Es gibt nicht nur herausragende Aufführungen, sondern auch Rundfunkmitschnitte, die von der Aura das Außergewöhnlichen umweht sind. Einen solchen Mitschnitt durfte ich gestern Abend auf Deutschlandfunk Kultur erleben.
Natürlich war auch diese Tristan-Aufführung nicht perfekt - was ist schon perfekt? Man hörte von Indispositionen bei Marke, sogar bei Isolde. Doch die Aufführung stand dennoch unter einem guten Stern. Sein Name: Daniel BARENBOM.
Ich habe selten ein so lebendiges, ja spannendes Orchestervorspiel erlebt. Zum Atem-Anhalten! Die Motive kamen so selbstverständlich aus dem Graben, dass ich wie in einem Sog gefangen war. Das versprach einen Abend der Sonderklasse. Und das Versprechen wurde eingelöst: Barenboim hatte ein handverlesenes Solistenensemble zur Verfügung. Angeführt von der Isolde der Anja KAMPE, deren Indisposition wie weggeblasen schien. Nur ein paar verkürzte Spitzentöne waren zu hören. Aber wie sie die (für sie neue!) Riesenpartie nicht nur in ihrem ganzen Farbenreichtum bewältigte, sondern erlebte, durchdrang und in jeder Nuance Isolde war, das fesselte auch beim bloßen Hören so stark, dass ich die Bühne keinen Augenblick vermisste.
Dass ihr dies gelang, ist vor allem dem Dirigenten zu verdanken, der einen seiner ganz großen Abende hatte. Er trug die Sänger geradezu auf Händen, machte ihnen das Singen leicht, riss sie mit. Aber auch ihre Partner machten es ihr leicht, ihre Prachtstmme ganz in den Dienst der irischen Maid zu stellen:
Andreas SCHAGER war von Beginn an ein stimmlich glanzvoller und ausdrucksstarker Tristan, der auch den explosiven Orchesterwogen des 3.Akts mühelos standhielt. (Und das ist derzeit nicht wenig.) So wurde das große Liebesduett, von beiden in der Ekstase wie in der Intimität partiturgerecht ausgesungen, zu einem Höhepunkt des Dramas.
Auch die anderen Partien waren nicht nur respektabel, sondern eindrucksvoll besetzt: Ekaterina GUBANOVA steuerte ihre mühelos gesungene, berührende Brangäne bei, und Boaz DANIEL bewährte sich als ebenso kerniger wie schön singender Kurwenal. Den Reigen der vorzüglichen Protagonisten vervollständigte Stephen MILLING mit voluminösem und differenziert eingesetzem Bass. Es gelang ihm sogar, mit seiner Indisposition im letzten Akt den Orchesterwogen standzuhalten - wie wenn er die traumhaft schöne Vorstellung nicht beschädigen wollte.
Bei Isoldes Liebestod hatte ich ein Gefühl, das mich selten ergreift: Ich schien vom Boden abzuheben. Dafür geht mein Dank nach Berlin!
Das war mein tiefer Eindruck von der akustischen Seite des Berliner Tristan. Die optische kann / muss ich nicht beschreiben. Aber was ich an Bildern gesehen habe, wollte dazu überhaupt nicht passen.
Herzliche Grüße von Sixtus