Beiträge von Orpheus

    a propos Goldberg-Variationen und sex sells: Was ist denn dann der Hype um Martin Stadtfeld anderes....?? Da wird doch nicht nur mit Qualität usw operiert, sondern vor allem versucht, mit einem jungen gut aussehenden Mann zu punkten. Von wegen neue Schichten für Klassik ansprechen und so....


    Danke ebenfalls!


    Habe zu weihnachten den Klemperer-DG geschenkt bekommen. Beeindruckend allen voran Klemperer selbst. Die Tempi sind für sich genommen vielleicht etwas langsam, der gesamtzusammenhang und die tempodramaturgie stimmen aber. Die atmosphäre ist düster, der don giovanni kommt recht schwer daher, alles ist sehr bedeutungsvoll und pathetisch, mehr dramma als giocoso (eine bezeichnung, die übrigens gar nicht von mozart selbst stammt, er nahm alle drei da ponte-opern als opera buffa in sein eigenes werkverzeichnis auf). was mich bei klemperer aber bereits im ersten moment überzeugte, war die kristalline klarheit, mit der er das orchester aufspielen lassen kann, das ist einfach unübertroffen.


    von den sängern gefällt mir walter berry am besten, sicher der beste leporello, nicht nur stimmlich, sondern auch gestalterisch und psychologisch überzeugend. christa ludwig geht für meinen geschmack zu heftig an die donna elvira heran, sie ist mehr die rachefurie als die bis zuletzt liebende. nicolai ghiaurov hätte ich mir noch schwärzer, mehr in richtung siepi gehend vorgestellt. wunderschön nicolai gedda als ottavio, sicher einer der besten mozart-tenöre. claire watson (habe von ihr ehrlich gesagt noch nie gehört) als donna anna ist nicht so mein fall, dafür ist die june mirella freni als zerlina ganz wunderbar.


    jedenfalls eine bereicherung meiner dg-sammlung. als nächstes stehen die aufnahmen mit gardiner und charles mackerras auf meiner wunschliste...

    bei mir laufen immer 2 - 3 aufnahmen abwechselnd, so ca 20 mal, bis die nächsten drankommen :-))


    und zwar derzeit:


    zwei große künstlerpersönlichkeiten, ein junges hochmotiviertes orchester -- hat da jemand was von generationskonflikten gesagt...? :-)



    ein meiner 12 don giovanni-aufnahmen läuft bei mir fast täglich, im moment diese:



    und schließlich fast immer etwas von bach, vorzugsweise mit klavier oder einem anderen soloinstrument. meine derzeitige lieblingsaufnahme:



    schöne grüße aus wien!

    Meine stilbildende Aufnahme stammt (wie so oft ;)) von Nikolaus Harnoncourt, in diesem Fall ein Livemitschnitt der letzten drei Symphonien mit dem Chamber Orchestra of Europe aus dem Mozartjahr 1991:



    Ernsthaft, gemessen, gar nicht wild, sondern wuchtig und kraftvoll geht Harnoncourt an die Jupiter-Symphonie heran. Er zeigt damit sehr überzeugend, dass diese Symphonie, wie auch die Es-Dur- und die g-moll-Symphonien, an der Schnittstelle zwischen Barock und Romantik steht und eigentlich das Verbindugsglied zwischen diesen Epochen darstellt. Man spürt die Beschäftigung Mozarts mit den Werken von Bach und Händel, ahnt aber auch schon das 19. Jahrhundert. Mozart symphonisches Schlusswort ist musiksprachlich zwar noch ganz dem 18. Jahrhundert verhaftet und stellt so einen Schlusspunkt einer ganz eigenen Entwicklung dar. In zahlreichen Momenten blitzt aber Zukunftsweisendes auf - die schwermütige Klarinettenbegleitung im ersten Satz der g-moll-Symphonie, die große Schlussfuge in der Jupitersymphonie, die schon auf den späten Beethoven vorausweist, die schwermütigen Ländler-Einschübe in den Tanzsätzen, wie sie uns bei Schubert, Bruckner und Mahler wieder begegnen werden... Deswegen bevorzuge ich Aufnahmen wie die von Harnoncourt, die nicht nur den heiteren, unbeschwerten Charakter betonen, sondern auch die Tiefen des Werkes ausloten, wie zB Furtwängler oder auch Lorin Maazel, den ich vor ein paar Jahren mit den Wiener Philharmonikern gehört habe. Breite Tempi, aber ungemein spannungsgeladen und emotional, ein Erlebnis...

    Bis vor kurzem war die Kleiber-Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern mein Favorit: klar ausgeleuchtet, zügig, ernsthaft, bewegend - fast nicht zu übertreffen.


