganz so streng bin. Grade weil sie so an Grenzen kam, fast zerbrach, hat sie für mich die Rolle in ihrer Verzweiflung und Entschlossenheit sehr überzeugend darbieten können. Ähnlich der Mödl live bei der Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper. Bisher konnten wir nur die Meinung von Frau Janowitz zur Kenntnis nehmen. Ich hätte schon auch gern gewusst, was Bernstein zu sagen gehabt hätte - zumal mir die Äußerungen der Sängerin so gar nicht zu dem passen wollen, was man ansonsten über das Verhalten des Dirigenten kennt. Das irritiert mich auch.


    Im übrigen bin ich der Auffassung, dass das angeblich so gute Verhältnis zwischen Janowitz und Karajan auch ohne Bernstein auf Dauer nicht gehalten hätte. Davon zeugen andere Beispiele, auf die ich aber nicht näher eingehen will. Mir scheint, dass Karajan nur so lange an Sängerin interessiert war wie er eine Verwendung für sie hatte. Ist das so verwunderlich? Er war nicht befreundet mit ihnen. Sie hatte ihm und der Kunst zu dienen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich schätze zwar Herrn Bernstein mehr als Frau Janowitz, habe aber keinen Grund an der Darstellung von Frau Janowitz zu zweifeln. "Schattenseiten" gehören zu großen Künstlern halt dazu - muss man nicht gut finden, kann man aber nicht ändern.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Auch ich habe die Aussagen von Frau Janowitz nicht in Zweifel zu ziehen. Dennoch bleibt es für mich stets dabei: Audiatur et altera pars!

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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  • Ich frage mich, was der Geschichte neue Aktualität gegeben hat. Alles, was hier ausgebreitet wurde über den Wiener FIDELIO, ist doch seit Jahrzehnten gekannt. Das hat sogar die Feuilletons der Berliner Presse nach einem Interview von Gundula Janowitz schon in den 70er Jahren beschäftigt. Vor allem in der Tageszeitung DER ABEND wurde es als "Wiener Opern-Skandal" genüsslich ausgeschlachtet.


    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Ich denke oft an mein Wiener Semester in den 60ern zurück. Die erste Rolle, die ich von Gundula Janowitz gesehen habe, war der Hirtenjunge Yano in der Jenufa. Da merkte man schon, welch eine Qualität ihre Stimme hatte.

    Zum anderen habe ich die Karajan-Aufnahme der 9., da singt sie Sopran und alle an die Wand!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • OK - weil das sooo wichtig ist. - kann ich auch was dazu beitragen.

    Ich kann zumindest bestätigen, daß Frau Janowitz damals gemobbt wurde. In jenen Tagen war mein Arbeitsplatz - Foto City, Kärntnerstraße 45, vis a vis von der Ausgabestelle der Torten des Hotels Sacher und somit 1 Gehminute von der Wiener Staatsoper entfernt. Zahlreiche Sänger, Bünhnenpesonal und sonstige "insider" waren damals meine Kunden (Frau Janowitz allerdings nicht) Aber da erfuhr ich, daß gerade an einer Neuaufnahme des Fidelio für

    2deutsche Grammophon" gearbeitet wurde, mit Bernstein als Dirigent, was ich für überflüssig hielt, da doch "erst neulich", 1969(so empfand ich es wenigstens) vom gleichen Label eine Aufnahme mit Karl Böhm erschienen war. (die war übrigens eine Produktion von "VEB Deutsche Schallplatten Berlin" in Cooperation mit Deutsche Grammophon Gesellchaft, trug aber das Label der DGG)


    Und hier erfuhr ich, offenbar von Bewunderern Bernsteins (ich zähle nicht dazu), naserümpfend, daß Frau Janowitz die Rolle der Leonore in dieser Aufnahme singen solle, die hier maßlos überfordert sei. Und gemerkt habe ich mir das böartige - etwas holprige -Wortspiel:

    "Janowitz - die kann ja nix"

    Als Bewunderer von Gundula Janowitz habe ich mich drüber geärgert und es mir gemerkt.

    Ich halte übrigens das "Sonnyboy" -Image von Bernstein für künstlich, überliefert ist ein Streit mit den Wiener Philharmoniken, welche Mahler "zu klangschön_" spielten (in Wien hat man Mahler eigentlich nie besonders gemocht) und auch der Umgang mit Carreras bei der der Probe -ader Aufnahme zur Westside-Story lässt eher ,auf einen verwöhnten Egoisten schliessen, als auf einen "Sonnyboy". Es gibt Leute, die sind so lange angenehm, als man ihre Wünsche erfüllt....

