Tja, was nun?
Lese ich dieses Interview mit Tilman Knabe schwarz auf weiß, so kann ich nahezu jedem Satz beipflichten. Die Haltung Knabes verstehe ich und finde sie angemessen und nahezu lebensnotwendig für das Überleben der Oper. Nun habe ich aber auch die Erfahrungsberichte Michael Schlechtriems und Azucenas im Ohr und finde auch diese unbedingt beachtenswert. Dazu nehme ich noch folgenden Kommentar von Edwin:
ZitatOriginal von Edwin Baumgartner
Ich frage mich etwa die ganze Zeit, ob es den identischen Protest auch dann gäbe, wenn Knabe menschlich just so wäre, wie er ist, "Samson und Dalila" aber in grauer Vorzeit ansiedeln und betuliches Herumstehtheater inszenieren würde. Wetten, es gäbe, außer den Plaudereien unter Kollegen, daß das A...loch wieder einmal blank an Ideen sei, kein Gerede...?
Noch einmal: Was nun? Man könnte mehreres daraus ableiten.
Erstens:
Knabe ist ein ambitionierter und geschätzter Regisseur, der mit seinen Ideen bereits erfolgreich war, diesmal aber den Bogen der Belastbarkeit so sehr überspannt hat, dass ihm die Leute zusammenklappen. Das halte ich für unwahrscheinlich. Viele mögen extreme Belastungen aus ihrem Berufsalltag kennen. Wenn man aber überzeugt und vom Vorgesetzten verantwortungsvoll "mitgenommen" wird, so ist vieles möglich, auch das Überschreiten bislang nicht gekannter Grenzen.
Zweitens:
Knabe ist in seinen Umgangsformen eine mittelschwere Katastrophe, unabhängig davon, ob er in Pappkulissen inszeniert oder den Gaza-Streifen zeigen will. Überschritte er menschlich jegliche Grenzen, so wäre es auch mir egal, ob ich ein Maschinengewehr oder einen Nachttopf zu bedienen hätte (Edwin, ich habe aufgepasst... ;)). Ein Idiot bleibt ein Idiot, sei er "Staubi" oder "Regilie"... Wieso aber haben dann nicht die Ensemblemitglieder in Hannover oder Essen opponiert?
Drittens:
Knabes Israel-Palästina-Lesart ist vielen Teilnehmenden so heikel, dass sie analog zum Karikaturenstreit kalte Füße bekommen und abspringen. Das würde zum mehrfach erlebten vorauseilenden Gehorsam in dieser heiklen politischen Lage passen. Allerdings unter anderen Vorzeichen, wenn die Hauptdarstellerin das Ganze als anti-israelisch empfunden hat.
Wer weiß, vielleicht gibt es noch ganz andere Gründe - Peter erwähnte sie. Bei aller Aufregung bin ich über eines froh: Nämlich darüber, dass dieser Eklat zeigt, wie kontrovers und aufregend die Kunstform Oper heute noch sein kann. Sie scheint zumindest in Köln höchst gegenwärtig zu sein...
LG
B.