Beiträge von Sixtus

    Lieber Caruso!
    Habe Dank für deine ebenso ausführliche wie tiefschürfende Reaktion auf meine frechen Anmerkungen!
    Zuerst einmal bin ich perplex über deine immens hohen Ansprüche an Sänger, sowohl was Technik anbelangt, als auch in Bezug auf künstlerischen Geschmack.


    In diesem Falle (Radvanovsky) bin ich wohl grade rechtzeitig auf sie aufmerksam geworden, nachdem sie die von dir genannten Defizite ausgeräumt hat. Ich kenne die Stimme erst, seit in der laufenden MET-Saison die Donizetti-Königinnen mit ihr übertragen werden - und von ihrer Norma aus Barcelona (?). Und seitdem werde ich hellhörig, wenn ich irgendwo den Namen lese.
    Was die Ansprüche betrifft, so nenne ich mich zwar Sixtus, aber ich kann auch mal über etwas hinwegsehen, wenn ich einmal Blut geleckt habe. Dann geht auch mal die Begeisterung mit mir durch. Jubeln ist eben noch schöner als verreißen!


    Ich würde mich gern an Threads beteiligen, die das von dir angemahnte Niveau anpeilen und womöglich erreichen - und nicht zum bloßen Fanclub herabsinken. Ich glaube, das könnte hier so etwas werden - vorausgesetzt, dass Jolanthe das ähnlich sieht. Und dein neuer Thread verspricht auch in die Richtung zu gehen. Wie dem auch sei: Bleiben wir dran.


    Gestern hatte ich also mal wieder Merkerdienst und habe mir an einer Saarbrücker Rusalka-Premiere die Zähne geschärft, wo buchstäblich fast nichts gestimmt hat. Davon versuche ich mich gerade schreibend zu erholen. "Ein saures Amt..."
    Das soll erst mal genügen. Ich bin gespannt auf den weiteren Verlauf!


    Herzliche Grüße von Sixtus!

    Hallo, Weltenbummler Caruso!


    Das geht aber nicht: bei einer so hochkarätigen Sängerin wie Sondra Radvanovsky nach anfänglichem (punktuellem) Interesse gleich wieder ausklinken und wochenlang in der Versenkung verschwinden!


    Immerhin bist du jetzt wie ein Haubentaucher an unvermuteter Stelle wieder aufgetaucht und hast gleich als Beute eine Nixe aus Moskau (auf dem Umweg über New York) mitgebracht. Leider bin ich heute Abend verhindert, sie als Desdemona zu hören, verlasse mich also auf deinen fundierten Bericht.


    Vergiss nicht, bei Jolanthe vorbeizuschauen, wo ich versucht habe, als Platzhalter zu fungieren. Aber ich möchte nicht. dass das dort entstehende Ensemble der Diskutanten zum Duett verkümmert - und warte auf deine Beiträge, bevor ich mich wieder einklinke.


    Jetzt tauche ich erst mal ab (der Merker-Dienst ruft!) zur Saarbrücker Rusalka-Premiere, wo es kleinere Brötchen zu backen gibt als an der MET...


    Schöne Grüße aus dem Saarland von Sixtus

    Es kann nicht schaden, in alten Kampfprotokollen immer mal wieder zu blättern.
    In diesem Falle lief die Diskussion, ohne dass die Teilnehmer dies wissen konnten, auf den Satz hinaus, den Dr.Pingel äußerst passend als Schlusswort zitiert hat: "Als die Teilnehmer das Ziel aus den Augen verloren hatten, verdoppelten sie ihre Anstrengungen."


    Ich hoffe, dass die Kombattanten sich von ihrer jeweiligen Erschöpfung erholt haben und daraus die Lehre ziehen, beim nächsten ähnlichen Fall gelassen das Urteil der Geschichte abwarten, das bei dergleichen Entgleisungen sinngemäß lauten dürfte: Viel Lärm um wenig. Wozu also die Aufregung?
    Dauerstreit hinterlässt leider auch Kollateralschäden. Diesmal könnte die Bilanz heißen:
    "Wenn ihnen der Stoff ausging, litten sie unter Entzugserscheinungen - und verloren das Gespür für das Wesentliche."


