Beiträge von GiselherHH

    Hallo,


    ich würde Herrn Florez raten, solange wie möglich im klassischen Belcanto-Fach zu bleiben und den Schritt bspw. zu Verdi (da kommt für ihn ja eigentlich nur der "Rigoletto"-Herzog in Frage) wenn überhaupt, dann sehr zögernd und sehr überlegt zu wagen. Als warnendes Beispiel der Selbstüberschätzung fiele mir hier Francisco Araiza ein, der ebenfalls bei Rossini und Mozart begann (und dort große Erfolge hatte), sich dann aber verhängnisvollerweise an Verdi-Partien und gar an Wagner herantraute und so seine schöne Stimme ruinierte.


    Gerade die Qualitäten, die den Gesang von Florez so anziehend machen - Elastizität, Geschmeidigkeit, stupende technische Kontrolle der Stimme - würden Schritt für Schritt verloren gehen, ohne daß er im Gegenzug etwas gewönne. Was die Wahl der Rollen angeht, sollte er sich tatsächlich Alfredo Kraus zum Vorbild nehmen. Schuster, bleib bei deinen Leisten!


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo,


    wer bereit ist, den technischen Standard heutiger Aufnahmen weit hinter sich zu lassen (Mono-Sound, grobes Schwarz-Weiß), das Format zu wechseln (von DVD auf VHS-Video (Belcanto Society)) und auch auf jeglichen Zusatz-Feature-Schnickschnack zu verzichten, der kann sich die einzige erhaltene Aufzeichnung einer Wieland-Wagner-Inszenierung nach Hause holen. Ein Mitschnitt der letzten "Tristan"-Inszenierung Wieland Wagners vom April 1967, die er selbst noch vor seinem Tod im japanischen Osaka vorbereitet hatte, mit den Protagonisten Nilsson und Windgassen (dazu noch Herta Töpper als Brangäne, Frans Andersson als Kurwenal und Hans Hotter als Marke, Dirigent: Pierre Boulez). Die Inszenierung ist weitgehend identisch mit der berühmten aus Bayreuth (der Böhm-Mitschnitt auf DG).


    Verglichen mit heutigen Inszenierungen fällt die starke Stilisierung der Bühne und der Darsteller auf. Es wird nicht realistisch agiert, sondern sehr verhalten mit wenigen Gesten, die dafür um so stärker wirken. Die Darsteller wirken weniger wie individuelle Personen, sondern eher wie menschliche Archetypen. Aufgrund des schwarz-weißen Bildes kann man die intensive Lichtregie (blau, grün, rot) nur ahnen. Es wirkt eher wie ein psychedelischer Traum vor dem Hintergrund riesiger Bühnen-Symbole (angedeuteter Schiffsbug im 1. Akt, phallischer Turm im 2. Akt). Gesungen wird gut bis hervorragend, selbst Frau Nilsson wirkt nicht ganz so "stählern" wie sonst. Boulez dirigiert das japanische Orchester mit Umsicht, seine Interpretation ist eher nüchtern, aber dennoch sehr hörenswert.


    Frau Nilsson ist als Isolde auch noch auf einer weiteren DVD dokumentiert, zusammen mit Jon Vickers unter Karl Böhm (Festival in Orange, 1974, Hardy Classics). Ich kenne allerdings nur den CD-Mitschnitt (Rodolphe), den ich hervorragend finde, die Bild- und Tonqualität der DVD soll allerdings nicht überragend sein.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Stephan,


    die ersten beiden Folgen der Ligeti-Serie gibt es noch für jeweils 4,99 Euro bei 2001. Und jpc hat, soweit ich sehe, noch alle Folgen ebenfalls für 4,99 Euro im Angebot.


