Beiträge von Theophilus

    Hallo Alfred,


    du hast wortreich für Sagitt die Antwort übernommen und ihm auch recht gegeben, ohne auf den Punkt zu kommen, auf den ich hinauswollte. Also muss ich etwas ausführlicher werden:


    Es gibt den von Sagitt angesprochenen Bruch in der Figur des Sarastro in der Zauberflöte nicht, auch wenn du dies noch so ausführlich und eloquent untermauerst. Im Gegenteil, die Einheitlichkeit der Sarastro-Sphäre ist so statisch, dass man sie argumentativ auch als Schwäche (Unbeweglichkeit) auslegen kann.
    Der "Bruch" entsteht nicht durch die Veränderung der Figuren, sondern durch die Änderung der Perspektive des Betrachters (=Zuschauer).


    Vereinfacht kann man die Handlung der Zauberflöte als Familien- oder Sippenfehde betrachten, wo jeder über die Gegenseite nur schlechtes sagt (soll ja - wie von britischen Journalisten, z.B. einem gewissen Shakespeare, schon berichtet - auch in der Wirklichkeit vorkommen).


    Da platzt ein Fremder in die Geschichte, der vom Tuten und Blasen keine Ahnung hat und die Darstellung der Königin-Partei einmal vorbehaltlos akzeptiert - umsomehr, als diese ihm mit einer subjektiv ungemein erstrebenswerten Sache (Liebe zur "geraubten" Schönheitskönigin Pamina) geschickt zusätzlich schmackhaft gemacht wird. Die Situation ist nur insoferne klar, als lediglich eine Sicht der Dinge geäußert wird, ohne dass jemand weiß, ob sie richtig ist. Tamino hat keinen Grund zur Annahme, dass die Darstellung der Königin nicht richtig sein könnte (er ist offensichtlich kein Skeptiker), und ist - emotional angeheizt - schnell bereit, für sie in den Krieg zu ziehen. So wie Mime Siegfried gegen Fafner ins Gefecht schickt, um etwas zu erobern, das ihm selbst unmöglich ist, schickt die Königin Tamino los, da sie selbst zu schwach ist, um gegen Sarastro zu bestehen. Begleitet wird der reine Tor Tamino dabei von einem einfachen Waldbewohner namens Papageno, der diese Mission keinesfalls freiwillig unternimmt, sondern zwangsrekrutiert wurde, nachdem die Hofdamen der Königin mit ihm ganz schön ruppig umgesprungen waren - soviel zur "guten" Königin der Nacht.


    Im Reich Sarastros angelangt, zeigen sich nun nicht die erwarteten Bösewichte, sondern zuerst ein eher beschaulicher Männerbund, der naturgemäß eine diametrale Gegendarstellung der Dinge abliefert. Der vielleicht etwas naive Tamino ist nun mit zwei gegensätzlichen Meinungen über eine Sachlage konfrontiert, ohne vorerst über die ausreichende zusätzliche Information zu verfügen, um eine als richtiger zu bewerten. Der Schwenk in seiner Einschätzung kommt dann im Finale des ersten Aktes, wo er erkennen kann, dass Pamina zwar wirklich die Gefangene des Sarastro ist, aber keinefalls in der Weise, wie es die Königin beschrieben hat. Er hat jetzt also einen Grund, sich auf die Seite des Sarastro zu schlagen - die Königin hatte in de facto angelogen. Soviel zur Urteilskraft des Tamino.


    Wie du es formuliert hast, hätte sich die Standhaftigkeit des Tamino darin geäußert, dass er aus einem einzigen Grund in Nibelungentreue zur Königin weitergekämpft hätte - nämlich dem, dass er zufällig zuerst ihr und nicht Sarastro über den Weg gelaufen ist.


    Im zweiten Teil der Geschichte ändert sich die Position der Sarastro-Welt in keiner Weise, während man immer mehr über die "böse" Königin der Nacht erfährt, die, um ihre Ziele zu erreichen, auch nicht vor einem Mordanschlag zurückschreckt.


    Als langer Rede kurzen Sinn behaupte ich nun nocheinmal, dass ihr beide Unrecht habt: es gibt keinen "Bruch" in der Figur des Sarastro.


    Ciao

    Zitat

    War naxos hier mit schuld? In meiner Jugend waren Schallplatten (gerechnet aufs Einkommen ebenso teuer wie heute, aber niemand beanstandete dies..........


    Leicht daneben gegriffen! ;) Um 1970 kostete eine Vollpreis-LP öS 150,--, Mitte der 70er 180,--. Indexmäßig hochgerechnet ergäbe dies heute einen Vollpreis jenseits der 30 Euro! Dann könnten die Plattenfirmen wegen Konsumentenverweigerung endgültig zusperren.
    Wie Realitätsfern die Plattenbosse agierten, zeigt ein Beispiel, das ich vor gut zehn Jahren in Erfahrung brachte. Wie vielerorts schon vergessen, war die Musikkassette einst eine sehr schön sprudelnde zweite Einnahmequelle für die Plattenkonzerne (vor allem für mobile Geräte und Autoradios). Die CD zeigte dann die Grenzen der MC zu deutlich auf und man suchte nach einem Nachfolger. Wie so häufig kam es auch hier zu einem Formatstreit (MD/Sony - DCC/Philips), der die Umstellung auf Jahre verzögerte. Als dann offensichtlich die MD den Sieg errungen hatte, träumten die Plattenbosse von MD-Verkäufen um 15 Euro das Stück (die Qualität der komprimierten MD-Aufnahme ist nur wenig schlechter als die der CD und angeblich dem Großteil der Kunden gut genug), und die 'audiophile' CD sollte auf 25 Euro das Stück angehoben werden. Dummerweise überkreuzten sich diese Pläne mit der bereits eintretenden Rezession der Plattenverkäufe, so dass die Träume tatsächlich Schäume wurden...