    Dieses Wesentliche werden wir in einigen Jahren erfahren. Es könnte lauten:
    "Die Produktion wurde nach einer Reihe ausabonnierter und ausverschenkter Aufführungen mangels Publikum abgesetzt."


    Das Bessere ist bekanntlich, auf lange Sicht, der Feind des Guten - und erst recht des Schlechten. Aber die Zeit heilt nicht nur Wunden, sondern rückt auch ver-rückte Maßstäbe wieder zurecht.


    Mit dieser Zuversicht eines Pessimisten wünscht allen gute Genesung -


    Sixtus

    Obwohl ich die Übertragung "nur" am Radio verfolgt habe, kann ich mich diesem Eindruck nur anschließen: Es war eine rundum hochkaratig besetzte Aufführung ohne Schwachstellen. Wobei die beiden Damen nicht nur rollendeckend gesungen haben wie die Herren auch, sondern schlicht überwältigend waren.


    Nicht oft findet man ein solches optimal aufeinander abgestimmtes Quartett von Stimmen, die nicht nur perfekt singen, sondern auch noch hörbar zusammen passen. Ob das auch optisch zutrifft, werden wir sicher noch von dir erfahren, liebe Jolanthe, wenn du es im Kino gesehen hast.


    Was mch besonders beeindruckt hat, sind die stimmlichen Reserven, über die Sondra Radvanovsky neben ihrer Virtuosität auch noch verfügt. Mit dieser Stimme kann sie fast das gesamte italienische Repertoire optimal abdecken. (Und sie singt auch bald in München die Tosca!) Was die Netrebko in mehreren Jahren hintereinander gezeigt hat, bietet sie alles gleichzeitig zur Auswahl an, und das in großer Tonschönheit vom pp bis zum ff und im gesamten Stimmumfang - ohne spürbaren Registerwechsel. Das ist Oper vom Feinsten!


    Ich habe die Übertragung mitgeschnitten und werde mich sicher nach dem ersten Abhören wieder melden. Bis dahin freue ich mich auf weitere Berichte und bin gespannt, ob es auch was zu meckern gibt.


    Beste Grüße von Sixtus

    Für alle Freunde des Belcanto-Repertoires, die es noch nicht gemerkt haben:


    Am morgigen Samstag, 16.4., ab 19 Uhr, übertragen mehrere Rundfunksender, u.a. WDR 3, HR 2, SR 2, BR Klassik und DR Kultur, die Donizetti-Oper "ROBERTO DEVEREUX" aus der New Yorker MET.
    In den Hauptrollen: Sondra RADVANOVSKY, Elina GARANCA, Matthew POLENZANI und Mariusz KWIECIEN. Dirigent Maurizio BENINI.


    Wer die beiden anderen Tudor-Opern mit Randvanovsky aus der Met gehört hat, lässt sich das nicht entgehen. Allen anderen sei es dringend ans Herz gelegt, wenigstens die dritte nicht zu versäumen. Sie wird auch im Kino übertragen.


    Viel Vergnügen wünscht Sixtus

    Lieber Basso profondo, von Bostidge kenne ich nicht vilele Aufnahmen.
    Aber wenn er im lyrischen Tenorfach geblieben ist, dann ist er gut beraten. Denn die Stimme ist von ihrer Textur her schlank, weich und vor allem hell. Das deutet darauf hin, dass er ein lyrischer Tenor bleiben wird.


    Beczala hat ja auch als lyrischer Tenor begonnen. Aber man merkte der Stimme schon zu Beginn an, dass da Reserven da sind. Zugespitzt könnte man sagen: Wenn ein junger Tenor den ersten Gefangenen singt, kann man oft schon hören, ob daraus eher ein Florestan werden kann - oder ob es beim Jacquino bleiben wird.


