Beiträge von John Doe

    Hallo,



    mit eine der besten GAs der Prokofieff-Sinfonien, die zwischenzeitlich auch bei Brilliant erhältlich ist.
    Weller geht die Sinfonien sehr direkt, zügig und kontrastreich an, seine Interpretation ist ähnlich der von Kondraschin bei den Schostakowitsch-Sinfonien, also in etwa so, wie man sich sozialistischen Realismus at his best vorstellt. Besonders gut steht diese Herangehensweise der 2. und 3. Sinfonie zu Gesicht, wird doch dabei das avantgardistische Element dieser Sinfonien besonders deutlich zum Ausdruck gebracht. 4, 5, 6 und 7 sind ebenfalls in der interpretatorischen Oberklasse anzusiedeln. Einzig bei 1. Sinfonie ist mir Wellers Zugriff etwas zu derb.


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo miteinander!


    Die Freiheit der Kunst ist eine Variante der Meinungsfreiheit.


    Sind in der vorgeblichen Meinung des Künstlers dann auch noch ein paar Schlüsselbegriffe dabei, die gerade en vogue sind, dann schmilzt doch die ganze bourgeoise Szene, bestehend aus Gutmenschen, Feingeistern, Intellektuellen und was sich dafür hält, einfach dahin und ergießt sich in vor Sensibilität, Schöngeistigkeit und Fremdwörtern triefenden Rezeptionen und Rezensionen.
    Erstaunliche dabei ist nur, dass dieses Klientel trotz seiner ganzen Sensibilität und Feingeistigkeit äußerst beleidigungs- und erkenntnisresistent ist. Ob dem masochistische, opportunistische, elitäre oder monetäre Ursachen zu Grunde liegen, oder ob schlicht und einfach die gute, alte Vanitas dahinter steht, weiß ich nicht, da ich mich weder zu dieser Szene, noch zu dieser Klasse rechne.


    Als Teil der Meinungsfreiheit ist die Freiheit der Kunst absolut gerechtfertigt, jedoch gilt für sie auch, was für erstere gilt, denn auch unter der Meinungsfreiheit bleibt Schmarrn Schmarrn, genauso, wie unter der Kunstfreiheit Mist Mist bleibt. D.h. es darf grundsätzlich alles gesagt, bzw. alles getan werden, aber das war´s dann auch schon, eine Wertung beinhaltet´s nicht.
    Wenn sich also ein Publikum findet, das ein entsorgtes Leichenwägelchen mit einem Klumpen Fett und einem Stück Filz darauf als Kunst ansieht, bitte! Selbst schuld, genauso, wie die, die das Ausweiden einer Kuh über ein paar nakten Menschen für Kunst halten.
    Genauso, wie die selbst schuld sind, die sich davon auch noch provozieren lassen.


    Mit links hat das übrigens auch nichts zu tun, denn die letzte echte "linke" Kunstform war der sozialistische Realismus und nicht abstrakte Kuhmassaker in der österreichischen Provinz. Im Gegenteil, die ganze Angelegenheit ist doch hochbourgeois und sonst nichts, woran auch die ganze linke Phrasendrescherei nichts ändert, weil die doch auf den grundsätzlichen Fehler aufbaut, gegen etwas zu sein, statt zu sagen wofür sie steht.


    Der Fisch beginnt am Kopf zu stinken. Wenn sich in "elitärsten" Bereichen unserer Gesellschaft solche Degenerationserscheinung breit machen, dann kann man diese beklagen oder sich aufregen darüber oder man denkt über eine grundsätzliche Reform unserer gesellschaftlichen Pyramide nach. :pfeif:


    Viele Grüße
    John Doe

    Frage zu den Streichorchesterfassungen von Quartetten


    Mir sind Mahlers Fassung von Schuberts Quartett "Der Tod und das Mädchen" und Beethovens op. 95 in der gleichen Aufnahme, die andythr schon genannt hat, bekannt.
    Op. 131 von Bernstei kenne ich nicht. Meine Frage nun: Gibt es die Scheibe noch?
    Bzw. gibt es noch mehr Orchestrierungen von Streichquartetten außer den drei genannten?


    John Doe

    Frage zu den Streichorchesterfassungen von Quartetten


    Mir sind Mahlers Fassung von Schuberts Quartett "Der Tod und das Mädchen" und Beethovens op. 95 in der gleichen Aufnahme, die andythr schon genannt hat, bekannt.
    Op. 131 von Bernstein kenne ich nicht. Meine Frage nun: Gibt es die Scheibe noch?
    Bzw. gibt es noch mehr Orchestrierungen von Streichquartetten außer den drei genannten?


    John Doe

    Die Pasticcio-Konzerte von Mozart KK 1,2,3 & 4 plus KV 107:
    Gelungene, zeitgenössische Arrangements, wie musicophil schon festgestellt hat, wohl mit Hilfe von Mozart sen. erstellt. Meines Erachtens sind diese kleinen Konzerte wirklich Opfer der Rezeption des frühen Mozarts. Alleine von ihrer Qualität her hätten sie durchaus mehr Aufmerksamkeit verdient.




    Die Bearbeitungen der Gran Partita und des Klavierquintetts, beide um 1800 entstanden, ändern grundsätzlich den Charakter der Originalwerke und zwar dahingehend, dass sie sich von Kammermusik, bzw. Freiluftserende hin zu (solistisch besetzten) concertanten Sinfonien für Bläser wandeln und somit das concertante Repertoire Mozarts bereichern. Beide Werke sind in der Uminstrumentierung auch als Sinfonie concertante, bzw. Concertante benannt und ihre Umarbeitung kann als gelungen angesehen werden.
    Ausgegraben hat diese Bearbeitungen übrigens Dieter Klöcker, der sie auch mit seinem Consortium Classicum vorzüglich eingespielt hat.



    Und dann ist da noch das Kreutzer-Quintett von Beethoven, eine Arrangement der Kreutzer-Sonate für Streichquitett vielleicht von Ferdinand Ries um 1830 angefertigt. Auch dieses Arrangement kann als gelungen angesehen werden.


    Diesen drei jetzt etwas ausführlicher vorgestellten Bearbeitung ist gemeinsam, dass sie zeitgenössisch und von Unbekannten erstellt worden sind, wobei in jedem Fall die ursprünglichen Komponisten zu erkennen sind. Trotzdem es sich um teilweise sehr gravierende Veränderungen handelt, sind diese sehr "sanft" und mit Liebe zur Originalkomposition erfolgt.


