Gaetano Donizetti: DOM SÉBASTIEN, ROI DE PORTUGAL

  • Da es am Staatstheater Nürnberg in Kürze die deutsche Erstaufführung der französischen Originalfassung* geben wird und ich mich vorab bereits etwas informieren möchte, eröffne ich diesen Thread über Donizettis letzte und vielleicht reifste Oper:


    Dom Sébastien, Roi de Portugal (Dom Sebastian, König von Portugal) (1843).


    * Details:
    Staatstheater Nürnberg
    Samstag, 2. Mai 2009, Opernhaus
    Dom Sébastien, Roi de Portugal
    Opéra in fünf Akten von Gaetano Donizetti
    Deutsche Erstaufführung der französischen Originalfassung


    Ich zitiere hierzu mal die Seite des Staatstheaters:


    Zitat


    Gaetano Donizetti hielt „Dom Sébastien, roi de Portugal“ („Don Sebastian, König von Portugal“) für eine seiner bedeutendsten Schöpfungen. Dass es seine letzte sein würde, konnte der schwer erkrankte Komponist nach seinem an Anstrengungen, Enttäuschungen und Erfolgen überreichen Leben nicht erahnen. Hatte er doch mit seiner 71. Oper den richtungweisenden Versuch unternommen, eine neue gültige Synthese zwischen italienischer seria und französischer grand opéra zu schaffen, um damit in Konkurrenz zum seit einiger Zeit alles beherrschenden Giacomo Meyerbeer zu treten.


    Dafür schien ihm die romantische Legende vom jungen König Sébastien I., der sich berufen fühlte, Nordafrika vom Islam zu „befreien“, geradezu prädestiniert. Das Abenteuer des historischen Dom Sébastien endete zwar rasch mit dessen Tod in der Schlacht von Alcazarquivir (1578) und einer desaströsen Niederlage, im Volksglauben lebte er aber weiter. Und so lässt Donizettis Librettist Eugène Scribe Dom Sébastien inkognito und entbrannt in unglücklicher Liebe zu Zayda, der Frau seines militärischen Bezwingers, nach Portugal heimkehren. Dort wird er Opfer eines zynischen Geschachers zwischen den siegreichen Moslems, seinem Onkel und den Spaniern um den Thron, begegnet seinem eigenen Beerdigungsumzug, wird von der Inquisition zusammen mit seiner Geliebten Zayda des Hochverrats bezichtigt, unterzeichnet angesichts der Scheiterhaufen seine Abdankungsurkunde zu Gunsten der Spanier – und erleidet doch zusammen mit Zayda im Kugelhagel den Liebestod.


    Angesichts ihrer bühnenwirksamen Handlung und des hohen musikalischen Gehalts verwundert es nicht, dass Donizetti mit „Dom Sébastien“ 1843 in Paris und Wien außerordentliche Erfolge feiern konnte. Heute allerdings gilt es, diese Rarität der Opernliteratur für die Bühne neu zu entdecken …


    Handelt es sich bei dieser Oper um einen Quasi-Vorläufer des "Don Carlo(s)" von Verdi, der dessen Oper mitbeeinflußte, oder ist es rein zufällig, daß sich Verdi gut zwei Jahrzehnte später des spanischen Pedants zum portugiesischen Dom Sebastian annahm?


    An Aufnahmen gibt es nach wie vor nur diese - hoffnungslos überteuerte - aus Covent Garden:


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões


  • Der Vollständigkeit halber hier noch die Besetzung dieser Aufnahme aus London:
    Aufnahme: 2005, live, konzertant, London
    Spieldauer: 176'30
    Dirigent: Mark Elder
    Orchestra of the Covent Garden Opera London
    Chorus of the Covent Garden Opera London
    Chorleitung: Renato Balsadonna


    Abayaldos: Simon Keenlyside
    Ben-Selim: Andrew Slater
    Camoëns: Carmelo Caruso
    Dom Antonio: John Upperton
    Dom Henrique Sandoval: Robert Gleadow
    Dom Juan de Sylva: Alastair Miles
    Dom Luis: Martyn Hill
    Dom Sebastian: Giuseppe Filanoti
    Inquisitore: John Bernays
    Inquisitore: Lee Hickenbottom
    Soldat: Nigel Cliffe
    Zayda: Vesselina Kasarova


    Wer auf die Ballettmusik verzichten kann, der kann die Oper auch preisgüstig in USA bestellen!


