Beiträge von GiselherHH

    Besonders beeindruckt hat mich die Sendung mit Anton Dermota: Sein unbedingter Wille, sich aus allereinfachsten Verhältnissen im wahrsten Sinne des Wortes heraus zu singen, seine künstlerische Kompromißlosigkeit und - nicht zuletzt - seine Wachheit in politischen Dingen (letzteres kann man vielen seiner damaligen Kolleginnen und Kollegen nicht gerade attestieren, was so manch anderes Interview in der Reihe offenbart).


    Ich hab damals fast jede Sendung bei der Erstausstrahlung gesehen, einige habe ich noch in lebhafter Erinnerung. Die Sendung mit der Nilsson war erwartungsgemäß stellenweise sehr erheiternd (die bekannten Anekdoten mit Karajan und Corelli sind, glaube ich, auch dabei), das Gespräch mit Frau Welitsch bittersüß (wenn man an ihr Leben im Alter denkt!) und Walter Berry war wirklich ein begnadeter Imitator (Böhm-Zitate und Probenanekdoten!). Traurig auch, beim Gespräch mit Franz Crass zu erfahren, wie durch den Gehörverlust nicht nur das Berufsleben in Scherben fällt, sondern auch der "Freundeskreis" äußerst überschaubar wird.


    Inhaltlich enttäuschend, aber zugleich auch menschlich berührend das "Interview" mit Neidlinger, eigentlich eher ein Monolog des immer nervöser umherblickenden und Zeit schindenden Everding mit gelegentlichen Einwürfen des schon fast dementen Jahrhundert-Alberich.


    Und dann immer wieder die kleine hinterlistige Frage nach dem Verhältnis zur Kritik und Everdings gelegentliche Zitate aus dem Buch des "bösen Herrn Kesting"... Teilweise herrliche Reaktionen! :D


    :hello:


    GiselherHH

    Deutschlandfunk, heute Abend (22.04.) um 20.10 Uhr bis 21.00 Uhr (über "www.dlr.de" auch im Internet zu hören):


    Von der CD zur Cloud


    Über das Verschwinden der Tonträger


    Von Raoul Mörchen


    Die großen Zeiten sind vorbei: Raubkopien, mp3 und Internet zersetzen das Geschäft mit der Hardware CD. Die traditionsreiche britische EMI, das stolze Stammhaus der Beatles und vieler Klassik-Größen, wurde 80 Jahre nach ihrer Gründung gefressen vom Branchenprimus Universal Music. Der kleine Kreis der sogenannten Majors, der einst so mächtigen Labels für Tonträger, ist noch einmal enger geworden. In manchen Ländern ist der Handel mit CDs ganz zum Erliegen gekommen, in Deutschland konzentriert er sich auf wenige Ketten und Versandhäuser. Der Plattenladen um die Ecke mit dem Fachverkäufer unseres Vertrauens, er ist schon lange Geschichte. Doch die Krise ist nicht rein digital, sie ist älter als das World Wide Web - und sie ist vielfach hausgemacht. Denn während die Großen darben, schießen allerorts hochspezialisierte Kleinlabel aus dem Boden. Hier gibt es wieder, was andere vermissen: Begeisterung und Einfallsreichtum - und manchmal sogar Gewinne.


    :hello:


    GiselherHH

    Genauso wie es zweifellos Thielemann-Hasser unter den Journalisten gibt, die ihn als vermeintlichen Exponenten einer kulturkonservativ-reaktionären Rolle rückwärts direkt in den Wilhelminismus (oder noch Schlimmeres) bekämpfen, so gibt es eben auch die bedingungslosen Thielemann-Adoranten, die sturheil jedes auch noch so mittelmäßige seiner Dirigate zum unwiederbringlichen Einmal-und-nicht-wieder-Ereignis von musikhistorischer Größe aufblasen. Lässt man all die Artikel und Rezensionen der letzten Jahre zum Thema "Thielemann" von Herrn Dr. Sinkovicz Revue passieren, dann wird man sich des Eindruckes nicht erwehren können, im Kritiker der "Presse" einen besonders leidenschaftlichen Parteigänger des "Klangfanatikers", des "Animators", der "Legende", kurz: des "neuen Karajan" (Zitate Sinkovicz über T.) gefunden zu haben. Abgewogene Urteile über Thielemanns Dirigate und Aufnahmen, welche die Vorzüge und Nachteile seines spezifischen Werk- und Klangverständnisses erhellend einander gegenüber stellen würden, wird man bei Herrn Dr. S. aus W. wohl vergeblich suchen.