    Jetzt halte ich eine Gesamtaufnahme aller vier Symphonien (plus akademische und tragische Ouvertüre und Haydn-Variationen) mit dem Symphonieorchester des BR unter Lorin Maazel in Händen, ein Live-Mitschnitt eines der letzten Zyklen unter Maazel als Chefdirigent. Ich muss sagen, ich bin ganz begeistert von dieser Einspielung: die Tempi, wie meist bei Maazel, etwas breiter, dafür sehr klangschön und sensibel, in den langsamen Sätzen fast meditaitv versunken. Sehr schön eingefangen auch die Live-Atmosphäre. (Habe leider das Cover im Internet nicht gefunden...)


    A propos meditativ: Sehr interessant finde ich auch Celibidaches Einspielung. Sehr warm, emotional und sinnlich, gar nicht der manchmal etwas anämischen deutschen Kapellmeistertradition entsprechend:



    Irgendwelche "Makel" kann ich in der Vierten nicht erkennen. Ist die "lärmende" Besetzung mit Piccolo und Triangel im Scherzo als Vorwurf kompositorischer Leichtfertigkeit oder Oberflächlichkeit zu verstehen? Sollte das so gemeint sein, ist doch darauf hinzuweisen, dass die Vierte sicher Brahms' ernsthafteste, vielleicht sogar sprödeste Symphonie ist. Der Volksmund unterlegte dem Thema des ersten Satzes sogar die Worte "Es fiel - ihm wie - der mal - nichts ein"... Hört man die Vierte in den von mir angeführten Aufnahmen, kann man das sicher nicht nachvollziehen... :D

    Meine sechs derzeitigen Favoriten (ohne bestimmte Reihung):


    1. Tristan und Isolde (Margaret Price, Rene Kollo, Kurt Moll, Fischer-Dieskau, Fassbaender) - eine der besten Opernaufnahmen vor allem wegen Carlos Kleiber unglaublicher Behandlung des Orchesters. Was er aus der Partitur herausholt, ist auch im direkten Vergleich zu Böhm oder Furtwängler (die zum Teil über die besseren Sänger verfügen) unübertroffen...



    2. Nozze di Figaro mit Rene Jacobs: Das, was über seine Così gesagt wurde, gilt genauso für den Figaro: lebendig, spritzig, quirlig, komisch, einfach ein Vergnügen:



    3. Der Ring des Nibelungen mit Solti: Großartige Sänger, wunderbare Behandlung des Orchesterparts, immer wieder ein Erlebnis! Sowohl Werk als auch Interpretation ein Gesamtkunstwerk:



    4. Fidelio mt Nikolaus Harnoncourt: Ergreifendes Drama ohne falsches Pathos, überzeugende Ensembleleistung:



    5. Così fan tutte - Die Opernaufnahme schlechthin, Schwarzkopf/Ludwig/Kraus/Taddei sind jeder für sich und auch als Ensemble unübertroffen; meiner Meinung auch Karl Böhms beste Einspielung einer Mozart-Oper:



    6. Matthäus-Passion unter Nikolaus-Harnoncourt: In ihrer Schlichtheit großartig, ergreifend und packend. Leuchtkraft, die von innen kommt. Wunderbare Sänger (Christine Schäfer, Matthias Goerne...), fantastischer Chor:


    @ peet:


    die netrebko live in salzburg war einfach überwältigend. auch die arie der ilia und ihr per pieta auf der ersten cd haben mich überzeugt: klare, intelligente stimmführung, perfekte technik, warm, emotional berührend -- zur zeit sicher die mozart-sängerin der jüngeren generation. kein schlechtes wort über die schwarzkopf und andere größen der vergangenheit - mich überzeugen sänger/dirigenten/musiker aber zumeist erst dann, wenn ich sie live gesehen habe... keine aufnahme kann sich schließlich mit dem erlebnis einer live-aufführung messen und die unmittelbar erfahrbaren sinnlichen eindrücke substituieren... höre natürlich sehr viele aufnahmen, ziehe aber live-aufführungen vor, selbst wenn oder gerade weil sie nie 100% perfekt sind... und die schwarzkopf habe ich leider nie live erlebt... und - auch wenn ihr mich steinigt - ganz überzeugt sie mich leider nicht: bei mozart (donna elvira, fiordiligi) noch am ehesten, bei richard strauss (marschallin), aber auch als marzelline im fidelio oder ls alustige witwe ist sie mir zu pathetisch und trägt viel zu dick auf... beeindruckend aber selbstverständlich als liedsängerin, vor allem bei strauss (vier letzte lieder/george szell)... aber das gehört schon in ein eigenes schwarzkopf-thread!


    schöne feiertage mit vielen neuer musik... ;)

    Der Name Michael Schade ist schon gefallen -- für mich der ideale Tamino in der Gardiner-Aufnahme: schlank, leicht, technisch souverän, intelligent, berührend, was will man mehr? Sonst noch Nicolai Gedda, von ihm kenne ich aber nur die Bildnis-Arie aus einer Arien-Platte...