    Die Kasarova hat die Oper im folgenden Jahr auch in New York gesungen, die Aufnahme ist auch auf CD erschienen.


    Wer es auch italienisch akzeptiert der ist schon mit wenig Geld dabei:



    (bei 2**1 schon für unter 5 € zu kriegen!)


    +++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++++


    Meine derzeit liebste Aufnahme der Oper kommt übrigens aus der deutschen Provinz - genauer gesagt aus Aachen:



    Aufnahme: 29.4.1998, live, Aachen
    Dirigent: Elio Boncompagni
    Symphonie-Orchester Aachen
    Opernchor und Extrachor des Theaters der Stadt Aachen
    ( Rekonstruktion der Fassung Wien 1845 von E. Boncompagni, italienische Fassung: G. Ruffini)


    Abayaldos: Mario Tagadoni
    Camoëns: Ettore Kim
    Dom Antonio: Andreas Joost
    Dom Juan de Sylva: Randall Jacobs
    Dom Sebastian: Robert Woroniecki
    Enrico: Götz Seitz
    Giudice (2): Willy Schell
    Selim: Wolfgang Biebuyck
    Zayda: Monica Minarelli


    LG


    :hello: :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Vor einiger Zeit habe ich mir diese Aufnahme aus London zugelegt, da ich diese Oper noch nicht kannte. Außerdem sagte mir die Besetzungsliste zu.
    Inzwischem habe ich sie mehrmals gehört und sie gefällt mir ausgesprochen gut.
    Ich halte sie wirklich für Donizettis reifste Oper.


    VG
    Jolanthe

  • Hallo!


    Der Dom Sebastien (Don Sebastiano) ist Donizettis letzte Oper und, wenn man die Anforderungen der Oper beachtet, auch die größte. Die Opera Rara-Aufnahme, die ich auszugsweise schon gehört habe, ist sicherlich die Referenz. Ich besitze (leider) nur diese hier:

    Schwache Tonqualität, stark gekürzt, viele Elemente der üppigen Handlung entfallen, das Ballett, das eigentlich in einer italienischen Fassung nichts zu suchen hätte, bleibt aber (:angry:), weiters wird es vom Publikum total zerklatscht.


    Donizettis letzte Oper war auch sein erster Ausflug in die Welt der Grand Opera. Ewig schade, dass er nicht mehr davon geschrieben hat.


    Ergänzend zum Thread noch der Link, wo wir schonmal über diese Oper geschrieben haben.


    Donizettis Opernschaffen
    und noch was, damit ihr euch einen kleinen Eindruck von den Anforderungen der Oper machen könnt
    Don Sebastiano-Szenenfolge


    LG joschi

  • Die Termine für die Sebastien-Vorstellungen stehen schon klar auf dem Spielplan von Nürnberger Staatstheater, doch die Besetzungsliste schaut verunsichernd aus, Titelpartie wird von David Yim, der nach meiner Erfahrung aus Rosenkavalier (als italianischer Sänger) und Rigoletto (als Duka) immer eine forcierte Stimme aufweist und mir keinen positiven Eindruck hinterlassen hat (übrigens, in der herausfordernden Nummer "Deserta in terra" muss der Tenor 3 hohe C und einmal C-sharp schmettern, die Obergrenze von Herr Yim aufgrund meiner Einschätzung geht nicht über hohe B :D).


    Auf jeden Fall doch das vollkommenste Werk meines Lieblingskomponisten,steht den anderen Grand-Operas doch in nichts nach.


    übrigens eine kurze persönliche Vorstellung, 25, Diplomstudent im Fach BWL (im April mache ich Abschluss) aus China, derzeit in Bayreuth. Bin froh darauf, Operngenossen kennenlernen zu können.

