Zunächst einmal sei gesagt, daß ich weder die große Bewunderung noch die relative Geringschätzung Edwins teile.
In einem Punkt muss ich aber Edwin auf jeden Fall zustimmen, lieber Glockenton. Von einem Komponisten A zu sagen, man kenne ihn zwar nicht , könne sich aber auch kaum vorstellen, daß dieser auf dem gleichen Niveau wie B geschrieben hat (vielleicht gerade weil man ihn nicht kennt), ist eine schwache Schutzbehauptung.
Ich möchte Dir gerne speziell im Falle Draeseke die informative Seite
"http://www.musikmph.de/rare_music/composers/a_e/draeseke_felix/1.html"
ans Herz legen. Über Draesekes 3. Symphonie ist der Ausspruch eines berühmten Dirigenten überliefert, sie sei die größte aller deutschen Symphonien seit Beethoven.
Artur Nikisch etwa sagte:
Ich habe für diesen Winter Ihre Tragische Symphonie aufs Programm gesetzt, um dieses herrliche Meisterwerk immer bekannter zu machen und dorthin zu stellen, wohin es gehört: als ebenbürtig unseren klassischen Symphonien, dem eisernen Bestand der Gewandhauskonzerte angehörend.
Hans von Bülow fand die folgenden Worte:
Werke wie die Deinigen können im Laufe der Dinge nur analegomena figuriren. Vulgus will ergötzt, sagen wir erquickt sein und solche ¸niedere´ Tendenz ist Dir allzubekanntlich wildfremd. Man wird Deiner Musik – von Sachverständiger Seite – stets den gebührenden Respekt entgegenbringen, aber auf besondere Sympathie darfst Du nirgends rechnen. Du hast Besseres zu tun als Dir ein großes Exemplar von Publikum ¸chemisch´ zu zerlegen: tätest Du’s, Du würdest die Kapellmeister nicht so ohne Weiteres der Trägheit oder des Mißwollens zeihen.
Wir kommen also zum Punkt der Akzeptanz unde Beliebtheit. Wenn wir alle analytischen Kriterien abgeklopft haben (natprlich ist das Zusammenspiel aus Harmonik, Rhythmik, Melodik, Instrumentation etc. ausschlaggebend) und zu dem Schluss gelangen A hat eigentlich nichts anderes gemacht als B, aber B ist so viel substanzreicher, dann sollten wir vielleicht überdenken, daß dieses Substanzreiche, vielleicht auch das besonders Ökonomische, was wir bei B finden eine höchst subjektive Erfahrung ist, die entweder in der Masse aufgeht oder eben nicht. An sich gereicht die Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einer Majorität, geht es um ästhetische Werturteile, weder zum Vorteil noch zum Nachteil.
Manchmal kann ich mich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß die Argumente, die wir Klassik-Fritzen mit rümpfender Nase in anderen musikalischen Gefilden gerne anprangern (1000000 Fliegen können sich nicht irren) , in der ureigenen Domäne recht und gut sind. Zum konkreten Beispiel: Draeseke wurde deswegen verdrängt und vergessen, weil er zum Ende seines Leben hin mit übelsten Pamphleten gegen neuere Muskströmungen aufwartete und darüberhinaus von den Nationalsozialisten missbraucht wurde.

Wulf