Beiträge von Alexander_Kinsky

    FELLNER Till - MOSER Barbara - GULDA Paul


    Auf keinen Fall übersehen werden sollte hier der 1972 in Wien geborene Till Fellner, der neben Bach-Aufnahmen unter anderem auch die selten zu hörende Klaviersonate b-moll von Julius Reubke (1834-1858 ) eingespielt hat:



    Die 1970 in Wien geborene Barbara Moser ist unter anderem mit einer CD mit Liszt-Klavierstücken nach Liedern von Schubert zu nennen:



    Und der 1961 geborene Paul Gulda ist beileibe nicht nur "der Sohn von Friedrich". Vor allem als Kammermusiker, etwa in der Zusammenarbeit mit dem Hagen Quartett, würde ich ihn hier gerne auch nennen. Zum Beispiel mit den Werken für Viola und Klavier von Johannes Brahms



    oder mit dem Klavierquintett von Schumann:


    Bei mir kommen auf jeden Fall mit auf die einsame Insel:


    Die Mozart Klavierkonzerte KV 488 und KV 537 mit Friedrich Gulda – gelebte Lust am musikantischen Musizieren:



    Dazu das Doppelkonzert KV 365 mit Corea und Gulda – spannender Aufeinanderprall unterschiedlichster Temperamente:



    Smetanas „Mein Vaterland“ – vom Orchesterklang und von der Intensität her für mich ideal:


    Eine meiner „ewigen“ Nr. 1-Nennungen: die vier Klavierkonzerte, die Friedrich Gulda Mitte der 70er mit den Wiener Philharmonikern unter Claudio Abbado aufgenommen hat:



    Außerdem: Ich habe in der Direktionsära Drese/Abbado (1986 bis 1991) fast alle Neuproduktionen an der Wiener Staatsoper besucht. Viele davon hat Claudio Abbado dirigiert, und die im Umfeld der Aufführungen oder als Livemitschnitte verfügbaren Dokumente gehören für mich alle zu meinen Lieblingsaufnahmen:





    Nach der Direktionsära Drese/Abbado veröffentlicht, für mich auch (Orchester und Dirigent) unverzichtbar:



    In den letzten Jahren habe ich daneben die meisten Aufnahmen, die Claudio Abbado in den 80er und 90er Jahren mit den Wiener Philharmonikern am Konzertsektor aufgenommen hat, gesammelt und dabei wirklich liebgewonnen. Ich finde, bei diesen Aufnahmen kommt auch das Klangbild des Orchesters besonders gut zur Geltung.


    Etwa: Die CDs mit Schönberg, Berg, Webern und von „Wien modern“. Für mich ein faszinierendes musikalisches und klangliches Erlebnis, diese Musik in dieser Besetzung zu hören:




    Der Bruckner Zyklus mit den Wienern (Deutsche Grammophon), mit dem ich Bruckners Musik total intensiv kennengelernt habe, beinhaltet die Symphonien 1, 4, 5, 7 und 9. Bis auf die Siebente (zu „dickflüssig“ für mich) liebe ich alle heiß und innig. Gleich einmal die Erste (oben bereits abgebildet).


    Und bei den Aufnahmen der Mahler Symphonien möchte ich das Adagio aus der Zehnten hervorheben (erst neulich wieder gehört):


    Ich wünsche mir, dass es im Tamino Klassikforum möglich ist, auch zu diesem Thema respektvoll zu formulieren, so dass denjenigen, die Oper in der Jugenzeit "so kennengelernt" haben und es von Herzen gern immer wieder so sehen wollen der gleiche Respekt entgegengebracht wird wie denjenigen, die es gern haben, wenn sich Kunst immer wieder spannend verändert, wenn das Publikum zum Nachdenken angeregt und vielfach auch provoziert wird. Ich glaube beides hat seinen Platz. Man kann das eine ablehnen, aber ich wünsche mir, man formuliert es so, dass der $Respekt dem anderen gegenüber gewahrt bleibt.
    Den Otto Schenk Gegnern empfehle ich übrigens das Kapitel über ihn aus Heinz Mareceks Buch "So ein Theater".

    Meine Nominierungen:


    Gerrit Zitterbart mit dieser CD - kongenial musikantischer Beethoven, herrlicher Bösendorfer Klavierklang::



    Gautier Capucon mit seiner Aufnahme des Konzerts für Violoncello und Blasorchester von Friedrich Gulda, enthalten in dieser Box – eine „internationale“ Alternative zu den anderen Aufnahmen dieses Werks:



    Maria Lettberg für die grandiose Leistung, sich dieses Gesamtwerks angenommen und es mit höchstem künstlerischem Anspruch in relativ kurzer Zeit aufgenommen zu haben:


    Ganz schwer für mich die Entscheidung, weil ich diesen universellen Musiker von Herzen verehre, und selbst wenn er noch so „falsch im Sinne der Komponisten“ dirigiert, glaube ich es ihm als Herzensangelegenheit und überzeugt es mich als innerstes Erleben, voll Herzblut ans Publikum gebracht.


    Ich sehe seine Mahler Zyklen als Einheit, würde (derzeit) keine Symphonie herausstreichen wollen. Augenblicklich bevorzuge ich den ersten Zyklus aus den 60ern, weil er für mich der musikalisch Lebendigste, am meisten Aufwühlende ist. (Den Videozyklus aus Wien und London liebe ich auch heiß und die 80er Aufnahmen für die DGG allein schon klanglich auch, aber vor die Entscheidung gestellt, neige ich heute – was Bernsteins Mahler betrifft – mehr zu jugendlichem Überschwang als zu Altersweisheit.)



    Dann fällt mir sofort diese CD ein:



    Sowohl wie Bernstein die Rhapsody spielt als auch die zündende Kraft der Symphonischen Tänze – ich mag es so und lege diese CD immer wieder mal ein. „Der“ Bonus für mich ist allerdings die Zugabe nach der Rhapsody, Gershwins Prelude Nr. 2 – Bernstein (mit dem „genialen Feeling“ für diese amerikanische Musik) erweitert den Mittelteil, indem er die Lagen wechselt, und allein diese Passage (ich übertreibe) „ist für mich den ganzen Bernstein wert“.


    Und noch aus LP-Zeiten (CBS) kenne ich eine grandios die Steigerung aufbauende Aufnahme von Ravels Bolero, Mitte der 70er aufgenommen in Paris. Eine Schande, dass ich die derzeit nicht auf CD habe. Sollte sich bald ändern. Ist wohl auf dieser DVD enthalten:


    Ich habe Bernsteins “Mass” 1981 in der Wiener Staatsoper erlebt. Ein unvergessliches musiktheatralisches Ereignis!


    Derzeit verfügbare Aufnahmen von Bernsteins “Mass”:


    Die Ersteinspielung unter der Leitung des Komponisten, aufgenommen im Umfeld der Uraufführung:



    Eine Aufnahme aus Berlin mit Kent Nagano (veröffentlicht 2004):



    Die erst vor kurzem erschienene Aufnahme mit Kristjan Järvi und dem Tonkünstler-Orchester Niederösterreich:



    Und eine 2008 erschienene DVD mit Santa Cecilia Chor & SO unter Boris Brott:


    Die "G´schichten aus dem Golowinerwald" hat Friedrich Gulda 1975, wie Paul Gulda in seinem Begleittext zur neulich im Papageno Verlag erschienenen Notenausgabe erläutert, in Wien im Rahmen eines Klavierkonzerts uraufgeführt.


    Zum von Theophilus genannten Zeitpunkt wurden sie erstmals eingespielt, im Rahmen des Konzeptalbums "The Complete Musician":



    "Der Wanderer" ist einer der Sampler, auf dem diese Aufnahme wiederveröffentlicht bzw. dafür ausgekoppelt wurde.


    Kurz vor seinem Tod hat Friedrich Gulda (1999) für sein damals aktuelles Label Paradise Records eine Neueinspielung aufgenommen, die auf Maxi CD veröffentlicht wurde und auch auf dieser CD enthalten ist:


    Hier ein schon etwas älterer Bericht von mir zu diesem Thema.


    Das Musical „Ich war noch niemals in New York“ mit Liedern von Udo Jürgens im Operettenhaus Hamburg, 29.12.2007


    Samstagnachmittag, 15 Uhr. Natürlich hat man eine Erwartungshaltung. Alles deutet auf eine Machart wie bei „Mamma Mia!“ hin. Um die bekanntesten Lieder von Udo Jürgens in einen Musicalabend zu verpacken, bastelte Autor Gabriel Barylli, Sohn eines Konzertmeisters der Wiener Philharmoniker, aber schon längst etablierter Autor und Schauspieler, zusammen mit Co-Autor Christian Struppeck nach einer Idee von Hera Lind eine Geschichte zwischen Generationenkonflikten und üblichen Liebespaar-Findungsproblemen. Der musikalische Leiter Michael Reed, die Regisseure Glenn Casale und Christian Struppeck, Choreographin Kim Duddy, Bühnenbildner David Gallo und alle anderen Beteiligten machten daraus eine großartige Show. Der Name Udo Jürgens garantiert im deutschsprachigen Europa den erwünschten erhöhten Aufmerksamkeitsfaktor, und bei allem Aufwand und hochprofessioneller Aufführung schwebt über dem ganzen Projekt der Verdacht, hier gehe es nicht in erster Linie um wirkliche Kunst, sondern wieder mal hauptsächlich ums Geldverdienen. Für wirkliche Kunst erscheint die Geschichte zu boulevardesk aufbereitet und erhalten Udos Songs eine zu offensichtlich auf Musical getrimmte Gestalt, vielfach leicht durchschaubar als etwas gewollt in den Handlungsrahmen gepresst, damit halt dieser und jener Hit auch noch seinen Platz findet. „Ich war noch niemals in New York“ ist von der Aufführung her gleichwohl eine brillante Produktion mit raffiniert ausgefeilten in die Zeit passenden und vom Casting her gut gewählten Charakteren, imposant-beeindruckenden Bühnenbildern (vor allem die Hochzeitssuite und das Schiffsdeck!) auf der wendigen Drehbühne und hochprofessionell verpackter Musicalmusik mit exzellent einstudierten Ensemblenummern, zu der Udos Lieder, teilweise auch textlich modifiziert, umgearbeitet wurden.