    Bei Bässen dauert es meistens etwas länger, bis sich herausstellt, ob sie sich zum Sarastro entwickeln können - oder eher zum Don Giovanni. Oder gar nicht! Entscheidende Kriterien sind nicht nur Umfang und Volumen, sondern vor allem: Wo sitzt das Zentrum der Stimme. Manche gehen nach oben auf, andere ruhen in der Tiefe. Aber man sollte die Prognosen nicht übertreiben, vor allem die hoffnungsvollen.


    Eine interessante Frage ist auch: Warum gibt es in Deutschland kaum noch (deutsche) Verdi-Baritone? Vielleicht ein andermal...


    Beste Grüße von Sixtus

    Die zuletzt genannten Beispiele haben nur eine Schnittmenge: Beide, Greindl und FiDi, hatten große künstlerische Ausstrahlung. Ansonsten war der Sachs für den einen eine Grenzpartie (wegen der Höhe), dem anderen fehlte einfach das grundierende Brustregister - und das Volumen, das für schwere dramatische Partien unerlässlich ist.
    Dass er trotzdem viele beeindruckt hat, liegt an seiner schauspielerischen Eloquenz. Immer wenn er auf der Opernbühne gut war, hat er gleichsam als Liedersänger überzeugt, nicht als Stimme. Ich habe ihn einmal als Mandryka gehört. Die lyrischen Passagen - wunderbar. Bei den dramatischen Ausbrüchen hat er mimisch und gestisch von der fehlenden Stimme abgelenkt. Ähnlich macht es heute K.F.Vogt, der alles ist, nur kein Wagnersänger.


    Das bringt mich zum eigentlichen Fachwechsel: Viele Sänger haben nicht die nötige Geduld, damit zu warten, bis die Stimme reif ist. Oder sie werden von der Medienindustrie dazu gedrängt - und dadurch verheizt, also vorzeitig verschlissen. Das große Geld lockt, und hinterher ist es keiner gewesen. Aber einer war es: der Zeitgeist. Das werden wir nicht aufhalten. Nur starke Charaktere schaffen es, dem zu widerstehen.


    Also Fachwechsel ja, wenn sich die Stimme gefestigt hat; aber bitte nicht vorher - und manchmal auch, mangels Masse, besser nie!


    Das empfiehlt Sixtus

    Spät entdeckt, mit Vergnügen gelesen, zur Zustimmung wie zum Widerspruch wie geschaffen!


    Ein Aspekt, der einiges von den widersprüchlichen Stellungnahmen erklären könnte, soll nicht unerwähnt bleiben: José van Dam hat das, was Kesting eine "kurze Stimme" nennt. Der Umfang ist sehr begrenzt, was besonders Partien wie den Holländer beeinträchtigt: Das tiefe G erreicht er nur fast tonlos, das hohe F macht ihm Mühe. Das war das große Handicap seines Repertoires.


    Aber: Was er mit seinen knapp zwei Oktaven ausfüllen kann, wird lebendig wie bei kaum einem anderen. Selten hat mich ein Amfortas so berührt wie seiner. Und er war ein tief auslotender Ausdruckssänger mit reichen Farben und Zwischentönen, blieb immer der Gesangslinie verpflichtet und - nun ja: ein Aristokrat.


    Sein französisches Liedrepertoire ist unübertroffen. Ich fühle mich bei seinem unbeirrten Legato-Gesang oft an ein ausdrucksvolles Cellospiel erinnert. Ein großer Künstler - wenn auch manchmal erst auf den zweiten Blick. Er gewinnt beim wiederholten Hören -


    meint Sixtus

    DIe Beispiele, die ihr anführt, zeigen ja grade auch die Problematik dieses Stimmlagenwechsels:
    Brillioth war, rund heraus gesagt, nie ein echter Heldentenor (wie übrigens auch Jerusalem, wenn auch aus anderen Gründen). Was beide gemeinsam hatten, waren die Schwierigkeiten.