    Ansonsten kann ich die Metzmacher-Box "Who´s afraid..." nur empfehlen. Meistens sind es kurze, oft unterhaltsame Stücke "quer durch den Garten" des 20. Jahrhunderts, die Appetit auf mehr machen! :)


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Markus,


    den "Siegfried" fand ich persönlich recht gelungen. Regie führt übrigens Jossi Wieler, Nel hatte die "Walküre" übernommen (die fand ich wiederum ziemlich langweilig). Man kann sich natürlich endlos an den Oberflächlichkeiten der Ausstattung und der Bühnenbilder aufhalten (die bieten dem Luxus gewohnten Auge nicht sehr viel), aber die Zeichnung der Charaktere war sehr genau und stimmig, mit dem Mime konnte man fast Mitleid haben. Gesungen und musiziert wurde für heutige Verhältnisse recht gut. Auf jeden Fall insgesamt wesentlich anregender als die gedankenleer bebilderte Schenkiade aus der MET. Chereau/Boulez bleiben in Sachen "RING" allerdings meine Favoriten.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo,


    bei dem Preis (25 Euro für 8 CDs bei Amazon) könnte man glauben, hier würde minderwertige Massenware verscherbelt werden. Aber weit gefehlt!



    Im Nachlaß des DDR-Labels ETERNA stellen die Aufnahmen Herbert Kegels zumeist unterschätzte Juwelen dar (seine hervorragenden Orff-Aufnahmen wurden im Forum ja bereits gewürdigt). Besonders setzte er sich immer wieder für die Moderne des 20. Jahrhunderts ein und dieses besondere Engagement kann man auf den CDs hören. Der von ihm bevorzugte Orchesterklang ist eher dunkel, "sehnig", schlank und voller Innenspannung. "Referenzcharakter" dürften die Gesamtaufnahmen von "Moses und Aron" (das genaue Gegenteil zu Soltis romantisierender Aufnahme) und "Wozzeck" haben. Die "Gurrelieder" sind für meinen Geschmack etwas zu langsam geraten, gesungen wird aber recht gut. Dazu noch Schönbergs "Überlebender", Bergs "3 Fragmente aus Wozzeck", Orchesterstücke op.6 und op.10, Violinkonzert, "Lulu"-Suite, Weberns Passacaglia op.1, Sätze für Streichquartett op. 5 (Orchesterfassung), Symphonie op. 21.


    Also insgesamt ein wirkliches "Schnäppchen"!


    Grüße


    GiselherHH

    Ein weiterer "klassischer Moment" im Kino:


    Im Film "The Shawshank Redemption" (deutscher Titel: "Die Verurteilten", mit Tim Robbins, Morgan Freeman u.a.) findet der zu lebenslanger Haft verurteilte Buchhalter Andy Dufresne unter den Sachspenden für die Gefängnisbibliothek eine Aufnahme von Mozarts "Figaro". Mit einem Trick gelingt es ihm, Zugang zur Lautsprecheranlage des Gefängnisses zu finden und das Duett "Sull´aria" Gräfin/Susanna aus dem 3. Akt über die Anlage zu senden. Besonders berührend ist, wie die Insassen, von denen wohl kaum je einer eine Note Mozart gehört hat, mit ihrer Arbeit aufhören und diesen überirdisch schönen Klängen fasziniert und hingerissen lauschen.


    Grüße


    GiselherHH


    P.S.: Das wird Alfred freuen: die im Film verwendete Aufnahme ist eben jener Böhm-Figaro-Einspielung entnommen, die er auf die Arche gerettet hat. :)

    Hallo Alfred,


    ein Versehen meinerseits. Ich hatte die Aktion wohl unbewußt mit dem "Grand Concours" der furchtbarsten Cover verwechselt (da dürfen wir ja drei benennen!). Im Nachhinein finde ich meine Schmuggelaktion aber gut. Da können ein paar Meisterwerke mehr überleben! :D


    Grüße


    GiselherHH

    Auch wenn ich kein Spezialist für diese Musikepoche bin, kann ich Monteverdis Meisterwerk hier doch nicht im Regen stehen lassen. Andiam, Signore Orfeo!



    Mit Anthony Rolfe Johnson (Orfeo), Julianne Baird (Eurydike), Anne Sofie Otter (Bote) etc.