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

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  • Zitat

    Original von xingwang
    Die Termine für die Sebastien-Vorstellungen stehen schon klar auf dem Spielplan von Nürnberger Staatstheater, doch die Besetzungsliste schaut verunsichernd aus, Titelpartie wird von David Yim, der nach meiner Erfahrung aus Rosenkavalier (als italianischer Sänger) und Rigoletto (als Duka) immer eine forcierte Stimme aufweist und mir keinen positiven Eindruck hinterlassen hat (übrigens, in der herausfordernden Nummer "Deserta in terra" muss der Tenor 3 hohe C und einmal C-sharp schmettern, die Obergrenze von Herr Yim aufgrund meiner Einschätzung geht nicht über hohe B :D).


    David Yim ist mir das erste Mal vor einigen Jahren in Bremen bei einer Vorstellung von "La forza del destino" begegnet, und da war ich wirklich mittelschwer begeistert: eine kernig-metallische Tenorstimme von sehr guter Qualität, wie ich das an einem mittelgroßen Haus kaum erwartet hatte. Das war wirklich mal eine Verdi-Stimme, gut im Fokus und mit einer nach meiner Erinnerung sicheren Höhe, allenfalls etwas unflexibel und monoton eingesetzt; da besteht für den jungen Sänger vielleicht noch Potential. Jedenfalls hatte er auch Kraftreserven bis zum Schluss der Oper. Mir hat der Alvaro immerhin so gut gefallen, dass ich mir Yims Namen gemerkt habe - was mir bei ostasiatischen Sängern leider nicht immer ganz leicht fällt :O (sorry, xingwang). Jedenfalls hat es mich gefreut, dass Yim im letzten Jahr als Don Carlo auch in Hannover aufgetaucht ist.


    Wäre ich Süddeutscher, wäre für mich David Yim also eher ein Grund, vielleicht doch eine Vorstellung des Dom Sébastien zu besuchen. Ob er allerdings gerade in dieser Rolle wirklich gut aufgehoben ist, lasse ich mal dahingestellt. Für Donizetti (wie übrigens auch für den Duca) scheint er mir fast etwas zu "schwer" besetzt zu sein.


  • Vor allem eine gute Aufnahme, um das Werk kennen zu lernen, das leider wirklich kaum gespielt wird. Übrigens dürfte die Aufnahme dank des Donizetti-Gedenkjahres 1997 (200. Geburtstag) zustande gekommen sein.


    Ansonsten ist aus der Oper eigentlich nur mehr eine wirklich wunderschöne Bariton-Arie bekannt, von der es eine sehr alte Aufnahme mit Mattia Battistini gibt. (Wer für die Stimmlage Bariton ein Faible hat, ist bei Donizetti übrigens sicher sehr gut aufgehoben :yes: , in der Oper gibt es gleich drei Soloszenen für diese Stimmlage. )


    Allerdings ist die Arie nicht der einzige musikalische Moment, wegen dem es sich lohnt, diese Oper zu kennen.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • diese Tenorarie sollte die von mir erwähnte Deserto in terra sein, auf französisch Seul sur la terre, doch hoch herausfordernd, in der Aufnahme aus Aachen sollte diese Arie um einen vollen Ton herab transponiert sein.
    In Youtube steht doch die Intepretaion von dieser mit G. Sabbatini, er ist fantastisch!

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

  • Diese Arie "Deserto in Terra" war auch eine der Lieblings-Arien von Luciano Pavarotti.
    Kaum ein Konzertabend, an dem er diese Arie nicht gesungen hat:



    Hier nachzuhören (Track 9 der Hörproben bei jpc)


    LG


    :pfeif: :pfeif:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Hi Harald, bist du sicher, dass Pav. ziemlich häufig diese Arie auf dem Konzertabend sang? Da vom Schwierigkeitsgrad hier ist diese zweifelsohne ganz oben auf der Rangliste (und wunderschön), noch schwieriger IMO als Spirto Gentil oder A muto asil etc.(wobei diese 2 wiederum viel schwieriger IMO als Che gelida manina usw.),da Pav. nicht einmal die Gesamtaufnahme von diesem ganzen Werk gemacht hat, und die hier angezeigte Aufnahme aus der Spitzenzeit von Pavs Karriere stammt, bin ich doch etwas skeptisch, ob diese Arie eine typischen Nummer auf seinem Konzertabend ist (ich habe nichts Böses gegen deine Aussage :D)

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?