    Melchior sollte man nicht als Beispiel anführen - der war ein Naturereignis und keinesfalls zu verallgemeinern. Bei Vinay liegt der Fall schon eher in der Regel: im Scheitern. Seine Heldentenorpartien (Otello, Tristan, Tannhäuser) waren zwar imponierend, aber auch immer gefährdet. Das Symptom war immer eine gewisse Stumpfheit des Klangs. Als er schließlich wieder zum Bariton zurückkehrte, war sogar der stumpf, weil durch Überanstrengung abgenutzt.


    Es mag banal klingen, aber man könnte sagen: Schuster, bleib... Apropos Schuster: Greindl blieb trotz Sachs u.ä. immer ein echter Bass. Er hatte nur einen großen Stimmumfang. Solche Fälle gibt es immer wieder: Hotter, Jerome Hines... Aber da sind, wie gesagt, die Übergänge fließend. Dagegen ist der Sprung zwischen Bariton und Tenor immer gefährlich. Die goldenen Ausnahmen wie bei Bergonzi kann man lange suchen - und sie halten selten lange.


    Ich glaube, man könnte es so sagen: Ein Sänger, der sich in seiner Stimme nicht wohl fühlt, versucht es in einem anderen Fach. Doch meistens ist die Ursache ein gesangstechnisches Problem. Oder zu großer Ehrgeiz! (Fischer-Dieskau als Holländer und Sachs!)


    Wer nicht selber betroffen ist, hat ein Problem weniger!


    Beste Grüße von Sixtus

    Da bin ich beim Stöbern im Forum auf ein Thema (und ein Problem) gestoßen, das mich mein Leben lang begleitet hat. Deshalb kann ich vielleicht einiges Nützliche dazu sagen.
    Jemand, der wie ich selber Sänger werden wollte, aber nach der Ausbildung eingesehen hat, dass die stimmliche Ausstattung für eine Sängerlaufbahn zu bescheiden ausgefallen ist, hat zu diesem Thema eine besonders sensible Beziehung.


    Die Gründe für einen Fachwechsel (oder einen Abbruch!) können sehr unterschiedlich sein. Bei Frauenstimmen sind die Übergänge eher fließend, besonders bei dramatischen Stimmen, die ohnehin einen großen Umfang brauchen, sodass manche mühelos zwei Fächer (oder genauer: zwei Stimmlagen) abdecken können (z.B. Waltraud Meier).
    Bei den Männerstimmen gibt es zwischen Bass und Bariton ebenfalls fließende Übergänge, zumal sich da auch noch der Bassbariton dazwischen geschoben hat. Das entscheidende Kriterium ist weniger der Stimmumfang als die KLANGFARBE, das TIMBRE.


    Wenn man von Fachwechsel spricht, ist meistens ein Stimmlagenwechsel gemeint (denn Fachwechsel ist dann gegeben, wenn eine Stimme wächst oder reift (z.B. vom lyrischen zum Lirico-Spinto-Tenor). Ich glaube, lieber Antalwin, du meinst hier eher den Stimmlagenwechsel. Und da (um bei den Männerstimmen zu bleiben) tut sich ein gefährlicher Abgrund auf zwischen Bariton und Tenor.
    Als alte Opernhasen wissen wir ja alle, wie etwa ein Tenor zu klingen hat. Er bekommt seinen hellen Glanz durch einen hohen Anteil an Kopfresonanz, der in der Höhe zunimmt. Und der Bariton hat auch in der hohen Lage noch mehr Brustresonanz, was ihm (hoffentlich) den virilen Klang des gestandenen Mannes verleiht.


