Hallo Alfred,
sooo schwarz sehe ich für die deutschsprachige Oper eigentlich nicht. Bei uns an der Hamburger Staatsoper wurden und werden in dieser Saison folgende deutschsprachige Opern gegeben:
- "Fidelio"
- "Der fliegende Holländer"
- "Freischütz"
- "Der lächerliche Prinz Jodelet" (Keiser)
- "Die Fledermaus" (zähle ich jetzt mal zu den Opern)
- "Die Frau ohne Schatten"
- "Meistersinger"
- "Zauberflöte"
- "Elektra"
- "Hänsel und Gretel"
- "Lohengrin"
- "Lulu"
- "Moses und Aron"
- "Parsifal"
- "Salome"
- "Wozzeck"
- "Zar und Zimmermann"
Keine schlechte Ausbeute für eine einzige Saison, finde ich. Sicher, Wagner, Strauss (den hattest Du in Deiner Aufzählung vergessen) und Mozart dominieren.
Die "deutsche Spieloper", die Du wohl im Auge hast, hat heute sicher einen etwas schweren Stand, was zum einen an den Sujets liegen mag (etwa der "Evangelimann" mit seiner die Kitschgrenze mehr als nur streifenden Frömmelei) oder auch an den Libretti (wirklich jammerschade, daß Weber für seine musikalisch herausragende "Euryanthe" keinen besseren Text zur Verfügung hatte).
Humperdinck ist eben der "Weihnachtsonkel", Jahr für Jahr werden die Kinder in "Hänsel und Gretel" geschickt, da ist für die "Königskinder" eben kein Platz mehr. Siegfried Wagner steht trotz in letzter Zeit verstärkter Bemühung um sein Werk im alles überragenden Schatten seines Vaters (richtig Konjunktur hatten seine Werke eigentlich nie, sein Geld verdiente er ja als Dirigent) und bei Titeln wie "Hütchen ist an allem schuld", "Das Flüchlein, das jedem entfuhr" und "Bruder Lustig" ist es fraglich, ob sich je eine breitere Öffentlichkeit für ihn interessieren könnte.
Lortzing ist immer noch ein Opfer des Bildes, das sich seine Zeitgenossen von ihm machten. Er wurde auf den braven biedermeierlichen Opernhandwerker reduziert, seine starke freiheitliche Ader und seine Sympathie für die 48er Revolution (siehe die Oper "Regina") wurden aber geflissentlich ignoriert. Pfitzner ist wohl immer noch ein wenig politisch kontaminiert, allerdings wurden seine Werke selbst zu seinen Lebzeiten (zu seinem größten Leidwesen) nicht sehr oft aufgeführt. Der "Palestrina" wäre es sicher wert, mehr gespielt zu werden, stellt aber an ein Opernhaus kollossale Anforderungen an Menschen und Material (sehr kostspielig!) und ist dabei eben sehr spröde und wenig kulinarisch. Und einige Opern lassen sich heute kaum aufführen, weil man die Sänger nicht findet (wer könnte heute etwa eine rundum befriedigende "Rezia" singen?).
Bei der französischen Oper verhält es sich eigentlich wesentlich schlimmer, weil kaum jemand mehr den französischen Stil der geraden, klaren Linie, der absoluten Textverständlichkeit und Schönheit der Phonation beherrscht (der letzte wirklich große Stilist dürfte mit Nicolai Gedda von den Bühnen der Welt abgetreten sein, heute existiert bestenfalls eine Schwundstufe á la Alagna und Co.). Das betrifft Bizet (der stilistisch heutzutage zum Veristen verkommt), Berlioz und insbesondere auch Meyerbeer, der eben höllisch schwer zu singen ist. Ich würde auch gern mehr von Auber oder Boieldieu hören, vielleicht werden sie ja mal wieder ausgegraben.
Grüße
GiselherHH