    Meine "stilbildende" Aufnahme noch auf Schallplatten ist ein Live-Mitschnitt aus dem Jahr 1982 (habe ich zu meinem 15. Geburtstag bekommen...) anlässlich Haydns 250. Geburtstag. Dirigiert hat der "Wagnerianer" Gustav Kuhn, etwas zu sehr im Fahrwasser der damals gerade Mode werdenden Originalklang-Bewegung und wenig eigenständig. Das collegium aureum klingt bemüht, der Arnold Schönberg Chor befand sich noch nicht ganz auf dem Höhenflug, den er später unter Harnoncourt antrat. Die Solisten sind ganz ok, nicht mehr, nicht weniger (Arleen Auger, Peter Schreier, Walter Berry).


    Was mich schon früh faszinierte, ist die einerseits kindlich-naive Herangehensweise Haydns an eine Beschreibung des Kosmos, andererseits nicht mehr ausschließlich aus der Sicht des Bibeltextes, diesen nur als Skelett benutzend, vielmehr unter dem Einfluss der Aufklärung stehend ("Mit Würd' und Schönheit angetan"...). Auch der Einfluss der damals einen ungeheuren Aufschwung nehmenden Naturwissenschaften ist nicht zu überhören (Goethe, Humboldt...).


    Zur Bernstein-Aufnahme: Diese gibt es Mid-Price bei DG als Gesamt-Aufnahme; immerhin ein Live-Mitschnitt mit wunderbaren Sängern (Lucia Popp, Thomas Moser, Kurt Moll).



    Höre gerade die Vorstellung des Chaos und muss sagen, dass man Bernstein unrecht tut, wenn man ihn ins romantisch-schwerfällige Eck stellt. Es ist alles sehr fein und genau musiziert, klingt leicht, aber nicht oberflächlich und erfasst den Charakter der Musik sehr genau. Eine Alternative zur Harnoncourt-Aufnahme, wobei ich allerdings nur die ältere Einspielung kenne: Typischer Harnoncourt - genau gehört, er weiß genau, was in jedem Moment warum so zu machen ist, das sinnliche Moment fehlt vielleicht etwas, aber das wird aufgewogen durch das intellektuelle (und damit doch wieder sinnlich-aufregende) Vergnügen, das man beim Anhören empfindet.


    Viel besser noch war aber Graf de la Fontaines Live-Aufführung letztes Jahr im Musikverein. Wie ich schon in meinen anderen Beiträgen zu seinen Interpretationen geschrieben habe, gewann N.H. in den letzten Jahren mE eine spirituelle, fast ans Mystische gehende Dimension, die seine Musik abseits von allen stilistischen Fragen zu einem tiefen Erlebnis werden lässt. Dieses Konzert öffnete mir einen neuen Blick auf die Schöpfung - nicht mehr bloße Naturschilderung und kindlich-naive Freude über das Wunder der Schöpfung, sondern tiefes Wissen um die letzten Fragen: Woher kommen wir, wer sind wir, wohin gehen wir, was ist der Sinn des Lebens...


    Unerreicht zudem Michael Schade. Stimmlich nur von Wunderlich übertroffen, der intelligent und wirklich berührende Vortrag sucht aber seinesgleichen...


    Darauf basierend die Einspielung, die ich mir aber (noch) nicht gekauft habe, da noch high-price:



    Ein Wort noch zur Aufnahme mit Clemens Krauss: Nicht bloß Schellack-Masochismus, gibt es die Aufnahme doch auf CD:



    Krauss geht sehr "modern" und auch für heutige Hörer überzeugend an die Sache heran, auch die Sänger, allen voran Trude Eipperle und Peter Patzak sind sehr gut. Was das ganze aber erheblich beeinträchtigt, ist der wie eine Karikatur klingende Chor. Beim Anhören schaudert es mich auch ein wenig, entstand die Aufnahme doch 1942 mitten im Krieg. Eine innere Distanz wie bei manchen Furtwängler-Aufnahmen (Bruckners 8. und 9. Symphonie aus dem Jahr 1944...) wird nie spürbar, es ist alles sehr positiv und bejahend, Durchhalte-Musik (oder geht das zu weit...?)


    Gardiners Aufnahme kenne ich leider nicht... Habt mir aber den Mund ganz wässrig gemacht...


    Liebe Grüße aus Wien!