    Was jetzt kommt, sage ich nur ganz leise, damit es nicht in falsche Ohren kommt:
    Es gibt Tenöre, die in der Mittellage relativ dunkel klingen (Paradebeispiel Kaufmann). Wenn der aber, sagen wir in zehn Jahren,
    seine strahlende Höhe verlieren sollte, wäre er trotzdem kein Bariton, weil ihm dafür der spezifische Klang fehlte, der einen Luna oder Amfortas ausmacht (Frauen wissen, was ich meine!).
    Und genau das ist derzeit bei Domingo zu beobachten: Er hat alle Töne, die ein Bariton braucht, aber sie eher klingen wie ein abgesungener Heldentenor. Was ihm trotzdem den Erfolg beschert, ist seine künstlerische Ausstrahlung und (wenn wir ehrlich sind) seine grenzenlose Popularität. (Mir war bei seinem Salzburger Luna eher zum Heulen zumute.) Aber im Zeitalter der totalen Vermarktung müssen wir wohl mit dergleichen leben.


    Es gibt noch manches dazu zu sagen. Aber eine Zäsur kann an dieser Stelle nicht schaden.


    Vorerst beste Grüße von Sixtus

    Lieber Joseph II,
    mit großer Freude habe ich die Hymnen auf Matti Salminen gelesen (ich arbeite mich nur langsam durch das Forum), und langsam kommen die Erinnerungen an meine Begegnungen mit diesem überdimensionalen Bass wieder hoch. Neben unzähligen Mitschnitten waren die markantesten Live-Begegnungen für mich folgende:


    -- Ein konzertanter Boris in einer Riesenhalle in Zürich, wo er den Saal mit seinem Volumen und der dazugehörigen Autorität füllte, damals noch im Vollbesitz seiner Kraft.
    -- Eine ebenfalls konzertante Götterdämmerung in Stuttgart, wo der Mannenruf seines idealen Hagen-Basses das Opernhaus erfüllte und er das Publikum das Fürchten lehrte.


    -- Für mich persönlich besonders markant: das Konzert der drei finnischen Bässe unter seiner Feder- und Stimmführung bei den Musikfestspielen Saar 2007, wo ich die Ehre hatte, mit launigen Moderationstexten à la Loriot durchs Programm zu führen. Am Schluss gab es dann finnische Tangos, von denen er einen selber dirigierte, während Dirigent Rasilainen sang! Stimmung pur!!
    -- Schließlich sein Besuch beim Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft 2015, wo er eine besonders launige Matinée bestritt. Dieser Mann brauchte keine Inszenierung, er war sie selbst.


    Zum Glück gibt es viele Aufnahmen von ihm, so dass wir ihn noch oft hören können. Und auch wenn er nur zu hören ist, steht augenblicklich auch die dargestellte Figur vor Augen - als Künstler-Denkmal...


    Freuen wir uns mit ihm an seiner reichen Karriere!


    Das wünscht euch allen und sich selbst


    Sixtus

    Liebe Jolanthe!
    Das ist ja ein Skandal! Da stellt mal jemand eine Sängerin zur Diskussion, an der es wirklich nichts zu meckern gibt, und kaum jemand nimmt Kenntnis davon. Und dann kommt Caruso und macht Hoffnung auf ein süffiges Gespräch - und verschwindet wieder in der Versenkung.


    Aber das ändert sich ab sofort: Ich habe diese fabelhafte Sopranistin vor einiger Zeit entdeckt bei den Rundfunkübertragungen aus der Met. Als überaus kritischer Beobachter (wie mein "Name" schon sagt) fand ich es bemerkenswert, dass es wieder eine Sängerin diesseits des Rentenalters gibt, die das Primadonnenfach des italienischen Belcanto perfeckt abdeckt. (Nichts gegen Gruberova, aber einmal muss Schluss sein, bevor die auch noch ins Baritonfach wechselt!)


    Wie diese Frau Donizettis Königinnen singt, daran hätte der Komponist seine helle Freude gehabt: mit rundem Ton in JEDER Lage, mit Verzierungen ohne die geringste Mühe, stellt sie ihre Technik vollständig in den Dienst des Ausdrucks. Und heraus kommt eine lebendige Figur, mit der der Hörer leidet - und jubelt.
    Und in vier Tagen kommt, nach Anna Bolena und Lucrezia Borgia, die dritte Königin: Elisabetta in Roberto Devereux. Ich freue mich seit langem drauf. Und hoffentlich bin ich danach nicht allein beim Kommentar darüber!