  • Da ich sie grad anhöre (mittlerweile im 2. Akt): Eine wirklich wunderbare Aufnahme! Die ganze Oper ist toll, soviel ich bisher sagen kann. Gefällt mir fast besser als der themenverwandte "Don Carlo" von Verdi.


    Für alle Interessenten nochmal alle Termine in Nürnberg:


    Zitat

    http://www.staatstheater-nuernberg.de
    Samstag, 02.05.2009 19:30 Uhr • Mittwoch, 06.05.2009 20:00 Uhr • Samstag, 09.05.2009 19:30 Uhr • Donnerstag, 21.05.2009 19:00 Uhr • Samstag, 20.06.2009 19:30 Uhr • Sonntag, 12.07.2009 15:30 Uhr • Sonntag, 19.07.2009 19:00 Uhr


    Laut dem Booklet die erste Aufführung seit über elf Jahren in Deutschland.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ihr seid in Nürnberg eindeutig zu beneiden. Auch ich würde diese wunderschöne Oper gerne einmal in "natura" erleben.

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
    Di glorie e di sublimi rapimenti
    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Ich erlaube mir mal, die bislang erste (?) Rezension im Netz über die Premiere in Nürnberg hier hereinzustellen:



    Quelle:
    "http://www.roth-hilpoltsteiner-volkszeitung.de/artikel.asp?art=1011358&kat=48&man=15"

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Peter Theilers Bemühen, den sich immer weiter verengenden Werke-Kanon zu erweitern und Raritäten zur Diskussion zu stellen, ist aller Ehren wert. Im Fall des «Dom Sébastien« muss aber leider konstatiert werden: Donizettis 71. und letzte Oper braucht niemand. Noch schlimmer: Es hat sie auch keiner vermisst. Die Musikgeschichte fällt eben auch manchmal gerechte Urteile. . .


    Schon, dass der geehrte Herr das so toll beurteilen kann - aber ich bin eher der Meinung, dass diese Aussage niemand braucht.


    Denn, dass die Oper sehr populär war (und das in ganz Europa) zeigt schon allein die Tatsache, dass sie schon im Jahr 1845 (6.2.) in Wien auf deutsch (Übersetzung Leo Herz) gezeigt wurde (nun gut, könnte man dagegenhalten, in Wien war man ja Donizetti-narrisch) und im selben Jahr (4.5.) die italienische Version in Lissabon (quasi am Originalschauplatz :D) Premiere hatte.


    Nur zur Info:
    Hier die Besetzung der UA Paris:


    Dom Sébastien - Duprez, Gilbert-Louis [Tenor]
    Zayda - , Rosine [Mezzo]
    Dom Juam de Sylva - Levasseur, Nicholas-Prosper [Bass]
    Camoëns - Barroilhet, Paolo (Paul) [Bariton]
    Abajaldo - Massol, Jean-Etienne-Auguste (Eugène) [Tenor, Bariton]
    Dom Antoine - Octave, Jean-Baptiste [Tenor]
    Ben-Selim - Brémont, Hippolyte [Bass]
    Dom Enrique - Prevôt, Ferdinand [Bass]


    Wiener Fassung:
    Sebastian - Erl, Josef [Tenor]
    Zaida - Stöckl-Heinefetter, Clara Maria [Sopran]
    Juan de Sylva - Drawbe, Joseph [Bass]
    Camoëns - Seithner, Eduard [Bariton]
    Abayaldo - Wild, Franz [Bariton]
    Antonio - Wolf, Carl Maria [Tenor]
    Ben-Selim - Hölzel, Gustav [Bass-Bariton]
    Enrique - Becher, Friedrich [Bass]
    Luis - Reinhold, Carl [Tenor]


    LG joschi

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  • Lieber Joseph,


    Vielen Dank für deine tolle Rezension!


    Die erstaufführung von diesem Werk in Deutschland soll in Aachen sein, aber nach meinem Gedächtnis ist die Tenorarie um eine volle Note nach unten transponiert, so dass der Tenor wirklich die hinkriegen könnte.