    Hallo Sagitt, freue mich, meinen Kommentar einmal auch zu nicht so gängigen Werken abgeben zu können:


    Mein erste Begegnung mit der Marienvesper hatte ich bei einer Live-Aufführung unter Nikolaus Harnoncourt im Wiener Konzerthaus in den frühen 90er Jahren. Beeindruckt hat mich die ungeheure Vielfalt dieses Stückes, von ganz strengen Choral-Sätzen, liedhaften Episoden, hochartifiziellen polyphonen Ensembles bis zu den prunkvollen Chören. Ein Erlebnis! Diese musiklaische Vielfalt an der Schnittstelle zwischen mittelalterlicher Monodie, früher Polyphonie der Niederländer und dem italienischen/venezianischen Hochbarock findet sich nicht einmal bei Bach. Diese unglaubliche Ideenfülle kennzeichnet auch die Opern Monteverdis, die schon allein deswegen bis heute unübetroffen sind. Aber auch die inhaltliche Spannweite sucht ihresgleichen: Nehmt nur 'Pulchra es', das ist schwüle Liebeslyrik, wie es sie erst wieder im Tristan gibt...


    Ich habe mir erst kützlich eine sehr gute low-price Aufnahme unter Andrew Parrot gekauft, die absolut empfehlenswert ist:


    Zitat

    Original von sagitt


    In dieser Woche im Fernsehen (classica) Cosi unter Muti mit sehr guten Sängern Frittoli, Kirchschläger, Schade und Skovhus - im Theater an der Wien. Eine eher traditionelle Inscenierung - ein wenig mehr auf die innewohnende Erotik anspielend (was von Maestro Muti in der Einführung zur Oper auch betont wurde), aber gut musiziert und besonders gut gesungen. Die Cosi hat es in sich. Da ist ohnehin geläufige Gurgel gefordert.


    Sagitt


    Ich habe diese Aufführung live dreimal mit unterschiedlichen Besetzungen gesehen, wobei die erste in der auch im TV gezeigten Premierenbesetzung ein Erlebnis war, obwohl Mutis Mozartinterpretationen nicht zu meinen Favoriten zählen.


    Die Jacobs-Aufnahme kenne ich leider nicht, ich kann nur eine andere moderne Einspielung mit Original-Instrumenten empfehlen, und zwar unter Sigiswald Kuijken live 1992. Solie Isokoski ist eine wunderbare, gefühlvolle, stimmschöne, intensive und sogar Elisabeth Schwarzkopf ebenbürtige Fiordiligi. Sie macht alle Gefühlswandlungen dieser so komplexen und vielschichtigen Figur plausibel nachvollziehbar. Ich konnte sie heuer auch live in der Wiener Staatsoper unter Ozawa (der Rest ist Schweigen...) hören, sie war der einzige große Lichtblick dieser probematischen Aufführung...


    Ansonsten habe ich lange die mittlere Böhm-Aufnahme aus London vorgezogen. Bei dieser Einspielung ist das Sänger-Ensemble insgesamt am hochkarätigsten, aber auch sehr homogen. Christa Ludwig ist am Höhepunkt ihrer Kunst, ihre Dorabella ist auch im Vergleich zur Aufnahme aus 1955 für alle Zeiten unübertroffen.


    Die Salzburger Böhm Aufnahme aus den 70er Jahren überzeugt durch die prickelnde Live-Atmosphäre, die Wiener Philharmoniker sind großartig, Gundula Janowitz und Peter Schreier spielen aber imO nicht im Mozart-Olymp mit...


    Auf meiner Wunschliste stehen die Harnoncourt- oder die Gardiner-Aufnahme -- kennt die jemand besser?


    Die Levine-Aufnahme kenne ich nicht. Mutis Einspielung mit Margaret Marshall hat mich ebenso wenig überzeugt wie Arnold Östman. Muti geht - im Gegensatz zu den Live-Aufführungen 15 Jahre später zu uninspiriert an die Sache heran. Östman kann sich nicht zwischen Opera Buffa und Seelendrama entscheiden und bleibt irgendwo im Niemandsland hängen.

    Danke für die Tipps bezüglich der Bilder @ Alfred und RR!


    Asche auf mein Haupt: Bei Durchsicht meiner Schallplatten fiel mir heute auf, dass der Don Giovanni mit George London gar nicht von Böhm, sondern von Rudolf Moralt dirigiert wurde... Habe ihn (das erste mal seit Jahren...) gleich durchgehört und kann nur von einem wunderbar schwarzen, dämonischen und kraftvollen George London berichten, für heutige Ohren fast schon zu schwer, eher ein spanischer Wotan als ein glaubhafter Verführer. Sehr schön Walter Berry als Leporello, wobei dieser Akzent im Italienischen heute nicht mehr durchginge... Hilde Zadek als Anna und Sena Jurinac als Elvira (hat sie die Rolle sonst auch gesungen bzw. aufgenommen?) sind sehr, sehr gut. Angenehm überrascht war ich von dem mir bis dato fast unbekannten Leopold Simoneau als Ottavio - einer der wenigen, der den Spagat zwischen lyrischem Timbre und beherzter Mänlichkeit schafft und dabei noch ganz selbstverständlich klingt - bei der Rolle eine nicht zu unterschätzende Leistung. Das Orchester klingt furchtbar und ist leider fast nicht anhörbar, obwohl Moralt sehr schwungvoll und zügig an die Sache geht!