    Eine kurze Ouvertüre setzt als Minimedley „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“ und „Ich war noch niemals in New York“ etwas billig aneinander. Kein Vergleich mit den großartigen Openings der Udo Jürgens-Konzerte mit dem Orchester Pepe Lienhard. Wir lernen die toughe, kühle Fernsehmoderatorin Lisa Wartberg kennen. In ihrem Studio singt und tanzt uns das Ensemble „Vielen Dank für die Blumen“, jenen Song, den Udo 1981 für „Tom & Jerry“ zusammen mit Siegfried Rabe veröffentlicht hat, wobei die Strophen für das Musical textlich auf Lisa abgestimmt wurden. In einer Parallelsequenz werden nun auch Lisas Mutter Maria und deren Verlobter Otto Staudach, die in einem Heim leben, sowie Lisas schwule junge Mitarbeiter Fred Hoffmann und Costa, die mit Lisa zusammen „Tu alles was gut tut“ singen, vorgestellt, während Maria für Otto „Zeig mir den Platz an der Sonne“ ansingt. Maria wünscht sich, in New York zu heiraten, und die beiden brechen in ihr Abenteuer auf. Im Büro der Heimleiterin lernt Lisa, die ihre Mutter sucht, Ottos coolen Sohn Axel Staudach und den noch cooleren vierzehnjährigen Enkel Florian kennen, doch auch ins Reisebüro kommen die Jungen zu spät. Die beiden Alten (jetzt ausführlicher, mit karibischem Flair, „Zeig mir den Platz an der Sonne“) sind schon unterwegs zur MS Deutschland. Matrosen singen und tanzen ohne Text „Buenos Dias Argentina“ und auch zusammen mit den zu spät gekommenen Lisa, Axel und Florian „Alles im Griff auf dem sinkenden Schiff“. Man möchte das Schiff in Genua mit dem Jeep am Landweg einholen. Lisa ruft Fred und Costa an, die zwecks Besprechung der nächsten Show (durchschaubar als Mittel, um ihnen Shownummern zu geben) nachkommen sollen. Sie singt „Was wichtig ist“ an, weiß es aber noch nicht (was wichtig ist). Maria und Otto landen in der Hochzeitssuite. Erst ein vorgespielter Schwächeanfall von Maria „zwingt“ Otto zu einer offenen Liebeserklärung. Dafür kriegt er von ihr das Lied „Wie könnt ich von dir gehen“ (leicht gekürzt). Die Großprojektion eines Routenplaners zeigt uns nun die Chaosfahrt nach Genua mit dem Jeep. Dazu spielt das Orchester Instrumentalmusik, die nur marginal etwas mit Udo Jürgens zu tun hat. (Michael Reed wollte offenbar auch an den Kompositions-Tantiemen mitnaschen.) In Genua angekommen, singt Axel für Lisa, wie er die Mutter von Florian kennen gelernt hat: „Siebzehn Jahr, blondes Haar“! Autor Barilly verzögert zunächst eine Begegnung der Generationen in der Hochzeitssuite mit einer klassischen Boulevardkomödien-Sequenz. Maria und Otto können sich vorübergehend verstecken. Das furiose Finale vor der Pause macht der für dieses Werk wohl am besten geeignete Song „Schöne Grüße aus der Hölle“, der eine bunte Bordparty mit Flucht und Verfolgung verbindet.


    Noch kürzer und billiger als zu Beginn eröffnet „Siebzehn Jahr“ den zweiten Teil. Bei den Openings ist den Machern nichts eingefallen. Wir sind an Schiffsdeck. Florian sinniert rockig darüber, was er „Mit 66 Jahren“ alles machen wird. Maria und Otto singen nochmals „Zeig mir den Platz an der Sonne“ an. Lisa findet endlich ihre Mutter. Zu Axel findet sie noch nicht, noch singt man „Was wichtig ist“ zu zweit an aber nicht aus. Immerhin schafft man zu zweit schon „Immer wieder geht die Sonne auf“. Mehr unter die Haut geht Axels Lied an seinen Vater „Vater und Sohn“. Zu einem schmissigen Hit wird die Füllnummer „Ein ehrenwertes Haus“ mit Fred und Costa. Immer mehr zerfällt der Musicalplot zu einer Nummernrevue, die aufblättert, wie sie zusammengestrickt wurde, nämlich nach dem Motto: Wo bringen wir jetzt dieses Lied noch unter? Axel gibt sich vor Lisa unbeholfen, er singt „Merci Cherie“, und sie kontert mit „Ich weiß, was ich will“. Endlich finden sie zueinander. An der Bar erinnern sich Fred und Costa, wie sie sich kennen gelernt haben: „Griechischer Wein“! Lisa und Axel landen in der Hochzeitssuite im Bett. Das Motto dort: „Bleib noch bis zum Frühstück“! Otto singt währenddessen für Maria eine Reprise „Wie könnt ich von dir gehen“. Und weil die Nummer auch noch rein muss, gibt es an Deck Süßspeisen, „Aber bitte mit Sahne“ mit Lisa und Florian. Jetzt trifft die Nachricht ein, dass Lisa einen Fernsehpreis zugesprochen bekommen hat und sofort nach Köln zur Verleihung abreisen soll. In Axel hat sie sich verliebt, aber für diese Sequenz fällt sie in ihr funktionelles Verhaltensmuster zurück und will die Mutter mitnehmen. Die denkt aber gar nicht daran, mitzukommen (Reprise „Ich war noch niemals in New York“). Zum Abschied singt Axel für Lisa „Gib mir deine Angst“, und es gibt auch noch eine Reprise von „Immer wieder geht die Sonne auf“. Als dann die Übertragung aus Köln beginnt, ist Lisa zur Überraschung aller doch an Bord geblieben: „Was wichtig ist“ – ihr Bekenntnis zu Axel. Das Happy End verheißt eine Doppelhochzeit in New York. „Heute beginnt der Rest deines Lebens!“


    Zum Applaus gibt es ein Partymedley: „Alles was gut tut“, „Immer wieder geht die Sonne auf“, als Zugabe „Schöne Grüße aus der Hölle“, „Siebzehn Jahr“ und der Refrain „Ich war noch niemals in New York“ (das ja im ganzen Musical auch nie komplett gesungen wurde), noch einmal „Mit 66 Jahren“, einen Lamettaregen ins Publikum und noch einmal den Refrain des Titelliedes. Als die Menschen schon das Operettenhaus verlassen, spielt das Orchester erneut „Aber bitte mit Sahne“, „Mit 66 Jahren“ und „Ich war noch niemals in New York“ an, und Lisa und Axel kommen noch einmal mit Bademänteln heraus – ein nettes „Bonmot“ in Anspielung auf Udos Konzert-Gepflogenheiten.


    Annika Bruhns ist die emotional blockierte, funktionell auftretende Fernsehmoderatorin Lisa, ein Musicalprofi durch und durch. Jerry Marwig, hoch aufgeschossen, cooler Womanizer, schlank und Bariton, wird fast zwangsläufig zu einem Alter Ego von Udo Jürgens. Von ihm gesungen erhalten die Lieder die größte Authentizität. Max Ranft als Florian ist noch cooler als sein Rollenvater, er darf „Mit 66 Jahren“ brillieren. Burkhard Heim als Otto sieht ein bisschen aus wie Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier, gibt sich aber rollenkonform boulevardesker als dieser. Sehr zu berühren vermag die Maria der Carin Abicht. Man verlangt den älteren Mitwirkenden nicht ab, die kompletten Lieder zu singen, lässt sie vielfach nur an- oder sprechsingen. Hier zeigt sich deutlich, dass Udos Lieder dem Genre sehr gewollt (wenn auch durchaus sensibel eingesetzt und interpretiert) angepasst werden mussten. Fred (Veit Schäfermeier) und Costa (Ronny Rindler) kriegen die Hits „Ein ehrenwertes Haus“ und „Griechischer Wein“ als Füll-Nummern. Dramaturgisch (im Sinne der Kunst, nicht im Sinne der Denkweise, alle großen Udo-Hits müssen unbedingt dabei sein) sind sie genauso wie „Aber bitte mit Sahne“ entbehrlich. Das perfekt studierte Ensemble zaubert Broadway-Flair nach Hamburg. Bernhard Volk weiß das Orchester schwungvoll disponiert und kann sich auf den reibungslosen Ablauf der Vorstellung verlassen.


    „Ich war noch niemals in New York“ ist eine hochprofessionelle Show mit zu Musicalnummern aufgedrehten Udo Jürgens Liedern, die raffiniert und durchaus unterhaltsam einen Markt bedient. Im Foyer kann man Kaffeetassen mit dem Logo kaufen, aber auch sofort seine eigene Reise nach New York buchen. Udos „Helden Helden“ von 1972 nach Shaws „Arms and the man“ arbeitete auch schon mit der Einbeziehung bereits vorhandenen Materials (die ursprünglich für Anneliese Rothenberger geschriebenen Lieder „Wie schön ist diese Welt“ und „So wie die Sonne für alle scheint“ wurden zu „Wie nennt man das Gefühl“ und „Wenn ich die Zarin von Russland wär“), der Rest wurde damals aber original komponiert. Dem Komponisten Udo Jürgens würde die Musicalwelt mit einer Neuinszenierung dieses Werks eine andere, spannende (weil sicher risikoreichere) Gerechtigkeit widerfahren lassen.