    English Baroque Soloists


    Dirigent: John Eliot Gardiner


    Archiv Produktion (Deutsche Grammophon)


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo,


    außer der Salonen-Aufnahme besitze ich auch noch diese hier, in Anwesenheit des Komponisten aufgenommene:



    Für viele klassische Hörer ist diese farbige, vor Lebenslust überbordende und jubilierende Musik wohl ziemlich befremdlich. Das konnte ich vor ein paar Jahren live im Konzert erleben, als ich das Werk mit dem NDR-Sinfonieorchester unter Eschenbach hörte. Manche Leute verließen kopfschüttelnd den Saal, teilweise sogar während des Stückes. Ich selbst war danach wie berauscht und völlig hin und weg. Auch wenn das Stück manchmal gefährlich nahe am Kitsch gebaut hat, lohnt es sich auf jeden Fall, es kennenzulernen.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo,


    da noch niemand "Das schlaue Füchslein" erwähnt hat, will ich es tun.


    Mit der Oper bekam ich den Zugang zu Janacek. Eine schöne, lustige und traurige Oper über den Kreislauf des Lebens und die Notwendigkeit des Sterbens, völlig frei von Kitsch und Sentimentalität.


    Eine sehr schöne Inszenierung der Oper aus Paris (1995) gibt es auf DVD:



    Am Ende erwacht hier der Förster (hervorragend gesungen von Thomas Allen) aus seinem Traum und wird von den Waldtieren in ihren Reigen aufgenommen. Der Mensch kehrt in die Natur als ein Teil von ihr zurück - ganz im Sinne von Janaceks pantheistischen Überzeugungen.


    Auf CD empfiehlt sich ebenfalls die Mackerras-Aufnahme:



    Hinsichtlich der "Glagolytischen Messe" und der "Sinfonietta" absolut kaufenswert auch die Aufnahmen von Karel Ancerl mit der Tschechischen Philharmonie (Supraphon).


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Heinz,


    die Atmosphäre in Kafkas Roman "Das Schloß" ist ja eigentlich nicht gruselig, sondern vor allem düster und hoffnungslos. Der Held K. ist Mächten ausgeliefert, die er nicht kennt und die er nicht versteht. Er ist nicht Herr seines Schicksals und wird auch im Dorf unterhalb des Schlosses nicht heimisch. Er bleibt ein Fremder. Insofern bestehn schon einige Parallelen zur "Winterreise", wenngleich Kafkas "Schloß" wesentlich hermetischer und unzugänglicher ist.


    Grüße


    GiselherHH

    "Mir ist die Ehre widerfahren,..."


    "...diese Aufnahme in die akustische Arche Noah zu geleiten."



    Mit Elisabeth Schwarzkopf (Marschallin), Otto Edelmann (Ochs), Christa Ludwig (Octavian), Theresa Stich-Randall (Sophie), Eberhard Wächter (Faninal) u.a.


    Philharmonia Orchestra und Chor


    Dirigent: Herbert von Karajan


    Produzent: Walter Legge


    1956, STEREO

    Hallo Theophilus,


    da ich weder Pavarotti noch Carreras je live auf der Bühne gesehen und gehört habe, kann ich meine Meinung nur mit Plattenaufnahmen begründen.


    Ich höre Pavarottis Stimme am liebsten in seinen Aufnahmen der 60er und frühen bis mittleren 70er Jahre. Da besitzt seine Stimme noch dieses leichte, gewinnend-sympathische Timbre, das sie später nach seinem Wechsel ins Lirico-Spinto-Fach nicht mehr besaß. Da kam dann der harte metallische Anteil der Stimme in den Vordergrund, während die Stimme weniger rund und spröder wurde. Für den Herzog hatte er die schlechthin ideale Stimme (weit mehr noch als Alfredo Kraus, für den die Partie doch sehr grenzwertig war). Aber das, was einen großen Verdi-Tenor für mich ausmacht, die Differenzierungen und Schattierungen des Klanges, die stilistische Finesse, über die etwa Bergonzi verfügte, die besaß Pavarotti als Alfredo und Riccardo m.E. nicht im notwendigen Maße, er wirkt da für mich einfach zu glatt und zu wenig "in der Rolle" (Das eigentlich vorgeschriebene Diminuendo am Ende von "Celeste Aida" hat auch Bergonzi gesungen (festgehalten im Mitschnitt von 1963 aus der MET unter Solti)).