    Hab es gefunden. Unter "Hilfe":


    In welchem Format liegen die Musik-Downloads vor?


    Im guten alten MP3-Format. Das bedeutet: kein DRM. Die Musiktitel werden mit der höchsten Bitrate heruntergeladen, die uns zur Verfügung steht – 256 kbps

    Wo werden die Musik-Downloads auf meinem Rechner gespeichert?


    Über die Desktop-Anwendungen von Rdio (die für das eigentliche Herunterladen der Musik sorgen) wird in deinem aktuellen Musikordner ein Ordner mit der Bezeichnung „Rdio Downloads“ angelegt. In diesem Ordner werden die Musik-Downloads dann abgelegt. Die Desktop-Anwendung sorgt außerdem dafür, dass die Musiktitel, die du bei Rdio kaufst, zu deiner Musiksammlung in iTunes oder im Windows Media Player hinzugefügt werden.


    Sind die Rdio Streams qualitativ hochwertig?


    Da wir unseren Nutzern den bestmöglichen Hörgenuss bieten möchten, stellen wir qualitativ hochwertige Streams über eine Wi-Fi-Verbindung und für Titel, die mit Mobilgeräten synchronisiert werden, bereit. Nur bei 3G-Verbindungen laufen die Streams mit niedrigerer Bitrate.


    Da wir weiterhin verschiedene Bitraten und Kodierungsformate ausprobieren, würden wir uns über deine Meinung zur Klangqualität der Rdio Titel freuen.


    Viele Grüße,


    GiselherHH

    Hallo,


    zufälligerweise stieß ich vorgestern bei der Lektüre von "Welt Online" auf einen kleinen Artikel, der mich auf den Online-Musikanbieter "rdio.com" hinwies. Zunächst für 1 Woche kostenlos, dann für 4,99 Euro im Monat gewährt er völlig legalen Zugriff auf 12 Millionen Musiktitel. Man kann die Musiktitel per Streaming über Internet, Smartphone oder iPad hören und auch offline auf Musik-Abspielgeräte übertragen. So weit, so gut, dachte ich mir und meldete mich heute probeweise an.


    Nachdem ich diverse Stücke aus dem nichtklassischen Repertoire gehört hatte, gab ich zum Spaß einmal den Namen "Richard Wagner" ein, ohne mir viel davon zu erhoffen. Doch ich sah mich getäuscht. Es purzelten geradezu die Einzeltitel auf den Bildschirm (immerhin 5225), aber, was noch besser ist: Man kann auch viele Gesamtaufnahmen vollständig per Streaming hören. Nicht nur mittlerweile gemeinfreie historische Aufnahmen, sondern auch Neuaufnahmen wie den Hamburger "Ring" mit Simone Young bei Oehms oder die gerade begonnene Live-Wagner-Reihe von Marek Janowski bei Penta Tone (bisher erschienen sind der "Holländer" und die "Meistersinger"). Überhaupt scheinen dort komplette Label-Backkataloge abrufbar zu sein, etwa von Myto Records, Preiser, Nimbus, BBC Legends, aber auch vieles von EMI ist dabei. Die Qualität ist- zumindest mit meinen bescheidenen Computer-Kopfhörern - sehr gut, ich höre keine digitalen Artefakte, so dass ich die Streamingrate qualitativ recht nah an der CD einschätze. Ich wünsche viel Spaß bei der Entdeckungsreise!