    Samstagabend, 20 Uhr. Wieder soll, so der Besetzungszettel, Annika Bruhns die Lisa singen. Der Schreiber hat gehofft, am Abend die Erstbesetzung Kerstin Maria Mäkelburg in dieser Rolle zu erleben. Das Publikum nimmt Platz, Programmhefte sind verkauft, Garderoben abgegeben. Halbdunkel im Operettenhaus. Ein Herr betritt die Bühne. Totaler Stromausfall, etwa zwei Stunden Dauer bis zur Behebung, die Vorstellung muss abgesagt werden, Formulare im Foyer geben Aufschluss über den Umtausch der Karten. Da die Notbeleuchtung nur kurze Zeit halten wird, mögen alle möglichst rasch ihre Garderobe beheben und das Theater verlassen. Bei den Garderoben suchen die Damen mit Handylichtern die Nummern. Ein unerwartet kurzer Abendbesuch im Hamburger Operettenhaus!

    Habe jetzt von der Tamino Startseite weg jpc angeklickt, mich dort eingeloggt und Diverses bestellt (nicht nur E-Musik, bitte um Verzeihung). Hoffe, dass das der richtige Weg war, um dem Forum zu Einnahmen zu verhelfen.

    Es war mir schon bewusst, dass sie existiert. Ich habe sie auch wahrzunehmen versucht, mich aber nur so wie mit vielen anderen befasst, sie als eine unter mehreren (durchaus auch Liebenswerten) betrachtet. Wenn ich ihr begegnet bin, habe ich mich teilweise betören lassen von ihr, konnte aber nicht umhin, eigene Vorurteile ihr gegenüber immer wieder aufzuwärmen. Nicht zuletzt deswegen war ich bis vor kurzem nicht wirklich bereit, mich dem Geheimnis ihrer einmaligen Größe, ihrer Pracht und ihrer Schönheit im Ganzen zu öffnen. Ich musste erst einen langen Weg gehen, um frei zu sein für sie – frei vom Ballast großer Zeiten, wertvoller Erfahrungen und Lernprozesse, frei von Irrwegen, die mich von ihr noch mehr entfernten, frei vor allem von jenen Vorurteilen, frei von den Scheuklappen jeglicher Erwartungshaltung.
    Und auf einmal stand sie da, in ihrer prachtvollen, herrlichen Erscheinung, in voller Blüte, und ich war umfangen, war verzaubert, war völlig hin und weg, mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Meine Liebe zu ihr brach gleich einem apokalyptischen Tor auf, und ich trat nicht ein in ihre Welt, nein, ich ließ mich hineinfallen, ich ließ mich von ihrer Kraft, ihrer Geborgenheit, auch von ihren Brüchen, ihren Zweifeln forttragen, ganz weit fort, und doch vielleicht gar nicht weit fort, sondern viel näher zu mir selbst hin als ich es mir - selbst jetzt - wirklich zuzugestehen erlaubte. Sie nahm mich unendlich herzlich und beseelt auf, vermittelte mir völlig neue, nie gekannte Geborgenheit, offenbarte mir all das, was ich bisher zu negieren gewohnt war, als auch ihren Organismus ganz wesentlich prägenden Teil ihrer einmaligen Persönlichkeit. Ich ließ mich umfangen von ihr und fühlte mich doch unendlich frei dabei, erlebte die gemeinsamen Stunden wie einen Rausch, einen alles überwältigenden Sinnestaumel des Seins.
    Es schien, als hätte ich genau diese meine 45 Lebensjahre benötigt, offen und frei, bereit und gespannt zu sein darauf, mich hineinfallen zu lassen - in die Welt der Symphonien von Anton Bruckner.
    Die musikalische Sozialisation auszuklammern war mir dennoch nicht möglich. Sie brachte mich (das gebe ich offen zu, auch wenn es notwendig war, mich von ihr zu lösen, um mich dieser Liebe unbefangen hingeben zu können) ja erst zu jenem Tor, durch das durchzugehen mir beschieden war.
    Musikalisch aufgewachsen in der Welt zwischen Wiener Musikverein, Konzerthaus und Staatsoper, fürs Leben fasziniert vom Klangbild der Wiener Philharmoniker, unvergesslich intensiv in der Studentenzeit die Direktionsära Drese/Abbado als Stehplatzbesucher mitgelebt habend, wurde mir über viele Jahre hinweg Gustav Mahler zum wesentlichsten Komponisten. Beethoven, Brennpunkt des 18jährigen, trat in mir etwas zurück, Mozart und Schubert sind immer da, kommen auch immer näher, je älter ich werde. Bruckner – das Vorurteil! – nahm ich als „weniger brüchigen Mahler“ wahr. Über viele Jahre hatte ich Mahlers Musik, vor allem die Symphonien, in mir aufgesogen, hatte sich dieser Sog zu einer Sucht entwickelt, sicher auch und vor allem bedingt durch den persönlichen Lebensweg, der ähnlich der Musik Mahlers viele abrupte Brüche beinhaltete. Ich habe Mahler-Konzerte besucht, Mahler-Radioübertragungen gehört, Mahler-Fernsehaufzeichnungen gesehen, Mahler-Aufnahmen verglichen – und irgendwann war der Bogen überspannt, ich konnte die Musik von Gustav Mahler nicht mehr hören und hörte sie, da ich süchtig war, doch immer weiter. Mich faszinierten die mir bis dahin so nahen Brüche seiner Musik nicht mehr, sie waren mir schon viel zu selbstverständlich, zu geläufig, ich beobachtete die Interpretationsunterschiede nur mehr wie ein alle Emotion ausschaltender wissenschaftlicher Detailforscher, nahm selbst die Offenbarung der wirklich großen Momente und Interpretationen nur mehr widerwillig wahr. Und dann war mein Gustav Mahler Fieber erloschen, ich konnte seine Musik gar nicht mehr hören.
    Als Süchtiger habe ich nach einem Ersatz gesucht, musikalisch sozialisiert wie ich nun mal bin – Wiener Philharmoniker, Claudio Abbado, Leonard Bernstein, Nikolaus Harnoncourt, Großer Musikvereinsaal…
    Claudio Abbado hat mit den Wiener Philharmonikern zwischen 1990 und 1996 die Symphonien 1, 4, 5, 7, und 9 von Anton Bruckner aufgenommen. Diese Aufnahmen (die Vierte kannte ich schon von früher), einem Impuls folgend gekauft, öffneten mir sehr schnell jenes oben erwähnte Tor. Da ich in den letzten Jahren mit höchstem Respekt und großem persönlichen Gewinn die Arbeit von Nikolaus Harnoncourt versucht habe mitzuverfolgen, lockten mich als Ergänzung, wohl wissend, dass es, auch wenn es teilweise die Wiener Philharmoniker sind, ein „anderes“ Hören geben wird, dessen Aufnahmen der Symphonien 3, 4, 5, 7, 8 und 9. Was fehlte, waren nun noch die Symphonien 2 und 6. Animiert durch Einträge im Tamino Klassikforum, entschied ich mich für die Aufnahme der 2. Symphonie mit Carlo Maria Giulini und den Wiener Symphonikern. Auf der Suche nach einer „Sechsten“ stieß ich, gelegentlich wieder mal die Homepage der Wiener Philharmoniker studierend, auf einen Nachruf auf den verstorbenen Dirigenten Horst Stein, der interessanterweise ausgerechnet die Zweite und die Sechste mit den Wiener Philharmonikern aufgenommen hat. Die Achte (Harnoncourts Aufnahme stammt aus Berlin) wollte ich auch noch mit den Wiener Philharmonikern. Hier musste es unbedingt die Aufnahme mit Giulini sein, die ich noch als Doppel LP in sehr guter Erinnerung hatte. Und zum Vergleich legte ich mir dann auch Karajans Aufnahme mit diesem Orchester vom November 1988 zu. Von der „Dritten“ steht mir auch eine Einspielung in einer Fassung für zwei Klaviere zur Verfügung, von der „Neunten“ die CD mit Leonard Bernstein – ich war damals im Konzert und werde dieses bis zum Alzheimer wohl nie vergessen.
    Ich tauchte mit diesen Aufnahmen ein in die symphonische Welt Anton Bruckners, und sie nahm mich mit, ich durfte die Liebe zu dieser Musik erleben, voll und ganz, zunächst versuchend, alles Wissen, alle Erfahrung, allen Intellekt möglichst auszuschalten, mich einfach diesem „Meteorit“ (Nikolaus Harnoncourt) hinzugeben.
    Dem inneren Zwang, mich vom faszinierend ziellosen Hören quer durch die Symphoniesätze zumindest für einmal zu lösen, habe ich, doch soweit sozialisiert, auch darauf sehr neugierig zu bleiben, nach einigen Wochen nachgegeben, um zur Konvention gezielten chronologischen und vergleichenden Hörens unter Verwendung von Reclams Konzertführer und den Beihefttexten zu den CD-Veröffentlichungen zurückzukehren, nicht allerdings unter Zuhilfenahmen von Partituren und auch ohne Schwerpunktsetzung auf die Fragen der „richtigen Fassungen“. (Vielleicht habe ich später mal Lust auch darauf.)