    Allerdings war er in der Wahl seiner Rollen weit klüger und überlegter als etwa José Carreras, der die natürlichen Beschränkungen seiner Stimme nicht akzeptieren wollte und dafür den Preis einer verkürzten Opern-Karriere zahlen mußte (die Leukämie hat das sich anbahnende Ende nur noch beschleunigt). Die Verdienste um das Verdi-Frühwerk, die Du erwähntest, sind absolut anerkennenswert, zumal da die Stimme noch intakt war und ihr wunderschönes, leich verhangenes Timbre hatte. Allerdings kann man auf Platte bei kluger Disposition und genügend Pausen Rollen singen, die einem Sänger auf der Bühne verwehrt bleiben müssen, wenn er eine dauerhafte Karriere anstrebt. Carreras war und blieb doch eher ein lyrischer Tenor, der Schritt zum Spinto-Fach war (wie bei seinem Vorbild di Stefano) ein Fehler, der nur durch künstliche Eindunkelung des Klanges und brustige Tonproduktion unter hohem Druck möglich wurde. Das aber führte zur Zerstörung des Klangkernes der Stimme, zur hörbaren Ausbleichung des Timbres.


    Deswegen gehört Pavarotti m.E. eigentlich nur mit dem Herzog und Carreras eigentlich gar nicht zu den wirklichen Verdi-Tenören. Da sie aber vielfach auf Verdi-Platten vertreten sind und dort auch teilweise zu glänzen vermochten, habe ich sie als "Also rans" in die Liste aufgenommen.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Alfred,


    Deine Schikanen sind aber ganz schön schikanös!!! Aber dennoch, hier meine Liste


    1. Carlo Bergonzi (bester Stilist und Allround-Sänger)
    2. Jussi Björling (beste Stimme)
    3. Richard Tucker (aufregendste Stimme)
    4. Franco Corelli (große Stimme trotz Lispelns, allerdings schlechter Stilist)
    5. Placido Domingo (der "Marathon-Mann" unter den Tenören)
    6. Rolando Villazon (könnte Domingo in seinem Fach beerben)


    "Also rans": Luciano Pavarotti (als Verdi-Tenor wohl nur als Rigoletto-Herzog erstklassig), Jose Carreras (sehr schönes Stimmaterial durch Ehrgeiz und Krankheit ruiniert) Mario del Monaco (großer animalisches Organ, aber enervierendes Dauerforte), Mario Lanza (prächtiges Material, wenn er nur mehr Geschmack und einen guten Lehrer gehabt hätte...), Franco Bonisolli (in Gesang und Benehmen Archetyp und Karikatur des italienischen Tenors).


    Grüße


    GielherHH

    Momentan in meinem Combo-Laufwerk:



    Eine preiswerte Edition der 5 Hamburger Silvesterkonzerte mit unterhaltsamer Musik des 20. Jahrhunderts (diesmal gab es wegen der großen Nachfrage sogar 2 ausverkaufte Konzerte!). Und, oh Wunder, oh Wunder, unsere verbeamteten Philharmoniker können sogar ganz passabel swingen, wenn sie wollen ("Cuban Overture").


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Alfred,


    na, wer wird denn gleich in die Luft gehen...