    Wenn was "verbrecherisch" ist in diesem Arrangementsektor, lieber Johannes Roehl, dann nicht einmal die Streichsextett-Fassung von Mozarts KV 364, die es auch gibt, sondern Beethovens eigene Fassung der siebten Sinfonie für Harmoniemusik. Ein Ding, das jetzt nicht unbedingt im positiven Sinne unter die Haut geht. :D


    Zu den eigentlichen Orchestrierungen komme ich in einem gesonderten Beitrag, da sich dieselbigen nicht nur von Klang, sondern auch von der Intention deutlich von obengenannten Werken unterscheiden (und mir jetzt ehrlich gesagt die Zeit etwas knapp wird).


    Viele Grüße
    John Doe

    Angeregt durch einen Thread über Klaviertransskriptionen, möchte ich einen eigenen über das gegenteilige Thema ins Leben rufen:


    Orchestrierungen von Solo- bzw. Kammermusikwerken.


    Die bekannteste Orchestrierung für ein Werk für Klavier solo dürfte Mussorgskis Bilder einer Ausstellung in der Bearbeitung von Ravel sein, gefolgt von Joachims Orchestrierung von Schuberts Grand Duo. Aber es gibt noch mehr. So liegen mir noch eine Beethoven-Sinfonie von Weingartner, eine Brahms-Sinfonie von Schönberg, ein Brahmssches Klarinettenkonzert von Berio, eine weitere Schubert-Sinfonie von Haas neben den diversen Bach-Orchestrierungen von Stokowski vor. Dann sind da noch die Mahlerschen Streichorchesterfassungen von diversen Quartetten von Schubert und Beethoven und diejenigen Arrangements, in denen das Klavier durch ein Streichquartett ersetzt wird, bzw. durch Uminstrumentierung eines bestehenden Werkes ein quasi kammersinfonisch-sinfonischer Effekt erreicht wird. Ich denke jetzt da vorallem an die Arrangements von Mozarts Klavierquintett und Gran Partita für Streicher und Bläser.


    Wieviel Orchestrierungen sind euch noch bekannt und was haltet ihr davon?


    Sind es ernstzunehmende Musikstücke oder großorchestrale Themenverfehlungen?


    Ich persönlich schätze sie, alleine schon deswegen, weil das Klavier für mich ein problematisches Instrument darstellt.


    Viele Grüße
    John Doe

    Zitat

    Ich finde es etwas paradox, dass in Beiträgen, die so beflissen auf die deutsche Kleinstaaterei (aufgrund deren der Begriff einer deutschen Nationalität hier vermeintlich keine Anwendung finden darf) hinweisen, ganz unbekümmert von "italienisch" die Rede ist, obwohl es einen italienischen Nationalstaat ebensowenig gab.


    Preussen war damaliger Zeit eine europäische Großmacht, sein Territorium war von der Fläche her durchaus mit der heutigen Bundesrepublik zu vergleichen. In diesem Fall von Kleinstaaterei zu sprechen ist also nicht richtig.


    Richtig dagegen ist der Hinweis, dass es damaliger Zeit auch keinen italienischen Nationalstaat gegeben hat, wobei die Bezeichnung "italienisch" auch sehr oberflächlich ist. Befasst sich mit italienischer Musik aus dieser Zeit etwas näher, dann wird man selbstverständlich gleich eines besseren belehrt.


    Zitat

    Dass es ein "Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation" gab, spricht auch nicht unbedingt dafür, dass es die Vorstellung einer deutschen Nationalität nicht gegeben hätte.


    Alleine schon die Bezeichnung "römisches Reich" weißt darauf hin, dass es bei diesem Gebilde nicht um einen Nationalstaat gehandelt hat, sondern um etwas supranationales, genauso, wie diese Bezeichnung zum ganz deutlich zum Ausdruck bringt, dass es eigentlich als Fortsetzung des Imperium Romanum gedacht war.
    Der Begriff "deutsche Nation" ist von dem her also auch nicht nationalstaatlich gemeint, sondern ethnisch, wobei es sich - nebenbei sei´s bemerkt - auch um die ursprüngliche Bedeutung handelt (Diese ursprüngliche Bedeutung existiert übrigens auch heute noch: Siehe dazu z.B. die Nation der Zulu oder die Nation der Siux).


    Die Vorstellung einer deutschen Nationalität im Europa der damaligen Zeit entspricht also in etwa der Vorstellung einer bayerischen oder schwäbischen oder sächsischen Nation innerhalb der BRD, sie ist also rein auf Sprache, Tradition, Sitten, Gebräuch, Abstammung etc. bezogen.


    Ich weiß jetzt nicht, in wie weit Händel in London deutsche Sprache, Tradition, Sitten und Gebräuche abgelegt und stattdessen englische angenommen hat, ich gehe aber davon aus, dass er es gemacht hat, mit der Folge, dass er Engländer geworden ist und somit der Lexikoneintrag "German born English composer" , auf den miguel54 verwies, voll und ganz zutrifft.


    Viele Grüße
    John Doe

    Was hat das Regietheater mit links zu tun und eine werkgetreue Aufführung mit rechts?


    Ich möchte diesbezüglich nur an den unsäglichen Formulismusstreit der späten 40er Jahre erinnern, während dem ein Kulturpolitiker festlegte, was unter Formalismus in der Musik zu verstehen sei, nämlich die Abwendung von der Volkstümlichkeit und vom Dienst am Volke sowie die Hinwendung zu "den rein individualistischen Empfindungen einer kleinen Gruppe auserwählter Ästheten".
    Geschehen im Januar 1948 auf einer Tagung des Zentralkomittees der KPDSU, einem Gremium, dass damaliger Zeit ja bekanntlich das Monopol auf links innehatte und wohl mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatte. :D


    Außerdem möchte ich daran erinnern, dass es so ein komischer Regietheather-Gag war, der vor einiger Zeit dazu führte, dass man sich sogar auf Privatsendern ein bißchen mit Mozarts Idomeneo befasste und ihm dadurch zu einer etwas größeren Bekanntheit verhalf.


    Nichts für ungut
    John Doe

    Bis 1943 Nationalhymne der Sowjetunion dürfte die Internationale die meistverbreiteste Hymne dieser Welt sein. Kaum eine Sprache, in dier sie nicht gesungen wird und eine Aufführungstradition, die ein Muster für musikalische Vielfalt par excellence ist.
    Es ist nicht davon auszugehen, dass Pierre Degeyter, Dirigent des Arbeitergesangsvereins von Lille, mit diesen Erfolg seines Liedes gerechnet haben, als er es 1888 zum Zwecke der Eigenverwendung komponierte.