    Für mich ist bereits Anton Bruckners (ich vergegenwärtige mir vor Beginn des Hörens seiner Symphonien – zwischen dem 17.1. und dem 10.2.2009 – und dem Versuch der Beschreibung meiner persönlichen Höreindrücke noch einmal dessen Lebensdaten 1824 bis 1896) 1. Symphonie c-moll, 1865/66 („Linzer“ Fassung) entstanden, etwa 50 Minuten lang, uraufgeführt 1868 in Linz, in der Aufnahme mit Claudio Abbado und den Wiener Philharmonikern (DGG CD 453 415-2, aufgenommen live im Großen Musikvereinssaal im Jänner 1996) eine totale Offenbarung, musikalisch und klanglich. Mit 41, 42 Jahren hat Bruckner diese seine von ihm offiziell als „Erste“ anerkannte Symphonie („´s kecke Beserl“) komponiert. Mich überwältigt diese großartige, eigenständige Symphonik, die sehr ideenreiche Orchesterbehandlung und wie die großen Ausbrüche in der Musik eingebettet erscheinen, sofort. Ist diese Symphonie nicht noch immer nur ein Geheimtipp, wird sie nicht nach wie vor etwas unterschätzt? Der erste Satz entwickelt sich sehr deutlich in der Sonatenform, das erste Thema, ein Marsch, zieht recht entschieden los, brutaler werden wir (Blick in die Zukunft) fast vierzig Jahre später mit dem Beginn von Mahlers „Sechster“ losmarschieren und in der historischen Wirklichkeit jenseits der Musik mit entsetzlichen Folgen ab 1914 und ab 1939. Gewaltig ist – zurück zur Musik – das dritte Thema. Der zweite Satz beginnt grüblerisch, auch hier sind Ausbrüche eingebettet. Im energischen Scherzo fällt das naturhaft lyrische Trio auf. Das Finale wirkt äußerlicher als die bisherigen Sätze (teilweise wie „Theaterdonner“), man hört aber schon die für Bruckner so typischen Steigerungen. Abbado und die Wiener bieten erlesenen Klangluxus (wie eine „Orchesterorgel“), Abbado lässt die Musik fließen. Ich habe den Eindruck, ich bin mittendrin in dieser herrlichen Welt. Es ist eine Aufnahme, die ich immer wieder hören kann.



    (Cover Horst Stein weder bei amazon noch bei jpc verfügbar, es ist ähnlich gestaltet dem Cover zu Steins Aufnahme der 6. Symphonie)


    Die 2. Symphonie c-moll entstand 1871/72, sie wurde 1873 in Wien uraufgeführt und dauert knapp unter eine Stunde lang. Horst Stein und die Wiener Philharmoniker (CD DECCA Eloquence 442 8557, aufgenommen Dezember 1973 im Wiener Sofiensaal) spielen die Haas-Edition, Carlo Maria Giulini und die Wiener Symphoniker (CD Testament SBT 1210, Dezember 1974 im Musikverein) Nowak (1877). Der Konzertführer erinnert mich daran, dass hier erstmals der „Urnebel“ eine Bruckner-Symphonie eröffnet. Ich gebe mich ganz den großen Steigerungen und Generalpausen im Sonatensatz des ersten Satzes hin, auffallend ist das vierte Thema (Holzbläser!). Der zweite Satz, ein Andante, wirkt rhapsodisch, verinnerlicht-romantisch. Wieder beginnt das Scherzo energisch, reizvolle Kontraste sind aneinander geblockt. Das Trio ist ruhiger gehalten. Im Finale fallen erneut die großen Steigerungen auf. Stimmungen sind gegeneinander gestellt, laut Lärmendes neben Lyrischerem. Horst Steins Aufnahme wirkt auf mich leichter, zügiger, aber auch etwas „distanzierter“, souverän-routiniert, während Giulini das Werk insgesamt schwergewichtiger deutet. Am deutlichsten ist dies beim Trio im 3. Satz zu hören. Spätestens nach dieser 2. Symphonie bin ich schon fast süchtig auf diese großen Steigerungen in der Musik, und ich werde mit den folgenden Werken alles andere als enttäuscht werden…



    Die 3. Symphonie d-moll (1872/73, Umarbeitung 1874, 1876/77, Uraufführung Dezember 1877 in Wien – ein eklatanter Misserfolg, dann weitere Umarbeitungen, Richard Wagner gewidmet), von Nikolaus Harnoncourt mit dem Concertgebouw Orchester Amsterdam in Amsterdam im Dezember 1994 in der Leopold Nowak Editionsfassung (1877) aufgenommen, ca. 55 Minuten lang, feingliedrig und detailverliebt, die Kontraste deutlich hervorhebend (hier ist kein Genießen möglich, man ist immer bereit zum Sprung, eine fordernde Interpretation), bietet wieder den großen Sonatensatz, dann einen erneut auf mich rhapsodisch wirkenden zweiten Satz, ein Scherzo „mit Drive“ (zumindest in dieser Harnoncourt-Aufnahme – das ist der Satz in dieser Symphonie und Aufnahme, den ich sofort noch einmal hören möchte, eine großartige Orchesterleistung, voll differenzierter Klangkultur – gilt aber für die ganze Aufnahme!) und mit einem Trio, das „in Oberösterreich am Land spielt“ und ein Finale, bei dem man dann schon ganz „drin“ ist in dieser kontrastiven Mischung. Toll wirkt der Triumph des ersten Themas aus dem 1. Satz am Ende. Gustav Mahler hat die Sätze 1 bis 3 für zwei Klaviere bearbeitet, Rudolf Krzyzanowski das Finale. Das Klavierduo Sontraud Speidel und Evelinde Trenkner nahm diese Fassung im Juni 1994 in der Fürstlichen Reitbahn Arolsen mit zwei Steinway Klavieren auf (CD Musikproduktion Dabringhaus und Grimm MDG 330 0591-2). Die Sätze 1 und 2 spielen die beiden langsamer als Harnoncourt, die Sätze 3 und 4 schneller. Insgesamt benötigen sie an die 59 Minuten. Man hört hier die Orchestrierung im inneren Ohr mit. Die Steigerungen kommen auch mit zwei Klavieren großartig zur Geltung. Vor allem im zweiten Satz gelingt den Damen eine sehr innige Gestaltung der Musik.



    Anton Bruckners 4. Symphonie Es-Dur, die „Romantische“ (1874, 2. Fassung 1878, rev. 1879/80, uraufgeführt 1881 in Wien, fast 70 Minuten lang) ist neben der „Siebenten“ wohl die am leichtesten Zugängliche, nicht zuletzt wegen der markanten Themen. Claudio Abbado begann mit dieser Symphonie seinen leider nicht vollendeten Bruckner-Zyklus mit den Wiener Philharmonikern (CD DGG 431 719-2, Oktober 1990, Musikverein) – ein herrliches, vollblütiges Wiener Philharmonisches Klangbild hüllt mich ein, angenehm weiche Streicher lassen die Musik fließen. Das Hornthema im 1. Satz, die Steigerungen wieder, der bei Abbado nahezu verklärte Marsch des 2. Satzes (wie aus einer anderen Welt!), das berühmte Jagdscherzo (den Trio-Beginn hat Mahler für seine 1. Symphonie wörtlich zitiert) und der 22 Minuten lange Finalsatz mit seinem gewaltigen Hauptthema – Musik wie aus einem Guss, wieder musikalisch wie interpretatorisch. Abbado wählte genauso wie Nikolaus Harnoncourt (Concertgebouw Amsterdam, April 1997, CD Elatus Warner 2564 60129-2) die Fassung von 1879/80. Bei Harnoncourt fällt das schlankere Klangbild auf, er dirigiert direkter, aufgeweckter, kontrastiver. Das Trio im 3. Satz wird bei Harnoncourt zu einem reizvollen Bauerntanz. Harnoncourt ist sechs Minuten schneller als Abbado.



    Die 5. Symphonie B-Dur (1875-1878, Uraufführung 1894 in Graz, Bruckner konnte dieser Aufführung leider krankheitsbedingt nicht beiwohnen) ist ein kontrapunktisches Meisterwerk. Trotzdem ist es immer „musikalische“ symphonische Musik, unverkennbar Bruckner. Alle Sätze sind ehrgeizig durchstrukturiert. Zu dem „üblichen“ Aufbau der Sätze kommt dieses unglaublich differenzierte kontrapunktische Geflecht. Hier lohnt es, genau aufzupassen. Die Themenverarbeitung geht durch alle Sätze. Beim Anfang des Finalsatzes denkt man an Beethovens „Neunte“ – und überhaupt dieses Finale mit der Doppelfuge in der Durchführung! Claudio Abbados 72 Minuten lange Liveaufnahme mit den Wiener Philharmonikern (DGG CD 445 879-2) entstand im Dezember 1993 im Musikverein. Wieder nimmt mich der satte, vollblütige Orchesterklang total gefangen, wie in den anderen Aufnahmen dieses Zyklus auch. Zumal der Streicherchor, von prachtvoller Größe! Abbado achtet auf den großen Fluss der Musik, in allen seinen Bruckner-Symphonieaufnahmen. Nikolaus Harnoncourt (CD RCA Red Seal 82876 60749-2, aufgenommen im Juni 2004 mit den Wiener Philharmonikern) offenbart lieber die große Zerrissenheit, Gespaltenheit der Musik. Blöcke prallen bei ihm aufeinander, extreme Kontraste, schroffe Zerklüftungen, einsame Oasen. Das flexible Orchester folgt hier wie dort engagiert und klangschön. Beim zweiten Satz assoziiert man Mozarts Requiem, im Scherzo gehen die diversen Tänze wie bei Mahler extrem angespannt ineinander über (zumal bei Harnoncourt). Bei Abbado kann man sich zurücklehnen und „sein“, bei Abbado „steht man ständig unter Strom“. Beides hat seinen Reiz. Bei mir kommt es auf die Tagesverfassung an, welche Aufnahme ich bevorzuge. Hochinteressant sind die auf der zweiten CD bei Harnoncourt enthaltenen Probenausschnitte anzuhören. Die „Fünfte“ – ein in jeder Hinsicht herausragendes Werk!



