Beiträge von lohengrins

    Wenn man solche für unser liberal-demokratisches Weltverständnis unerlässlichen Diskurse als "fruchtlos" bezeichnet, dann sagt das etwas aus über die Leichtferigkeit und Gedankenlosigkeit unseres Zeitalters, das sich ihrer Grundlagen nicht mehr versichert.

    Es ist fruchtlos, mit dir über ein derartiges Thema zu diskutieren, weil du ganz nach Belieben hin- und herhüpfst. Vom deiner Ansicht nach Ewig-Allgemeingültigen geht es dann bei Bedarf direkt zu deinem Welt- und Werteverständnis. Damit einhergeht das Einziehen einer moralischen Kategorie, die in ein richtig oder falsch mündet. Das ist ermüdend, weil man auf einmal anfängt, auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig zu diskutieren - gerade so, wie es dir passt.

    Und so kannst du einem anderen eben auch "Leichtfertigkeit und Gedankenlosigkeit" vorwerfen. Ich empfinde das als unverschämt und werde mich an so etwas nicht weiter beteiligen.

    Morgen geht es nach Dresden. In die Semperoper, wegen „Innocence“. Deshalb heute Kaija Saariaho, zum Beipiel diese


    Und dann noch bei Apple Music eine Exklusiv-Aufnahme von „Verklärte Nacht“ und „Alpensymphonie“ der Wiener Philharmoniker mit Christian Thielemann. Ja, Kontrastprogramm.

    D. h. dann für Dich, dass die "Judengesetze" der Nazis und Vergleichbares nicht "immer und überall" Unrecht sind, sondern, wenn nur die historischen Bedingungen anders sind, auch Recht sein und gerecht sein können. (?)

    Wie Thomas schon sagte, geht es ums Recht , nicht um Gerechtigkeit. Wenn du das nicht auseinander halten kannst, wird das nix.

    Da dreht sich dann bei einem Philosophen wie mir einfach der Magen um.

    Mag sein, hat mit der Sache aber nichts zu tun.


    Und über eins stolperte ich dann noch:

    Das Altertum kannte weder den Gedanken der Gleichheit von Menschen

    Ich hatte vorhin in Wesels Geschichte des Rechts geblättert. "Was ist Gerechtigkeit, fragen Platon und Aristoteles auf dem Höhepunkt der radikalen Demokratie in Athen. Und sie geben die bis heutige gültige Antwort. Gerechtigkeit ist Gleichheit" (S. 145).


    So, das war viel Exkurs. Musste aber sein.

    Aber nicht das Naturrecht als Vernunftrecht

    Das Naturrecht erlebte im Laufe der Jahrtausende aber verschiedene Begründungen. Ja, auch als Vernunftrecht. Du hast dir eben das herausgegriffen, was deiner Meinung nach passt. Aber das heißt eben nicht, dass diese Ideen "immer und überall" gelten würden.


    Das Recht ist erkennbar nicht deine Baustelle, was ja auch nicht schlimm ist, aber deine tendenziell apodiktischen Feststellungen missraten hier dann doch.

    Ich folge der Diskussion - von gelegentlichen Invektiven mal abgesehen - gern. Wobei mir der Versuch der Wissenschaftlichkeit auch hier manchmal etwas bemüht erscheint - zumal, wenn Wissenschaft zur Keule gemacht wird. Das leuchtet mir nicht ein. Aber man sollte für jeden Denkanstoß dankbar sein, so dankbar wie für Widerspruch.

    Ich bleibe dabei, dass es für den Menschen unverzichtbar ist, sich auf Ideen berufen zu können, die immer und überall gelten. Das tut das Recht...

    Naja. Auch wenn es mancher vielleicht gern anders hätte, ist auch im Recht nichts ewig, weil das Recht ausgelegt werden muss. Und das geht nicht ohne den Einfluss der jeweiligen Zeitläufte. Auch das Naturrecht braucht einen ideologischen Unterbau und hat entsprechend immer wieder andere Ausprägungen erfahren.