    Meine liebsten Opern:


    Mozart, alles von ihm, angefangen mit Don Giovanni, Cosi, Zauberflöte, Figaro, Entführung, aber auch Titus, Idomeneo, Zaide (frühes unvollendetes Singspiel unmittelbar vor der Entführung und Idomeneo, wo vieles spätere in a nutshell vorweggenommen ist)


    Wagner: Parsifal, Ring, Meistersinger (Tristan weniger, wurde noch nicht richtig warm mit so viel entgrenzender Ekstase...)


    Strauss: Ariadne (wunderbare neuere Aufnahme unter Sinopoli!), Arabella (Thomas Hampson und George London als Mandryka!), Rosenkavalier (ganz beachtlich heuer bei den Salzburger Festspielen), Frau ohne Schatten (Böhm/Nilsson/Rysanek)


    Verdi: Simon Boccanegra (Abbado-Aufnahme), Otello, Falstaff (Bryn Terfel!), Don Carlos (französische Fassung – Wiener Aufführung unter B. de Billy!)


    Janacek: Das schlaue Füchslein


    Stravinsky: The Rake's Progress


    Gluck: Orfeo ed Euridice


    Monteverdi: Orfeo, Il Ritorno d'Ulisse


    Tschaikowsky: Eugen Onegin

    So viele ideale Mozart-Stimmen gibt es ja nicht...


    Mal probieren:


    Anna Netrebko, Gruberova, Schwarzkopf, Soile Isokoski (beste Elvira/Abbado-Aufnahme)


    Christa Ludwig (_die_ Dorabella)


    Wunderlich, Dermota, Michael Schade (Ottavio und Titus in Salzburg!)


    Siepi, Eberhard Waechter, Bo Skovhus, Ruggiero Raimondi, Jose van Dam


    Bryn Terfel (als Masetto, Leporello und Don Giovanni!)


    Vorschläge für den idealen Komtur? Habe ihn bis jetzt noch nicht gehört!

    Wollte meinen Beitrag eigentlich ans Ende setzen, er ist jedoch versehentlich weiter nach oben gerutscht...


    Ein Wort noch zum "Sieg der Moral": Das ist zwar vordergründig die Interpretation des 18. Jahrhunderts, die man im 19. Jahrhundert unter einer romantisierenden Sichtweise nicht mehr wollte, demzufolge die Oper auch mit der Höllenfahrt beendete. Ich kann das nicht so schwarz-weiß sehen, denn wenn auch Don Giovanni mit seinem Leben bezahlt, sind die übrig Gebliebenen keine Sieger, schon gar nicht nicht die von ihnen vertretene Ständische Ordnung. Das Finale dreht sich ja doch zum Großteil darum, was alle Figuren machen werden, nachdem ihnen das Zentrum und der Sinn ihres Daseins, nämlich Don Giovanni, abhanden gekommen ist. Erst daraus ist das Finale überhaupt vertändlich, quasi als bloßer Nachsatz zur gesamten Oper. Die affirmative Schlussrhetorik (So geht es dem, der Böses tut...) entspricht eigentlich nur der Operntradition, die Darsteller treten dabei an die Rampe, wenden sich ans Publikum, treten aber somit aus der eigentlichen Handlung der Oper heraus. Musikalisch sind die allerletzten Takte der Oper eher doch eine Infragestellung als eine Bekräftigung... Oder? :D


    So viel für jetzt... liebe Grüße und möglichst viel Widerspruch...

    Meine erste DG-Gesamtaufnahme war -- @ Alfred -- zufälligerweise auch die Böhm-Einspielung aus Prag, die ich, da schon auf CD, einige Jahre rauf und runter gehört habe. FiDi ist sicher sehr gut als DG, die anderen Sänger habe ich jetzt gar nicht präsent, außer der Nilsson, die eine grauenhafte zweite Arie hinknödelt, da war die Stimme schon zu Isoldenschwer...


    DG ist für mich (und viele andere...) _die_ Oper schlechthin, ich kann sie eigentlich in jeder Stimmung hören und tue das auch fast täglich :D.