    Anton Bruckner komponierte seine 6. Symphonie A-Dur von 1879 bis 1881. Die Mittelsätze führten die Wiener Philharmoniker 1883 auf, das ganze Werk wurde aber erst 1899 in einer gekürzten Fassung unter Gustav Mahlers Leitung in Wien uraufgeführt. Horst Steins 55 Minuten lange Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern entstand im November 1972 im Wiener Sofiensaal (CD Decca Eloquence 476 2745). Die Sätze 1 bis 3 bieten hier weniger isolierte „Granitblöcke“, mehr fließende Musik. Bei der Durchführung im ersten Satz assoziiere ich Wellen im Fluss. Sehr schön kommen die Streicher der Wiener Philharmoniker im 2. Satz zur Geltung. Das ungewöhnliche Trio im Scherzo zitiert das erste Thema aus der 5. Symphonie. (Das kommt vom chronologischen Hören – und es schadet ja nicht.) Im Finale „beißen wir wieder auf Granit“ – mit voller Urgewalt! Hat das etwas mit Krieg und Frieden zu tun? Mir kommt das Finale aus Mahlers 7. Symphonie in den Sinn, aber auch Isoldes Liebestod aus „Tristan und Isolde“ von Richard Wagner.



    Der nächste absolute Klassiker neben der „Vierten“, die 7. Symphonie E-Dur (1881-83, uraufgeführt 1884 in Leipzig, Ludwig II. gewidmet), bei Abbado knapp 65 Minuten lang, bei Karajan 66 und bei Harnoncourt knapp über 60 Minuten, ist, wie ich finde, ein ganz besonders inspiriertes Werk, fließende Musik, Bruckner sprüht nur so vor vielfach lyrischen Ideen (man beachte etwa das Trio im 3. Satz!). Im zweiten und vierten Satz, so lehren es mich auch die Beipacktexte, passe ich auf die Wagner-Tuben besonders auf. Ach dieser zweite Satz – unendlich schön! Abbado und Karajan können es nicht lassen und klatschen den Beckenschlag über den Höhepunkt, Harnoncourt verzichtet darauf. Claudio Abbado und die Wiener Philharmoniker bieten wieder satten, vollen, üppigen Klangluxus (DGG CD 437 518-2, Musikverein, März und April 1992), aber die große Überraschung für mich bringt der Hörvergleich mit Herbert von Karajans letzter Aufnahme (DGG CD 439 037-2, Musikverein, April 1989, Wiener Philharmoniker): Hier spüre ich das „Herzblut“ noch mehr, diese wunderschöne Musik wird herrlich ausgekostet. Karajans Orchesterklang ist sogar transparenter als bei Abbado, Abbado wirkt plötzlich – was die „Siebente“ betrifft – „dickflüssiger“, fast zu üppig, als hätte man die Streicher mit Honig eingeschmiert. Nur das Scherzo empfinde ich schneller als es Karajan anbietet. Der Sound gefällt mir bei Karajan besser als bei Abbado. Auch die dritte mir zur Verfügung stehende Aufnahme wurde mit den Wiener Philharmonikern eingespielt. Nikolaus Harnoncourts Interpretation entstand im Juni 1999 live im Musikverein (CD Teldec 3984-24488-2). Harnoncourts Ansatz, wie immer: transparenter, differenzierter, schärfer, „unfreundlicher“, „distanzierter“, strenger, in den Details geschärft, auch im Klangbild nicht so voll wie bei Karajan und Abbado. Sehr schön herausgearbeitet – das hört man umso deutlicher – sind die „lichten Momente“. Interessant ist für mich, dass der 4. Satz in Harnoncourts Interpretation am geschlossensten wirkt. Sicher hatte das Orchester mit Harnoncourt die aufwendigste und detailreichste Probenarbeit, das hört man ganz deutlich. Ich habe zur Zeit der Aufnahme dieser Symphonie unter Harnoncourt die Konzertübertragung im Radio gehört und empfand diese damals, spontan überwältigt., ohne sofortigen Vergleich, näher dran an Karajan als es heute mein Höreindruck ist. Und der lässt alle drei Aufnahmen als für mich hochinteressante, große Interpretationen gelten.



    (Giulini: Cover einer späteren Auflage)


    Bei der 8. Symphonie c-moll (1884-87, Überarbeitung 1887-90, uraufgeführt 1892 in Wien, Kaiser Franz Joseph I. gewidmet), an die 90 Minuten lang, in ihrer Größe, in ihrer Breite, in ihrem Pathos auch ein einmaliges, unglaubliches Werk, musste es die Aufnahme mit Carlo Maria Giulini und den Wiener Philharmonikern sein (DGG 2 CDs 415 124-2, veröffentlicht 1985). Den Zauber des 3. Satzes (Bruckner setzt hier erstmals den langsamen Satz an die dritte Stelle) habe ich noch aus LP-Zeiten in „entrückter“ Erinnerung. Beim ersten Satz dieses Werks überrascht das verlöschende Ende der Fassung von 1890. Das Scherzo erscheint mir unheimlich, wie bei Mahler, und das Trio versetzt mich in einen Naturtraum. Und dann der 30 Minuten lange Adagio-Satz: da fühle ich mich im Himmel, oder zumindest in Walhall, und auch das große Finale – das ist eine ganz besondere Symphonie, ganz anders herausragend als etwa die „Fünfte“. Ich bin einmal mehr hin und weg. Giulinis Aufnahme schenkt mir durchgehend „den Himmel auf Erden“. Nikolaus Harnoncourt nahm das Werk in der Berliner Philharmonie im April 2000 mit den Berliner Philharmonikern auf (2 CDs Teldec 8573-81037-2). Den „Gigantenvergleich“ der beiden Orchester stelle ich nicht an. Auch die Berliner warten mit ihrem großartigen Orchesterklang auf. Harnoncourt nimmt das Werk (wie nicht anders zu erwarten) wieder differenzierter im Detail, direkter, brutaler. Es ist wie bei Abbado und Harnoncourt, was Bruckner betrifft. Wenn ich mich fallen lassen möchte, wenn ich wegträumen will, einfach „sein“ will, greife ich zu Giulinis Aufnahme. Wenn ich Lust auf sehr bewusstes, differenziertes, mehr intellektuelles, analytisches Hören habe, werde ich mit Harnoncourt unglaublich viel entdecken, was mir vielleicht ohne Kenntnis seiner Aufnahmen als doch auch enorme Bereicherung entgehen würde. Und dann war ich doch zu neugierig und habe mir die Aufnahme mit Herbert von Karajan (Wiener Philharmoniker, 2 CDs DGG 427 611-2, November 1988, Musikverein) auch noch gekauft. Ich höre die Musik hier grundsätzlich klangschön wie bei Giulini, teilweise weicher, weniger scharf. Interessanterweise ist Karajan beim Adagio vier Minuten schneller als Giulini. Constantin Floros erklärt mir im Beiheft außermusikalische Assoziationsmöglichkeiten, etwa die Todesverkündigung, den Deutschen Michel oder das Militär, aber ich möchte bei Bruckners Symphonien ohne diese „Hinweise“ auskommen und die entsprechenden Passagen lieber weiter „absolut“ genießen. Der Hörvergleich des Beginns vom Adagiosatz zwischen Giulini und Karajan offenbart Karajans Aufnahme als dickflüssiger, verschwommener, während Giulini klarer, differenzierter wirkt und damit auch intensiver, packender. Was die „Achte“ betrifft, ist diese Giulini-Aufnahme für mich schlichtweg vollendet.



    Ausgehend von den mir zur Verfügung stehenden Aufnahmen der 9. Symphonie d-moll (1887-94, uraufgeführt 1903 in Wien, dem lieben Gott gewidmet) beschränke ich mich zur Zeit meiner Liebesgeschichte zunächst mit den drei vielfach aufgenommen Sätzen (ca. 60 Minuten lang) und Harnoncourts Vorstellung von Fragmenten des Finalsatzes. Claudio Abbados Aufnahme mit den Wiener Philharmonikern (DGG CD 471 032-2, Musikverein, Jänner 1996, aber erst im Jahr 2001 veröffentlicht) ist wieder herrlich klangschön. Da offenbart sich einmal mehr die unbeschreibliche absolute Größe der Musik. Die Klangfarben, die Klangwirkungen, die Klangflächen und –ballungen: da kann ich nur staunen und mich total hingeben der Musik. Beim Scherzo „stampft“ Abbado wie ich finde „genau richtig“. Der dritte Satz – ist das eine Suche nach Erlösung, wie in Parsifals Welt? Leonard Bernsteins Abschied von Wien im Februar und März 1990 mit Bruckners 9. Symphonie (Liveaufnahme aus dem Musikverein, DGG CD 435 350-2) ist genauso klangschön und zu Herzen gehend gelungen wie Abbados Aufnahme, eine Spur breiter, sechs Minuten länger als Abbado, vor allem bedingt durch das bei Bernstein langsamere, schwerere Scherzo – durch und durch Bekenntnismusik, auch des Dirigenten. Die Aufnahme mit Nikolaus Harnoncourt und den Wiener Philharmonikern entstand live im Salzburger Großen Festspielhaus im August 2002 (2 CDs BMG/RCA 82876 54332 2). Ihr liegt die Kritische Neuausgabe von Benjamin Gunnar-Cohrs zugrunde. Wie immer bei Harnoncourt: alles erklingt differenzierter, in den Details deutlicher. Passe ich auf die Details zu sehr auf, glaube ich den „großen Fluss“ aus den Augen zu verlieren. Das phantastische Orchester hält mich aber im Strom. Das Scherzo-Tempo nimmt Harnoncourt ähnlich energisch wie Abbado. Und den Adagio-Satz empfinde ich wieder als großen mystischen Glaubensweg. Unglaublich spannend ist der „Werkstattbesuch“ auf der zweiten CD anzuhören, der den 4. Satz mit vom Orchester live gespielten Hörbeispielen vorstellt. Es war den Produzenten wichtig genug, diese Werkeinführung von Harnoncourt deutsch und englisch anzubieten. Vielleicht lockt es mich einmal, die mittlerweile rekonstruierte Fassung kennenzulernen.
    Kurz zusammengefasst: Mit geringen Abstrichen bei der „Siebenten“ sind mir die Abbado-Bruckner-Aufnahmen mit den Wiener Philharmonikern sehr ans Herz gewachsen, sie sind das Kernstück meiner spät entflammten Liebe zu dieser Musik. Die Aufnahmen mit Abbado, Karajan, Giulini und Bernstein erschlossen sich mir total emotional, die Aufnahmen mit Harnoncourt, genauso bereichernd, mehr intellektuell.
    Meine Liebesgeschichte mit der Musik von Anton Bruckner hat sich so extrem entfaltet, weil ich es vielfach geschafft habe, beim Hören seiner Symphonien auf außermusikalische Assoziationen zu verzichten. Ob sie nun katholische Glaubensbekenntnisse sind, ob ich, überwältigt von der einen oder anderen Interpretation, vielleicht musikanalytisch völlig falschen Ansätzen aufgesessen bin – eine Liebe hinterfragt zunächst nicht, sie lebt und gibt sich hin. Die chronologische Befassung mit den Symphonien hat ohnedies bereits wieder vieles kanalisiert, sie war enorm bereichernd, aber ich glaube ich kann diese Liebe gerade zu Bruckners Musik auch ohne das nun hinzugefügte „Wissen“ immer mitzudenken weiter leben.