    Überhaupt: "immer gelten" - nehmen wir mal den Begriff der Ewigkeitsgarantie des Grundgesetzes resp. der dortigen Art. 1 bis 20. Die gelten also immer so, wie sie da stehen? Nein, sie gelten ihrem Wesensgehalt nach (s. allein die Änderung des Art. 16). Aber gelten sie ihrem Wesensgehalt nach immer? Nein. Nur solange, bis es eine andere Verfassung gibt - was nun mal nicht auszuschließen ist. Nichts ist ewig. Jedenfalls nicht im Recht.

    Diese poetische Entwirklichung ermöglicht letztlich auch die Einfühlung des empfindsamen Lesers, der sich mit der Aussage so vollkommen identifizieren, den Inhalt so erleben kann, als sei dieses Erlebnis sein eigenes Liebeserlebnis.

    Ich will eure Kreise nicht ernsthaft stören, aber ich finde deine Argumentation nicht zwingend. Ich nehme mal "Carmen oder bin ich das Arschloch der achtziger Jahre" von Wolf Wondratschek, das ich damals ganz gern gelesen habe. Damals war bereits bekannt, dass er die Zeilen an eine bestimmte Person gerichtet hatte. Das änderte aber nichts daran, dass ich es für mich lesen oder auch empfinden konnte.

    Muss ich - und somit die Welt - also wirklich wissen, dass im Falle der Fantasie op. 17 Schumanns Objekt der Sehnsucht Clara heißt? Die Antwort lautet: Nein! Damit würde das Lyrisch-Poetische prosaisch, d.h. der Hörer würde die Transformation des Biographischen in etwas Geistig-Poetisches nicht nachvollziehen.

    Die Antwort lautet: Egal!

    Die Sache mit den Referenzaufnahmen hat sich bei mir in den letzten vierzig Jahren ziemlich geändert.

    Sehe ich ebenso. Ich denke, dass der Status "Referenzaufnahme" früher dankbarer aufgegriffen wurde, weil man unmöglich alles kaufen konnte/wollte, das auf den Markt kam. Da war eine Orientierung gern genommen. Jetzt kann ich via Streaming alles selbst hören/einordnen. Das ist etwas ganz Anderes als einstens.

    Man merkt natürlich auch mit der der Zeit, dass man selten "Referenzen", sondern eher Präferenzen folg

    Genau. Mir ist doch bei all meinem Unwissen gleich, ob oder wie viele Kritiker oder andere Menschen, die sich aufgerufen fühlen, Referenzen zu verteilen, eine Aufnahme schätzen. Ich kenne mich mit Kritikern auch zu wenig aus, um sagen zu können, dass ich mit X oder Y auf einer Wellenlänge fühle. Da kann so ein Forum schon eher weiter helfen resp. Anregungen geben (deshalb bin ich ja auch hier).

    Für mich ist das Referenz, wenn ich bei der Aufnahme dabei gewesen bin. Dann kann ich die Wiedergabe vom Datenträger mit dem selber gehörten Original im Konzertsaal vergleichen.

    Respekt. Das könnte ich nicht. So weit reicht meine Hörerinnerung nicht zurück.

    Wie doch hier jetzert auch schon wieder die Diskussion zeigt (fangt bloss nicht bitte wieder an zu streiten ;-) )

    liegt eine Referenzaufnahme im Sinne des Betrachters (hier des Hörers).

    Da stimme ich zu. Ich glaube manchmal, dass das zustimmende Verweisen auf "Referenzen" vor allem der Selbstvergewisserung dient.

    Ich erinnere mich noch an Katharina Wagners "Tristan" in Bayreuth, als König Marke seine Isolde nach dem Liebestod von Tristan wegzog und mit sich ins Off führte. Nun ja. Das fand ich unter allen mir einfallenden Gesichtspunkten schwierig. Ihr schlagersängerartiger Walther von Stotzig überzeugte mich auch nicht sonderlich. Als Regisseurin ist sie insgesamt nicht so meine Favoritin. Den "Lohengrin" würde ich mir per Stream gleichwohl anschauen - ich mag "Lohengrin" bisher ohnehin am wenigsten von Wagners Hauptwerken, vielleicht kann da ja ein neuer Blickwinkel etwas ändern.