    1943 dirigierte Arturo Toscanini in einem Konzert in den USA eine selbsterstellte Fassung von Verdis Inno delle nazioni, derem Ende er die vom Chor gesungene damalige Hymne der Sowjetunion, eben Die Internationale, sowie The Star-Spangled Banner - beides in eigener Instrumentation - anfügte.
    Neben der zugehörigen Tonaufnahme gibt es dazu auch einen kleinen Film, der Anfang dieses Jahres auf Arte gezeigt wurde.


    Viele Grüße
    John Doe

    Es ist immer heiter, wenn jüngere Nationalitätsbegriffe auf Personen angewandt werden, die in vornationalen Zeiten gelebt haben.
    Händel ist in Halle geboren, welches zum Kurfürstentum Brandenburg gehörte, aus dem später das Königreich Preussen geworden ist. Da Preussen ein souveräner Staat war, dessen Souveränität übrigens auch noch dadurch unterstrichen wurde, dass es ähnlich wie Österreich genügend Gebiete besaß, die nicht zum deutschen Reich gehörten, wäre Händel eigentlich ein Preusse.
    Da sich aber nun die Geschichte und ihre Akteure hartnäckig weigern, sich an Staats-, Völker- und sonstige Rechte zu halten, ja diese letztendlich nur Reaktion auf den Lauf der Geschichte sind, gibt es kein Preussen mehr und Händel ist jetzt ein Deutscher.


    Unabhängig davon, was und wieviel im 20 Jhdt. nun alles passiert ist, es hat auch nur 100 Jahre gedauert
    1919 war die Rechsgründung noch keine 50 Jahre her,1945 erst 74 und jetzt hat sie erst 138 Jahre auf dem Buckel. D.h. wenn man sich die Kürze dieser Zeitabläufe vor Augen führt, dann relativiert sich doch die Frage nach Nationalität im Allgemeinen und bei Händel im Besonderen.


    Händel war ein gebürtiger Brandenburger, der in England italienische Opern und englische Oratorien schrieb und dort auch verstorben ist. An seinem Beispiel wird deutlich, dass der Begriff Nation nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist und es durchaus möglich ist, auch ohne diesen gut zu leben.
    Wenn die Engländer ihn für sich beanspruchen, bitte! Das meiste und beste seines Werkes hat er ja dort geschaffen. Außerdem haben die im Vergleich zu Mitteleuropa nicht soviel, so dass man ihnen durchaus einen wie Händel abtreten kann., gleichsam als kontinentale Entwicklungshilfe für diesen 6. Kontinent. :D


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo miteinander,


    1. Schostakowitsch
    2. Verdi
    3. Bruckner
    4. Beethoven
    5. Mozart


    dann

    - Bach wegen seinen Cembalokonzerten,
    - Händel wegen seinem Messias und seinem Julius Caesar,
    - Graun wegen seiner Kleopatra,
    - Dvorak wegen seiner letzten Sinfonien und dem Cellokonzert,
    - Wagner wegen dem Ring,
    - Leoncavalli wegen dem Bajazzo,
    - Mascagni wegen der Cavalleria Rusticana,
    - Bizet wegen seiner Carmen,
    - Mussorgski, Borodin und Rimsky-Korsakov wegen ihrer Opern,
    - Bartok wegen seinen Konzerten,
    - Kabalewski, Prokofieff und Miaskowsky wegen ihren Sinfonien,
    - Berg wegen seinem Wozzek,
    - Schönberg wegen Moses und Aaron und ein paar kleineren Konzertstücken. Und, und, und.


    Viele Grüße
    John Doe

    Zitat

    LEONORE dessen Frau, als "Fidelio" getarnt. designierter Schwiegerson von Rocco, designierter Kerkermeister-Helfer


    Rein von der Handlungslogik her muss Leonore ihrem Aussehen und Auftreten nach doch so einer testosterongeschwängerten Kugelstoßerin o. ä. Hochleistungsathletin aus dem ehemaligen Ostblock gleichen, denn wie bringt sie es sonst fertig über einen längeren Zeitraum hinweg nicht nur eine Vielzahl von Männer ob ihres Geschlechts zu täuschen, sondern auch noch eine Frau, die sich sogar in sie verliebt. :D
    Darin ist dann wohl auch eine der Hauptursachen ihrer so leidenschaftlichen Liebe zu Florestan zu suchen, denn wer so aussieht, ist froh überhaupt einen gefunden zu haben.
    Oder anders formuliert muss Leonore eine sehr androgyne, wenn nicht maskuline Frau sein, die ihrem Wesen nach äußerst selbstständig und dominant ist.


    Florestan, der unschuldigste aller unschuldigen Gefangenen, zergeht in seiner Jammer-Arie vor Selbstmitleid und macht auch sonst keine besondere Figur: Ein "Weichei", das eindeutig von seiner Frau dominiert wird.
    Es ist durchaus möglich, dass Leonore an der ganzen Misere ihres Gatten schuld ist, indem sie ihn eventuell als Platzhalter für den sozialen Aufstieg in voremanzipatorischer Zeit hergenommen hat.


    An Don Fernando, dem gutmeinenden, aber etwas einfältiger Minister im Dienste des "besten Königs" genauso, wie an seinem Dienstherren selbst irritiert, dass sie so einen üblen Untertanen, wie Pizarro, an so eine verantwortungsvolle Position gesetzt haben, bzw. ihn dort belassen haben.


    Rocco ist ein Archetypus des klassischen Wächters/Wachsoldaten, der besonders im 20. Jhdt. viel zu viele Nacxhfolger gefunden hat: Dienst ist Dienst und Schaps ist Schnaps und noch einen Schnaps, auf dass man das Elend, das man bewacht, leichter ertragen kann.


    Marzelline, seine Tochter, muss in diesem Milieu groß geworden sein und es somit als normal ansehen, weil sie nur ihre primäre Lebensplanung im Kopf hat und den Rest verdrängt.


    Pizarro ist bloß böse. Da er sich nicht an seinen Opfern bereichert und auch keine Putschabsichten gegen den besten König hat, erinnert er mich besten Falls an einen kleinen Berija oder schlimmsten Falls an einen einen Amon Goeth, also an so einen kleinen mörderischen Ideologen mit dem entsprechendem Psychogramm.