    Allerdings zeugt Dein Satz "Wer zahlt, schafft an" von einer Geisteshaltung, die schon zu Zeiten Mozarts und Beethovens gelinde gesagt "unmodern" war und, mit Verlaub, wohl eher in die Zeit von Feudalismus und Leibeigenschaft paßt. Ich jedenfalls bin froh, daß unsere Opernhäuser sich nicht dem Geschmack von privaten Financiers unterwerfen müssen (und auch die MET hat gegen die zu große Einflußnahme auf ihren Spielplan erfolgreich gegen eine Stiftung prozessiert).


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Spatz,


    soweit ich Rocco verstanden habe, wollte er einen Eintieg jenseits des Rosenkavaliers. Aber bitte, wenn´s gewünscht wird...


    Rosenkavalier, CDs: Karajan (EMI, stereo), Erich Kleiber (Decca, mono), Heger (EMI, mono, Ausschnitte mit Mayr und Lehmann, auch bei NAXOS)


    Rosenkavalier, DVDs: Karajan (Salzburg 1960 mit Schwarzkopf), Carlos Kleiber (solange es die m.E. insgesamt bessere Münchner Aufzeichnung von 1979 noch nicht auf DVD gibt, muß man sich mit der Wiener Aufführung von 1994 zufrieden geben (DG), die ja auch nicht schlecht ist)


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Rocco,


    ein guter "Fahrplan" könnte wie folgt aussehen:


    1. "Salome" (Solti, Karajan oder Sinopoli)


    2. "Elektra" (Solti, Böhm)


    3. "Arabella" (Solti)


    4. "Frau ohne Schatten" (Böhm, Sawallisch, Sinopoli)


    5. "Ariadne auf Naxos" (Karajan, Kempe)


    6. "Capriccio" (Sawallisch)


    Wenn man dann noch nicht genug hat, kann man sich ja noch an "Daphne" oder "Die Ägyptische Helena" und ähnliche Werke aus der zweiten und dritten Reihe wagen.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Theophilus,


    aus meiner Erfahrung glaube ich nicht, daß den Opern in Zukunft das Publikum fehlen wird. Mangelnde Auslastungszahlen z.B. in Berlin sind eher Folge einer Überkapazität (3 Opernhäuser für 3,3 Millionen Berliner) und des relativ geringen Durchschnittseinkommens in der Hauptstadt und Umgebung. Und die vielgescholtene "moderne" Komische Oper (Konwitschny, Bieito etc.) liegt momentan in der Publikumsgunst vor Staatsoper und Deutscher Oper.


    Moderne Inszenierungen spielen also durchaus nicht die Häuser leer, sondern sorgen oft im Gegenteil für hohe Auslastungszahlen (siehe auch Hamburg), gerade unter jungen Leuten. Natürlich geht dort, wo experimentiert und etwas gewagt wird, auch manches schief und verschwindet dann schnell wieder. Das ist aber bei einer lebendigen Kunst auch ganz natürlich, mancher Weg erweist sich eben als Irrweg. Daraus kann man aber nicht umgekehrt schließen, da man sich besser überhaupt nicht bewegen sollte.


    Die MET in New York produziert unter anderen Bedingungen als deutsche Opernhäuser. Deswegen kann dort, teils auch zum Leidwesen des Managements, künstlerisch nicht viel gewagt werden. Finanziell u.a. von uralten blauhaarigen Milliardärswitwen und deren Stiftungen abhängig, diktiert deren Geschmack, der in den 30er bis 40er Jahren des letzten Jahrhunderts geprägt wurde, indirekt den Inszenierungsstil des Hauses. Musikalisch gesehen sind die DVDs aus der MET diskutabel bis hervorragend, nur wenn man sich mit Bühnenbild und Regie beschäftigt, dann glaubt man sich an einer zu hoch dotierten Provinzbühne von anno Tobak zu befinden. Insbesondere die Wagnerschen Ideendramen werden da auf einem derart gedankenarmen bis -leeren Niveau abgehandelt und damit kastriert, daß sich der Wagnerkenner mit Grausen wendet. Das mag für Leute, die sich geistig nicht gern anstrengen, leichter verdaulich sein, "Werktreue" (um dieses oft und falsch strapazierte Wort zu gebrauchen) im eigentlichen Sinne ist das jedenfalls nicht.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Alfred,


    ja, ich bekenne mich! Ich gehöre zu den Wenigen, die glauben, daß man sich Kunst manchmal auch erarbeiten muß, um sie zu verstehen. Per aspera ad astra! Für mich ist Oper eben mehr als geistloses Nachtigallengeträller, das von einer Fan-Claque beklatscht wird oder Treffpunkt der scheinbaren "Elite" von Nerzmantelfraktion und Edelkarossenbesitzern.