    Weil ich es schon von früher her kenne und auch bereits als Finale nach den drei Sätzen der 9. Symphonie gehört habe, habe ich mir nach den Symphonien auch das 1881 bis 1884 entstandene, 1886 in Wien uraufgeführte Te Deum angehört (Herbert von Karajan, Wiener Philharmoniker, Janet Perry, Sopran, Helga Müller-Molinari, Alt, Gösta Winbergh, Tenor und Alexander Malta, Bass, Wiener Singverein und Rudolf Scholz, Orgel, Musikverein, September 1984, CD DGG 429 980-2). Ein mächtiges und auch inniges Glaubensbekenntnis, durch den Text kanalisiert. Ich bleibe vorläufig lieber bei den Symphonien.
    Die Liebe fragt nicht nach historischer und aufführungspraktischer Korrektheit. Sie wird gelebt und gespürt, ob eingebildet oder echt empfunden. Wir, Bruckners symphonische Musik von 1 bis 9 und ich, haben uns mittlerweile im Alltag eingependelt, aber es wird nie mehr so sein wie es war vor dieser „Explosion“. Ich höre Anton Bruckners Symphonien jetzt ganz anders.
    Und mittlerweile höre ich auch Gustav Mahlers Symphonien wieder gerne.

    Paul Gulda arbeitet wohl zur Zeit an einer Biografie über seinen Vater.
    Und es gibt, wie dieser Artikel aus Münster besagt, wohl keine Aufnahme des Zweiten Klavierkonzerts von Johannes Brahms mit Friedrich Gulda.


    "http://www.muensterschezeitung.de/nachrichten/kultur/art2551,506379"

    Daniele Gatti und die Münchner Philharmoniker in der Philharmonie im Gasteig (München), 26.2.2009


    Fast wie eine in sich geschlossene Symphonie wirken die fünf Symphonischen Stücke aus der Oper „Lulu“ für Koloratursopran und Orchester von Alban Berg auf mich. Im Zentrum steht das „Lied der Lulu“, für das die Solistin Christiane Oelze erst unmittelbar davor auf die Bühne kommt, um auch gleich danach wieder abzugehen. Die Schlusszeilen am Ende des fünften Stücks singt sie im Bühnenhintergrund, rechts neben den Schlagwerkern. Es ist große, inspirierte, klangüppig erzählende Orchestermusik voller irisierender Klangfarben. Wir hören nahezu Seelendramen, die der Komponist ausbreitet. Die Musik wirkt nie mutwillig konstruiert, sie atmet durchgehend den Geist eines genialen Talents.


    Auch Gustav Mahlers Vierte Symphonie G-Dur dirigiert der charismatische Dirigent Daniele Gatti auswendig. Man hört, wie genau er mit dem Orchester geprobt hat, ohne dass dieses den Fluss der Musik, das Leben der Musik aufgibt – eine ungemein beseelte Interpretation, gleichzeitig großartig differenziert und tief empfunden, sehr zu Herzen gehend, wo alle Überraschungen der Musik im ersten Satz entsprechend keck, poetisch, schelmisch oder theatralisch entfaltet werden, wo im zweiten Satz „Freund Hein“ wirklich eher freundlich, gutmütig, gemütlich einschmeichelnd vorbeischaut, mit schelmischem Augenzwinkern, wo im großen, ganz tief empfundenen dritten Satz nicht nur der herrlich weiche Streicherchor Anteil hat am ausgebreiteten Seelendrama, und wo im Finale wieder Christiane Oelze zumindest ganz am Ende eine unbeschwerte, herzlich naiv erzählende Ausdrucksintensität aussingt, die den Hörer für sich einnimmt, so wie das ganze Konzert eben ungemein beseelt erklang.

    Vom österreichischen Kompositionslehrer und Komponisten Karl Schiske (1916 bis 1969) ist im Dezember 2008 eine CD mit Spätwerken erschienen.



    Darauf enthalten:


    Symphonie Nr. 5 "auf B" op. 50
    Candada op. 45 für Sopran, gemischen Chor & kleines Orchester
    Choralpartita op. 46 für Orgel
    Synthese op. 47 für vier mal vier Instrumente
    Kyrie aus der unvollendeten Missa für gemischten Chor & Orgel op. 48
    Divertimento op. 49 für 10 Instrumente und Kammerorchester
    Dialog op. 51 für Cello & Klavier (unvollendet)


    Künstler: Andreas Juffinger, Anton Webern Kammerchor Wien, Ensemble Kontrapunkte, Die Reihe, RSO Wien, Peter Keuschnig, Erich Urbanner


    Lothar Knessl, der auch für die Ö 1 Clubzeitschrift "gehört" (Ausgabe Februar 2009) ein Kurzporträt über Schiske verfasst hat, stellt heute (Montag, 16.2.2009) ab 23:03 Uhr im Radiosender Ö 1 (auch per Webradio empfangbar) den Komponisten und die CD in der Sendung "Zeit Ton" vor.


    Bei Ö 1 heißt es in der Tagesvorschau dazu:


    "Zeit-Ton


    Der eine im 20. Jahrhundert geborene Komponist gerät, unabhängig von der generell anerkannten Qualität seiner Musik, schon wieder in Vergessenheit, der generationsgleich andere hingegen nicht. Rationale Gründe dafür gibt es kaum.


    Karl Schiske, 1969 früh verstorben, Persönlichkeit von selbstloser Autorität, ist zwar als der wichtigste, Perspektiven öffnende österreichische Kompositionslehrer in den Jahren nach 1945 bis dato präsent geblieben, nicht aber als ein Komponist, der zu einer musiksprachlich eigenständigen Synthese gefunden hat.


    Diese spiegelt ein Musikdenken, das historische Phänomene mit jenen seiner Gegenwart zu vereinen weiß. Wie das bei Schiske klingt, vermittelt eine neue ORF-CD mit den sieben letzten, von Materialreduktion geprägten Kompositionen, darunter zwei Schlüsselwerke: "Divertimento" und "Symphonie No. 5 auf B"."

    1988 gab es in Wien Aufführungen der Zweipersonenoper "Die Weiße Rose" (zur Widerstandsbewegung im 2. Weltkrieg) von Udo Zimmermann mit Gabriele Fontana. Ich habe diese sehr unter die Haut gehende Vorstellung, die auch die schauspielerischen Qualitäten der beiden Mitwirkenden stark forderte, gesehen und möchte auf die CD aufmerksam machen:


    Habe den Artikel im Netz gefunden und dachte, er könnte für die Leser dieses Threads von Interesse sein. Bin selbst zu wenig Kenner der Materie und enthalte mich daher einer Meinung zu dem Thema, bitte um Verständnis. Nach dem was ich selbst von der Künstlerin bisher gehört habe, schließe ich mich abgesehen davon (ev. mit dem Zusatz: nicht nur was die "Traviata" betrifft) dieser Aussage an:


    BERNSTEIN, Leonard


    A QUIET PLACE


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    Opera in three Acts incorporating TROUBLE IN TAHITI


    Libretto A QUIET PLACE von Stephen Wadsworth
    Libretto TROUBLE IN TAHITI von Leonard Bernstein


    Uraufführung TROUBLE IN TAHITI:
    Brandeis University Waltham/Massachusetts 12.6.1952


    Uraufführung A QUIET PLACE Erstfassung
    (TROUBLE IN TAHITI vor A QUIET PLACE)
    Jones Hall Houston 17.6.1983


    Uraufführung A QUIET PLACE
    Opera in three Acts incorporating TROUBLE IN TAHITI
    La Scala Milano 19.6.1984


    Ort der Handlung: Eine Vorstadt in den USA, Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, TROUBLE IN TAHITI ebd. Anfang der 50er Jahre des 20. Jahrhunderts


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    Rollen


    Old Sam, Bariton
    Dede, Sopran
    Junior, Bariton
    François, Tenor
    Susie, Mezzosopran
    Bill, Bariton
    Mrs. Doc, Mezzosopran
    Doc, Baß
    Funeral Director, Tenor
    Analyst, Tenor
    Dinah, Mezzosopran
    Young Sam, Bariton
    Jazztrio, Sopran (oder Mezzo), Hoher Tenor, Hoher Bariton
    Vocal Ensemble



    ________________________________________


    Inhalt:


    Erster Akt:


    Dialogfetzen und Ausrufe führen über einen Unfallort in ein Beerdigungsinstitut in eine amerikanische Vorstadt der 80er Jahre des 20.Jahrhunderts. Dinah, sie war offenbar nicht ganz nüchtern, ist bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Der Witwer Sam steht abwesend in einer Ecke, während sich die Trauergäste (der Bruder der Verstorbenen, Dinahs beste Freundin, ihr Psychiater sowie ihr Hausarzt und dessen Frau) die Zeit mit Smalltalk über Dinah und ihre Familie vertreiben. Tochter Dede ist in Quebec mit dem Frankokanadier François verheiratet, der vor dieser Beziehung ein Verhältnis mit Dedes älterem Bruder, dem psychisch labilen Junior gehabt hat. Dede und Junior hatten lange Jahre keinen Kontakt zu Sam. Beim offiziellen Teil des Gedenkens mit Lesungen und Erinnerungsworten ist Junior noch nicht zugegen. Als er eintrifft, verlassen die Gäste das Institut, nur die Familie bleibt zurück. Sams Kummer entlädt sich in einem Ausbruch, der sich vor allem gegen Junior richtet. Dede, Junior und François gedenken harmonischerer Zeiten mit der Elterngeneration. Jetzt bricht es aus Junior heraus – er redet in Reimen und exaltiert sich mit einem Striptease im Blues-Rhythmus. Als Sam und Junior aufeinander losgehen, kracht der Sargdeckel zu. Allein zurück geblieben, wird Junior deutlich, wie daneben er sich benommen hat.