    Viele Grüße,


    GiselherHH

    Furtwängler war - wie in vielen seiner Kriegsdirigate - auch im Juli 1943 ein sensibler Seismograph der ihn umgebenden Zeitumstände, so dass auch seine einzige fast komplette "Meistersinger"Aufnahme einen extremisierten Interpretationsansatz verfolgt. Diese "Meistersinger" sind in der Tat keine Komödie. Auch wenn Furtwängler m.E. generell mit ironisch-quecksilbriger Musik nicht allzuviel anzufangen wusste (seine "Rheingolde" sind für mich deshalb auch die Schwachpunkte seiner "Ring"-Aufnahmen), so fällt doch auf, dass er hier die durchaus vorhandenen tragischen Unterströmungen so sehr in den Vordergrund stellt. Auf allem lastet eine gewisse Schwere, ein unbedingter Ausdrucks- und Gestaltungswille, der die Partitur jederzeit im Griff hat und dabei - wie ich finde - dem Stück zu sehr die Luft zum Atmen nimmt und ein wirkliches Erblühen der Töne verhindert. Das ist gleichwohl spannend und F. holt wirklich Unerhörtes aus dem Orchester und dem Chor heraus, etwa beim absolut verzweifelt-düsteren Vorspiel zum 3.Akt oder im schier nicht enden wollenden "Wach auf!"-Chor mit ebenso langer anschließender Generalpause. Ein durchaus pathetisches und rhetorisches Dirigat. Insofern sind seine Sänger zumeist kongenial, wenn auch m.E. nicht ideal, da zumeist jenseits ihres sängerischen Höhepunktes.


    Am besten noch die fast tadellos singende Maria Müller, der man allenfalls ein etwas zu reifes Timbre und ein paar Schärfen in der Höhe vorwerfen kann. Lorenz ist wie üblich sehr frei mit Tempovorschriften und Notenwerten, selten ein Ton, der nicht mindestens mezzoforte gesungen wird. Von der schneidend-gleißenden Diktion her eher ein waffenstarrender Condottiere als ein verliebter fränkischer Landedelmann, zumal er eher energisch zu sprechen als gebunden zu singen scheint. Zimmermanns David klingt in der Tat ein wenig ältlich, ansonsten solide (Gerhard Unger z.B. war da selbst in seinen späten Aufnahmen wesentlich jünger klingend), Eugen Fuchs´ Beckmesser hört man besser in der 1938er Studioaufnahme des 3. Aktes unter Böhm, hier hat er zuviele Textunsicherheiten und nimmt sich wie Lorenz seine Freiheiten gegenüber der Partitur. Den Pogner Greindls finde ich zu "hell" (er war auch erst 31) und zu wenig balsamisch-strömend, dazu ist das Timbre schon jetzt zu knorrig. Dem Sachs des Jaro Prohaska merkt man die lange Erfahrung mit der Rolle vor allem in den Dialogen mit Eva, Stolzing und Beckmesser an, wo er mit seiner harschen und hohl klingenden Stimme nicht aussingen muss, sondern die Worte fein-ironisch zu ziselieren versteht. Auf der Festwiese wird er dann zum bellenden non-legato Sprachrohr, das die "vierte Wand" zum Publikum niederreißt. Die Schlussansprache, die Prohaska nur unter Aufbietung aller Kräfte bewältigen kann, atmet den authentischen Zeitgeist des NS. "Fanatisch" ist hier in der Tat das richtige Stichwort, seelische "Wehrertüchtigung" der Zweck.


    In dem Büchlein "Richard Wagner und seine Meistersinger", einer reich bebilderten "Erinnerungsgabe zu den Bayreuther Kriegsfestspielen 1943", die jedem "Gast des Führers" (Kriegsversehrte, Frontkämpfer, Ausgebombte, Rüstungsarbeiter) nachträglich überreicht wurde, schildern ausnahmslos begeisterte Zuschauer ihre Eindrücke von der hakenkreuzgeschmückten Stadt und den Aufführungen. Und sie ziehen die ideologisch gewünschten Schlussfolgerungen:


    - "Hier verstehen wir so ganz das herrliche Wort des Führers, wenn er sagt: ´Die Kunst ist eine zum Fanatismus verpflichtende Mission.´"


    - "Am nächsten Morgen verlassen wir Bayreuth, das stolze Bewußtsein in der Brust: Wie stark muss Deutschland sein, wenn es im vierten Kriegsjahr seinen Menschen noch diese gewaltige Kundgebung deutscher Kunst schenken kann, und niemals kann ein Volk untergehen, das solche Geistesheroen sein eigen nennt!"


    - "Wenn wir heute wieder in unsere Lazarette und Genesungskompanien, an die Werkbänke und Zeichentische zurückgekehrt sind, wollen wir die Verpflichtung als bescheidenen Dank mit uns nehmen, stets alles einzusetzen, um den Feinden deutscher Art und deutschen Denkens gerecht zu werden, auf dass es Ihnen nie gelingen solle, die Werke und den Geist deutscher Meister zu untergraben."