    Eine reine "Luxus"-Oper der Kulinarik für die gehobenen Stände wäre genausowenig subventionswürdig wie ein Rock- oder Popkonzert oder wie ein Fußballspiel. Wenn man so etwas will, dann soll man es so machen wie in den USA, mit allen Konsequenzen. Aber wenn dann Rumstehtheater à la Otti Schenk oder Zeffirelli-Materialschlachten die Bühne beherrschten, würde ich keinen Fuß mehr in eine Oper setzen!


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Thorsten,


    es liegt glaube ich daran, daß die akustische Hinterlassenschaft Toscaninis weitgehend in den USA und nicht in Europa entstand. Zwar gibt es die Salzburger Mitschnitte von 1937 (Falstaff und Meistersinger), Aufnahmen mit dem BBC Symphony Orchestra und das Scala-Konzert von 1946, doch auf Platten wurden vor allem seine NBC-Aufnahmen festgehalten.


    In den USA war Toscanini fast 20 Jahre lang d e r Name für klassische Musik, in seiner medialen Präsenz (Fernsehen, Radio, Schallplatten) vergleichbar hier vielleicht nur mit Karajan in den 60ern und 70ern im deutschsprachigen Raum. Seine europäische Rezeption war demgegenüber eher zweispältig. Bei aller Wertschätzung für T. hielt Furtwängler ihn doch nicht für gleichwertig ("verfluchter Taktschläger") und auch Adornos Verdikt über seine Perfektionierung des Orchesterklanges als Diktatur und Verwandlung des Orchesters in eine seelenlose und allzeit steuerbare Maschine wirken hier noch nach. Zudem gab es insbesondere Vorbehalte gegen den Wagner-Dirigenten Toscanini ("Kann ein Italiener überhaupt Wagner dirigieren?").


    Auch entspricht die sehr trockene Akustik mit wenig Nachhall, die in den NBC-Aufnahmen zu finden sind, den europäischen HiFi-Hörgewohnheiten nicht recht. Sie verstärkt den Eindruck der Härte und des Überdrucks, insbesondere in den späten Aufnahmen der 50er Jahre.


    Für mich ist Tocanini dennoch immer eine gültige Alternative etwa zur Musikauffassung eines Furtwängler oder Knappertsbusch. Insbesondere bei Wagner empfinde ich den präzise-federnden NBC-Klang als wohltuend.


    Eine Buchempfehlung:


    Mortimer H. Frank: Arturo Toscanini - The NBC Years, Amadeus Press
    (Ein umfassender Bericht über die Zeit zwischen 1937 und 1954 mit einer sehr gut kommentierten Diskographie aller NBC-Aufnahmen und Rundfunkmitschnitte)


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Alfred,


    Deine Vorliebe für das "Konservative" in allen Ehren - aber verbirgt sich dahinter nicht doch eine Abscheu, gar Angst vor der Moderne? Ich für meinen Teil glaube nicht, daß man die heutige Welt aus der Oper aussperren kann und soll.


    Die großen Werke der Opernliteratur halten allgemeingültige Aussagen über den Menschen und sein Leben bereit, die können in gepuderter Perücke ebenso präsentiert werden wie im Straßenanzug. Inszenierungen sind nun einmal vergänglicher Ausdruck ihrer jeweiligen Zeit, sind genauso wie musikalische Aufführungen Interpretationen, die immer nur einen Teil des Werkes beleuchten können. Nur deshalb werden sie wieder und wieder und immer anders inszeniert, eben weil es keine endgültigen Antworten auf unsere Fragen gibt. Gerade die Vielschichtigkeit und der Facettenreichtum der Stücke sind es doch, die unser Interesse an den Stücken wach halten und immer wieder erneuern. Wenn alles gesagt ist, gibt es keinen Grund, es noch einmal zu sagen.