    Zweiter Akt:


    1. Szene:


    Am Abend liest Sam in Tagebüchern Dinahs und erinnert sich an die Zeit der jungen Ehe, vor dreißig Jahren.


    2. Szene (Trouble in Tahiti, Anfang):


    Ein Jazztrio führt in die angeblich so heile Welt von „Suburbia“, in ein Einfamilienhaus der amerikanischen Vorstädte der 50er Jahre. Die morgendliche Kommunikation des Ehepaars Dinah und Sam erschöpft sich nach zehn Jahren Ehe im Aneinander-Vorbeireden. Im Büro versucht Sam, souverän zu wirken. Währenddessen erzählt Dinah ihrem Psychiater den Traum von einem absterbenden Garten, aus dem eine Stimme ihr ein besseres Leben in einem stillen Land ("A Quiet Place") verheißt. Hat Sam mit der Sekretärin ein Verhältnis gehabt? Zu Mittag trifft das Ehepaar auf der Straße aufeinander, aber sie lügen sich an, um sich aus dem Weg gehen zu können. Die Beziehung ist an einem toten Punkt.


    3. Szene:


    Zurück in den 80ern. Dede gesellt sich zu Sam. Die gemeinsame Erinnerung an Dinah bringt die beiden etwas näher. Junior muss sich währenddessen in seinem Zimmer von François anhören, dass sein Benehmen nicht gesellschaftsfähig ist. Junior wird klar, dass er seinen Vater liebt. Wird er ihm das aber auch irgendwie klarmachen können? Dede und François treffen im Flur aufeinander und trösten sich gegenseitig. Sam betritt leise Juniors Zimmer, als dieser schon schläft. Doch auch er weiß nicht, wie er sich dem Sohn annähern kann. Ein Pokal im Regal ruft erneut Erinnerungen in ihm wach.


    4. Szene (Trouble in Tahiti, Ende):


    Wieder besingt das Jazztrio die Vorzüge des Lebens im „Suburbia“ der 50er Jahre. Statt eine Schüleraufführung von Junior besucht zu haben, hat Sam bei einem Turnier einen Handballpokal gewonnen. Und Dinah war auch nicht in der Aufführung. Sie hat stattdessen den Film „Trouble in Tahiti“ gesehen und schildert dieses Technicolor-Musical mit seinem „Inselzauber“ anfangs angewidert, dann immer enthusiastischer. Die abendliche Aussprache von Sam und Dinah bleibt fruchtlos. Sie stimmt zu, mit ihm ins Kino zu gehen – in „Trouble in Tahiti“…


    Dritter Akt:


    Am nächsten Morgen jätet Dede in Dinahs verwildertem Garten. Mit Junior zusammen wird eine einstige kindliche Vertrautheit wieder lebendig. Als François dazu kommt und sie Fangen spielen, ist schließlich auch Sam zur Stelle, der François somit in der Familie offiziell willkommen heißt. Sam liest aus Dinahs Tagebüchern. Die Trauer weicht befreitem Gelächter, doch sofort wieder streitet die Familie. Am Höhepunkt des Konflikts wirft Junior Dinahs Tagebuch in die Luft, und alle Blätter verteilen sich über den Garten. Der Schock lässt die vier wieder zur Besinnung kommen. Sie beginnen erneut, sich einander anzunähern.


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    Kurze Anmerkungen zum Werk:


    Den Einakter „Trouble in Tahiti“ grenzte Leonard Bernstein bewusst von Broadway-Gewohntem ab, indem er auf Tanzszenen verzichtete und die Partitur bewusst opernhafter als seine Musicals anlegte. „A Quiet Place“ bedeutete dann den ehrgeizigen Versuch einer amerikanischen Nationaloper am Beispiel der Psychologie einer ganz normalen Familie, mit dem kompositorischen Hauptaugenmerk auf dem Tonfall der amerikanischen Alltagssprache. Nach der Uraufführung in Houston, die vor der Pause das Geschehen in den 50er Jahren („Trouble in Tahiti“) brachte und danach in einem Stück die Neukomposition aus den 80ern, bot sich die Umarbeitung zur auch auf CD (mitgeschnitten im April 1986 im Rahmen einer Aufführungsreihe unter Leitung des Komponisten in der Wiener Staatsoper) vorliegenden Fassung an, die „Trouble in Tahiti“ in den zweiten Akt eingliedert. Erwähnenswert sind auch die großsymphonischen Instrumentalstücke der neuen Fassung, das Nachspiel zum ersten und das Vorspiel zum dritten Akt.


    ©Alexander Kinsky für Tamino-Klassik.at

    Weil das gerade im Thread "Chess am Aalto" angesprochen wurde:


    Ausschnitte aus KRISTINA FRAN DUVEMALA von Andersson/Ulvaeus (die Lust auf mehr machen; vergangenen Samstag war Anne Sofie von Otter im Ö 1 Klassik Treffpunkt, da gab es einen Ausschnitt aus der Originalaufnahme; dies hier sind kammermusikalische Fassungen) sowie aus CHESS, dazu einige neu arrangierte Songs aus der ABBA-Zeit und zwei wie ich finde wirkliche Kleinode der schwedischen Liedkunst ("I walk with you, Mama" und "After the rain") gibt es auf dieser CD, bei jpc derzeit um 6,99 Euro zu haben:



    Hörbeispiele bietet jpc nur bei der teureren Ausgabe an, daher dieses zweite Foto:


    Und noch dazu mit einem Einspringer :D (für Leonard Bernstein).
    Auch ich stimme dem Urteil von Edwin und Peter herzlich gern zu.


    Höre mich gerade in die Bruckner Symphonien mit Claudio Abbado ein (Aufnahmen aus den 90ern, DGG). Bisher Vierte und Fünfte, bald Erste, später auch Siebente, Neunte. Finde das Klangbild (für mein Empfinden) für diese Werke optimal, und glaube auch den enormen Respekt und die Leidenschaft und Liebe Abbados für diese Musik herauszuhören.



    Und erlaube mir überwältigt zu sein von der überbordenden Emotionalität Leonard Bernsteins bei seiner Aufnahme der Neunten. Ich war damals zweimal dabei im Musikverein, unvergeßliche Konzerterlebnisse. Es waren seine letzten Konzerte mit diesem Orchester in Wien.


    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Einer der ihm nacheiferte, war Gerhard Rosenthaler, der mittlerweile in Pension ist. Rosenthaler ist ein fabelhafter Komponist, ein Stück für Sprecher, zwei Klaviere und zwei Schlagzeuge "Waffenstillstände" ist mir noch lebhaft in Erinnerung, eine Oper "Dorian Gray" blieb leider bis heute unaufgeführt, sie ist eine interessante Fortsetzung der Bestrebungen von Paul Dessau. Auch Rosenthaler kämpfte (in der sozialistischen AZ) leidenschaftlich für die Musik des 20. Jahrhunderts und für junge Komponisten. Er war ein fabelhafter Stilist, vielleicht sogar der beste, der in österreichischen Blättern schrieb. Und auch er konnte über stilistische Grenzen hinwegsehen.


    :hello:


    Anfang der 80er schrieb Rosenthaler für die Musikzeitschrift VOX, ehe er 1985 zur AZ wechselte. Ich habe damals alle seine Kritiken und Kommentare gesammelt. (Wer Interesse an einzelnen Kopien hat, gerne per PN.) Ein Jahr vor dem Ende der AZ wurde Michael Lewin sein Nachfolger als Kulturkritiker der Zeitung, Rosenthaler schrieb nun für die Neue Zeit Graz, aber seltener.
    Rosenthaler hat einen oft witzigen, sprachspielerischen Stil gepflegt.
    Selten erlebt man, dass ein Journalist auch Vorurteile bekennt und bereit ist, öffentlich diese zu revidieren. Mit Harnoncourts "Idomeneo" Premiere an der Wiener Staatsoper hat Rosenthaler, wie nachzulesen ist überwältigt von der musikalischen Leistung, sein Vorurteil gegenüber Harnoncourt revidiert.
    Kann mich noch gut erinnern, wie er sich damals für Richard Dünser eingesetzt hat, der einen Kompositionspreis der AZ erhielt. Er hat auch einige Gespräche mit jungen Komponisten auf der Kulturseite untergebracht.
    (Und er hat Bernstein und Abbado hochgepriesen. Schrieb mir damals aus der Seele.)
    (Karajans öffentlichem Bild des Weihrauchs um ihn herum stand er sprachlich köstlich kritisch gegenüber.)
    Es gibt auch ein Buch von Gerhard Rosenthaler über seine Zeit als Journalist, das ist leider vergriffen und vom Verlag nicht mehr zu bekommen.