    Meines Erachtens spielt Fidelio in einer eher postrevolutionären aber durchaus autoritären Gesellschaft, die gerade beginnt, sich zu normalisieren, wobei Pizarro dieser Entwicklung deutlich hinterherhinkt.


    Durch diese ganze nicht ganz stimmige Handlung, die als solche auch noch mehr Fragen aufwirft, als dass es sie beantwortet, ist Fidelio gerade aus heutiger Sicht ein sehr nach vorne gerichtetes Werk. Die konventionellen Schlüsse hinterlassen jedoch durch die Bank einen bitteren Nachgeschmack.
    D.h. Fidelio spielt in einer totalitären Gesellschaft, vor deren schlimmste Auswüchsen ein paar Leute durch den mutigen Einsatz einer testosterongeschwängerten Ehefrau gerettet werden und zwar ohne dass dieselbige das System als solches in Frage stellt, viel mehr erweckt sie den Eindruck, selbst Repräsendantin desselbigen zu sein.


    Ob das so von Beethoven und seinem Librettisten beabsichtigt war? Ich glaube nicht.


    Viele Grüße
    John Doe

    Wagners letzte Jugendsünde fehlt komplett:


    Seine Bearbeitung von Glucks Iphigenie in Aulis aus dem Jahr 1847, die in einer vorzüglichen Einspielung vorliegt:



    Iphigenie......................................Anna Moffo
    Agamemnon.................................Dietrich Fischer-Dieskau
    Artemis........................................Arleen Auger
    Arkas...........................................Bernd Weikl


    Chor des Bayerischen Rundfunks
    Münchner Rundfunkorchester
    Kurt Eichhorn


    Wagners Bearbeitung besteht aus einer Übersetzung des Textes ins Deutsche, einer Neuorchestrierung und einer daraus resultierenden Dramatisierung. Inwieweit er gekürzt oder umgestellt hat, kann ich nicht sagen, da ich kein ausgewiesener Gluckkenner bin und beide Aufnahmen als solche nicht verglichen hab.


    Meines Wissens nach ist dies die einzige Aufnahme dieses Werkes und sie ist auch immer noch erhältlich.


    Viele Grüße
    John Doe

    Weil ich gerade zufällig auf diesen Thread gestoßen bin, ein Hinweis auf eine Mozart-Aufnahme von Viktoria Mullova:



    Sie ist hier nicht nur Solistin, sondern leitet auch das Orchestra of the Age of Enlightment.
    Eine hochdetailierte, klare und transparente Interpretation sowohl seitens der Solistin, als auch des Orchesters, ohne dabei auch nur im geringsten akademisch oder buchstabiert zu wirken.
    Meines Erachtens die beste Aufnahme der Violinkonzerte 1, 3 und 4 von Mozart. :jubel:
    Bedauerlich nur, dass sie die restlichen nicht nachgelegt hat.


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo


    mir liegt sowohl die GA von Fischer, als auch Adam vor und zufrieden bin ich mit keiner:
    Fischer ist mir zu inhomogen, man merkt ganz deutlich den Bruch in der Aufführungspraxis, ein Sachverhalt, der ja ganz in Ordnung wäre, wenn er der Haydnschen Chronologie angepasst wäre, was er aber leider nicht der Fall ist.


    Dorati ist diesbezüglich wesentlich homogener, er spielt alles in großer Besetzung, auch die frühen und mittleren Sachen, was durchaus akzeptabel wäre, wenn denn sein interpretatorischer Zugriff etwas kühner und origineller wäre. Oder wie Alfred gesagt hat, er ist halt nicht mehr auf dem Stand der Zeit


    Und so bleibt mir nichts anderes übrig, als dem unvollendeten Zyklus von Hogwood nachzutrauern, der es immerhin bis Vol.10 und somit zu 2/3 geschafft hat.


    Warum der von Decca nicht fertiggestellt worden ist? :no: :no: :no:


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo musicophil,


    Das ist die englische Ausführung und der dortige Hüon geht es eine Nuance ruhiger an, wobei das aber auch dem Klang der englischen Sprache geschuldet sein mag.


    Aber es gibt ja noch eine interessante Aufnahme dieses Werkes:



    Conlon hat da den Oberon in der Überarbeitung von Gustav Mahler eingespielt, mit einem Hüon, der etwas heller und en detail vielleicht etwas runder schmettert.


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo Knusperhexe,


    vom Freischütz gibt es doch eine sehr gute neue Einspielung in HIP:



    Sie kommt zwar nicht an die von Kleiber ran, aber die Wolfschlucht-Szene ist da wirklich gruselig. Außerdem sind bei dieser Aufnahme die Dialoge durch einen gesprochenen Text ersetzt, in dem Samiel (!) die Handlung aus seiner Sicht kommentiert und reflektiert und zwar durchaus gut, was mich dazu veranlasst diesem Weilschen Freischütz den Untertitel "Samiel" zu geben.


    Oberon ist eigentlich auch gut erfasst, ich nenne hier nur als Beispiel die phänomenale Gardiner-Aufnahme:



    Nur die Euryanthe dümpelt vor sich hin, wobei das eindeutig am krampfigen Libretto liegt.


    Lortzing liegt zugegebenr Maßen etwas brach und Humperdink gehört da gar nicht dazu.


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo miteinander,


    Lortzing, Weber und Humperdink als deutschtümelnde Spießer zu bezeichnen: Nein


    Weber als ältester von den dreien hat das Pech gehabt, dass seine großen Werke mit Ausnahme des Freischützes unter schwachen Libretti litten, er früh verstorben ist und seine gesamte Schaffensspanne von zwei doch etwas größeren Komponisten, nämlich Beethoven und Rossini, eingerahmt worden ist.
    Letztendlich ist es ihm genauso ergangen, wie seinem Zeitgenossen Schubert, der ja ebenfalls mit den Schatten dieser Herren zu kämpfen hatte.
    Es mag durchaus sein, dass Weber im Zuge der Auseinandersetzung mit der italienischen Oper vor den deutsch-nationalen Karren gespannt worden ist, selbst hat er sich aber nie davorgehängt.