    Gemessen an der Festplatte ist die Cd ein relativ stabiles Medium

    Irgendein neuartiger Virus - und Deine Musiksammlung ist Geschichte.

    Interessant, genau so argumentierte ein Hifi-Händler mir gegenüber - der mir einen Streamer verkaufen sollte/wollte. Ich hab mir später tatsächlich einen CD-Player (Transport) gekauft, weil mein Wlan Zicken machte. Und nun höre ich hin und wieder CDs (wie aus meiner bastille-musique-Sammlung, die ich weder bei Qobuz noch Apple Music streamen könnte).

    Ich reihe mich quasi ein.



    Was Melodien so anrichten können, findet sich als Thema auch hier wieder. Ich glaube, ich habe von Krausser so ziemlich alle Bücher. Und schätze sie alle sehr.


    Und dann geht es mit ChristianKracht weiter. Und von dem habe ich wirklich alles, was zu kriegen ist. Also auch sein neues Buch.



    Was für ein schöner Lese-Frühling.

    Ich erlebe Joana Mallwitz am 8. März in der Philharmonie. Erstmals. Bin gespannt.


    Die Doku hatte ich auch gesehen. Interessanterweise wurde Joana Mallwitz mir dabei nicht sympathischer (Levit auch nicht, aber ich hatte schon die Levit-Doku "No fear" gesehen, was ihn mir auch nicht sympathischer machte. Aber: Ich fand das nicht schlimm, gar nicht. Ich muss ihn nicht mögen, um namentlich seine Schostakowitsch-Präludien und -Fugen oder sein Tristan-Album zu schätzen - was ich in hohem Maße tue.).


    In der Philharmonie ist ein buntes Programm zu hören:

    Sergej Prokofjew

    Krieg und Frieden op. 91: Ouvertüre

    Sergej Rachmaninow

    Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 d-Moll op. 30

    Anna Vinnitskaya Klavier

    Pause

    Paul Hindemith

    Symphonie Mathis der Maler

    Maurice Ravel

    La Valse


    Ich freue mich.

    Passt hier nur zum Teil, aber trotzdem: Eigentlich war ich voller Vorfreude auf den Dienstag, weil die Staatskapelle dann in der Philharmonie unter Paavo Järvi ein Konzert mit Werken von Sibelius (Tapiola), Korngold (Violinkonzert) und Nielsen (6. Symphonie) geben sollte. Nun ist Järvi leider erkrankt, der Generalmusikdirektor springt ein und es gibt Mendelssohn Bartholdy. Leider nicht so meins.


    Dafür gelang es meiner Frau nach heroischem Einsatz (zeitweilig war das Buchungssystem kollabiert, auch telefonisch ging nichts), uns Karten für den Ring mit Thielemann im Oktober zu sichern. Wir hätten eh Urlaub gehabt und werden den nun - zum Teil - Wagner widmen und in Berlin bleiben. Große Vorfreude!

    Wir sahen am Wochenende diesen hier:



    Wunderbar. Nun mochte ich die Arbeit von Anselm Kiefer - natürlich - schon vorher, aber der Film hat den dringenden Wunsch befördert, doch mal nach Barjac zu fahren. Insgesamt ist der Film für mich eine zugewandte, durchaus auch spielerische Hommage an Kiefer. Persönlich mochte ich diesen hier



    - der natürlich ganz anders ist - fast noch lieber. Jedenfalls werde ich diesen mal wieder schauen müssen.

    Studiotechnik hoher Qualität ist also keineswegs billiger als "Konsumer"-Hifi.

    Da bist du in deiner Argumentation etwas sprunghaft.