    Hi Rocco,


    Eingriffe in die Partitur ist so ziemlich das Letzte, was man Harnoncourt vorwerfen kann. Ich bin sicher, er könnte dir jedes Detail seiner Interpretation anhand der Partitur schlüssig erklären.
    Was man ihm vorwerfen könnte ist, dass die Summe seiner 'richtigen' Details oft in ein Gesamtergebnis münden, dessen Geist subjektiv und objektiv nicht der Erwartungshaltung entspricht (wenn z.B. ein dramma giocosa zur Tragödie wird, oder eine opera buffa zur semiseria; wäre er ein Regisseur, hielte ich ihn für fähig, aus einer Nestroy-Posse eine Tragödie zu machen, und er würde das anhand des Textbuches Szene für Szene nachweisen; es scheint, dass seine Ernsthaftigkeit und Genauigkeit im Umgang mit Notentexten manchmal zu sehr den Gesamteindruck beeinflussen - zumindest für außenstehende Betrachter).


    Ciao

    Weil man sich, wie geschrieben, in der Regel für Stehplatzkarten anstellt. Die gibt es nicht im Internet. Als in den 70ern HvK nach rund einem Jahrzeht Abwesenheit erstmals an die WSO zurückkam (ich glaube Trovatore und Figaro), kamen die ersten Fans drei Tage vor der ersten Vorstellung! (Da wurde natürlich beim Warten abgewechselt, aber auch in der Nacht der Platz nicht verlassen). Der letzte mir bekannte Ansturm war für die legendäre Rosenkavalier-Serie von Carlos Kleiber, wo die Leute auch vor der Oper übernachteten.
    Ich glaube jedoch, dass diese Zeiten bis auf Weiteres vorbei sind. Ich wüsste jedenfalls derzeit keinen Künstler, für den ich derartige Strapazen auf mich nehmen würde.


    Ciao

    Hi,


    in Sachen Ring möchte ich mich meinem Vorschreiber anschließen. Die MET-Produktion erhält ihre Berechtigung vor allem durch die Video-Aufzeichnung. CD-only ist sie vielen älteren Produktionen klar unterlegen und eigentlich nicht interessant.


    Otto Schenk und Günter Schneider-Siemssen produzierten einen Ring, den man als einzigen auf Bilddatenträger existierenden anhand der Regieanweisungen im Textbuch auch optisch wiedererkennt. Er stellt so eine Referenz dar, anhand derer andere Inszenierungen beurteilt werden können, ob ihr Anderssein mehr als nur den persönlichen Ausdruckswillen des jeweiligen Regisseurs darstellt. Ich würde meinen, ein Ring-Liebhaber sollte neben den allseits bekannten großen Einspielungen der Vergangenheit die Inszenierungen von Patrice Chereau und Otto Schenk als Videos im Schrank haben. Sie sind musikalisch nicht so stark wie die die großen Schlachtrösser, aber beide von der Inszenierung her so gut, dass sie summa summarum beim Ansehen großes Vergnügen bereiten.


    Ciao

    Beim Figaro hat man eigentlich eine ungewöhnlich große Zahl guter Einspielungen, die noch dazu fast alle Geschmäcker bedienen. Aber es gibt noch ein paar ältere Aufnahmen, die noch nicht ihrem Wert entsprechend gewürdigt wurden: natürlich ist Alfreds Lieblings-Böhm ein Fixpunkt der Diskographie, aber auch beide Karajan-Einspielungen sind sehr gut. Noch höher schätze ich Erich Kleibers Figaro, der faktisch in allen Belangen ein Quentchen besser ist als die Böhm-Einspielung und last but not least darf man keinesfalls auf den Glyndebourne-Mitschnitt unter Fritz Busch vergessen.


    Dass gerade die drei ältesten Aufnahmen (besonders Kleiber und Busch) einen schlanken, flotten und federnden Mozart-Stil pflegen, der ohne aufgesetzte Hektik daherkommt, leider auch keine tiefenpsychologische Schwermut verströmt, keinen Takt langweilt oder nervt und ärgerlicherweise fast pures Höhrvergnügen darstellt, sei vor allen jenen Musikliebhabern ins Stammbuch geschrieben, bei denen man den Eindruck hat, dass alles was vor 1960 eingespielt wurde, langsam, dick, undurchsichtig und voll falschem Pathos sei. ;)


    Leider gibt es keine Einspielung von Josef Krips, der mit einer guten Besetzung der Figaro-Diskographie zweifellos eine weitere Mozart-Perle hinzugefügt hätte.


    Ciao

    Hallo Alfred,


    da muß ich doch ein wenig dreinpfuschen. Joseph II. starb am 20.2.1790 und gerade sein plötzlicher Tod war einer der Hauptursachen für Mozarts finanzielle Misere in den letzten Lebensjahren. Nicht nur dass seine Karriere bei Hof durch die Neuordnung der politischen Verhältnisse einen empfindlichen Knick bekam, fiel auch der potenteste Finanzier für neue große Opern weg!


    Ciao