    Lortzing fasse ich, wie Alfred, eher als Satiriker auf, außerdem war er Anhänger der 48er Revolution. Sein Pech war nur, dass er sich in seinen Werken mehr an der Tagespolitik, denn an den großen Idealen und Utopien orientierte. Außerdem begannen sich während seiner Schaffenszeit gerade zwei neue Giganten zu erheben, zwischen denen sein Nachwirken dann gleichsam zerrieben worden ist: Nämlich Wagner und Verdi.


    Wenn sich nun von den Lebensdaten her Weber und Lortzing (aber auch Beethoven, Schubert und Rossini) deutlich überschneiden, dann passt doch Humperdinck in diese Reihe nun überhaupt nicht mehr, ist der doch erst drei Jahre nach Lortzings Tod geboren (1854) und 1921 verstorben.
    Auf dem Höhepunkt seines Schaffens war Deutsch als Opernsprache etabliert, das Musikdrama hat sich durchgesetzt und erste Komponisten haben gerade angefangen, nach neuen Wegen zu suchen, z.B. Richard Strauß. Humperdinck war da vielleicht nicht dabei, aber wenn man über mehrere Jahre hinweg auf Grundlage eines erreichten hohen Levels arbeitet, ist man doch noch nicht deutschtümelnder Spießbürger.
    Sein Pech liegt eigentlich nur darin, dass von seinem ganzen Werk nur die Märchenoper "Hänsel und Gretel" überdauert hat und diese unter einer peinlich-anbiedernden Aufführungstradition leidet, für die aber Humperdinck auch nichts kann.


    Und nun zum Spießer:


    Zitat

    Zitat: "Als Spießbürger oder Spießer werden in abwertender Weise Personen bezeichnet, die sich durch geistige Unbeweglichkeit, ausgeprägte Konformität mit gesellschaftlichen Normen, Abneigung gegen Veränderungen der gewohnten Lebensumgebung und ein starkes Bedürfnis nach sozialer Sicherheit hervortun."


    Überspitzt gesagt, ist jeder ein Spiesser, der das bestehende Gesellschaftssystem nicht in Frage stellt sondern an dasselbe asngepasst ist. Nach dieser Definition wären Aussenseiter und Querulanten, "Weltbürger" und "Anarchisten" die legitime Welt, wärend "ehrsame Bürger" ein Störfaktor wären, bzw lächerliche Figuren. Ich sehe hier einen Hass auf das Bürgertum - von Leuten, die ihm nicht angehören dürfen - ausgeschlossen sind.


    Da hat jetzt Alfred bei seiner Überspitzung etwas zu viel abgespitz:
    Jede gesellschaftlich-politische Richtung hat ihre Spießer, auf die die oben genannte Definition zutrifft, denn diese bezieht sich doch auf geistige Unbeweglichkeit und die Konformität mit gesellschaftlichen Normen allgemein und sagt nichts über die Inhalte derselbigen aus. D.h. jede Gesellschaft bringt ihre Spießer hervor, nicht nur die bürgerliche (Siehe dazu nur eine gewisse Waldsiedlung in der Nähe der schönen Ortschaft Wandlitz, im Volksmund auch Volvograd genannt.).
    Außerdem sollte man nicht vergessen, dass bei der Geburt der bürgerlichen Gesellschaft die Erfindung des Herrn Dr. Guillotin, übrigens eines Zeitgenossens von Mozart und Beethoven und auch Weber, mit den Takt angegeben hat und diese bürgerliche Gesellschaft zumindest in den Augen von Marie Antoinette und ihres Gemahls nichts, aber auch schon rein gar nichts ertrebenswertes gehabt hat. :hahahaha:


    Und last not least "deutschtümelnd"


    Es kann durchaus sein, dass diesen drei genannten Komponisten das zweifelhafte Glück zu Teil geworden ist, vor den deutschnationalen Karren gespannt zu werden, so aber doch nur von strohdummen Ignoranten zum Zwecke des Schlechtmachens nichtdeutscher Komponisten während der Pickelhauben- und Stahlhelm-Ära, welche zum Glück und hoffentlich einfürallemal überwunden ist.
    Wenn nun ein Autor heute dieses abgedroschene Aussage aufgreift, um diesen drei Komponisten daraus einen Vorwurf zu machen, dann ist er genau so dumm, wie diejenigen, die diese Aussage ursprünglich gemacht haben.


    Viele Grüße
    John Doe


    Nachtrag:


    Zitat

    Carl Maria von Weber - wie er in den Ruf kommt "spiessbürgerlich zu sein - das wird mir auf ewig ein Rätsel bleiben.


    "Durch die Auen, durch die Wälder": Weber wird dank seines Freischützes mit Waldromantik assoziiert und im Wald sind nicht nur die Jäger, sondern da röhrt auch der Hirsch und der röhrende Hirsch ist ein Motiv aus der Wildmalerei, das oftmals als Inbegriff des Kitsches und der trivialen Wandmalerei des 19. und 20. Jahrhunderts gilt. :D

    Lieber Luis,


    du sagst:

    Zitat

    Die Trennung im 19. Jht hat auch etwas mit der gesellschaftlichen entwicklung zu tun und damit, dass die Großbürger sich vom Kleinbürgertum trennen wollten


    Nicht der Großbürger vom Kleinbürger, wenn dann schon der Bürger vom Proletarier, wobei aber das im Heute irrelevant ist, da die Trennung nun ja schon seit lämgerem vollzogen ist und sich zu einer kleinen historischen Struktur entwickelt hat.
    Gleichzeitig ist doch aber auch die ganze Musiklandschaft durch den technischen Fortschritt demokratisiert bzw. sozialisiert worden. D.h. ich brauche doch nicht mehr 200.- EUR für einen Parketplatz in der Münchner Oper ausgeben, ich kann mir diese Musik doch schon für 20.- EUR ins Haus liefern lassen und zwar unabhängig, ob ich nun Bürger bin oder Prolet.
    Und was die obere Mittelschicht nun dazu meint? Die hat doch die letzten 100 Jahre schon so viele Meinungen vertreten, die sich dann im Nachhinein alle als unhaltbar, bzw. falsch erwiesen haben. :D


    Zitat

    Der Komponist macht erstmal Musik und ist vermutlich der letzte, der in eine Schublade gesteckt werden möchte


    Musikalische Parzivale gibt es nicht! Jedem Komponisten ist die Trennung zwischen U und E bekannt, genau so wie ihm die dem jeweiligen Bereich zugeordneten charakteristischen Musikformen bekannt sind, genau so, wie er weiß, in welche Richtung er sich zur Veröffentlichung seines Werkes zu wenden hat.
    D.h. wenn er eine Oper komponiert, dann ist ihm doch absolut klar, dass das E-Musik ist und die Herren Bohlen und Siegel definitiv nicht die richtigen Leute sind, dieses Werk zur Aufführung zu bringen, genau so wie ihm klar ist, dass die Münchner Staatsoper die falsche Adresse zur Uraufführung einer Rock-Ballade oder eines volkstümlichen Stimmungsliedes ist.


