Gundula Janowitz

  • Ich frage mich, was der Geschichte neue Aktualität gegeben hat. Alles, was hier ausgebreitet wurde über den Wiener FIDELIO, ist doch seit Jahrzehnten gekannt. Das hat sogar die Feuilletons der Berliner Presse nach einem Interview von Gundula Janowitz schon in den 70er Jahren beschäftigt. Vor allem in der Tageszeitung DER ABEND wurde es als "Wiener Opern-Skandal" genüsslich ausgeschlachtet.

    Lieber Caruso, damit hast Du indirekt einen nicht unwichtigen Sachverhalt angesprochen. Was Dir bekannt vorkommt, muss es anderen nicht. Deshalb müssen wohl viele Dinge immer wieder mal neu erzählt bzw. wiederholt werden. Gewiss auch versehen mit dem Wissen, das sich seither angesammelt hat. Wer wird sich wohl noch daran erinnern, was mal im ABEND gestanden hat? Diese Zeitung gibt es seit vierzig Jahren (!) nicht mehr. Mir ist die Altersstruktur im Forum nicht genau bekannt. Es gab mal einen Thread dazu. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass nicht alle Forumsmitglieder schon vor fünf Jahrzehnten in Sachen Oper unterwegs waren. Hinzu kommt, dass einige aus der DDR kommen wie ich. Dort ist mir - wenn ich mich nicht täusche - die Janowitz erstmals mit ihrer "Ariadne" unter Kempe begegnet, die in Dresden aufgenommen wurde. Damals fand ich ihre Stimme gewöhnungsbedürftig und klirrend. Böse Zungen behauptet gar, man müsse den Gläserschrank abschließen, damit nichts herausfalle und zu Bruch gehe. Die Eterna-LP-Box zierte allerdings ein großes farbiges Bild der Geszty als Zerbinetta - als ob sie die Titelfigur sei. Als die in den Westen ging, wurde eine neue Ausgabe veröffentlicht - ohne Foto und nur noch mit Schrift. So war das. Es dauerte, bis ich die Janowitz für mich entdeckte. Dies geschah durch ihren deutsch gesungenen "Judas Maccabäus", den wir hier schon mal erwähnten. Und dann durch die reife Arabella (Film) und die Agathe. Der Wiener "Fidelio" kam durch das Fernsehen auch in den Osten. Wenige Male ist sie auch in der DDR aufgetreten. Insofern kann es aus meiner Sicht nicht schaden, wenn die alten Geschichten nochmal aufleben. Ich lasse sie mir sehr gern erzählen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Was Dir bekannt vorkommt, muss es anderen nicht. Deshalb müssen wohl viele Dinge immer wieder mal neu erzählt bzw. wiederholt werden. Gewiss auch versehen mit dem Wissen, das sich seither angesammelt hat. Wer wird sich wohl noch daran erinnern, was mal im ABEND gestanden hat? Diese Zeitung gibt es seit vierzig Jahren (!) nicht mehr.

    Lieber Rüdiger,


    in der Tat, ich glaubte mich in der Biographie von Gundula Janowitz einigermaßen auszukennen, aber die Episode mit Bernstein bei der Arbeit zum FIDELIO ist mir gänzlich verborgen geblieben. In lebhafter Erinnerung ist mir aber ein cholerischer Ausfall von Carlos Kleiber, der sich gleichfalls gegen Gundula Janowitz richtete. Der ereignete sich allerdings m.W. nicht bei der berühmten FREISCHÜTZ-Aufnahme, sondern bei den Arbeiten zur FLEDERMAUS. Leider finde ich jetzt nicht gerade den Bericht, aber Carlos Kleiber hat während der Aufnahmesitzungen dauernd an Gundula Janowitz herumgemäkelt, und schließlich auf die bescheidene Frage der Sängerin: Was wollen Sie eigentlich von mir? barsch geantwortet: Nur eins, daß Sie den Mund nicht mehr aufmachen, weder zum Reden noch zum Singen! Eine unglaubliche Grobheit, ja Frechheit, doch Carlos Kleiber war ja mehr als schwierig und konnte von jetzt auf gleich vom jovialen zum cholerischen Ton übergehen. Dirigenten sind nun mal mindestens Halbgötter, und manche halten sich gar für den Schöpfer selber, was folgendes Bonmot treffend wiedergibt:

    Karajan wird hinterbracht, daß Bernstein erzählt habe, Gott habe ihm im Traume zugeflüstert: Du bist der größte Dirigent auf Erden! Nachdem sich Karajan das angehört hatte, schwieg er einen Moment betroffen, um dann zu antworten: Ich kann mich nicht erinnern, jemals so etwas gesagt zu haben!:D

    Auch wenn es erfunden sein sollte, so beschreibt es doch exakt Karajans durch nichts zu erschütterndes Selbstbewußtsein.


    Doch zurück zum Bernstein-FIDELIO aus Wien: Mir liegt hier eine ausführliche Rezension aus HiFi Stereophonie von 1979 vor, die kein Geringerer als Ulrich Schreiber verfaßt hat. Darin ist mit keinem Wort von dem Eklat Bernstein/Janowitz die Rede. Ob Schreiber das absichtlich unerwähnt ließ, wird sich natürlich nicht mehr feststellen lassen. In seiner Kritik lobt er Bernsteins Interpretation über weite Strecken, ohne einige dirigentische "Schwachstellen" zu verschweigen. Janowitz bescheinigt er eine insgesamt "gute, aber keinesfalls außerordentliche" Leistung. Auch er ist der Meinung, daß sie sich mit dieser "mörderischen Partie" übernommen hätte, während er an René Kollos Florestan kein gutes Haar läßt und meint, "daß dieser Sänger keine Fähigkeit in der Mezza di voce hat" und schreibt weiter: "Das Maß des Leidens liegt hier tatsächlich bei seinem Gegenüber: nicht bei Gott, sondern beim Hörer." Die höchste Anerkennung erhält von ihm Hans Sotins Pizarro, "der das Böse nicht zum Antihumanen steigert, sondern eher in seiner Banalität bloßstellt. Sotin wirkt wie ein Schreibtischtäter, ein bißchen bieder wie ein Verwalter des Bösen, keineswegs wie ein Triebtäter."

    Ich weiß, das gehört eigentlich nicht in den Janowitz-Thread, aber ich möchte es trotzdem hier zitieren, weil es ja irgendwie zu der in Rede stehenden Aufnahme gehört und ich nicht davon in einem anderen Thread wieder anfangen möchte.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Lieber Caruso, damit hast Du indirekt einen nicht unwichtigen Sachverhalt angesprochen. Was Dir bekannt vorkommt, muss es anderen nicht. Deshalb müssen wohl viele Dinge immer wieder mal neu erzählt bzw. wiederholt werden......

    Ja, lieber Rheingold, da Du hast natürlich Recht!

    Wer wird sich wohl noch daran erinnern, was mal im ABEND gestanden hat? Diese Zeitung gibt es seit vierzig Jahren (!) nicht mehr.

    Das war eine Zeitung, die ich in der Kultur-Berichterstattung mehr geschätzt habe, als den TAGESSPIEGEL. Hier wurde wirklich über jedes Konzert der Philharmoniker sowie des RSO Berlin berichtet. Oft sehr ausführlich. Außerdem interessierten sich die Kritiker des ABEND nicht nur über Premieren in der Oper sondern ausgesprochen regelmäßig auch für Repertoirevorstellungen.

    Es dauerte, bis ich die Janowitz für mich entdeckte. Dies geschah durch ihren deutsch gesungenen "Judas Maccabäus", den wir hier schon mal erwähnten. Und dann durch die reife Arabella (Film) und die Agathe. Der Wiener "Fidelio" kam durch das Fernsehen auch in den Osten.

    Das ist ja interessant!

    Mir war Janowitz vor allem als Verdi-Sängerin wichtig! Auch in Mozart-Partien und einigen Strauss-Partien (Kaiserin und Ariadne) mochte ich sie sehr. Allerdings hat sie mich in keiner Mozartpartie je so vollkommen überzeugt und begeistert wie die Grümmer und die Lorengar.