    Grüße


    GiselherHH


    P.S. Das hiesige "moderne" Opernhaus, in dem der ach so gefürchtete Herr Konwitschny bereits 10 mal inszeniert hat (und dessen Vorstellungen fast immer ausverkauft sind), hat eine Auslastung von immerhin 90 % vorzuweisen.

    Hallo,


    ich bin regelmäßiger, wenn auch nicht fanatischer Opernbesucher (ca. 1 mal im Monat) und bin grundsätzlich auch für sehr moderne und avangardistische Regiekonzepte offen, solange sie sich mir ohne Lektüre des Programmheftes erschließen (das schließt allerdings eigenes Nach- und Mitdenken ein). Im wahrscheinlichen Gegensatz zu vielen, insbesondere wohl Wiener Mitgliedern des Forums :D, halte ich die Oper nicht für ein Museum, in dem brave Kulissenschieberei und gefälliges Sängerarrangement an der Rampe bereits eine "Regie" darstellt. Ich möchte in der Oper sowohl unterhalten, als auch an- und (vielleicht) aufgeregt werden. Wenn man seinen Kopf an der Garderobe abgeben und sich nur berieseln lassen will, sollte man in irgendeines der heute so populären Spektakel-Musical à la "Phantom der Oper" gehen.


    Wesentlich wichtiger als das Bühnenbild ist mir die gelungene Personenregie zwischen den Sängern, das Agieren und Reagieren jenseits der sattsam bekannten Standardgesten (ein Arm hoch, zwei Arme hoch, Standbein-Spielbein etc.). Erst da zeigt sich die Meisterschaft eines wirklichen Regisseurs, der sein Handwerk versteht.


    Zu Deinem Argument gegen Aktualisierungen eine Frage: warum tragen auf unzähligen bildlichen Darstellungen christlicher oder antiker Geschehnisse vom Frühmittelalter bis zum Ende des Barock die dort abgebildeten Menschen zeitgenössische Kleidung? Nur aus Unkenntnis?


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Alfred,


    sooo schwarz sehe ich für die deutschsprachige Oper eigentlich nicht. Bei uns an der Hamburger Staatsoper wurden und werden in dieser Saison folgende deutschsprachige Opern gegeben:


    - "Fidelio"
    - "Der fliegende Holländer"
    - "Freischütz"
    - "Der lächerliche Prinz Jodelet" (Keiser)
    - "Die Fledermaus" (zähle ich jetzt mal zu den Opern)
    - "Die Frau ohne Schatten"
    - "Meistersinger"
    - "Zauberflöte"
    - "Elektra"
    - "Hänsel und Gretel"
    - "Lohengrin"
    - "Lulu"
    - "Moses und Aron"
    - "Parsifal"
    - "Salome"
    - "Wozzeck"
    - "Zar und Zimmermann"


    Keine schlechte Ausbeute für eine einzige Saison, finde ich. Sicher, Wagner, Strauss (den hattest Du in Deiner Aufzählung vergessen) und Mozart dominieren.


    Die "deutsche Spieloper", die Du wohl im Auge hast, hat heute sicher einen etwas schweren Stand, was zum einen an den Sujets liegen mag (etwa der "Evangelimann" mit seiner die Kitschgrenze mehr als nur streifenden Frömmelei) oder auch an den Libretti (wirklich jammerschade, daß Weber für seine musikalisch herausragende "Euryanthe" keinen besseren Text zur Verfügung hatte).