    Meine beeindruckendsten Erlebnisse waren Live-Aufführungen:
    An allererster Stelle steht natürlich Harnoncourt in Salzburg, wo ich das Glück hatte, bei einer Probe dabei sein zu können... Ernsthaft, großartig, mit dem nötigen Pathos, die komischen Elemente sinnvoll eingebunden, mit einem Wort meisterhaft. Das lag auch an der klugen und bis auf den Schluss (Leporello ersticht DG) plausiblen und psychologisch überzeugenden Inszenierung von Martin Kusej, aber die Krone gebührt doch Harnoncourt. Allein wie er dem Orchester erklärte, dass die Phrase in Annas Rezitativ vor der ersten Arie "non viene alcun" (niemand hilft, während ich schreie) in den Celli nachklingt... unvergesslich! Thomas Hampson war ein kraftvoller, männlicher (nicht machohafter...) Don, am Höhepunkt seiner stimmlichen und darstellerischen Möglichkeiten, fast ins Hamlethafte gehend. In der Probe sang er frei und ohne Nervosität, die ihm sonst manchmal im Weg steht... Anna Netrebko war das Ereignis, als das sie seither in der Welt herumgereicht wird. Eine junge Frau mit einer fantastischen Stimme, wunderbaren Technik, psychologisch vielleicht erst in paar Jahren am Höhepunkt... Ildebrando d'Arcangelo als Leporello dem DG endlich einmal sowohl von der Stimme als auch von der Regie her ebenbürtig, auch wenn der Schluss... siehe oben... Und das an Wundern nicht arme Ereignis eigentlich alles Überstrahlende war doch Michael Schade als Don Ottavio: lyrisch, sich verströmend, psychologisch genau bis in die kleinste Verästelung, stimmlich nicht ganz an Wunderlich heranreichend, von der Intensität und Intelligenz seiner Darstellung aber ALLE Vorbilder meilenweit hinter sich lassend. Allein der Beginn von dalla sua pace oder der mitreißende Applomb in il mio tesoro -- unerreicht! Gibt es mit ihm eigentlich schon eine Aufnahme?


    Mein zweites persönliches Highlight war Bo Skovhus, den ich vor ein paar Jahren sowohl in der Volksoper als auch in der Staatsoper als DG erleben durfte... Das Drumherum ist mir kaum erinnerlich, aber Skovhus übertraf alles, was ich bisher gehört habe. Noch heute messe ich jedes Ständchen, jede Höllenfahrt an seiner psychologisch intensiven, trotzdem natürlichen, männlichen und einfach mitreißenden Interpretation. Auch auf Konserve überzeugend in der auch sonst nicht üblen (und billigen) Naxos-Aufnahme mit einer wunderbaren Adrienne Pieczonka. Kennt jemand die Aufnahme mit ihm unter Mackerras?


    Ansonsten überzeugt mich keine Einspielung zu 100%, die ideale Aufnahme gibt es nicht! Daher nur ein paar ungeordnete Stichworte:


    Furtwängler (Salzburg 1954): Siepi, Grümmer, Schwarzkopf, Dermota (!), Edelmann -- großartig, dämonisch, trotzdem klar und luzide


    Böhm: Schallplattenaufnahme mit George London und Sena Jurinac, etwas zu zerkratzt, um wirklich etwas sagen zu können


    Solti: Bryn Terfel setzt Maßstäbe, Rene Fleming sehr gut, aber etwas kalt, wie die ganze Aufnahme


    Abbado: energisch und schwungvoll, trotzdem tiefgehend. Keenlyside auch zu anämisch, Bryn Terfel als Leporello wiederum Maßstab setzend; Soile Isokoski als Elvira sehr berührend


    Betrand de Billy: hätte ich mir selbst nicht gekauft, aber sehr überzeugend, vor allem Regina Schörg als Anna; die Männer alle etwas undifferenziert...


    Muti: Hochglanz-Aufnahme, gehört nicht zu meinen Favoriten


    Daniel Harding (Live aus Aix): etwas überzogene Tempi, entwickelt aber einen Drive, dem man sich schwer entziehen kann


    Arnold Oestmann (@ Alfred): Gibt es midprice in einer Box mit den Da Ponte-Opern und der Zauberflöte, überzeugt mich aber nicht, da Oestmann versucht, vieles gegen den Strich zu bürsten, dabei aber auf halbem Weg aufhört. Irgendwie scheint er seinem Konzept nicht zu trauen... Genaueres schreibe ich aber erst, wenn ich die Aufnahme öfter gehört habe


    Auf meinem Wunschzettel stehen noch Mackerras, Giulini und Harnoncourt...