    Diese Oper ist aus meiner Sicht einfach eine Grand opera, nicht nur werden allen Sängern/rinnen sondern auch Regiesseur bei Strukturierung des Bühnenbildes hohe Anforderung gestellt, und als die letzte und auch m.E. vollendeteste Oper von Donizetti ist diese No. 2 auf meiner Idealliste (gerade nach La Juive).


    In diesen Jahren sind wegen evtl. ehrgeizigen Intendanten oder wirklich reichhaltiger Sänger-/Regie-Reserve sind viele Grand Opera, die sogar in weltweit spitzenklassigen Häusern wie München oder UDL nicht einmal auf Spielplan kommen könnte, doch in relativ bescheidenen Häuser aufgeführt wie La Juive in Darmstadt(hat jemand es gesehen und würde jemand sagen, wie es war?) oder wie diesmal Dom in Nürnberg, ich weiss nicht ob es bei der Aufführung auch die ursprüngliche Fassung (volle Länge ohne "Schlankheitskurs" und ohne Transponieren nach unten oder einfach Weglassen der hohen Note bspw. in der Leopold-Serenata in La Juive oder in der Deserto la Terra in Dom Sebastien).


    Also noch einmal Dank für die Rezension!

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich erlaube mir mal, die bislang erste (?) Rezension im Netz über die Premiere in Nürnberg hier hereinzustellen:


    ...


    Offensichtlich gehört der Herr zu jener Gruppe von Opernkritikern/innen, die es nicht mag, wenn am Spielplan auch einmal ein Werk aufgeführt ist, das eben schon viele Jahre lang nicht mehr gespielt wurde. (Das Ganze erinnert mich an die Kritiker/innen, als in Wien "Le prophete" oder die französische Fassung von "Le Favorite" aufgeführt wurden.)


    Dass die Oper rasch vergessen wurde, ein Schicksal, das sie auch mit anderen Opern aus dieser Zeit teilt, liegt einfach daran, dass damals auch viel mehr Auswahl als heute war. Weiter kommt hinzu, dass die Oper mit 5 wichtigen und anspruchsvollen Partien (Mezzosopran, Tenor, gleich 2 Baritone, 1 Baß) und ihren aufwendigen Chorszenen nicht gerade leicht zu besetzen ist. Einzelnummern haben sich bis Anfang des 20. Jahrhunderts im Repertoire erhalten (so gibt es eine Arie des Titelhelden in einer Aufnahme mit Enrico Caruso), also war die Oper auch gar nicht so vergessen.


    Dass das Libretto zumindest nach heutigen Kriterien unter "politisch nicht korrekt" fällt, ist ein Vorwurf, der vielen Opern, die heute noch im Spielplan sind, gemacht werden kann. Bei denen wird dann immer die Musik als Rechtfertigung angeführt. Warum also hier andere Maßstäbe? Und was die Handlungslogik betrifft, die wirklich sehr hanebüchen ist, wäre hier nicht die Regie gefragt?


    Was den "Krieg gegen die Muslime" betrifft, muss ich doch dem Herrn Kritiker widersprechen. Gerade hier könnte, mein Eindruck, eine zeitadäquate Inszenierung ansetzen.


    Der Krieg gegen die Muslime ist erstens nicht notwendig (gekämpft wird im Ausland) und erweist sich zweitens für den Protagonisten als schreckliches Desaster und wie der weitere Verlauf der Handlung zeigt, muss er feststellen, dass seine wahren Feinde, die er hätte bekämpfen müssen, zu Hause waren und eben nicht in Afrika. (Krieg gegen die Falschen, Krieg als Ablenkungsmannöver, um die Machtverhältnisse zu Hause ändern zu können.)

    Il mare, il mare! Quale in rimirarlo
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    Mi si affaccian ricordi! Il mare, il mare!
    Percè in suo grembo non trovai la tomba?

  • Etwas befremdlich fand ich die Schlußsätze einer Kritik aus dem Roth-Hilpoltsteiner Volkskurier zu dem Nürnberger Dom Sebastien von Jens Voskamp:


    " Im Fall des Dom Sebastien muss aber leider konstatiert werden: Donizettis 71. und letzte Oper braucht niemand. Noch schlimmer: Es hat sie auch keiner vermisst. Die Musikgeschichte fällt eben auch manchmal gerechte Urteile....."


