Hallo,
die Levine-Meistersinger-DVD habe ich bereits vor gut einem Monat gehört und gesehen. Hier meine Kritik, die ich in einem anderen Forum geschrieben habe:
Die Meistersinger von Nürnberg
Heppner, Mattila, Grove, Polenzani, Allen, Morris, Pape
Metropolitan Opera Orchestra and Chorus
Dir.: J. Levine
Inszenierung: O. Schenk
Deutsche Grammophon
2 DVDs
Ein saures Amt - und heut zumal? Nicht ganz, denn trotz der erwarteten Unzulänglichkeiten (dazu später) bietet diese "Meistersinger"-Aufzeichnung aus dem Dezember 2001 einiges an Positivem.
Da wäre zunächst das MET-Orchester unter dem Dirigat Levines: im Gegensatz zur Schlepp-Orgie beim "Ring" bietet Levine dem Zuhörer eine sehr transparente, filigrane, fein ausgehörte und gar nicht bombastische Auslegung der Partitur (der exzellente Ton sei hier besonders gelobt, verglichen mit der oftmals verzerrten Akustik der MET Broadcasts). Sicher, er nimmt sich für die Schönheiten der Partitur manchmal etwas viel Zeit und glättet auch hier und da, aber das mindert die orchestrale Leistung nicht.
Auch gesanglich können sich diese "Meistersinger" hören lassen. Karita Mattilas klangschöner, in der Höhe besonders leuchtender Sopran bekommt genügend Gelegenheit zu glänzen (bei sehr guter deutscher Diktion). Ben Heppner wiederholt seine überzeugendes, schon aus den Einspielungen mit Sawallisch und Solti bekanntes Rollenportrait als der derzeit gesanglich wohl beste Stolzing. René Pape verströmt als Pogner seinen warmen, kernigen Baß, während Thomas Allen mit immer noch intaktem Bariton der Versuchung widersteht, seinem Beckmesser-Affen Zucker zu geben und der Rolle dabei doch ein scharfes Profil verleiht. Matthew Polenzanis sehr gut geführter, biegsamer, dabei mit genügend Metall versehener Tenor fügt sich in die Rolle des David wunderbar ein (eine etwas bessere Diktion wäre wünschenswert). Jill Grove als Magdalene singt gut, wenn auch nicht sehr idiomatisch. Schließlich James Morris als Sachs. Sein Baß-Bariton ist körniger geworden, "grauer" und spricht nicht mehr so gut an wie zu Zeiten des Levine-Ringes. Rein gesanglich "packt" Morris die Partie, bleibt ihr aber so gut wie jede tiefere Nuance oder Schattierung schuldig. Das klingt alles irgendwie gleich (meist mezzoforte gesungen), Inflexionen wie bei Schorr, Hotter, Frantz oder Schöffler sind hier nicht anzutreffen.
Das läßt sich auch auf die optische Ebene übertragen. Hier zeigt sich, daß Otto Schenk entweder unfähig oder unwillig ist, eine sinnvolle Personenregie zu leisten (auch wenn es keine Premiere, sondern "nur" eine Wiederaufnahme war). Fast alles wird den Sängern überlassen und deren mehr oder minder großer schauspielerischer Begabung. Im Falle Mattilas, die auch darstellerisch einen Totaleinsatz hinlegt, und Allens, der wie ein nach Nürnberg verirrter Ebenezer Scrooge aus Dickens "A Christmas Carol" wirkt, geht das gut. Doch bei den anderen eben weniger bis gar nicht. Polenzani hat durchaus Potential, muß aber doch geführt werden, damit sich nicht zuviel Routine einschleicht. Ben Heppner hat sich für seine Darstellung offensichtlich Oliver Hardy als Vorbild erkoren. Figürlich damals dem großen Komiker ebenbürtig, reißt er groß die Augen auf, schlägt mit der Faust in die Hand, schüttelt heftig den Kopf und spielt mit Polenzani im 1. Akt einen alten Laurel/Hardy-Sketch durch. Merkwürd´ger Fall! Pape bleibt als Pogner merkwürdig unbeteiligt. Und Morris ist ein darstellerischer Totalausfall. Ausgestattet mit einem stoischen Mienenspiel scheinen die Gemütsbewegungen des Sachs an ihm völlig vorbeizugehen. Ein oder zwei Arme in die Höhe gereckt oder die Arme in die Seiten gestemmt - das war´s fast schon. Besonders schmerzlich wird einem dies in den Szenen mit Mattila bewußt, wo der Kontrast kaum größer sein könnte. Dabei soll er doch bei Hotter in die Lehre gegangen sein...
Ansonsten: da Personenregie ausfällt, entsteht zwischen den Sängern kaum Spannung, so daß sich die Meisterversammlung im 1. Akt hinzieht (kein Vergleich mit Götz Friedrichs Berliner Inszenierung!) und auch die Chöre stehen meistens in den bustouristentauglichen "Good Old Nuremberg"-Kulissen von Schneider-Siemssen herum wie bestellt und nicht abgeholt (in der Prügelfuge wird natürlich der bequeme "Ausweg" mit Bewegungschor und Singchor gewählt). Vereinzelt tauchen kleine Schlampereien auf wie z.B. der Trommler auf der "historisch originalen" Festwiese, der ein viereckiges Brillengestell trägt oder die Tatsache, daß bei Pape nicht genügend Maske gemacht wurde, damit er als Mattilas Vater durchgehen kann.
Fazit: da es wohl keine reine CD-Ausgabe geben wird, lohnt sich die Anschaffung, aber nur in musikalischer Hinsicht! Die ebenfalls auf DVD erhältliche Berliner Götz-Friedrich-Inszenierung hat von dieser Aufzeichnung keine Konkurrenz zu fürchten!
Grüße
GiselherHH