    Zitat

    Würden sich nur die "ernsthaften" Hörer mit Klassik beschäftigen, wäre es bald vorbei damit.


    Eines meiner nächsten Großprojekte ist das sinfonische Werk von Allan Pettersson, eine Musik, die viel zu komplex ist, um auch nur in irgendeiner Form zum easy listening geeignet zu sein, was aber wiederum Voraussetzung zu einem Einsatz als Ego-Krücke wäre. D.h. man kann sich mit dieser Musik nur ernsthaft befassen oder gar nicht.
    Und mit Veraub, Petterson ist doch nicht der einzige, dessen Musik bewusst gehört werden will, weil sie sonst schlicht und einfach auf die Nerven geht. Bei Bruckner ist es doch ähnlich, bei Mahler auch und von der ganzen Kammermusik ganz zu schweigen!
    Daher sei zum Schluss die Frage an die MitdisputantInnen erlaubt, warum sie E-Musik hören. Zum Zwecke, sich von dem Gschwerl da draussen abzugrenzen und darüber zu erheben oder weil es einem schlicht und einfach gefällt oder weil man darin insbesonders bei Zeitgenössischem eine geistige Herausforderung sieht?


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

    Lieber Luis.Keuco,


    Zitat

    da kann ich mich nur mit nacktem Oberkörper vor den Spiegel stellen und meinen Astralkörper bewundern und mir dazu eine Riesehirn vorstellen, weil ich ja so E bin.


    Solange du nicht zufällig einmal in einem Konzert neben mir sitzt und bei der schönsten Stelle unverhofft mit diesem Teil-Striptease beginnst, kann ich nur sagen, jeder möge die Musik auf die ihm gelegenste Art und Weise hören. :hahahaha:
    Nichtsdestotrotz glaube ich aber dass du damit in doppelter Minderheit bist: Erstens werden die meisten E-Musik-Freunde beim Hören ihrer Musik angezogen im Sessel sitzen bleiben und zweitens ist es bei wirklich ernsthaftem Befassen mit dieser Musik gar nicht mehr möglich, dieselbige als Ego-Krücke herzunehmen. Sollte es dennoch bei dem ein oder anderen Klassikhörer der Fall sein, dann ist dieser wohl einem eklatanten Missverständnis erlegen.


    Zitat

    Dann frage ich mich aber, wofür es die strikte Trennung E/U braucht?


    Die ganze Musik ist in Kategoerien eingeteilt. Die Trennung zwischen U und E ist nur eine davon. Warum? Vielleicht wegen der besseren Übersichtlichkeit, aber auch, weil sie irgendwann im 19. Jhdt. auf Basis eines gesamtgesellschaftlichen Konsenses entstanden ist und jetzt eben nicht nur der der Musikhörer diese Trennung akzeptiert, sondern eben auch bzw. ganz besonders sogar der Musikproduzent (Interpert, Komponist, Produzent). Letztendlich entscheidet doch der, wo er sein Werk angesiedelt wissen will.


    Viele Grüße
    John Doe

    Kommt der Komponist aus der E-Ecke, ist alles, was er geschrieben hat E. Kommt er aus der U-Ecke, ist alles, was er geschrieben hat U, außer er ordnet es explizit dem E-Bereich zu. Malträtiert es Intellekt und Ohren auf derartige Art und Weise, dass es mit seinem sonstigen U-Schaffen nichts mehr zu tun hat, ist es E. Tut es das nicht, bleibt es U.


    Genauso verhält es sich mit dem E-Komponisten, der ein U-Werk schreibt. Das Ding muss wirklich U sein, um als solches auch anerkannt zu werden: Keine Ecken, keine Kanten, kein Ansatz für nennenswerte Interpretation.


    Das beschreibt jetzt - vielleicht etwas überspitzt - die Jetzt-Zeit.


    Was ist aber mit den ganzen alten Komponisten?


    Im Zuge der Französischen Revolution sind andere Gedanken in die Musik hineingekommen, die es zuvor in dieser Form nicht gegeben hat:
    Weder Bach noch Händel, weder Mozart noch Haydn besingen auch nur im Ansatz so etwas ähnliches, wie den Heldentod. Den ganzen Revolutionskomponisten und allen voran Beethoven oblag dies doch, mit der Folge, dass tradierte Formen neue Inhalte bekamen, denen sich dann auch die Tonsprache anpasste, mit der Folge, dass die rein unterhaltende Musik ebenfalls eine immer größer werdende Bedeutung bekam (Der Kongress tanzt!).
    Die dabei immer mehr der Brache verfallenden Alten (Mozart, Haydn aber auch Bach und Händel) wurden ob ihres künstlerischen Gehaltes von der sich herausbildenden E-Musik dann immer mehr adaptiert und zwar widerspruchslos, waren sie doch nicht mehr präsent, sondern lagen nur noch in Partitur vor.


    Zwischen Beethoven und Mozart lag weniger Zeit, als zwischen den Beatles und heute und zwischen Bach und Beethoven ziemlich genau so viel, wie zwischen dem Rock `n Roll und jetzt. Und trotzdem ist letzterer heute wesentlich präsenter, als Bach zur Zeit Beethovens.
    Warum?
    Weil es schon genügend erträgliche Tonaufnahmen davon gibt.


    Und genau das ist der springende Punkt, weswegen es keinerlei Notwendigkeit gibt, z.B. ein Stück von den Beatles einmal beim Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker aufzuführen., denn warum soll ich mir eine Adaption antun, wenn ich für 10.- EUR das Original haben kann?


    In Folge eines gesellschaftlichen Konsenses welcher Form auch immer hat es eine Aufspaltung zwischen E- und U-Musik gegeben. Und wenn darin ein Problem liegt, dann doch nicht in der Aufspaltung, sondern darin, dass sich die E-Musik eigentlich in der Defensive befindet.
    Ob jetzt eine Umbewertung des ein oder anderen U-Titels in E-Musik daran was ändert?
    Ich glaube nicht, mehr noch, ich glaube der herkömmlichen E-Musik würde dadurch nur ein Bärendienst erwiesen.