    Bis dahin beste Grüße von Sixtus

    Jetzt aber mal ehrlich, lieber Hami: Dir muss doch, ebenso wie mir, niemand erklären, dass man sich auch an einer Tragödie erfreuen kann, und sei sie noch so sperrig. Das hat uns längst Aristoteles erklärt, und wir haben es in jeder gelungenen Aufführung, sei es im Schauspiel oder in der Oper, immer wieder erlebt, wenn uns die Schauer über den Rücken laufen - sei es bei Tristan, Jenufa oder Wozzeck. (Vielleicht ist die ästhetische Freude eine Freude zweiten Grades?)


    Und was den Bildungsbürger betrifft, so wäre bei Wilhelm von Humboldt nachzuschlagen, was Bildung ist - oder sein sollte. Dessen braucht sich niemand zu schämen. Bildung, die diesen Namen verdient, lieber Zweiterbass, ist ja nicht bloßes Belesensein oder Weltläufigkeit auf einer Party, sondern bewährt sich vor allem in der ständigen Präsenz der großen Meisterwerke der Kunst, und zwar in den Köpfen und Herzen zugleich. Das wird auch dadurch nicht unwahr, dass auch Hitler für Wagner schwärmte. (Und ich bezweifle, dass er ihn wirklich verstanden hat.)


    Uff! - um mal wieder Karl May zu zitieren. Aber wozu sich echauffieren? im Grunde haben wir uns längst verstanden, sonst wären wir nicht in dieser streitbaren Runde.


    Auf, Meister, zur Tagesordnung kehrt!


    In diesem Sinne: Beste Grüße von Sixtus

    Zur Beruhigung: Ich habe natürlich nicht wirklich ein schlechtes Gewissen, wenn ich in die Oper gehe. Aber ich habe den Verdacht, dass diejenigen, denen der Zugang dazu abgeht, uns dieses einreden wollen, weil sie geistige Interessen für elitären Luxus halten. (Die Paranoia lauert überall!)


    Aber ernsthaft: Für wen wird Oper und dergleichen aufgeführt? Doch, wenn wir ehrlich sind, vor allem für die, die gern als Bildungsbürger abgestempelt werden - und das nicht aus Gründen der Ehrerbietung. Und die wollen mehrheitlich ihre Kulturgüter so präsentiert bekommen, dass sie sich daran freuen können.
    Das dürfte ziemlich genau die Grenze markieren, die auch die zeitgenössische Aufführungspraxis respektieren sollte, wenn den Verantwortlichen daran gelegen ist, dieses Publikum nicht zu vertreiben.


    Besonders wichtig scheint mir, dass das nachwachsende Publikum die Möglichkeit braucht, das Repertoire kennenzulernen, und zwar nicht nur durch technische Reproduktion, sondern lebendig im Theater - in zeitgemäßer Form mit allen Rafinessen moderner Technik, die aber nicht zum Selbstzweck verkommen und sich nicht in einen aussichtslosen Wettlauf mit den technischen Medien verrennen darf, wenn sich das Theater nicht lächerlich machen will.


    Wenn solche Gesichtspunkte ernst genommen werden, entfallen schon dadurch die groteskesten Auswüchse der Aktualisierung und der Anbiederung an das, was "in" ist. Regiekonzept ja; aber bitte mit Blick auf die Kernidee des Werkes - und nicht das Werk als Steinbruch oder gar als Vorwand für originelle Einfälle...
    Nur unter solchen Bedingungen, denke ich, kann die Gattung Oper auch heute noch ihre Existenzberechtigung testen und auch Unterstützung durch die Gesamtgesellschaft einfordern. Den Rest können wir der unersättlichen Unterhaltungsindustrie zum Fraß vorwerfen. Solange beides vermischt wird, lügen wir uns in die eigene Tasche.
    Wenn das Herr Weikl meint, können wir ihm doch im Kern zustimmen - oder nicht?