    Viele Grüße
    Jolanthe

  • Ich finde die Rezension auch ziemlich dämlich. Man merkt, daß der Rezensent von Anfang an kein großes Interesse an der Oper hatte. Vielmehr verkennt er die Tatsache, daß es eben nicht eine der unwichtigsten, sondern einer der wichtigsten Donizetti-Opern ist.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Ich finde die Rezension auch ziemlich dämlich. Man merkt, daß der Rezensent von Anfang an kein großes Interesse an der Oper hatte. Vielmehr verkennt er die Tatsache, daß es eben nicht eine der unwichtigsten, sondern einer der wichtigsten Donizetti-Opern ist.


    Wenn nicht sogar DIE wichtigste - Donizetti hatte hier erstmals die Gelegenheit ein ganz neues Operngenre auszuprobieren: Die Grand Opera. Wie man eindrucksvoll hören kann ist das mehr als nur ein Kennenlernen der Gattung geworden, sondern ein Meisterwerk der Gattung. Wenn Donizetti länger gelebt hätte, hätte er (da bin ich mir sicher) mehr Grand Operas geschrieben und wer weiß, ob man Meyerbeer dann noch kennen würde?


    LG joschi

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  • Ob Donizetti Meyerbeer verdrängt hätte, ich glaube nicht, das haben Verdi und Wagner schließlich auch nicht geschafft. :D


    "Dom Sebastien" war auch nicht die erste Grande Opera, die Donizetti komponiert hat. Zuvor hatte er bereits für mehrere seiner Opern französische Fassungen erstellt : zum Beispiel "Lucie di Lammermoore" oder "Les Martyrs" (französische, stark bearbeitete "Version" von "Poliuto" ).


    Seine erste Oper für Paris war "Marino Faliero" (ein Werk, dessen musikalische Seite die Ausgrabung lohnen würde). "Il duc d'Alba" wurde nicht beendet (Scribe bearbeitete dieses Libretto später für Giuseppe Verdi, daraus wurde dessen "I Vespres Siciliennes" ), die bereits komponierten Musiknummer verwendete Donizetti für "La Favorite", die ebenfalls für Paris entstanden ist (auch wenn sie vor allem in der italienischen Fassung bekannt ist). Die Partie der Leonor hatte Donizetti für dieselbe Sängerin komponiert, die auch die erste Zayda war. (Meyerbeer lehnte es ab, die Fides (die weibliche Hauptfigur in "Le prophete" ) für ihre Stimme zu komponieren.)


    Was die Meinung unseres Rezensenten zum "Dom Sebastien" betrifft, steht er mit diesem Urteil nicht alleine. Donizetti selbst hat von dieser Oper viel gehalten, aber bereits ein Biograph wie Robert Steiner-Isenmann (dessen Biographie von 1982 allerdings mit Vorsicht zu genießen ist, unterhaltsam zu lesen, aber eindeutig in der Absicht geschrieben Donizetti als zwiespältigen romantisch-zweifehaften Typ zu porträtieren und daher weniger wissenschaftlich geeignet) meint, dass Donizetti damals bereits vor dem Nervenzusammenbruch stand und an totaler Selbstüberschätzung litt, als er das geschrieben hat.



    PS: Übrigens hätte ich nichts dagegen, wenn wir uns mehr über Donizetti austauschen würden, vorausgesetzt, es sind andere hier, die auch daran Interesse haben.

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  • Zitat

    Original von Waltrada
    [QUOTE]"Dom Sebastien" war auch nicht die erste Grande Opera, die Donizetti komponiert hat. Zuvor hatte er bereits für mehrere seiner Opern französische Fassungen erstellt : zum Beispiel "Lucie di Lammermoore" oder "Les Martyrs" (französische, stark bearbeitete "Version" von "Poliuto" )..


    Bin völlig der Meinung, m.E. sei Poliuto und La Favorita seine ersten "GrandOperanahe" Werke (bspw. der Marsch in Poliuto, also wohl die Wurzel für die Siegesmarsch in Aida von Verdi, oder der Krönungsmarsch am Ende des 2. Aktes von La Favorita).