    Was macht die Faszination des Don Giovanni aus? Erstens denke ich sind es die zahlreichen Ebenen, die von Da Ponte und Mozart so wunderbar verwoben werden, sowohl von der Handlung - dramma UND giocoso, als auch und vor allem durch die Musik. Das eine Element wird durch das andere motiviert, gewinnt daraus eigentlich erst seine Existenzberechtigung. Zweitens die psychologische Genauigkeit, mit der ALLE Figuren vor allem durch Mozarts Musik so gezeichnet werden, dass sich jeder auch heute noch zumindest zum Teil darin wieder finden und sich damit über all die Jahrhunderte hinweg identifizieren kann. Drittens der Reichtum vor allem der Partitur, wo einem bei jedem Hören neue Wunder offenbart werden: von den unübertroffenen Finali und Ensembles, allein der durch einige Trompetenakkorde markierte Eintritt der Fackeln im Sextett des zweiten Aktes, der Beginn des letzten Finales, vordergründig Festmusik, dahinter aber die Gehetztheit des dem Tode Nahen, die Verwebung der verschiedenen Tänze im Finale des ersten Aktes, die unerschütterliche Liebe Elviras auch im Angesicht der unmittelbar bevorstehenden Katastrophe, bis zur vielschichtigen und letztlich nicht fassbaren Figur des Don Giovanni selbst, lebenshungrig, gierig, egozentrisch, sich um keine Konventionen kümmernd, aufbegehrend bis zuletzt... Hunderte Male gehört, trotzdem unerschöpflich...

    Ich kenne Harnoncourts Figaro nur aus Ausschnitten aus der Salzburger Inszenierung von 1995 oder so. Die Ernsthaftigkeit, mit der er damals an so populäre Gassenhauer wie 'Non piu andrai' heranging, fand ich schon sehr überzeugend. Vielleicht geht es ihm nicht nur um die musikalische Seite einer Interpretation, die hier im Forum natürlich sehr wichtig ist, sondern mehr um die ganzheitliche Dimension der Oper als Einheit von Text, Musik und Gesang. Für Harnoncourt steht dabei nicht ausschließlich das Musikalische im Vordergrund, in dem Sinn, dass er sich überlegt, mache ich das jetzt lebendiger und quirliger oder doch ruhiger und ernsthafter. Ihm ist doch das "Gesamtkunstwerk" am Wichtigsten - was ist nötig, um den geistig-künstlerischen Gehalt eines Werkes, so wie er ihn als Interpret sieht, in möglichst idealer Form rüberzubringen? Unter dem Gesichtspunkt treten Einzelaspekte, wie Tempofragen etc, zurück und dienen nur mehr dem Ganzen. Unter diesem Aspekt kann ich mich auch mit seiner Zauberflöte anfreunden, da die Diskrepanz zwischen großen Teilen des Librettos und der ans Ideale reichenden Musik einfach zu groß ist, um sie als Interpret überbrücken zu können. Die Texte wegzulassen, ist daher ein diskutabler (wenn auch nicht 100 % geglückter) Versuch, die Botschaft der Zauberflöte dem heutigen Hörer näher zu bringen.


    @Alfred: Natürlich vermittelt uns die bildende Kunst des 18. Jahrhunderts (Fragonard, Gainsborough, Liotard) ein zartes, ätherisches, verspieltes Bild, aber war das LEBEN auch so? Ich erinnere mich an die Inszenierung des Figaro von Jonathan Miller aus den späten 80er oder frühen 90er Jahren im Theater an der Wien, der die Schlossgesellschaft schonungslos und psychologisch sehr genau als intrigante Truppe zeigte, in der jeder nur auf seinen Vorteil aus war. Gleichzeitig siedelte er die Handlung in historisch exaktem Ambiente und präzise nachempfundenen Kostümen an. Diese Inszenierung öffnete mir damals die Augen, dass Figaro nicht nur eine Abfolge der wunderbarsten Musik, sondern eben auch ein hochinteressantes Zeitstück von Beaumarchais und da Ponte ist. Aber das führt schon zu weit in die ewig alte Diskussion "prima la musica, poi le parole"...


    Ein Satz noch zu Rene Jacobs: Wunderbar, kann allem zustimmen, was über seine Aufnahme gesagt wurde, schon allein die Ouvertüre und der Cembalist rechtfertigen den Kauf. Ungemein störend finde ich die Verzierungen in den Arien, die je nach Sänger/Sängerin mehr oder weniger aufgesetzt und künstlich wirken. Diese Tradition ist wirklich verloren gegangen -- aus gutem Grund...


    Meine persönliche Referenz ist allerdings die Marriner-Aufnahme mit Jose van Dam, Ruggero Raimondi, Lucia Popp und Barbara Hendricks. Auch wenn diese Interpretation in vielem an der Oberfläche bleibt, ist sie mir lieb und teuer, wie alles, was man in der Jugend rauf und runter gehört hat... :D

    Ich schätze die Klemperer-Aufnahme aus dem Jahr 1968 sehr. Klemperer hat (wie bei fast allen seinen mir bekannten Aufnahmen, wie z.B. Mahler, Bruckner und Wagner) einen angenehm unprätentiösen, intelligenten und "unromantischen" Zugang zu dem Werk. Klanglich-interpretatorisch und von der Artikulation her bewegt er sich in gewohnten Bahnen, die Sänger, allen voran Nicolai Gedda und Hermann Prey, mit Abstrichen auch die etwas zu dramatische Janet Baker, sind sehr gut, der Chor für heutige Ohren gewöhnungsbedürftig. Aber die intelektuelle Durchdringung ist imO unübertroffen! Ohne Schwülst und falsches Pathos, aber ernsthaft, mal schlicht, mal auch mit der richtigen Größe, stets aufgeklärt und wahrhaftig macht sich Klemperer an die Realisierung der Partitur.