    Wenn man weiß, daß Bernstein mit denWienern bei der Einspielung von Mahlers 5. und mit den Berlinern mit Mahlers 9. Probleme hatte (in beiden Fällen spielten sie zu elegant - sie waren durch Böhm und Karajan geprägt.

    So gesehen kann Bernstein die überirdisch schöne, aber zuwenig "dramatische" Stimme der Janowitz geradezu als Affront auf sein musikalisches Konzept gesehen haben.......


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die erste Rolle, die ich von Gundula Janowitz gesehen habe, war der Hirtenjunge Yano in der Jenufa. Da merkte man schon, welch eine Qualität ihre Stimme hatte.

    Gundula Janowitz als Jano wird leider durch das Archiv der Wiener Staatsoper so gar nicht bestätigt.


    https://archiv.wiener-staatsop…arch/person/1309/role/273



    So gesehen kann Bernstein die überirdisch schöne, aber zuwenig "dramatische" Stimme der Janowitz geradezu als Affront auf sein musikalisches Konzept gesehen haben.......

    Ich denke, genau das ist es. Bernstein war selbst Musikdramatiker, der Bühnenwerke komponierte, er dachte theatralisch, und das im Falle von Opern völlig zu Recht. Zudem hatte er im Beethoven-Jahr 1970 im Theater an der Wien den "Fidelio" bereits mit der Jones gemacht. Dass diese bei Böhm im Studio eine glatte Fehlbesetzung gewesen sein soll (zu dieser Zeit hat sie außerdem die Verfilmung an der Deutschen Oper Berlin mit ihm gemacht), darauf muss man erstmal kommen... (Und das sage ich als nicht besonders großer Jones-Fan, aber sie hat doch die Rolle gelebt und dadurch erlebbar gemacht. Und so, wie Bernstein den Mahler nicht so schöngeglättet haben wollte wie die damaligen Wiener Philharmoniker (laut Gielen hat er ja doch geglättet), so wollte er in der Titelpartie jemanden, der man die Emotionen der Rolle abnimmt. Das scheint mir der eigentliche Grund zu sein. Das Warum ist also völlig nachvollziehbar - was das Wie nicht unbedingt besser macht.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Der Hirtenjunge Jano mit Gundula Janowitz: das kann sehr gut die lebendige Gestaltung der Vergangenheit sein:pfeif:. Bevor ich jetzt behaupte, es war Lucia Popp, versuche ich, das Programm zu finden!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Aber Gundula Janowitz büßen zu lassen, dass sie nicht die Sängerin ist, die er gerne gehabt hätte, ist nun völlig daneben. Was mich hier besonders stört, ist das alberne Verhalten, nicht mit ihr zu reden und sie einfach zu ignorieren. So eine Respektlosigkeit verdient niemand und es macht einem den Menschen Bernstein wirklich nicht sympathisch. Er demontiert sich und seine Reputation ja praktisch selbst mit so einem Verhalten.

    Das sehe ich ganz genauso, lieber Gregor! Bernsteins Verhalten, und man wird wohl kaum die Aussagen von Frau Janowitz anzweifeln wollen, ist nicht nur respektlos, sondern direkt kindisch! Wie ein ungezogenes Kind im Sandkasten, das nicht das von ihm begehrte Spielzeug haben darf.

    Karajan war ja auch nicht gerade zimperlich im Umgang mit Sängerinnen und Sängern, aber so "unreif" ist m.W. kein Auftritt vom ihm überliefert.

    Zum anderen habe ich die Karajan-Aufnahme der 9., da singt sie Sopran und alle an die Wand!

    :thumbup::thumbup::thumbup::!: - und nicht nur da!