    meint Sixtus

    Nach all den Argumenten, die nicht erst in diesem Thread ausgetauscht wurden, sollte es eigentlich möglich sein, sich darüber zu verständigen, dass nach der Entwicklung der letzten Jahrzehnte ein Regisseur das Recht hat, seine Regie nach einem eigenen Konzept auszurichten. Doch sollte dieses Konzept nicht nur einen Zipfel des Werkes abdecken - und der Rest so zurechtgestutzt werden, dass es irgendwie passt, aber das Stück nicht wiederzuerkennnen ist. Vielmehr sollte er so viel Respekt aufbringen, die WESENTLICHEN ZÜGE des Werkes unangetastet zu lassen.


    An anderer Stelle habe ich das an folgendem Beispiel erläutert: Zauberflöte ohne Ägypten leidet keinen Schaden - Aida ohne Ägypten ist dagegen zerstört. Wäre das nicht ein Weg? Aber wer will ihn durchsetzen?...


    In diesem Sinne - beste Grüße von Sixtus

    Die Frage von dir. lieber Hami, hat mich nachdenklich gemacht: Wie lange hält es eine Gesellschaft aus, aus unzufriedenen Menschen zu bestehen?
    Na ja, eine Gesellschaft hält viel aus, und eine so bunte, wie wir es inzwischen sind, noch mehr. Aber sie zerfällt auch immer mehr in (Interessen-)Gruppen, die völlig unabhängig voneinander existieren. Die großen (wie Fußballfans oder andere Sportsfreunde) leben relativ am zufriedensten, halten ihresgleichen womöglich gar für die Gesellschaft schlechthin. Aber je kleiner und spezieller sie sind, desto schwieriger wird es mit ihrer Zufriedenheit. Und wenn sie dann noch von Subventionen abhängig sind wie Opernfreunde, wird es vollends prekär: Da schleppt man auch noch ein schlechtes Gewissen mit sich herum, weil man Steuergelder in Anspruch nimmt.


    Ein Ausweg? Der billigste wäre ein elitärer Hochmut, dass man einen besonders anspruchsvollen Geschmack hat. Aber damit ist in einer Demokratie auch nicht gut sein, weil man sich vor dem Massengeschmack verstecken muss. Und wer läuft schon gern mit eingezogenem Kopf durch die Welt? Vollends ärgerlich wird es, wenn wir uns in gegnerische Gruppen spalten, deren Diskussionen sich so lange im Kreise drehen, bis die Erschöpfung beide einholt.


    Könnte es sein, dass die beiden Gruppen von verschiedenen Dingen reden? Ich meine nicht nur unterschiedliche Akzente im Repertoire setzen (das sowieso!), sondern unter dem selben Begriff (wie Werk oder Regie) etwas gänzlich anderes verstehen? Dann hätten wir auf Dauer kaum eine Chance auf gesellschaftliches Überleben. Ich fürchte, wir führen diese Rückzugsgefechte. Damit will ich keineswegs Friede Freude Eierkuchen predigen - aber reine Selbstzerfleischung ist auch nicht die Lösung.


    Brainstorming ist angesagt - meint Sixtus

    Nach der Lektüre der Beiträge der letzten zwei Tage trifft es sich gut, dass ich in dieser Zeit etwas erlebt habe, was zur Entspannung beitragen könnte:


    Die Vorstellung begann zu meiner Erheiterung wie folgt: Offene Bühne. Kein Schiff, sondern ein großer, fast leerer Raum, nach hinten begrenzt durch einen überdimensionalen transparenten Fliegenvorhang, hinter dem eine Party der Matrosen stattfindet - immerhin als stumme Pantomime, denn das Orchestervorspiel ist in vollem Gange.
    Durch den Flattervorhang schiebt sich eine männliche Gestalt in den Raum und durchquert ihn, die Bewohnerin des Raumes umkreisend und deren Tun mit einer Filmkamera festhaltend - für alle Fälle. Dann ertönt die Stimme eines lyrischen Tenors, der etwas von Westwind und von einer Schiffsreise nach Osten erzählt. Jetzt haben wir die beiden Personen ausgemacht: Die Dame ist Isolde, der voyeuristische Spion Tristan!