    Ivo Pogorelich im Großen Konzerthaussaal in Wien, 31.10.2008


    Ich empfehle, ein Konzert wie dieses als Zuhörer folgendermaßen zu beginnen: In dem Moment wo der Pianist auf die Bühne kommt, vergesse man alles – die musikalische Vorbildung, das eventuelle Wissen um einzelne Werke, die großen Interpretationen, die man von dieser Person oder von anderen kennt. Man streife in diesem Moment also alles ab und gebe sich der Kunst hin, unbefangen, ohne Vorurteile, ohne Erwartungshaltung. Die Seele der Musik entfaltet sich oder sie tut es nicht, das soll das Abenteuer des Abends werden.


    Ivo Pogorelich erzählt eine Geschichte am Klavier, eine von zweitausend individuellen Geschichten für jeden Menschen im Saal, wie aus dem Augenblick heraus, mit Herz und Seele. Es ist Frédéric Chopins Nocturne Es-Dur op. 55/2, aber es ist auch viel mehr, es ist Musik, die in diesen Augenblicken kommt und geht, das erste und letzte Mal, es ist das Sein im Jetzt – indem ein genialer nachschöpferischer Künstler eine Welt aufbaut, nimmt er uns in diese mit, und wir hören unsere Geschichte dieser Momente.


    Die Äußerlichkeiten verblassen zum Nebensächlichen – Pogorelich spielt mit den Noten vor sich, und eine junge Dame blättert für ihn um. Und doch erinnern uns gerade diese Äußerlichkeiten daran, dass es eigentlich auch noch ein Hier und Jetzt gibt, in dem wir den Konzertsaal betreten haben und ein zu manchen Zeiten absagegefährdetes einmaliges Klaviertalent mittlerweile dem Publikum geradezu demonstrativ vorführt, wie wenig ihm Applaus bedeutet, indem er in den beginnenden hinein lieber mit der jungen Dame zusammen die neuen Noten heraussucht.


    Es geht ihm nur um die Musik, der Applaus und die Verbeugungen sind zu absolvierendes Pflichtprogramm, eigentlich entbehrlich, es geht darum, jetzt in Chopins Sonate h-Moll op. 58 einzutauchen, sich in dieses komplexe Werk vollends hineinzubegeben, in die Räusche und Meditationen. Mittendrin, in der Traumwelt des 3. Satzes, holt den Hörer sein anderes Ich ein, Pogorelich spielt den Satz kompakter, weniger am Zerfall als vor ein paar Jahren in München, aber was sagt das aus, er spielt die Musik nicht, er lebt sie, er ist die Musik, er zwingt uns (unglaublich beseelt!) durchzuhalten, mitzugehen, mitzuträumen, mitzusein in dieser Welt, in der Wahrheit dieser Welt. Die Welt „stimmt“ in diesen großen Momenten, weit über technische Meisterschaft und in jahrzehntelanger Erfahrung als Konzertpianist erworbener Routine der großen Kunst hinaus weisend.


    „Der Tanz in der Dorfschenke“ (Mephisto-Walzer Nr. 1) S 514 von Franz Liszt erklingt völlig jenseits äußerlicher Virtuosität, vielmehr vergeistigt im höheren Sinn. Ein langsamer Teil nimmt sich bis zum Stillstand zurück, er kommt mehrmals wieder, und das andere Ich des Zuhörers merkt auf, jetzt könne sich dieses Genie am Podium wohl gar nicht mehr aus seinen Ewigkeiten lösen. Aber sie sind stark, entfalten weiter ihren Sog, sie fordern zwar mehr, jedoch nicht weniger intensiv und aus dem unbedingten Jetzt kommend wie die Chopin-Musik davor. Das Diabolische, pianistisch gern Schelmische entfaltet Pogorelich eher zurückhaltend, suchend, niemals zum rein technischen Selbstzweck.


    Ebenso vergeistigt, als meditativ aufgebaute Erzählung, hören wir Valse triste op. 44/1 (Kuolema) von Jean Sibelius unmittelbar nach der Pause. Weiter nimmt Ivo Pogorelich uns mit in eine ganz starke eigene Welt.


    Ins Zentrum dieses zweiten Teils stellt Pogorelich nach der auch schon zu den schwersten Werken der Klavierliteratur zählenden dritten Chopin-Sonate den Gipfelpunkt „Gaspard de la nuit“ von Maurice Ravel. Nicht äußerlich denken – weiter drin bleiben in der Welt, aus der wir gerade Sibelius hören konnten. Nicht denken, dass erster wie zweiter Teil mit einer Erzählung beginnen und pianistisch wie thematisch irrwitzig virtuos wie diabolisch enden, nicht achten auf den wenigen Pedalgebrauch, der eine Direktheit des Spiels schafft, die völlig jenseits möglicher Beobachtung technischer Feinheiten der Brillanz angesiedelt ist (darum geht es eben nicht an diesem Abend!), nicht darauf aufpassen, ob der Steinway Flügel nach der Pause auch so seltsam blechern klingt wie zuvor, sondern weiter durch die Welten, die hier aufgebaut werden, wandern, staunen, sich verzaubern lassen, eintauchen, vom Quell großer Kunst kosten, das eiskalt hoffnungslose Pulsieren des Galgens bis zum Ersterben mtifrieren, im Gnom des Scarbo den Mephisto von vor der Pause dann doch wieder finden – einfach „ganz“ sein in der Musik, im Moment sein, „jetzt“ sein.


    Die Abrundung folgt als Zugabe, eine weitere große vergeistigte Erzählung, eine unendliche Geschichte mehr, sie kommt auch aus dieser Welt, aus der Welt dieses nachschöpferischen Genies Ivo Pogorelich: Johannes Brahms, Intermezzo A-Dur op. 118/2.


    Ivo Pogorelich hat damit einen großen Bogen zu Ende gespannt. Die Welt dieses Bogens schwingt weiter in die Nacht hinein. Es war ein Bogen jenseits pianistisch meisterhaft gespielter Musik im singulären Ereignis Konzertabend – es war gelebte Wahrheit in Musik, so vieldeutig und unfassbar wie alles, was beseelt genannt werden darf.

    Sorry, kann nicht mit dem letztgenannten Wunsch dienen...


    1 Leonard Bernstein
    Für mich der universellste Musiker seiner Zeit. Sicher dirigiert er vieles „mehr Bernstein als der Komponist“, aber dieses immer tief empfunden.


    2 Claudio Abbado
    In meiner Stehplatzzeit an der Wiener Staatsoper (Ära Drese 1986 bis 1991) Wiens musikalischer Chef. Viele unvergessliche Operndirigate. Großartiger Teil der Lebensleistung: Aufbau und Arbeit mit Jugendorchestern. Mahler Dirigate der letzten zehn Jahre (Berlin und Luzern) für mich überraschend gleichwertig (wenn nicht sogar noch herausragender) denen von Bernstein (und das will bei mir was heißen).


    3 Nikolaus Harnoncourt
    Ich mag es, wenn er Werke so dirigiert, dass mir Strukturen, Passagen, Momente völlig neu bewusst werden. Und ich könnte ihm stundenlang bei seinen Werkeinführungen und Interviews zuhören. Und erst seine Bücher! Für mich der spannendste Dirigent der Zeit, der hoffentlich noch einige Jahre auf musikalische Entdeckungstour geht, etwa bei der nächsten styriarte mit „Porgy and Bess“.


    4 Carlos Kleiber
    Faszinierende Ausnahmeerscheinung. Kann mich dem Sog seiner Dirigate (pulsierend und geschmeidig) nicht entziehen. Leider gingen alle meine Wünsche (Mozart Klavierkonzerte mit Gulda, viel mehr am Pult der Wiener Staatsoper etc.) nicht in Erfüllung. Ich träume weiter eine Kleiber Diskografie, eine Parallelwelt der bei uns nicht dirigierten Werke…


    5 Zubin Mehta
    Ihn schätze ich vor allem als Dirigenten der Wiener Philharmoniker. Man weiß wie man dran ist – und es geht um die Liebe zur Musik. Jedes Abokonzert, meist im Radio gehört, ist etwas Besonderes für mich.


    6 Mariss Jansons
    Ich glaube da kommt noch eine ganz große Alterskarriere, wie bei Abbado. Mahler und Schostakowitsch höre ich besonders gern mit ihm.


    7 Herbert von Karajan
    Habe (gebe ich zu) erst durch das Tamino Klassikforum gelernt, genau hinzuhören, dem Klangsinn dieses Dirigenten nachzuspüren. Die Einebnungen etwa bei Mahler finde ich „gegen jede Komponistenintention“ einstudiert, aber der Klangsinn ringt mir doch auch Bewunderung ab.


    8 Horst Stein
    Unvergesslich für mich seine Repertoiredirigate an der Wiener Staatsoper (Wagner und Richard Strauss)


    9 Gustavo Dudamel
    Seine Arbeit mit dem Venezolanischen Jugendorchester allein rechtfertigt für mich die Einreihung hier. Bin gespannt auf seine Zukunft.


    10 Daniel Barenboim
    Macht SOOOO viel. Für mich unbegreiflich, dass jemand das Wohltemperierte Klavier und alle Beethoven-Sonaten in Konzerten spielen kann und dazu noch als Dirigent und kulturpolitisch so zentral verankert ist. Allein schon die Arbeit mit dem West-Eastern Divan Orchestra… siehe Dudamel.

    Von Friedrich Gulda sind im Verlag Doblinger Notenausgaben seiner Kadenzen zu den Konzerten C-Dur KV 503 und D-Dur KV 537 erschienen.
    Seine bekanntesten Einspielungen dieser Werke: KV 503 hat er Mitte der 70er für DGG mit den Wiener Philharmonikern unter Claudio Abbado aufgenommen, KV 537 Mitte der 80er für Teldec mit dem Concertgebouw Orkest unter Nikolaus Harnoncourt.
    (Mit Abbado hat Gulda damals auch KV 466 aufgenommen, im dritten Satz spielt er auch eine Kadenz von Hummel, neben der von Beethoven.)