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Das Verhalten der großen alten Pultgiganten gegenüber Sängern, gerade gegenüber Sängerinnen, wäre ein Kapitel für sich. Bernsteins (offenbar erfolgter) Ausfall gegenüber Frau Janowitz war wohl kein Ruhmesblatt, aber man sollte das schon mal ein wenig in die damalige Zeit einordnen, in der solche Szenen durchaus noch vorkamen. Mir fiel in dem Zusammenhang jedenfalls sofort ein Vorfall ein, wo Knappertsbusch gegenüber Birgit Nilsson dermaßen ekelhaft gewesen sein soll, dass diese sogar in Tränen ausbrach. Trotzdem sprach sie später stets in den höchsten Tönen vom "General" (ich glaube, das waren ihre Worte). Und ob des greisen Klemperer Anzüglichkeiten gegenüber jungen Sängerinnen wirklich so viel besser waren, sei mal dahingestellt. Jedenfalls hat uns Bernstein einen der legendärsten "Fidelios" überhaupt beschert und mindert dieser Vorfall meine Wertschätzung für diesen Dirigenten in gar keiner Weise. Das darf man auch anders sehen, sollte dann aber auch bei anderen Dirigenten mit demselben strengen Maß messen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zum anderen habe ich die Karajan-Aufnahme der 9., da singt sie Sopran und alle an die Wand!

    Geht es um diese Aufnahme?



    Und was genau bedeutet "alle an die Wand singen"? Wer ist "alle"? Chor? Orchester? Oder "nur" die übrigen drei Solisten? Und ist das überhaupt wünschenswert, wenn eine "alle an die Wand" singt? Und ist das überhaupt so? Bzw. ist das eigentlich ihr Verdienst?


    Singt sie den Solo-Bass bei dessen Solo an die Wand? Singt sie die anderen drei an die Wand, wenn sie noch gar nicht mitsingt? Gar den Tenor bei dessen Solo? Oder dominiert sie die Ensembles dermaßen, dass die anderen nicht mehr zu hören sind?


    Fragen über Fragen, was mit dieser Formulierung nun eigentlich gemeint sein könnte.


    Ich gebe zu, dass mir Frau Janowitz in diesem Solo-Quartett gut gefällt, während mir die beiden Herren Jess Thomas und Walter Berry weniger gut gefallen. Aber hatten wir nicht anlässlich ihres Todes gerade wieder festgestellt, was Christa Ludwig für eine herausragende Jahrhundertsängerin ist? Warum lässt sie sich hier also von der Janowitz "an die Wand singen"? Weil die Janowitz so gut ist und die Ludwig so schlecht? Oder könnte es nicht doch sein, dass dieser Eindruck viel eher das Ergebnis der Beethovenschen Komposition ist? Weil dieser die Sopranistin so exponiert singen lässt wie sonst nur den Chor, aber eben nicht den armen Mezzo bzw. Alt? Gibt es eine Aufnahme dieses Finalsatzes, in welchem der Sopran den Mezzo nicht an die Wand singt, sondern der Mezzo den Sopran?


    Wenn die Janowitz hier wirklich "alle gegen die Wand singt", hätte dann nicht Bernstein von ihr begeistert sein und sie mit Kusshand als seine Leonore akzeptieren müssen? Und warum gilt dann die Ludwig, welche hier angebliche "gegen die Wand gesungen" wird, als die bedeutendere Leonore?

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • Ich gebe zu, dass mir Frau Janowitz in diesem Solo-Quartett gut gefällt, während mir die beiden Herren Jess Thomas und Walter Berry weniger gut gefallen.

    Lieber Stimmenliebhaber,

    sprechen wir von derselben Aufnahme? Wo singt da ein Herr Jess Thomas mit? Bei mir ist in der 1962er-Aufnahme Waldemar Kmentt der Tenor :/

    Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget (Johann Sebastian Bachs Eigentitel auf dem Titelblatt des Autographs des Wohltemperierten Claviers, Teil I, 1722)

  • Lieber Stimmenliebhaber,

    sprechen wir von derselben Aufnahme? Wo singt da ein Herr Jess Thomas mit? Bei mir ist in der 1962er-Aufnahme Waldemar Kmentt der Tenor :/

    Genau deshalb habe ich ja gefragt, um welche Aufnahme es eigentlich geht? Die, über die ich spreche, habe ich verlinkt, sie ist von 1968. Es gibt halt viele Neunte unter Karajan.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • mindert dieser Vorfall meine Wertschätzung für diesen Dirigenten in gar keiner Weise.

    Lieber Joseph II.,


    da gehe ich völlig mit Dir konform! Man kann über ein solches Verhalten den Kopf schütteln, aber das hat mit den künstlerischen Qualitäten nicht das geringste zu tun. Wenn man solche Maßstäbe anlegen wollte, dürfte man keine einzige Aufnahme der berühmt-berüchtigten Choleriker Toscanini und Fritz Reiner anhören. So wenig wie politische Einstellungen etwas mit den musikalischen Qualitäten eines Künstlers zu tun haben, sind auch dessen/deren sonstigen Allüren lediglich Randnotizen zur Person, nicht weniger, aber auch nicht mehr.


    Bei mir ist in der 1962er-Aufnahme Waldemar Kmentt der Tenor

    Hallo patebino,


    ich gehe stark davon aus, daß Dr. Pingel die 1962er Studio-Aufnahme (DGG) gemeint hat. Da singt die Janowitz in der Tat alle mir bekannten Solistinnen (der Sopran-Partie, wohlbemerkt!) an die Wand, und ich kenne mindestens zwei Dutzend. Das heißt ganz sicher und kann auch nur so verstanden werden, daß es um diesen Solopart in dieser Aufnahme und um nichts anderes geht. Einen Sänger bzw. eine Sängerin, die in sämtlichen Rollen alle anderen "an die Wand" singt, hat es nie gegeben und wird es auch nicht geben. Auch eine Gundula Janowitz wird das Soli in Beethovens Neunter nicht alle Tage so mirakulös gesungen haben wie in Karajans 1962er Aufnahme.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo!


    Zu der Diskussion über die „Fidelio“-Aufführungsserie mit Gundula Janowitz und Leonard Bernstein an der Wiener Staatsoper im Januar/Februar 1978 möchte ich nun auch 'meinen Senf dazu geben'.


    Was bei der Beurteilung des Wirkens von Gundula Janowitz gern vergessen wird, ist, dass sie wegen der Eigenheit ihrer Stimmfarbe und der Art ihres 'instrumentalen' Singens – nicht nur in ihren Anfangsjahren - stark polarisierte. (Der von Alfred zitierte Wiener Spruch wurde auch in Berlin öfters gehört und die Misstöne bei der fraglichen „Fidelio“-Produktion waren mir schon seit 1978 durch die Wiener Presse bekannt.) Ich besitze von Frau Janowitz zahlreiche Schallplatten und einige Videos (u. a. auch den Wiener „Fidelio“ von 1978 in Bild und Ton mit der glaubwürdigen Interpretation einer Leonore 'am Rande des Nervenzusammenbruchs') und schätze sie in den meisten ihrer Aufnahmen sehr.


    Leider habe ich sie nur ein Mal in einem Düsseldorfer Liederabend (am 3. 3. 1972 mit Liedern von Schubert und Strauss, gekleidet in einem schmucklosen flaschengrünen Samtkleid mit langen kastanienbraunen Haaren, begleitet von Irwin Gage) 'live' gehört, mit z. B. einem überirdisch schönen „Wiegenlied“, aber auch mit geradezu enervierenden 'Adonis'-Rufen in der „Frühlingsfeier“; auch an die kontroversen Gespräche in der Pause und nach dem Konzert kann ich mich erinnern. Gundula Janowitz war unzweifelhaft eine Sängerin, deren Stimme und Gesang man mögen musste, und Leonard Bernstein mochte ihre Stimme (und wohl auch ihren Gesang) offensichtlich nicht.


    Nachdem Gundula Janowitz die „Fidelio“-Leonore an der Wiener Staatsoper (ab dem 2. 9. 1976 drei Mal) gesungen hatte, trat sie 1977 bei den 'Chorégies d'Orange' im riesigen römischen Freilufttheater in dieser Rolle – mit raspelkurzen Haaren, 'Komm, Hoffnung' sang sie auf Knien! - auf, wovon es eine TV-Aufzeichnung gab (die ich einmal im französischen Fernsehen sah) und auch ein akustischer Mitschnitt veröffentlicht wurde:


    „Fidelio“ (Ludwig van Beethoven): Don Fernando – Juan Soumagnas / Don Pizarro – Theo Adam / Florestan – Jon Vickers / Leonore – Gundula Janowitz / Rocco – William Wildermann / Marzelline – Stella Richmond / Jaquino – Misha Raitzin / New Philharmonia Chorus / Chorltg.: Norbert Balatsch / Israel Philharmonic Orchestra / Dirigent: Zubin Mehta / Inszenierung: Alfred Wopmann / TV-Regie: Pierre Jourdan (Orange, Théâtre Antique, 6. 8. 1977).