    Ist ziemlich schwer zu sagen, ob damals Doni den gleichen Weg bei Komposition wie Meyerbeer geschlagen hat, aber zumindest aus meiner Sicht ist in Verdis und Wagners Werken schon den Schatten des Doni-Stils (also hauptsächlich in seinen späteren Werken) klar zu empfinden

    Soll er dir noch so viel Atem lassen, als 'en Altweiberfurz, soll ich?

  • Ich habe zu dieser Aufführung noch eine andere Besprechung gefunden, die ich Euch nicht vorenthalten möchte -
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    Vorerst Gratulation dem Staatstheater Nürnberg, dieses letzte Meisterwerk Gaetano Donizettis, das zu den musikalisch gelungensten und fortschrittlichsten Werken des Komponisten zählt, der Vergessenheit entrissen zu haben. Die 1843 in Paris uraufgeführte Oper war zuerst nicht sehr erfolgreich und wurde „nur“ 32 Mal gespielt, erzielte aber zwei Jahre später bei der deutschsprachigen Erstaufführung in Wien mit mehr als 150 Vorstellungen einen bedeutenden Erfolg. Das Textbuch verfasste Eugène Scribe, der berühmteste Librettist seiner Zeit. „Es ist eine kühne Geschichte, die zwischen Lissabon und Nordafrika, zwischen Politdrama, Liebesgeschichte, Kreuzzugproblematik und Erlösungswünschen hin und her springt“, wie es im ausführlichen Programmheft vermerkt ist. Die Produktion in Nürnberg ist die Deutsche Erstaufführung der französischen Originalfassung von 1843.


    Der Inhalt der fünfaktigen Oper in Kurzfassung: Vor der Einschiffung der Truppen des portugiesischen Königs zum Krieg gegen den König von Marokko rettet Dom Sébastien Zayda, die Tochter des Gouverneurs von Fez, vor dem Tod auf dem Scheiterhaufen. In Afrika wird das portugiesische Heer vernichtend geschlagen. Um seinen schwer verwundeten König zu retten, gibt sich Dom Henrique als Dom Sébastian aus und wird getötet. Während die Marokkaner jubeln, findet Zayda den König in der Wüste und gesteht ihm ihre Liebe. Als der arabische Stammesfürst Abayaldos zurückkehrt, um alle noch lebenden Christen zu töten, bittet Zayda um das Leben des verwundeten „Offiziers“. Abayaldos verspricht die Begnadigung, falls sie in eine Heirat mit ihm einwilligt. Um Dom Sébastien zu retten, stimmt Zayda zu. In Portugal wird der König für tot erklärt. Dom Sébastien kehrt unerkannt zurück, wird aber von dem Dichter Camoëns entdeckt und dem jubelnden Volk präsentiert. Dom Antonio, der Onkel des Königs, der alle Kriegsteilnehmer einkerkern ließ, um die Erinnerung an Dom Sébastien auszulöschen, lässt ihn als Betrüger gefangen nehmen und vor das Inquisitionsgericht stellen. Vor dem Tribunal sagt Zayda für den König aus. Der eifersüchtige Abayaldos bezichtigt sie der Lüge und klagt Zayda als Ehebrecherin an. Zayda und der König werden zum Tod verurteilt. Der Großinquisitor verspricht beide zu begnadigen, wenn Dom Sébastien offiziell zugunsten Philipp II. auf den Thron verzichtet. Doch der König zögert, da er sein Land nicht an Spanien ausliefern will. Erst als er die Vorbereitungen zur Hinrichtung Zaydas bemerkt, unterschreibt er das Dokument. Camoëns eilt zur Rettung des Paares herbei. Als sie zu fliehen versuchen, lassen Dom Antonio und der Großinquisitor die beiden erschießen.


    Regisseur David Hermann verlegte die Handlung in die heutige Zeit, was bei einzelnen Szenen das Publikum zu Gelächter, aber auch zu Unmutsäußerungen reizte. Schon der erste Akt, als sich die portugiesischen Truppen in kurzen Hosen und mit Wasserflaschen aus Plastik zum Kriegszug nach Marokko vorbereiten, erregte Kopfschütteln. Passend dazu die Szene, als König Sébastien in kurzen Hosen auf dem Schlachtfeld mit der Plastikflasche fechtend nach einem Schwert ruft. Es erübrigt sich, noch weiter auf die Bühnengestaltung und die „Kostüme“ (für beides zeichnete Christof Hetzer verantwortlich) einzugehen.