    Beste Grüße

    Caruso41

    ;) - ;) - ;)


    Wer Rechtschreibfehler findet, darf sie behalten!

  • Du liebe Zeit, muss man dem zugegeben flapsigen Spruch "an die Wand singen" ein solches Meisterwerk an Interpretation zukommen lassen? Ich komme mir sowieso hier vor wie ein Radfahrer, der auf einem Hollandrad die Tour de France mitfährt.

    Meine kritische Einstellung zum 4. Satz der 9. hat sich etwas gewandelt. Als Komposition ist es doch ein großer Geniestreich, der große Chor gefällt halt vielen; ich würde gerne mal ein Experiment hören, das ihn durch ein kleineres Orchester oder Bläser ersetzt. Mit dem Solistenquartett kann ich mich allerdings nicht anfreunden, wobei Gundula Janowitz wenigstens sängerisch das beste draus macht. Mit der Wand meinte ich die anderen Solisten. Welche Aufnahme das ist, werde ich noch heraussuchen.

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Du liebe Zeit, muss man dem zugegeben flapsigen Spruch "an die Wand singen" ein solches Meisterwerk an Interpretation zukommen lassen?

    Ich hätte das wohl gelassen, wenn dieser Spruch dann nicht noch von demjenigen, der Herrn Kollo empfahl, bei "seinen Sigmunden zu bleiben", stärkste Unterstützung bekommen hätte.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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  • ich glaubte mich in der Biographie von Gundula Janowitz einigermaßen auszukennen, aber die Episode mit Bernstein bei der Arbeit zum FIDELIO ist mir gänzlich verborgen geblieben. In lebhafter Erinnerung ist mir aber ein cholerischer Ausfall von Carlos Kleiber, der sich gleichfalls gegen Gundula Janowitz richtete. Der ereignete sich allerdings m.W. nicht bei der berühmten FREISCHÜTZ-Aufnahme, sondern bei den Arbeiten zur FLEDERMAUS. Leider finde ich jetzt nicht gerade den Bericht, aber Carlos Kleiber hat während der Aufnahmesitzungen dauernd an Gundula Janowitz herumgemäkelt


    Lieber nemorino, eine solche Begebenheit ist wiederum mir neu. Ich erinnere mich an das Gespräch, welches Gundula Janowitz mit Christa Ludwig geführt hat, und auf Kleiber angesprochen, sagte Janowitz, dass sie mit ihm eigentlich immer sehr gut gearbeitet hat. Als Beispiel nannte sie dafür den Freischütz und auch die Fledermaus in München. Bei einer anderen Produktion klappte es hingegen mit den beiden gar nicht. Es war beim Rosenkavalier an der Mailänder Scala. Ich weiß nicht welches Jahr das war. Otto Schenk führte Regie. Da dürfte Kleiber wohl schwer an den Nerven von Janowitz gesägt haben. Er war bei jeder einzelnen Probe dabei, und gerade bei den ersten Proben empfand das Janowitz als besonders störend, weil da eben noch einiges nicht sofort klappt. Kleiber hat bereits bei diesen ersten Proben "mitdirigiert" wo es noch mehr um das Spiel und die Bewegung ging, und jeder falsche Einsatz der Sängerin wurde von ihm unterbrochen.

    Das war Janowitz irgendwann zu viel. Am nächsten Tag ist sie dann zu Schenk gegangen und hat ihm mitgeteilt, dass sie aus der Produktion aussteigt, wofür auch Schenk großes Verständnis zeigte. Wofür ihm Janowitz bis heute dankbar ist. Das zeigt wohl auch deutlich wie schwierig die Proben mit Kleiber gewesen sein müssen. Laut Janowitz wäre es so jedenfalls nicht mehr lange gut gegangen. Sonst wäre Kleiber irgendwann abgereist und Janowitz wäre die Schuldige gewesen. Bereits am selben Tag saß sie nachmittags im Flugzeug zurück nach Wien.