    Ich hatte auf deine Aussage

    Die Zeit, wo es bezahlbares HighEnd gab, sind vorbei.

    reagiert. Ich hatte nicht behauptet, dass Studiotechnik generell günstiger als "Consumer"-Hifi sei. Warum du derart von HiEnd zu Consumer hüpfst, erschließt sich mir nicht.


    Mir ging es darum, dass HiEnd keineswegs ein Vermögen kosten muss, also bezahlbar sein kann. Vorausgesetzt, dass man sich von der alten Hifi-Ästhetik - massive, gern chromblitzende Apparate - verabschieden kann. Und wenn man unter HiEnd einfach die bestmögliche Wiedergabe versteht.


    Und dies hier ist ehrlich gesagt eine Binse:

    Bei Aktiv-Lautsprechern ist die Preisspanne sehr groß. Da kann man locker höhere fünfstellige Beträge ausgeben...

    Das gilt nun aber wirklich für alle Musikwiedergabe-Sparten. Es gibt aber auch sehr gute und günstige Aktive, die nun mal den Vorteil haben, dass ich mir nicht ewig Gedanken machen muss, ob mein Verstärker sie auch hinreichend in Schwingung bringen kann.


    astewes hat da mit Wiim und Dynaudios doch ein sehr schönes Beispiel genannt.


    Das mit dem Chrom ist ein Klischee.

    Naja. Es war eine Zeitlang schon Ausweis besonderer Noblesse, wenn die Anlage nur so funkelte. Ich hatte mal einen (nein, "den") CD-Spieler und einen Verstärker von Symphonic Line in Chrom. Mich hat es irgendwann genervt. Pflegeintensiv und - wie du ja auch schreibst - aufpreispflichtig teuer. Und warum? Weil Chrom besser klingt?


    Im Stereoplay-Test wird das Gerät gelobt für sein Preis-Leistungsverhältnis, es steht aber auch da: "Für deutlich mehr Geld gibt es bessere Geräte."

    Das ist nun aber auch die klassischste Hifi-Zeitschriften-Logik überhaupt: "Was teurer ist, muss auch besser sein" (immer im Interesse der Werbekunden). Man kann ja nach wie vor die "Bestenlisten" studieren: Stets finden sich die teuersten Geräte in den Top-Positionen.

    Die Zeit, wo es bezahlbares HighEnd gab, sind vorbei.

    Widerspruch.

    Wenn man beispielsweise auf Studiotechnik setzt, erhält man gute Qualität. In jeder Hinsicht. So ist bei Studiotechnik die Verlässlichkeit fast so wichtig wie die unverfälschte Wiedergabe (die über wählbare Filter und dergl auch an persönliche Vorlieben angepasst werden kann). Ein DA-Wandler mit Kopfhörer(Vor)-Verstärkerfunktion wie der ADI-2 DAC FS von RME ist mE ein großartiges Gerät. Und das für 1.299 Euro, was ich in diesem Zusammenhang nicht für unbezahlbar halte. Dazu ein Streamer und gescheite Aktiv-Lautsprecher - fertig ist die Anlage. Was fehlt, ist lediglich Bullshit.

    Und zuletzt hat beispielsweise der Wiim Pro Plus (249 Euro) für Furore gesorgt (und ich erinnere mich bei solchen Gelegenheiten an die begeisterte Rezension ein PS1 bezüglich deren CD-Wiedergabe, ich glaube, es war in "Image Hifi").

    Wer unter HiEnd zwingend nur Geräte subsumieren kann, die aus dem Vollen gefräste Gehäuse oder schick verchromte Fronten aufweisen, ist so eben aufgewachsen. Und ja, der wird für guten Klang mehr ausgeben müssen. Ob das Innenleben der Apparate das tatsächlich und stets rechtfertigt, steht auf einem anderen Blatt.

    Ich finde die Deutsche Oper in Berlin, wie jüngst auch geschrieben, großartig. Dies vor allem auch im Vergleich mit der Staatsoper Unter den Linden, die im Vergleich beengt wirkt. Überhaupt bin ich eher ein Freund modernerer Architektur. Und deshalb nenne ich hier natürlich gern die Philharmonie in Berlin samt ihrem Kammermusiksaal als Lieblingsspielstätten.


    Zudem gefällt mir der Boulez-Saal in der Nähe der Staatsoper ausnehmend gut.

    Danke, Hans Heukenkamp, für deine Antwort. Und wer weiß, vielleicht hätte ich den 3. Aufzug auch überzeugender gefunden, wenn er mir dargestellt worden wäre. Genau dies passierte jedoch nicht. Im 3. Aufzug war dieser Tristan so springlebendig (im Wortsinn) wie in keinem der vorherigen Aufzüge. Jemand, der sein (offenkundig sehr langes) Leben lang vergebens auf eine Frau wartete, würde für mein Empfinden anders agieren.


    Nun kann man lange darüber diskutieren, ob der Liebestod Triumph der (romantischen) Liebe ist, oder ob hier am Ende zwei Menschen jeder für sich sterben, weil ihre Liebe an der Lebenswirklichkeit (oder Tristans Todessehnsucht) gescheitert ist. Diese Mehrdeutigkeit ermöglicht gewiss auch eine Lesart wie die von Vick. Sie müsste mir nur besser (auch darstellerisch) vermittelt werden. Mein Grundproblem ist wahrscheinlich, dass mir die Liebe der beiden nicht überzeugend dargestellt wurde. Und dann ärgern mich Verrätselungen wie die Nackten, der Sarg, die Grube, die Obelisken undsofort umso mehr, weil sie mich irgendwie doch ablenken (ich kann leider nicht alles ignorieren, was nicht singt ;)).


    Die Tristesse einer bürgerlichen, materiell sorglosen Existenz, eingezwängt in gesellschaftliche Normen, und die Unfähigkeit, sich davon zu befreien.

    Das zeigt für mich die Gefahr dieser Inszenierung: Dass sie die Sicht einengt und dem inneren Drama zu wenig Raum lässt.


    Aber um Schiffe und Seefahrt geht es ganz sicher nicht.

    Ach nein?

    Da wir uns in diesem Jahr einen Bayreuth-Verzicht auferlegten, ist nun das Ziel, hier in Berlin einiges an Wagner mitzunehmen. Und so gelangten wir gestern in die Deutsche Oper in der Bismarckstraße.


    Zunächst: Zuletzt waren wir üblicherweise in der Staatsoper Unter den Linden. Und im Vergleich damit finde ich die DOB vom Architektonischen her in ihrer Klarheit und Weite ganz großartig. Und wie viel besser kann man sehen! Wir saßen hinten im 1. Rang und haben es genossen. Ob der Platz akustische Nachteile hatte, kann ich mangels abrufbarer Erinnerung an andere Plätze nicht sagen, aber dazu komme ich noch.


    Sir Donald Runnicles dirigierte, und ich muss gestehen, dass ich mir davon wenig erwartete, weil mich Runnicles bislang nicht überzeugte. Aber er machte seine Sache gut, wie auch das Orchester. Er eilte nicht, er gönnte sich und uns ruhige Passagen - schön, wie das Vorspiel zum 1. Aufzug aus dem Nichts anhob. Im 3. Aufzug dann zog er aber merklich an, auch in puncto Lautstärke. Auch die Sänger drehten dann mehr auf. Meine Vermutung: Namentlich das Titel-Paar sollte ein wenig geschont werden, um im 3. Aufzug abliefern zu können.


    Leider überzeugten mich Tristan (Clay Hilley) und Isolde (Stéphanie Müther) ohnehin nicht. Müther tremolierte in den ersten Tönen so heftig, dass ich mich schon sorgte. Das wurde immerhin nicht schlimmer, sie schien sich zu fangen, auch wenn eine Tendenz zum Tremolieren blieb. Überhaupt war mir ihre Stimme zu hell/schrill, es fehlte mir an Fundament. So ließ mich sogar der Liebestod eher kalt, weil ich mich dauernd fragte, ob sie diesen Höhepunkt meistert (ich denke schon, aber dies auch am Rande ihrer Möglichkeiten - meine Frau war gleichwohl berührt, mag also mein Problem gewesen sein). Bei Hilley ging es mir nicht anders. Er traf schon die Töne, aber er füllte nicht den Raum. Gut, das mag an unseren Plätzen gelegen haben - zu weit weg -, aber eigentlich glaube ich das nicht. "O sink hernieder" ließ mich beispielsweise komplett kalt und dafür braucht es ja weniger Lautstärke als Gefühl und Möglichkeit zur Steigerung. Für mich funktionierte das Paar gestern Abend jedenfalls nicht.


    Dass der Tristan in dieser Aufführung im 3. Aufzug am lebendigsten wird, und sogar ein, zwei Hüpfer sehen lässt, brachte mich dann überdies raus. Aber das ist wohl vor allem ein Regie-Problem. Dazu gleich mehr. Die Brangäne (Annika Schlicht) überzeugte mich ebenfalls nicht. Ihr Ton war seltsam verhangen. Erst im 3. Aufzug fand ich sie klarer und überzeugender. (Wenn fast alle Sänger im 3. Aufzug besser werden, wurden sie dann zuvor zu sehr geschont?) Marke (Derek Welton) gefiel mir noch am besten. Als Bass-Bariton bringt er Beweglichkeit mit, auch wenn ihm die ganz große, sonore Autorität abgeht. Kurwenal (Leonardo Lee) kam mit der größten Spielfreude auf die Bühne. Das war mir fast ein bisschen drüber, aber immerhin hatte er Freude an seiner Stimme und wirkte agil; mich störte allein, dass seine E's und U's gefärbt klangen, aber er sang textverständlich. Zu Melot schreibe ich nichts.


    Die Regie (Premiere 13. März 2011) stammte von Sir Graham Vick. Für mich der größte Kritikpunkt des Abends. Nun bin ich durchaus ein Freund des sogenannten Regietheaters (Kratzers Bayreuther "Tannhäuser" ist nicht nur Publikums-, sondern auch mein Favorit), aber es sollte eben gekonnt sein. Wir finden uns also beim DOB-Tristan nicht auf einem Schiff wieder, sondern in einem Bungalow. Ok. Nun kann ein Bungalow eine ähnliche Enge wie ein Schiff haben, aber natürlich wird es stets etwas albern, wenn man aus diesem Bungalow Ausschau nach Schiffen halten muss. Aber gut, darüber kann ich hinwegsehen.


    Warum aber immer mal eine nackte Frau über die Bühne schreitet oder ein nackter Mann eine Grube aushebt - keine Ahnung. Warum sich Steine (Obelisken) auf der Bühne finden - keine Ahnung. Liegt in dem Sarg, der sich in jedem Aufzug auf der Bühne findet, Morold - keine Ahnung. Es gibt natürlich keinen Liebestrank - beziehungsweise er wird sich gespritzt. Große Ekstase wird dargestellt, indem sich die Hände des mehr oder weniger weggetretenen Paars nach dem "Liebestrank" berühren. Nun ja. Personenregie findet ohnehin nicht statt.


    Dann sitzt da im gesamten 1. Aufzug noch ein Mann (vielleicht nackt) in einem Sessel und schaut offenbar durch die Terrassenfenster. Diese scheinen die Grenze zum Tod zu sein, womit ich immerhin ein bisschen was anfangen kann. Jedenfalls verlässt beispielsweise Tristan die Szene dann auch durch eine Terrassentür. Warum aber die handelnden Personen im 3. Aufzug allesamt zu Greisinnen und Greisen geworden sind, verstehe ich schon wieder nicht so. Geht es um die mausgraue Tristesse des Lebens, um das Dahinwelken in einem (bürgerlichen) Bungalow? Gibt es dazu nicht eigene Stücke?


    Schade. Kein schöner "Tristan" für mich. Dafür wurde mir wieder bewusst, was für ein wunderbares Opernhaus die DOB ist. Spätestens im April zum "Tannhäuser" bin ich wieder da, vermutlich schon früher.