    Viele Grüße
    John Doe

    Zitat

    E-Musik soll uns helfen, uns vom Gschwerl da draußen abzugrenzen. E=Elite.


    Lieber Luis.Keuco, dass ist Unsinn, denn ich höre genau das, was ich hören will, weil ich es hören will, weil ich meine ganz speziellen Gründe dafür habe. Mich dadurch abgrenzen, profilieren, etablieren oder elitisieren zu wollen ist definitiv nicht dabei. Und ich glaube, ähnlich wird es sich auch bei den meisten Teilnehmern dieses Forums verhalten.


    Grundsätzlich ist mir die Unterscheidung zwischen U und E ja egal, weil mich U eigentlich überhaupt nicht interessiert, weil mir U nichts gibt, aber ich werde im täglichen Leben halt wesentlich öfter - um nicht zu sagen permanent - mit U konfrontiert, mit der Folgen dass ich mich notgedrungen auch etwas mit U befassen muss, und zwar so, wie sich ein Mediziner, ein Virologe mit einem Krankeheitserreger befasst. Wenn man schon kein Heilmittel dagegen hinbekommt, dann möchte man wenigstens verstehen, wie das Ding funktioniert und sich durch diesen Erkenntnisprozess die Situation erträglicher machen.


    Zitat

    E will ja eigentlich etwas über den Hörer sagen und weniger über den Komponisten.


    Was will es über den Hörer sagen?


    Doch nur, dass er musikalischen Geschmack hat.


    Zitat

    Das ist ein bisschen wie mit der Bild- resp. Kronen-Zeitung. Deren Leser sind für das Bildungsbürgertum gern Unterschicht. Blöderweise diktieren die Dreiwortsätze dieser Publikationen die Politik. Kann man natürlich sagen, Politiker seien ungebildet. Aber die subventionieren wiederum die Kultureinrichtungen des Landes.


    Wir leben in einer repräsentativen Demokratie, in der das geistige Niveau der Gesamtheit aller Politiker dem geistigen Niveau der Gesamtheit ihrer Wähler entspricht. Repräsentativ!


    Lieber Luis.Keuco, ich habe den Eindruck, du möchtest die E-Musik unbedingt der Bourgeoisie zu ordnen und übersiehst dabei, dass Kunst grundsätzlich jedem gefallen kann und zwar klassenunabhängig.


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

    Lieber Kurzstückmeister,


    du sagst:


    Zitat

    Das Problem ist nur, dass ja jeder von uns die Mengen "E" und "U" anders befüllt.


    da liegt jetzt ein Mißverständnis vor, denn es geht dabei erst einmal primär darum die "Menge K", sprich Kunst, zu befüllen, wobei anzumerken ist, dass die Gegenüberstellung Kunst contra Kommerz bei aller Ähnlichkeit nicht identisch ist mit der Gegenüberstellung E contra U.


    Es gibt vom künstlerischen her schwache Musik, die E zugeordnet ist, wie es vom künstlerischen her gute Musik gibt, die bei U steht, genau so wie es von beiden Richtungen Musikstücke gibt, die künstlerisch in etwa gleichwertig sind.
    Das sind die Schnittmengen die ich eigentlich gemeint habe.


    Nimmt man diese nun als Grundlage für die weitere E/U-Untersuchnung her, stellt man als erstes fest, dass sich die Unterscheidung in E und U relativiert und man in aller Ruhe der Frage nachgehen kann, warum das künstlerisch bessere Stück der U-Musik zugeordnet wird, derweil das schwächere bei E bleibt und warum man das nicht ändert.


    Ich persönlich kann dieser Frage jedoch nur sehr akademisch nachgehen, da es mir schlicht und einfach an den dafür notwendigen U-Kenntnissen fehlt.


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo Philipp,


    Zitat

    ob man E-Musik als unbedingt künstlerisch wertvoller erachten muss


    Kunst ist ein übergeordneter Begriff.


    - E-Musik ist zum größten Teil Kunst.


    - U-Musik ist in ihrer gesamten Bandbreite(!) zum kleinsten Teil Kunst.


    - Jazz ist zum großen Teil Kunst.


    Fragen:


    Gibt es innerhalb des Begriffs "Kunst" Schnittmengen zwischen diesen drei Musikrichtungen?


    a) Zwischen E und U
    b) Zwischen E und Jazz
    c) Zwischen U und Jazz
    d) Zwischen E, U und Jazz


    Beachtet bitte dabei, dass im Gegensatz zur bisherigen Diskussion bei diesem Ansatz die ursprüngliche Identität der Musik gewahrt bleibt, da es hierbei nicht um ein " entweder - oder", sondern um ein "und - zugleich" geht.
    Die Unterscheidung zwischen U und E liegt dann nur noch im Ohr des Hörers. Der Tänzer kann dabei den Donauwalzer uneingeschränkt und interpretationsunabhängig als vorzügliches Stück Tanzmusik schätzen, derweil der Hörer bei klassischer Besetzung darin eine kleine, aber feine sinfonische Dichtung wahrnimmt.


    Viele Grüße
    John Doe

    Hallo musicophil,


    mit "zeitgenössisch" habe ich gemeint, dass Gardiner sich aus den drei existierenden Fassungen von Leonore/Fidelio eine eigene Fassung mit hohem 1805er-Anteil erstellt hat, deren einzelne Nummern nicht durch die originalen Sprechtexte, sondern durch einen völlig andersartigen Dichtertext, gesprochen von einem einzigen sonst nicht in die Oper involvierten Schauspieler, verbunden sind. Die Musik als solche ist aber HIP.
    Ähnlich, weil kein Fassungs-Mix, verhält es sich doch auch mit Weils Freischütz, in dem die gesprochenen Teile dieser Oper durch gesprochene Reflexionen/Monologe von Samiel ersetzt sind, weswegen diese Oper in dieser bis jetzt einzigen HIP-Fassung eine Richtung bekommt, die sie davor nie gehabt hat.