    Gregor

  • Ich denke oft an mein Wiener Semester in den 60ern zurück. Die erste Rolle, die ich von Gundula Janowitz gesehen habe, war der Hirtenjunge Yano in der Jenufa.


    Gundula Janowitz als Jano wird leider durch das Archiv der Wiener Staatsoper so gar nicht bestätigt.

    Laut "Chronik der Wiener Staatsoper 1869-2009" war der einzige Hirt, den Gundula Janowitz an diesem Haus gesungen hat - der im "Tannhäuser". Ihr erstes Auftreten in dieser Rolle ist mit dem Datum vom 8. Januar 1963 vermerkt. Der Mitschnitt ist offiziell von der Deutschen Grammophon veröffentlicht worden. Als ersten Auftritt in Wien verzeichnet die Chronik - wie auch aus anderen Quellen bekannt - die Barbarina im "Figaro" am 8. Februar 1960.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Es hat sich ja mittlerweile geklärt, dass "Dr. Pingel" Lucia Popp meinte, als er von Gundula Janowitz schrieb.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Es war beim Rosenkavalier an der Mailänder Scala.

    Lieber Gregor,


    .... danke, daß Du meiner Erinnerung aufgeholfen hast! Nicht bei der "Fledermaus", sondern bei den Proben zum "Rosenkavalier" kam es zum Zusammenstoß mit Crlos Kleiber. Leider finde ich momentan nicht das originale Zitat. Deshalb kann ich das genaue Jahr nicht benennen. Bei mir ist nur im Gedächtnis geblieben, daß sich der Dirigent gegenüber Frau Janowitz sehr grob verhalten hat.


    LG Nemorino

    Die Welt ist ein ungeheurer Friedhof gestorbener Träume (Robert Schumann).

  • Hallo, Gregor und Nemorino!


    Es handelt sich um die "Rosenkavalier"-Produktion vom April/Mai 1976 an der Mailänder Scala. Der 'Ersatz' für Gundula Janowitz als Marschallin war Evelyn Lear (in weiteren Rollen sangen Brigitte Fassbaender, Lucia Popp, Karl Ridderbusch und Raymond Wolansky).


    Ich kann mir kaum vorstellen, dass Carlos Kleiber sich Frau Janowitz gegenüber derart im Ton vergriffen hat. Evelyn Lear hat allerdings im "Da Capo"-Gespräch mit August Everding erzählt, dass Kleiber seine Wut über den 'Abgang' von Gundula Janowitz an ihr (Lear) ausließ und sie sehr rüde behandelt hat. (Von diesem Mailänder "Rosenkavalier" gibt es übrigens einen CD-Mitschnitt bei 'Myto'.)


    Wie ich schon im Beitrag Nr. 239 geschrieben habe, hat Gundula Janowitz 1973 ihren Vertrag für die "Freischütz"-Aufnahme unter Carlos Kleiber nicht unterschrieben, weil sie abwarten wollte, wie sich die erste Zusammenarbeit mit ihm gestalten würde. Vermutlich wusste Kleiber das oder er war 1976 'sauer', dass er in Mailand nicht Gwyneth Jones ('seine' Münchner Marschallin von 1972) bekam, so wie Bernstein es war, als statt Gwyneth Jones in Wien 1978 Gundula Janowitz den "Fidelio" singen sollte. Die 'Pultstars' sind die wahren Primadonnen!


    Carlo

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  • Vermutlich wusste Kleiber das oder er war 1976 'sauer', dass er in Mailand nicht Gwyneth Jones ('seine' Münchner Marschallin von 1972) bekam, so wie Bernstein es war, als statt Gwyneth Jones in Wien 1978 Gundula Janowitz den "Fidelio" singen sollte.