    Eine Zumutung war auch die Personenführung des Regisseurs. Fast alle Darsteller mussten fortwährend in Zuckungen und Körperverrenkungen verfallen, die nur in seltensten Fällen – wie in den Folterszenen durch die Inquisition – passend waren. Dom Juam de Sylva, der Großinquisitor, hatte während seiner Auftritte epileptische Anfälle und agierte mit einer eisernen Hand (Sigmund Freud lässt grüßen!). Kein Wunder, dass sich die Pausengespräche kaum um die großartige Musik, sondern fast nur um die Inszenierung drehten (O-Ton einer Besucherin: „Dieser Regisseur bräuchte einen Psychiater!“). Leider scheint es auf vielen Opernbühnen zur Mode zu werden, die Darsteller ununterbrochen mit Revolvern fuchteln zu lassen. In Nürnberg tobte sich der Regisseur aber besonders aus. Auch der Großinquisitor und Zayda bedrohten ihre Umgebung des Öfteren mit dem „Schießeisen“. In der Schlussszene werden nicht nur der König und Zayda, sondern in einer wahren „Schießorgie“ fast alle Personen erschossen, ehe der Vorhang fällt. Das Publikum reagierte mit einem – in dieser Intensität selten gehörten – minutenlangen Buhorkan, noch ehe sich der Regisseur auf der Bühne zeigen konnte. Und einige Besucherinnen und Besucher verließen fluchtartig das Haus.


    Pech war, dass sich dem Darsteller der Titelrolle der Pollenflug auf die Stimmbänder geschlagen hatte, wie dem Publikum vor Beginn der Aufführung mitgeteilt wurde. Dass der australische Tenor Christopher Lincoln dennoch tapfer bis zum Schluss durchgehalten hat und damit die Premiere rettete, muss lobend erwähnt werden. Schauspielerisch gab er sein Bestes, wiewohl er in manchen Szenen tölpelhaft wie ein „Hampelmann“ agieren musste. Als Zayda begeisterte die Italienerin Veronica Simeoni mit ihrer prächtigen dramatischen Sopranstimme ebenso wie als Abayaldos der Niederländer Baastian Everink mit seinem kräftigen Bariton. Dass er sich immerfort mit beiden Händen an den Kopf griff, als hätte er schwerste Migräne oder gar Schlimmeres, lag wohl an der merkwürdigen Personenführung des Regisseurs.


    Beeindruckend die Leistung des bulgarischen Bassisten Nicolai Karnolsky in der Rolle des „eisernen“ Großinquisitors, dessen tiefe, schneidige Stimme allein schon das Fürchten lehrte.
    Aus dem internationalen Ensemble ragten auch noch der türkische Bariton Melih Tepretmez als Poet Camoëns, der russische Bass Vladislav Solodyagin in den Rollen des Dom Henrique und des Zweiten Inquisitors, und der südkoreanische Tenor David Yim als Dom Antonio heraus. Stimmgewaltig der Chor des Staatstheaters Nürnberg (Einstudierung: Edgar Hykel), der besonders in der Gerichtsszene der Inquisition beeindruckte.


    Die Nürnberger Philharmoniker unter der Leitung von Christoph Gedschold spielten die farbenreiche Partitur Donizettis, die alle Gefühlswallungen der Figuren musikalisch brillant interpretiert, packend und eindrucksvoll. Sie ernteten genauso wie das Sängerensemble und der Chor mit Recht reichen Applaus des Publikums.

    Hear Me Roar!


  • Donizettis erste Paris-Opern sind meiner Meinung nach "nur" italienische Opern in französischer Übersetzung. Das "Schema" bzw. die Charakteristik der Grand Opera erfüllt er hier zum ersten Mal.


    Gegen das PS hätte ich auch nichts - wir haben noch genug andere Threads über ihm im Opernforum.


    LG joschi


    PS: Marino Faliero - hier is er: