Hallo miteinander,
Lortzing, Weber und Humperdink als deutschtümelnde Spießer zu bezeichnen: Nein
Weber als ältester von den dreien hat das Pech gehabt, dass seine großen Werke mit Ausnahme des Freischützes unter schwachen Libretti litten, er früh verstorben ist und seine gesamte Schaffensspanne von zwei doch etwas größeren Komponisten, nämlich Beethoven und Rossini, eingerahmt worden ist.
Letztendlich ist es ihm genauso ergangen, wie seinem Zeitgenossen Schubert, der ja ebenfalls mit den Schatten dieser Herren zu kämpfen hatte.
Es mag durchaus sein, dass Weber im Zuge der Auseinandersetzung mit der italienischen Oper vor den deutsch-nationalen Karren gespannt worden ist, selbst hat er sich aber nie davorgehängt.
Lortzing fasse ich, wie Alfred, eher als Satiriker auf, außerdem war er Anhänger der 48er Revolution. Sein Pech war nur, dass er sich in seinen Werken mehr an der Tagespolitik, denn an den großen Idealen und Utopien orientierte. Außerdem begannen sich während seiner Schaffenszeit gerade zwei neue Giganten zu erheben, zwischen denen sein Nachwirken dann gleichsam zerrieben worden ist: Nämlich Wagner und Verdi.
Wenn sich nun von den Lebensdaten her Weber und Lortzing (aber auch Beethoven, Schubert und Rossini) deutlich überschneiden, dann passt doch Humperdinck in diese Reihe nun überhaupt nicht mehr, ist der doch erst drei Jahre nach Lortzings Tod geboren (1854) und 1921 verstorben.
Auf dem Höhepunkt seines Schaffens war Deutsch als Opernsprache etabliert, das Musikdrama hat sich durchgesetzt und erste Komponisten haben gerade angefangen, nach neuen Wegen zu suchen, z.B. Richard Strauß. Humperdinck war da vielleicht nicht dabei, aber wenn man über mehrere Jahre hinweg auf Grundlage eines erreichten hohen Levels arbeitet, ist man doch noch nicht deutschtümelnder Spießbürger.
Sein Pech liegt eigentlich nur darin, dass von seinem ganzen Werk nur die Märchenoper "Hänsel und Gretel" überdauert hat und diese unter einer peinlich-anbiedernden Aufführungstradition leidet, für die aber Humperdinck auch nichts kann.
Und nun zum Spießer:
Zitat
Zitat: "Als Spießbürger oder Spießer werden in abwertender Weise Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen, Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung und ein starkes Bedürfnis nach sozialer Sicherheit hervortun."
Überspitzt gesagt, ist jeder ein Spiesser, der das bestehende Gesellschaftssystem nicht in Frage stellt sondern an dasselbe asngepasst ist. Nach dieser Definition wären Aussenseiter und Querulanten, "Weltbürger" und "Anarchisten" die legitime Welt, wärend "ehrsame Bürger" ein Störfaktor wären, bzw lächerliche Figuren. Ich sehe hier einen Hass auf das Bürgertum - von Leuten, die ihm nicht angehören dürfen - ausgeschlossen sind.
Da hat jetzt Alfred bei seiner Überspitzung etwas zu viel abgespitz:
Jede gesellschaftlich-politische Richtung hat ihre Spießer, auf die die oben genannte Definition zutrifft, denn diese bezieht sich doch auf geistige Unbeweglichkeit und die Konformität mit gesellschaftlichen Normen allgemein und sagt nichts über die Inhalte derselbigen aus. D.h. jede Gesellschaft bringt ihre Spießer hervor, nicht nur die bürgerliche (Siehe dazu nur eine gewisse Waldsiedlung in der Nähe der schönen Ortschaft Wandlitz, im Volksmund auch Volvograd genannt.).
Außerdem sollte man nicht vergessen, dass bei der Geburt der bürgerlichen Gesellschaft die Erfindung des Herrn Dr. Guillotin, übrigens eines Zeitgenossens von Mozart und Beethoven und auch Weber, mit den Takt angegeben hat und diese bürgerliche Gesellschaft zumindest in den Augen von Marie Antoinette und ihres Gemahls nichts, aber auch schon rein gar nichts ertrebenswertes gehabt hat.
Und last not least "deutschtümelnd"
Es kann durchaus sein, dass diesen drei genannten Komponisten das zweifelhafte Glück zu Teil geworden ist, vor den deutschnationalen Karren gespannt zu werden, so aber doch nur von strohdummen Ignoranten zum Zwecke des Schlechtmachens nichtdeutscher Komponisten während der Pickelhauben- und Stahlhelm-Ära, welche zum Glück und hoffentlich einfürallemal überwunden ist.
Wenn nun ein Autor heute dieses abgedroschene Aussage aufgreift, um diesen drei Komponisten daraus einen Vorwurf zu machen, dann ist er genau so dumm, wie diejenigen, die diese Aussage ursprünglich gemacht haben.
Viele Grüße
John Doe
Nachtrag:
Zitat
Carl Maria von Weber - wie er in den Ruf kommt "spiessbürgerlich zu sein - das wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.
"Durch die Auen, durch die Wälder": Weber wird dank seines Freischützes mit Waldromantik assoziiert und im Wald sind nicht nur die Jäger, sondern da röhrt auch der Hirsch und der röhrende Hirsch ist ein Motiv aus der Wildmalerei, das oftmals als Inbegriff des Kitsches und der trivialen Wandmalerei des 19. und 20. Jahrhunderts gilt.