    Humperdinck ist eben der "Weihnachtsonkel", Jahr für Jahr werden die Kinder in "Hänsel und Gretel" geschickt, da ist für die "Königskinder" eben kein Platz mehr. Siegfried Wagner steht trotz in letzter Zeit verstärkter Bemühung um sein Werk im alles überragenden Schatten seines Vaters (richtig Konjunktur hatten seine Werke eigentlich nie, sein Geld verdiente er ja als Dirigent) und bei Titeln wie "Hütchen ist an allem schuld", "Das Flüchlein, das jedem entfuhr" und "Bruder Lustig" ist es fraglich, ob sich je eine breitere Öffentlichkeit für ihn interessieren könnte.


    Lortzing ist immer noch ein Opfer des Bildes, das sich seine Zeitgenossen von ihm machten. Er wurde auf den braven biedermeierlichen Opernhandwerker reduziert, seine starke freiheitliche Ader und seine Sympathie für die 48er Revolution (siehe die Oper "Regina") wurden aber geflissentlich ignoriert. Pfitzner ist wohl immer noch ein wenig politisch kontaminiert, allerdings wurden seine Werke selbst zu seinen Lebzeiten (zu seinem größten Leidwesen) nicht sehr oft aufgeführt. Der "Palestrina" wäre es sicher wert, mehr gespielt zu werden, stellt aber an ein Opernhaus kollossale Anforderungen an Menschen und Material (sehr kostspielig!) und ist dabei eben sehr spröde und wenig kulinarisch. Und einige Opern lassen sich heute kaum aufführen, weil man die Sänger nicht findet (wer könnte heute etwa eine rundum befriedigende "Rezia" singen?).


    Bei der französischen Oper verhält es sich eigentlich wesentlich schlimmer, weil kaum jemand mehr den französischen Stil der geraden, klaren Linie, der absoluten Textverständlichkeit und Schönheit der Phonation beherrscht (der letzte wirklich große Stilist dürfte mit Nicolai Gedda von den Bühnen der Welt abgetreten sein, heute existiert bestenfalls eine Schwundstufe á la Alagna und Co.). Das betrifft Bizet (der stilistisch heutzutage zum Veristen verkommt), Berlioz und insbesondere auch Meyerbeer, der eben höllisch schwer zu singen ist. Ich würde auch gern mehr von Auber oder Boieldieu hören, vielleicht werden sie ja mal wieder ausgegraben.


    Grüße


    GiselherHH

    Hallo Wanderer,


    also bei "Naxos" kannst Du alles, was von Ward Marston remastered wurde, eigentlich blind kaufen (wobei das jetzt kein Wortspiel sein soll (Marston ist nämlich blind)). Archipel ist meist zu empfehlen (würde ich mir aber, wenn möglich, vorher anhören), Myto auch. Ich habe viele Aufnahmen der Fírma "Music & Arts". Sie sind zwar oft etwas teurer, stammen dafür aber meistens auch von den besten Quellen. Auch die recht teure Marke "Guild" ist zu empfehlen (wobei die die etwas merkwürdige Angewohnheit haben, unvollständig überlieferte Aufnahmen mit anderen Einspielungen derselben Künstler zu ergänzen). Meiden sollte man generell solche Label wie "Grammofono 2000", "Lys" und "Iron Needle". Nicht nur deswegen, weil sie unter dem (m.E. begründeten) Verdacht stehen, Raubkopien von den Remasterings anderer Firmen in Umlauf zu bringen, sondern weil sie meist auch heftig und unsensibel "CEDAR"isiert sind.


    Der Nachteil bei Naxos ist allerdings, daß sie meistens nicht an die Master-Bänder kommen (wie etwa EMI), sondern entweder von Platten (in hervorragendem Zustand) oder aus Privatquellen überspielen. Bei den Melchior-Aufnahmen wirkt sich das wohl nicht aus (eben dank W.M.), aber ich habe gehört, daß es bei Überspielungen aus der LP-Ära (z.B. Furtwängler-"Tristan", Callas-"Tosca") wahrnehmbare Unterschiede zu den Originalquellen geben soll.


    Grüße


    GiselherHH