    Erstaunlich, wie wenig Wert selbst die größten Dirigenten auf genaue Intonation und rhythische Präzison bei Sängern legen. ;)

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Liebe Taminos,


    inzwischen habe ich mir die damaligen Presseberichte zu der „Fidelio“-Neueinstudierung – die ursprüngliche Inszenierung (von Otto Schenk) war eine 'Festwochen'-Produktion im Theater an der Wien 1970 - an der Wiener Staatsoper im Januar/Februar 1978 durchgesehen und kann zu meinem Beitrag Nr. 239 noch folgendes nachtragen bzw. berichtigen:


    Die ursprünglich für diese Aufführungsserie (incl. der Fernseh- und Rundfunkübertragung der dritten Vorstellung am 29. 1. 1978) und zwischen die sechs Vorstellungen geschobenen Schallplattenaufnahmen im Wiener Musikverein vorgesehene Sängerin für die Partie der 'Leonore' war nicht Gwyneth Jones, sondern Catarina Ligendza. Da es zwischen Frau Ligendza und der 'Deutschen Grammophon Gesellschaft' zu keinem Vertragsabschluss kam und sie aus dem Projekt 'ausstieg', wollte die einflussreiche Plattenfirma nun Gundula Janowitz eingesetzt sehen, die eine der prägenden Stimmen des 'Gelbetiketts' war. (Frau Janowitz hatte am 3. 2. 1976 an der Deutschen Oper Berlin ihre erste „Fidelio“-Leonore gesungen und legte nach einigen wenigen Auftritten in Berlin und Wien – und einer auch vom Fernsehen festgehaltenen Aufführung im französischen Orange – diese strapaziöse Rolle wieder beiseite. Gundula Janowitz in der „Da Capo“-Sendung zu August Everding: „Sie geht nicht nur an stimmliche, sondern auch an menschliche Grenzen. Man löst sich auf.“) Für die Vorstellungen im Januar/Februar 1978 unter Leonard Bernstein – mit dem sie vorher noch nie zusammen gearbeitet hatte – sagte die Sopranistin ein gleichzeitig vorgesehenes anderes Projekt mit Georg Solti ab. (Nach diesen sechs Vorstellungen 1978 hat Gundula Janowitz m. W. nur noch einmal den „Fidelio“ - am 23. 2. 1980 in Wien unter Heinrich Hollreiser – gesungen.)


    Wegen einer Erkrankung konnte der in Wien geradezu hysterisch verehrte Leonard Bernstein erst sehr spät zu den Proben anreisen und erst da hat er vermutlich von der Umbesetzung der 'Leonore' erfahren, was sein Verhalten gegenüber Gundula Janowitz erklären könnte. Die Proben verliefen dem Vernehmen nach sehr stürmisch (z. B. ersetzte Bernstein den ursprünglich als 'Rocco' verpflichteten Bassisten Bengt Rundgren durch Manfred Jungwirth) und der Premierentermin wurde um einige Tage auf den 24. 1. 1978 verschoben. Das ganze nervöse Klima rund um das von der (in Operndingen stets gut unterrichteten) Wiener Presse kommentierte 'Event' wurde noch zusätzlich durch die Fernsehaufnahmen 'aufgeheizt', denn zum ersten Mal seit 1955 (Wiedereröffnung der Staatsoper mit „Fidelio“ ausschließlich für wenige hundert Fernsehgeräte-Besitzer in Österreich) und 1960 („Angelina“ bzw. „La Cenerentola“ mit Christa Ludwig) gab es wieder eine TV-Ubertragung aus der Wiener Staatsoper. Gundula Janowitz, die zuvor in Berlin, Wien und Orange eine betont lyrische, knabenhafte 'Leonore' dargestellt hatte, wurde nun von Bernstein und Schenk in ein heroinenhaftes, dramatisches Rollenkonzept gezwungen, das sie überforderte; die Presse sprach sogar von einer 'Fehlbesetzung auf hohem Niveau'!.


    Gundula Janowitz verabschiedete sich am 28. 3. 1990 (nach einem Liederabend in Berlin mit Hindemiths „Marienleben“ am 13. 3. 1990) von ihrem Berliner Publikum als 'Marschallin', während sie am 18. 5. 1990 in der Wiener Staatsoper als 'Ariadne' zum letzten Mal eine Opernvorstellung sang. Am 30. 6. 1990 trat sie gemeinsam mit dem neuen Intendanten Gerhard Brunner, dem früheren Ballettdirektor der Wiener Staatsoper, am Opernhaus der Stadt Graz ihr Amt als Operndirektorin an. Doch schon ein Jahr später trat sie zurück - wegen 'künstlerischer Differenzen' mit dem Intendanten, der z. B. zum Saisonbeginn 1990 eine "Lohengrin"-Inszenierung von Ruth Berghaus brachte, die für viel Aufsehen sorgte. Das Credo der Operndirektorin Gundula Janowitz kann man aus ihrer Bemerkung in dem schon zitierten Gespräch mit August Everding vom 11. 5. 1991 – als sie noch im Amt war - entnehmen: „Ich mache Oper nicht für die Kritik, sondern für das Publikum.“


    Carlo

  • Für die Vorstellungen im Januar/Februar 1978 unter Leonard Bernstein – mit dem sie vorher noch nie zusammen gearbeitet hatte – sagte die Sopranistin ein gleichzeitig vorgesehenes anderes Projekt mit Georg Solti ab.


    Wie Janowitz erzählte, gezwungenermaßen! Für Solti hätte sie die Leonore konzertant in Chicago singen sollen, MUSSTE aber dann absagen, weil ihr der zuvor zugesagte Urlaub von der Wiener Staatsoper für den betreffenden Zeitraum dann doch nicht gewährt wurde.


    während sie am 18. 5. 1990 in der Wiener Staatsoper als 'Ariadne' zum letzten Mal eine Opernvorstellung sang.


    Und das tat sie ohne irgendein Karriereende anzukündigen. Sie sagte niemandem, dass das ihre letzte Vorstellung sein würde. Erst nach dem letzten Bühnenvorhang erklärte sie, 'Das war's. Was übrigens Christa Ludwig nicht so ganz verstanden hat, wie sie im gemeinsamen Gespräch mit der Kollegin verriet. Denn Ludwig meinte, das Publikum hätte sie zum Abschied ''sicher noch mit Rosen bestreut und man hätte dir noch ein Krönchen aufgesetzt". 😂😂😂


    Am 30. 6. 1990 trat sie gemeinsam mit dem neuen Intendanten Gerhard Brunner, dem früheren Ballettdirektor der Wiener Staatsoper, am Opernhaus der Stadt Graz ihr Amt als Operndirektorin an. Doch schon ein Jahr später trat sie zurück - wegen 'künstlerischer Differenzen'


    Auch das hat Christa Ludwig angesprochen, worauf Janowitz ganz lakonisch entgegnete: "Man macht manchmal so einen Blödsinn."


    Sie fügte noch hinzu, dass sie mit jungen Sängern ein Opernensemble aufbauen wollte, doch sie erkannte, dass so ein Ensemble gar nicht mehr gefragt war ...



    Gregor

  • Hier noch das gesamte Interview mit Gundula Janowitz in welchem sie über Karajan und Bernstein spricht und sie auch diese interessante Äußerung macht:


    "[.....] auf das, was heute geschieht, darauf kann ich Ihnen gar keine Antwort geben, weil ich überhaupt nicht mehr in die Oper gehe, weil mich das Singen von anderen nie interessiert hat. Ich wollte ja singen."



    Gregor

  • Die ursprünglich für diese Aufführungsserie (incl. der Fernseh- und Rundfunkübertragung der dritten Vorstellung am 29. 1. 1978) und zwischen die sechs Vorstellungen geschobenen Schallplattenaufnahmen im Wiener Musikverein vorgesehene Sängerin für die Partie der 'Leonore' war nicht Gwyneth Jones, sondern Catarina Ligendza.


    Das ist wohl nicht richtig, lieber Carlo. Es gibt keinerlei Hinweise, dass Ligendza jemals als Leonore vorgesehen war. Was zeigt, dass es natürlich auch in den 70er Jahren Falschinformationen gab und nicht immer alles stimmte, was so geschrieben und publiziert wurde.


    Aus unterschiedlichen Quellen geht hervor, dass Gundula Janowitz als Ersatz für Gwyneth Jones verpflichtet wurde.


    Bernstein's Wunschkandidatin für die Wiener Leonore von 1978 war stets Gwyneth Jones. Er schätzte diese Sängerin sehr und arbeite oft mit ihr zusammen. Jones war bereits 1970 seine Leonore bei Aufführungen im Theater an der Wien und an der Wiener Staatsoper. Da soll es auch einen CD-Mitschnitt davon geben.

    Nachdem Jones ihre Beteiligung für die Neuproduktion 1978 abgesagt hat, Bernstein seine Favoritin verlor und somit Janowitz engagiert wurde, kam es zu den unangenehmen Vorfällen mit dem Dirigenten, über die Janowitz ja berichtet hat.

    Bernstein war wohl wieder zufriedengestellt, als ihm bei einer Reihe von Fidelio-Gastspielen der Staatsoper in Washington und New York im Jahr 1979 wieder Gwyneth Jones als Leonore zur Verfügung stand.



    Gregor

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  • Lieber Gregor,


    auch ich war früher der Meinung, dass Gwyneth Jones die Leonore für Leonard Bernsteins Wiener "Fidelio"-Aufführungen im Januar 1978 sein sollte, die bereits 1970 seine Leonore im Theater an der Wien (Premiere am 24. 5. 1970) und bei der Übernahme dieser Inszenierung in das Repertoire der Staatsoper war (Premiere am 9. 6. 1970 - davon gibt es einen Mitschnitt bei 'Opera Depot').


    Für meinen Beitrag Nr. 252 habe ich aber noch einmal im Berliner "Orpheus" (Februar 1978) nachgelesen und da schrieb Peter Dusek - ein profunder Kenner der Wiener Opernszene vor und hinter den Kulissen - folgendes: "Man kalkuliert offenbar bei den Schallplattenherstellern nun mit der Werbekraft einer Live-Reportage aus den großen Opernhäusern; der Pferdefuß wäre allerdings die Einflussnahme auf die Besetzungspolitik, was leider auch in Wien der Fall gewesen sein dürfte. Wenige Wochen vor dem Eintreffen Bernsteins wurde die ursprünglich vorgesehene Catarina Ligendza durch Gundula Janowitz ersetzt. Der Grund waren angeblich Differenzen zwischen Frau Ligendza und jener Plattenfirma, die den Wiener Bernstein-"Fidelio" im Studio aufnimmt. Wenn dieses Gerücht stimmt, dann ist es nicht der einzige Schatten, der auf diesen "Fidelio" fiel. Denn der musikalisch-künstlerische Ertrag war alles andere als unproblematisch: Schlagzeilen in den Zeitungen wie 'Es war keine Sternstunde' sprachen das aus, was sich auch an den Publikumsreaktionen ablesen ließ."


    Vermutlich wollte sich Frau Ligendza nicht dem Stress aussetzen, diese strapaziöse Rolle innerhalb von 6 Tagen dreimal (24., 27. und 29. 1. 1978) zu singen, mit gleichzeitiger Schallplattenaufnahme und wohl auch Kamera-Proben für die Fernsehübertragung. (Vom 10. bis zum 15. 2. 1978 gastierte die Wiener Staatsoper mit dieser Produktion - in der Premieren-Besetzung vom 24. 1. 1978, aber mit Walter Berry statt Hans Sotin als Don Pizarro - für drei Vorstellungen auch an der Mailänder Scala zu den 200-Jahr-Feierlichkeiten dieses Opernhauses.)


    Wohlgemerkt: erst die dritte Vorstellung (29. 1. 1978) wurde live im Fernsehen und Rundfunk übertragen - und bis dahin hatten sich die Gemüter hinter, auf und vor der Bühne wohl wieder etwas beruhigt.


    Carlo

  • Für mich bleibt es ein Glücksfall, dass die Janowitz am Ende die Leonore sang. :) Nach einer packenderen und aufregenderen Produktion müsste ich lange suchen.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


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