    Als extremstes Beispiel möchte ich Uri Caines Diabelli anführen, eine zeitgenössische (gegenwärtige) Orchestrierung der Diabelli-Variationen von Beethoven, wiedergegeben mit Instrumenten der Beethovenzeit vom Concerto Köln. Rein von der Logik her, könnte man jetzt natürlich sagen, HIPer geht`s nicht mehr, aber :D


    Aber was ich eigentlich sagen will, ist, dass eine Oper in HIP in erster Linie doch Oper bleibt und ihre ganze Dramaturgie erhalten bleiben muss. D.h. gerade von einer HIP-Oper muss ich Fassungsreinheit
    erwarten, sollte sie nach einen allgemeingültigeren Anspruch streben, dann gibt es doch den Anhang. Östman hat es mit seinen Drottingholmern vorgemacht, in dem er seinem Prager Don Giovanni in einer Anhang-CD die Wiener Änderungen beigefügt hat, oder McGegan, der seiner Aufnahme vom Messias sämtliche von Händel vorgesehenen Alternativarien und -chöre beigefügt hat.


    Gut dass auch Glucks Orpheus erwähnt worden ist, von dem ich ebenfalls alle Fassungen einschließlich der von Berlioz kenne. Ich will keine missen, weil jede auf ihre Art und Weise gut ist und ich würde es als schrecklich empfinden, wenn aus dem "best of" all dieser Fassungen gleichsam ein Super-Orpheus zusammengestellt werden würde, der übrigens nie HIP sein könnte, weil in diesem Fall genau wie bei Caines Diabelli es dem Originalklang der Originalkomposition ermangelte.


    Viele Grüße
    John Doe


    P.S. eine Gluck-Wagner Iphigenie aus dem Jahr 1847 gibt es übrigens auch. Sie wird von unseren Wagnerianern bloß immer übersehen.

    Lieber Luis.Keuco,


    Zitat

    Wenn man Werke für einen Musiker (zB Haydns Cellokonzerte) geschrieben hat, weshalb dann nicht auch so, dass man auf die Unfähigkeit des einen oder anderen Rücksicht nehmen musste und sich das durch eine moderne Interpretation ganz anders darstellen lässt.


    Wenn ein Solist meint, der Solopart eines Haydn-Konzertes sei ihm zu simpel, dann darf er diesen selbstverständlich ändern, bloß hört es halt dann je nach Grad der Veränderung auf, ein Konzert von Haydn zu sein.
    Siehe dazu Schönbergs Konzert für Streichquartett und Orchester nach einem Concerto Grosso von Händel und seinem Cellokonzert nach Monn.


    :hello:
    John Doe

    Lieber musicophil,


    du sagst:


    Zitat

    Oh nein?? Dann hast Du nicht verstanden, wofür HIP steht.


    :no:


    Da tust du mir unrecht, ich habe nämlich in etwa zur gleichen Zeit, als HIP von Barock auf Klassik übergegriffen hat, angefangen, mich intensiv mit der Klassik (Epoche) zu befassen, wobei ich natürlich bei den mir vom Barock her schon bekannten Ensembles und Interpreten geblieben bin. Mit der Folge, dass fast das ganze Orchester- und Bühnenwerk von Mozart, Haydn, Beethoven, Schubert plus diverser Zeitgenossen eben genau in HIP bei mir im Regal steht und das meiste davon mir als Basics für Interpretationsvergleiche u. ä. dient.


    Und ich habe es freudigst begrüßt, wie HIP auch auf das 19. Jhdt. übergegriffen hat und dort dümpelt es jetzt halt wohl im Zuge der Krise in der ersten Hälfte herum, obwohl die Situation der Musik des 19. Jhdt. meines Erachtens durchaus vergleichbar ist, mit der Situation des Barocks und der Klassik vor HIP.


    In diesen gut 20 Jahren nun hat es aber auch einige Stil-Blüten gegeben, deren prominenteste vielleicht diese Leonoren-Einspielung von Gardiner ist:
    Eine zeitgenössische Fantasiefassung mit gesprochenem Text, im "alten Stile" mit alten Instrumenten gespielt, der gegenüber eine Leonore in der Fassung von 1805 steht, die von Blomstedt partiturgetreu mit einem konventionellen Orchester eingespielt worden ist.


    Frage: Welche Variante kommt nun der Uraufführung am nächsten, welche ist mehr HIP?


    Speziell zum Fassungsproblem sei noch angemerkt, dass dies gerade im 19. Jhdt. im Bereich der Oper eigentlich nicht mehr ignoriert werden kann, geht es doch dort soweit, dass nicht mehr nur ein Ballett mal verschwindet oder eine Arie ausgetauscht wird, sondern ganze Akte wegfallen, ausgetauscht oder hinzugefügt werden, genauso, wie es mehr als genug Werke gibt, deren Orchestrierung im Glücksfall von anderen Komponisten völlig umgebaut worden ist, z.B. Don Carlos o. Boris Godunov.
    Das soll aber jetzt nicht heißen, dass irgend einer Fassung der Vorzug gegeben werden soll, sondern nur, dass sämtliche Fassungen eines Werkes (oder wenigstens die wichtigsten) gleichberechtigt und mit der gleichen Ernsthaftigkeit wiedergegeben nebeneinander stehen und ich selbst entscheiden kann, welche mir am besten gefällt.
    Wenn dies dann auch noch im Sinne der jeweiligen HIP geschehen würde, dann :jubel::jubel::jubel:


    Viele Grüße
    John Doe
    :hello:

    Bei Strauß geht es mir ähnlich, aber nicht ganz so schlimm wie dem Lullisten. Mir ist seine Musik zu aufgebläht, zu schwülstig, zu plüschig oder um es kurz zu sagen, zu "bourgeois" im negativsten Sinne des Wortes, ich probiere es aber immer wieder einmal, mich darauf einzulassen, meist, wenn ich meine, ich hätte mich an etwas "gestrengeren" Komponisten abgehört.
    Das einzige Werk, dass mich dabei nicht so abstößt, ist die Alpensinfonie in folgender Interpretation und zwar nur dieser:



    Ganz ohne Schmalzer, Seufzer und Schluchzer sehr trocken, sachlich und transparent - also eigentlich Strauß-untypisch - gespielt


    Viele Grüße
    John Doe

    Zitat

    Die Zeit macht aus U E.


    Das bezweifle ich, denn z.Z. von Bach oder Mozart war die Trennung zwischen U und E noch nicht so gegeben, wie es heute der Fall ist. Außerdem gibt es genügend U die das Rentenalter ab 67 schon weit überschritten hat und immer noch U ist, z.B. Comedian Harmonists,
    derweil zeitlich benachbarte E-Musik von Anfang an als E-Musik angeshen worden ist.


    Viele Grüße
    John Doe