    Die gesamte Stadt wimmelt von Angehörigen verschiedenster NS-Organisationen, BDM und HJ Bayreuths erweisen sich als Fremdenführer, im "Haus der deutschen Erziehung" finden Einführungsvorträge statt, auf dem Balkon des Festspielhauses verkünden Bläser der Waffen-SS das Ende der Pausen und auf der Bühne ergänzen HJ und BDM sowie Mitglieder der SS-Standarte "Wiking" den Festspielchor. Man hört es nicht zuletzt beim dröhnenden Gleichschritt der Formationen, die dem Zuhörer deutlich machen, dass die Festwiese hier kein demokratisches Volksfest ist, sondern eine Vorwegnahme der Nürnberger Reichsparteitage.


    :hello:


    GiselherHH

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    Noch einmal zum Thema "Freischütz": weiß jemand (vielleicht Du, lieber Giselher?), ob das von mir beschriebene Problem mit den "drop outs" auch bei der EMI-Ausgabe in der Reihe "Festspieldokumente"

    existiert?
    Beste Grüße
    Swjatoslaw


    Lieber Swjatoslaw,


    die "drop outs" des TAHRA-"Freischütz" sind auf der EMI-Ausgabe schon deswegen nicht zu finden, weil bei beiden Editionen auf unterschiedliche Quellen zurückgegriffen wurde. EMI Classics veröffentlichte einen offiziellen ORF-Mitschnitt in digitaler Überarbeitung, die dem ohnehin recht topfig und eng klingenden Original allerdings noch eine digitale Weichzeichnung verpasste, so dass das Geschehen seltsam leblos und untheatralisch wirkt. Deswegen ziehe ich persönlich die TAHRA-Ausgabe, die sich auf den Privatmitschnitt des Furtwängler-Freundes Alfred Kunz stützt, wegen ihrer "Luftigkeit" und Lebendigkeit vor, auch wenn ich drop outs, Störungen, "Kanalwechsel" und ähnlichen Ärger dafür in Kauf nehmen muss.


    Viele Grüße,


    GiselherHH

    Sachs: Friedrich Schorr (Paul Schöffler, Hans Hotter, Hans-Hermann Nissen)


    Pogner: Kurt Moll (Franz Crass, Karl Ridderbusch, Alexander Kipnis)


    Beckmesser: Dietrich Fischer-Dieskau (auch wenn er die Rolle nie gesungen hat; Hermann Prey, Roland Herrmann)


    Kothner: Herbert Janssen (Keith Engen, Roland Herrmann)


    Stolzing: Sandor Konya (Peter Seiffert, Ben Heppner, Franz Völker)


    Eva: Elisabeth Grümmer (Elisabeth Rethberg, Lotte Lehmann)


    Magdalene: Brigitte Fassbaender (Kerstin Thorborg, Christa Ludwig)


    David: Peter Schreier (Gerhard Unger, Heinz Zednik)


    Nachtwächter: René Pape (Raimund Grumbach, Bernd Weikl)




    Dirigent: Kempe, Toscanini, Reiner (Nach dem von ihm aufgenommenen Vorspiel zum 1. Akt zu urteilen, wäre René Leibowitz ein interessanter "Meistersinger"-Dirigent gewesen)

    1Lieber Swjatoslaw,


    an Dich als Furtwängler-Experten eine Frage. TAHRA vermarktet die Salzburger Mitschnitte des Furtwängler-Freundes Alfred Kunz von Schuberts "Großer C-Dur"-Symphonie (1953) und von Webers "Freischütz" (1954) als Quasi-Stereo. Gegenüber dem offiziellen EMI-"Freischütz" aus der Festspiel-Reihe konnte ich bei TAHRA zwar eine räumlichere, "farbigere" und "luftigere" Abbildung insbesondere bei den Solisten festststellen, bin mir aber nach wie vor unschlüssig, ob es frühes Stereo oder sehr gutes Mono ist. Weißt Du eventuell mehr?


    Viele Grüße


    GiselherHH

    Auch einem selbsternannten Stimmexperten und verkannten Großkritiker in nuce stünde es nicht schlecht zu Gesichte, seine Hervorbringungen nicht einfach so ins Forum zu erbrechen, sondern zunächst einmal auf korrekte Orthographie und Interpunktion hin zu untersuchen. Vom Inhalt mal ganz zu schweigen. Denn so trifft der Vorwurf der Schlampigkeit gerade denjenigen, welcher den Splitter im Auge der Musikjournalisten beschreit, ohne den Balken im eigenen Sinnesorgan überhaupt ansatzweise wahrzunehmen. Im Flächenbombardement des name dropping geht so mancher Schuss eben nach hinten los (Alan Blyth anyone?).

    Vielleicht wäre der Ausdruck "unzeitgemäß" der passendere Ausdruck für Furtwänglers romantisch-subjektiven Interpretationsansatz.


    Übrigens hat sich Peter Gülke mit der Frage nach Furtwänglers Zeitgenossenschaft in einem längeren Aufsatz zum 50. Todestag des Dirigenten unter dem Titel "Der Erwählte" auseinandergesetzt:


    "http://www.musikundaesthetik.de/seiten/PeterGuelke_Ueber_Furtwaengler3.htm"


    :hello:


    GiselherHH

    Premierenbesucher gehen immer ein höheres Risiko als "Otto Normalbesucher" ein, das liegt nun einmal in der Natur der Sache. Wer sicher gehen will, wartet halt die Premiere ab und informiert sich dann über die Inszenierung via Internet, Fernsehen, Funk und Zeitung (in dieser Hinsicht ist die oft beklagte Inszenierungslastigkeit bei den Besprechungen ja sogar ein Vorteil). Zumindest für die mittleren und großen Staatstheater und Opernhäuser dürften noch eigens produzierte Videoclips und Szenenbilder auf den jeweiligen Websites dazukommen. Also insgesamt jede Menge an Informationen, welche den meisten "Staubis" ja erklärtermaßen ausreicht, eine Inszenierung abzulehnen, die sie selbst nie gesehen und gehört haben.

    Zitat

    (...) lese ich auch lieber die Gramophone, wegen Alan Blyth (...)

    Nun sollte einem sogenannten "Experten auf dem Gebiet der klassischen Musik", zumindest aber einem vermeintlich regelmäßigen "Gramophone"-Leser eigentlich nicht entgangen sein sein, dass der bekannte englische Musikkritiker Alan Blyth bereits seit mehr als 3 Jahren mausetot ist und somit nichts mehr zur Attraktivität der Zeitschrift beitragen kann. Auch wenn sie es m.E. dringend nötig hätte, denn ähnlich dem Niedergang von "Fono Forum" lässt "Gramophone" die einstige Qualität doch schmerzlich vermissen, denn dort haben seit langem bunte (Promo-) Bildchen der "Klassikstars", Gefälligkeits-Features und schlichtweg Werbung den Rezensionsanteil zurückgedrängt. Insofern haben kleinere, unabhängige Zeitschriften wie "International Record Review", "Classic Recordings quarterly", "Fanfare" etc. inhaltlich wie gestalterisch die Nase vorn.

    Very tastet sich durch das Preislied wie ein übervorsichtiger Greis, mangels Reserven (er hat also in den anderen Akten nicht etwa für die Festwiese gespart) deutet er die Höhepunkte bestenfalls glanzlos an. Ein Ritter von der traurigeren Gestalt.


    Terfel versucht, unbeschadet durch die Schlußansprache zu kommen. Dynamisch wieder gut abgestuft der Teil ab "und welschen Dunst mit welschem Tand", ansonsten aber eher ein heiseres Bellen mit dem nach unten transponierten Spitzenton beim "Heil´gen Römschen Reich" als negativem "Höhepunkt".


    Chor beim "Heil, Sachs!" wieder fantastisch, das Orchester ließ sich lautstärkemäßig auch nicht lumpen.


    Insgesamt ein eher durchwachsener Abend. Terfels Sachs hätte das Zeug zu einer wirklichen Spitzeninterpretation, aber wohl nur auf Platte mit genügend Möglichkeiten zum Ausruhen.

    Ein großes Lob für den Chor, der "Wach auf!"-Choral war großartig!


    Bei der ersten Festwiesenansprache erleidet Terfel einen Beinahe-Schiffbruch. Er versucht, nicht allzu offen zu singen, aber bei "...als von der lieblich Reinen,
    die niemals soll beweinen" bricht die Stimme unter der Anstrengung fast weg. Terfel klingt heiser.


    Purvis´Beckmesser kommt ordentlich durch seinen Festwiesenauftritt, der Eindruck wird lediglich durch einige Textfehler und das Verschlucken von Endsilben getrübt.

    Das Schusterstubenquintett verlief besser als ich befürchtet hatte. Auch wenn sich die Stimmen nicht wirklich gemischt haben, es gab zumindest keine größeren Ausfälle. Insbesondere Frau Roocroft scheint ihre Konzentration wiedergefunden zu haben. Dasselbe kann man von den Bläsern der Welsh National Opera zumindest am Beginn der Festwiese nicht sagen: 3 mal daneben gehauen innerhalb von einer Minute!

    Very auch in der Schusterstube enttäuschend, da wieder nicht aussingend. Terfel spielt seine Stärken in der Konversation aus. Purvis bekommt hingegen seine Probleme mit der deutschen Aussprache beim schnellen Geplänkel mit Terfel, zudem gibt es Probleme beim Timing (mit Koenigs). Purvis vermeidet außerdem beim "...schusterlich blüh´und wachs´" den Spitzenton. Versagensangst?

    Terfel fühlt sich in den Konversations-Teilen seiner Partie hörbar am wohlsten, da blüht er förmlich auf. Wenn es hingegen stimmlich anspruchsvoll und fordernd wird, muss die ganze Kraft und Konzentration in die technische Kontrolle gehen... Und das geht dann auch mal schief. Deutlich ist jedenfalls seine Tendenz, Spitzentöne von unten anzusingen (bzw. anzustemmen) und dann nachzukorrigieren. Purvis´Beckmesser klingt dagegen technisch sehr sicher (Ständchen) und kann glänzen.


    In der Prügelfuge gelingt Koenigs die Koordination zwischen Orchester und Bühne nur bedingt (liegt vielleicht auch an dem ziemlich schnellen Tempo, das er schlägt). Guter Nachtwächter.

    Terfel hat sein beginnendes (Alters-)Tremolo noch einigermaßen im Griff, aber das Timbre klingt irgendwie angerauht. Allerdings hat er im Fliedermonolog und in der Szene mit Eva einige schöne Schattierungen und dynamische Differenzierungen gebracht. Zufriedenstellend, aber m.E. nicht auf dem Niveau der allerbesten Rolleninterpreten. Der Pogner wieder gut und diesmal auch interpretatorisch fein, ebenso der David von Tortise. Anna Burfords Magdalene dagegen klingt sehr matronenhaft, schrill und "wobbly", zudem artikulatorisch unsauber. Roocrofts Eva geht in Ordnung ohne besonders hervorzustechen.

    Thorpe hat sich in der Tabulatur wieder ein bisschen rehabilitieren können, wenngleich das Tremolo nicht wegzudiskutieren ist. Purves als Beckmesser angemessen gallig und ironisch, die Aussprache ist bis auf die typisch angelsächsischen Vokalverfärbungen gut. Very empfinde ich dagegen als ziemliche Enttäuschung, die Partie des Stolzing ist eindeutig eine Nummer zu groß für seine dezidiert unheldische Stimme, sie klingt an beiden Enden (Höhen und Tiefen) sehr mager, er muss ziemlich stemmen und der Atem knappt manchmal auch ziemlich. Um den Sachs von Terfel mache ich mir auch Sorgen. Er versucht zwar, dynamisch zu differenzieren, aber die Stimme klingt nicht rund, sondern schartig und sie springt nicht mehr so mühelos an wie früher.

    "Das schöne Fest...": Sherratt als Pogner gefällt mir in technischer Hinsicht recht gut, sein Bass ist für die Rolle vielleicht eine Spur zu wenig "schwarz" und etwas profilierter könnte die Rollengestaltung auch sein. Des Kothners Wobble ist in der Tat reichlich prominent, beim Aufruf der Meister schien mir auch die Intonation ziemlich misslungen. Beckmesser ist bislang okay, die anderen Meister sind so lala. Terfels Timbre hört sich ziemlich strohig und zerfasert an, auf die Monologe bin ich gespannt.

    Lieber Grillparzer,


    eben jene, von Dir zu Recht als "schrecklich" bezeichnete "Trovatore"-Aufführung konnte ich auch noch 1996 genießen. Musikalisch war es bei mir etwas besser (neben Stamm Olga Romanko, Vladimir Chernov und ein untersetzter isländischer Tenor, dessen Namen ich aber inzwischen vergessen habe). Eine wirklich lausige "Regiearbeit", dabei aber "schön traditionell" mit Schwertern, Rittern und Kettenhemden. Am liebsten hätte ich mit diesen Holzhaufen ein hübsches Autodafé veranstaltet... Besonders abtörnend war aber die lustlose Leistung des Chores, wobei besonders die historisch kostümierten Herren dadurch auffielen, dass ihre Kassenbrillen im grellen Scheinwerferlicht hübsch ins Publikum hinein reflektierten.


    :hello:


    GiselherHH

    Ich besitze den Keilberth-Ring seit ca.1 1/2 Jahren und bin mit ihm mehr als zufrieden. Die "Schwäche" Keilberths, seine schnellen und "unpathetischen" Tempi, halte ich größtenteils für eine Stärke, zumal sie ohnehin den originären Vorstellungen Wagners am ehesten entsprechen. Manchmal wünscht man sich vielleicht etwas mehr "Weihebreite", aber dafür gelingen Keilberth besonders die Teile des Rings, für welche den "Pathosdirigenten" wie Knappertsbusch, Furtwängler oder Thielemann die Antenne fehlt: das Quecksilbrige des "Rheingolds" oder die Scherzo-Strecken im "Siegfried". Die Aufnahmequalität ist für die Zeit wirklich sehr gut, es mangelt lediglich ein bisschen an der räumlichen Tiefenstaffelung. Und die Besetzung spricht für sich. Windgassen ist hier m.E. besser und jugendlich-frischer als 12 Jahre später an selbigem Ort unter Böhm oder im Studio unter Solti. Varnay muss man mögen (Testament bietet alternativ auch noch "Walküre" und "Götterdämmerung" mit Mödl aus der zweiten Aufführungsserie), Hotter natürlich auch, wobei sich die Wattigkeit des Timbres hier in Grenzen hält. Beim Orchester muss man natürlich die bekannten schallblendenbedingten Einschränkungen bei den Obertönen in Kauf nehmen, das Orchester klingt manchmal wie vor einem akustischen Röntgenschirm, was aber auch eine interessante und überraschende Erfahrung sein kann...


    Bei "Cantus Classics" ist mittlerweile eine wesentlich preiswertere MP3-Version erschienen, von der ich allerdings nicht weiß, ob sie noch verfügbar ist.


    :hello:


    GiselherHH


    P.S.: 1951 hatte die DECCA den Versuch unternommen, den "Ring" unter Knappertsbusch auszunehmen (noch in MONO). Allerdings war, so John Culshaw, der künstlerische Ertrag bis auf die dann schließlich veröffentlichte "Götterdämmerung" eher mäßig, was nicht nur an den Sängern, sondern auch an "Kna" gelegen haben soll. Außerdem konnte man nur eine Aufführungsserie samt Proben mitschneiden (Karajan machte die andere) und das Aufnahmeteam hatte große Mühe, die mit schöner Regelmäßigkeit fallenden und trotz Schalldeckel auf den Bändern gut zu vernehmenden Kraftausdrücke des Dirigenten herauszuschneiden...

    Der angesichts des klangvollen Namens scheinbar humorige Verfasser ist - die meisten werden es bereits erkannt haben - natürlich nichts weiter als ein gewöhnlicher Betrüger. Die Namensgebung ist aber insofern adäquat, als dass die Masche bereits derart uralt ist, dass sie schon einen sprichwörtlich langen Bart besitzt. Schon vor über 20 Jahren kursierten an Geschäftsleute adressierte Briefe, aufgemacht mit imposanten Stempeln und Wappen, in denen die mit akademischen Graden und öffentlichen Ämtern geradezu satrapisch überhäuften Verfasser eindringlichst flehten, ihnen beim angeblichen Transfer riesiger legaler Vermögensmassen aus ihrem bürgerkriegsgeschüttelten Lande ins Ausland behilflich zu sein, natürlich gegen eine kleine prozentuale Beteiligung. Dazu sollten die hilfreichen europäischen Menschenfreunde nur einen vergleichsweise klitzekleinen Obulus an Verwaltungsgebühren im voraus bereitstellen, natürlich gegen Quittung honoriger Amtspersonen und unter Vorlage der entsprechenden "Dokumente", vorzugsweise abzuwickeln in lokalen Luxushotels. Das ganze lief damals unter dem Titel "Nigeria-Connection" und erregte nicht unerhebliche Aufmerksamkeit. In meiner damaligen Banktätigkeit ist mir auch mal von einem Kunden ein solcher Brief vorgelegt worden mit der Bitte um Beurteilung.


    :hello:


    GiselherHH