    Ganz anders Harnoncourt in seiner Aufnahme aus dem Jahr 1986 mit dem Concentus musicus Wien und einem nicht so überzeugenden Sängerensemble (Angela Maria Blasi, Delores Ziegler, Robert Holl...). Er geht die Sache wesentlich pragmatischer und nüchterner an, man spürt die Erfahrung aus der Einspielung zahlreicher Bachkantaten in dieser Zeit und sein Bestreben, die Bach-Interpretation zu entstauben, wobei die Klangrede-Theorie manchmal doch etwas papieren raschelt. Klanglich weniger präzise und opulent wie in seinen späteren Bach-Aufnahmen (z. B. in der großartigen Matthäus-Passion aus dem Jahr 2001) finde ich auch die geistig-emotionale Durchdringung im direkten Vergleich zu Klemperer letztlich nicht so überzeugend.


    Harnoncourt hat in der Bach-Interpretation sicherlich Meilensteine gesetzt, doch zu voller Größe ist er imO erst in den letzten Jahren aufgelaufen. Gerade am Beispiel der Matthäus-Passion (siehe den entsprechenden thread) zeigt sich dies besonders eindrucksvoll. Live kann ich dies auch anhand einer Johannes-Passion mit dem Concentus musicus Wien und dem Arnold Schoenberg Chor bestätigen, die ich vor einigen Jahren in Wien gehört habe. Diese Aufführung beeindruckte nicht nur durch die das handwerkliche hinter sich lassende klanglich-musikalische Vollkommenheit, sondern vor allem durch die fast kontemplative Erhabenheit der Interpretation, die meines Erachtens von niemand anderem erreicht wird und wurde, auch nicht von Richter, der für mich leider etwas zu schwülstig und pathetisch ist.

    Ich bin mit der Aufnahme der Matthäus-Passion von Gardinder aus dem Jahr 1989 "groß geworden". Alles was Reklov29 über Gardiners Aufführung der h-moll-Messe schreibt, trifft auch auf die Aufnahme der MP zu: schwungvoll, frisch, energisch zupackend, dramatisch, überzeugend und mitreißend, manchmal die Tempi vielleicht etwas überzogen. Der Monteverdi-Choir ist ein Erlebnis für sich, exakt, wortdeutlich, intensiv, fast wie ein Solist... Die Sängerbesetzung ist exellent und fast nicht zu übertreffen (Anne Sofie von Otter, Barbara Bonney, Andreas Schmidt, Olaf Bär). Anthony Rolfe Johnson ist meiner Meinung von der Stimme her nicht der ideale Evangelist, aber doch sehr prägnant und intensiv. ABER... Geht Gardiner letztlich nicht doch so unter die Oberfläche, wie dies bei einem Werk vom Rang der Matthäus-P. eigentlich angemessen und notwendig wäre? Nach all den Jahren mit dieser Aufnahme bleibt bei mir doch zunehmend das Gefühl eines gewissen Unbehagens zurück... Seit ich die neue Harnoncourt-Aufnahme aus 2001 besitze, kann ich mich dieses Eindrucks nicht ganz erwehren. Im direkten Vergleich kommt Harnoncourt dem geistig-spirituellen Gehalt doch wesentlich näher. Bei ihm ist äußerer Glanz, zu dem er in den letzten Jahren im Vergleich zu früher immer stärker findet, nie Selbstzweck, sondern steht immer ganz im Dienst des Werkes und der Botschaft. Auch er verfügt über ideale Sänger, allen voran Matthias Goerne als unglaublicher Jesus, Christine Schäfer und Michael Schade, alle drei gehören imO zu den besten und intelligentesten Sängern unserer Zeit. Bei Harnoncourt überzeugt mich der etwas handfestere und natürlichere, dafür emotionalere Zugang weit mehr als bei Gardiner. Um möglichen Einwänden vorzubeugen, ich kenne auch (zumindest auszugsweise und lange nicht so gut) eine der Richter-Aufnahmen, bei Bach überzeugt mich dieser Zugang aber letzlich nicht so. Harnoncourt vereint Richters (und auch Klemperers - siehe dessen Aufnahme der h-moll-Messe aus den 60er Jahren) spirituellen Zugang mit einem zwar vom Originalklang kommenden, dessen Grenzen aber weit überschreitenden Klangbild... nearly perfect...


    Liebe Grüße aus Wien