    In allen Kritiken, die ich zu dieser Aufführung kenne - 'Opéra' (Paris), 'Opera' (London), 'Opera News' (New York) – wird die darstellerische Kraft ihrer Rollenverkörperung gelobt (keine heroische Person, sondern ein Mensch, dem man die Angst, entdeckt zu werden, in Blicken und Körperhaltung ansah); gleichzeitig wurde aber auch trotz der Freude, einmal eine wirklich jugendliche Stimme in dieser Partie hören zu können, nicht verschwiegen, dass sie rein stimmlich überfordert war.


    Dass Dirigenten und Regisseure sich gegenüber ihnen vom Management 'aufgezwungenen' Sängern manchmal nicht nett benehmen ist ebensowenig neu wie die Tatsache, dass Sänger oft die Grenzen ihrer Stimme ausloten wollen und sich dabei überschätzen. Vermutlich kannte Leonard Bernstein die Kritiken zu ihrem „Fidelio“ in Orange und war deshalb gegen Gundula Janowitz voreingenommen; aber auch an Gwyneth Jones hätte er keine reine Freude gehabt, denn 1978 war sie nicht mehr in derselben stimmlichen Verfassung wie 1970, als sie mit ihm Otto Schenks "Fidelio"-Neuinszenierung an der Wiener Staatsoper machte, wovon es ebenfalls Tonaufnahmen gibt. (Beim Gastspiel der Wiener Staatsoper im Oktober 1979 im Kennedy-Center in Washington bekam Leonard Bernstein dann für fünf Vorstellungen endlich seine 'Wunsch-Leonore' wieder.)


    Bemerkenswert scheint mir, dass sich Gundula Janowitz nicht entschiedener gegen Egon Seefehlners Planung gewehrt hat, sie in dieser 'Grenzpartie' in immerhin sechs zeitlich dicht aufeinander folgenden Vorstellungen – alle dirigiert von Bernstein im Januar/Februar 1978 plus zusätzlicher Schallplattenaufnahme - einzusetzen. (Danach sang sie nur noch einen Wiener "Fidelio" am 23. 2. 1980 unter Heinrich Hollreiser.) Offensichtlich hat sie sich trotz der Warnungen der Kritiker beim „Fidelio“ überschätzt – wie z. B. auch bei der „Aida“ und der Odabella im „Attila“, die sie beide unter Seefehlner (als stellvertretender Intendant in Berlin) sang – und hoffte, von dem durchaus als 'launisch' bekannten Leonard Bernstein akzeptiert zu werden. Als Gundula Janowitz 1973 für die „Freischütz“-Aufnahme unter dem ebenfalls 'launischen' Carlos Kleiber verpflichtet wurde, ließ sie ihren Vertrag zunächst ohne Unterschrift, um jederzeit 'aussteigen' zu können. Fünf Jahre später war sie nicht mehr so vorsichtig...


    Carlo

  • Für mich zählen aber weniger die Befindlichkeiten und menschlichen Enttäuschungen von Sängern, die ich nachvollziehen aber nicht nachhören kann, für mich zählt das Ergebnis.


    Natürlich zählt das Ergebnis, lieber Rüdiger. Unwichtig finde ich allerdings die Befindlichkeiten nicht. Denn gerade auch die psychische Konstitution eines Sängers fließt in eine Rolle bzw. in den Gesang mit ein. Auch dadurch kann einer Aufnahme eine gewisse Individualität verliehen werden.

    Für mich sind Sänger immer auch Menschen mit ihren ganz eigenen Gefühlen, und keine "Singapparate" die zu funktionieren haben und stets perfekt singen müssen.


    Karajan war ja auch nicht gerade zimperlich im Umgang mit Sängerinnen und Sängern, aber so "unreif" ist m.W. kein Auftritt vom ihm überliefert.


    Bei Karajan ist man ja auch einiges gewohnt, lieber nemorino, aber Bernstein's Verhalten in dieser Angelegenheit ist tatsächlich grotesk und sucht seinesgleichen.


    Ich weiß nicht, wie Gundula Janowitz selbst heute zu ihrer Fidelio-Aufnahme steht. Es wird sicher keine schöne Erinnerung für sie sein, aber sie weiß wohl auch, dass gerade der Bernstein-Fidelio in hohem Maße geschätzt wird.


    Eine Aufnahme von der sie wohl selbst sehr angetan ist, ist übrigens die Missa Solemnis, die sie mit Karajan 1966 - und Christa Ludwig, Fritz Wunderlich und Walter Berry - aufgenommen hat. Überirdisch schön singt Janowitz den Sopranpart.



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    Gregor

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