    Sage also niemand, die Möglichkeiten der Regie seien längst ausgereizt. Ich fürchte, lieber Gerhard, du tust gut daran, dich zu entspannen - ich musste es auch. Es wurde der längste 1.Akt, den ich je durchsitzen musste. Nicht weil der Dirigent ihn verschleppt hätte, sondern weil die Regisseurin mit dieser Introduktion ihr Pulver schon fast verschossen hatte.
    Und das Beste: Ab dem 2.Akt wurde alles besser - die Musik war einfach zu stark, um sich von derlei Neckereien anfechten zu lassen. Sogar das Publikum wachte auf. Der ratlose Höflichkeitsapplaus nach dem 1.Akt verwandelte sich am Schluss in Jubel, soweit man in Kaiserslautern dazu fähig ist; denn in den Pausen hörte ich im Vorbeigehen über alles plaudern, nur nicht über das Stück oder gar die Aufführung. Wie auch - das Stück war hier bis dato unbekannt!


    Jetzt kann der erbitterte Kampf meinetwegen weitergehen, aber vielleicht etwas lockerer und entspannter. denn wir werden die Verrücktheiten unserer erodierenden Kultur nicht aufhalten - da hilft einzig Humor. Wie sagt der späte Wotan: "Zu schauen kam ich, nicht zu schaffen!" Und beim Schauen lässt sich gut lächeln...
    Falls ich eure ernsten Gefechte gestört habe, seht es mir bitte nach. Aber manchmal sollte man sich eine Pause gönnen. Denn "ernst ist das Leben, heiter ist die Kunst!" -


    meint Sixtus

    In meinem gestrigen Beitrag (16) ist am Schluss der Gaul mit mir durchgegangen mit der Formulierung "leeres Geschwätz". Was ich meinte, war: Eine Diskussion über die Aufführung von Opern läuft ins Leere, wenn die Teilnehmer immer wieder nur ihre altbekannten Standpunkte austauschen. Ich wünsche mir konkreteren Sachbezug und mehr Nähe bei dem, was hier zur Debatte steht.


    Inzwischen bin ich in einem fundierten Sachbuch ("Das Wunderwerk der Oper") des Münchner Musikwissenschaftlers Jens Malte Fischer auf eine Definition der Grenzen von Freiheit der Regiekunst gestoßen. Fischer kommt (zusammengefasst) zu dem Schluss:


    "Eine grundsätzliche Verdammung von Aktualisierungen...ist kurzsichtig; nur müssen sie sich allgemeinverständlich mitteilen können und...auch ohne die Lektüre von Programmheftartikeln verständlich sein." Andererseits müsse man die Forderung nach "Werktreue" aufgeben und durch die Forderung nach der "Realisierung der Werkidee " ersetzen.
    In diesem Zusammenhang geißelt Fischer auch die realistische Darstellung von krassen Sex- und Gewaltszenen in der Oper als peinliche Entgleisung. Er sieht darin eine "würdelose Selbsterniedrigung des Theaters von heute, sich hier in eine aussichtslose Konkurrenz zu begeben" (mit Film und Fernsehen).
    Diese Sätze sind leider nicht von mir (!), geben aber ziemlich genau das wieder, was ich, auch im Zusammenhang mit dem Bildungsauftrag, oft empfinde. Und da denke ich, hat Weikl inhaltlich recht. Auch wenn er nicht immer juristisch wasserdicht zitiert - wir wissenja, was er meint und müssen uns nicht an Spitzfindigkeiten aufhalten.


    Ich werde mir heute Abend die "Tristan"-Premiere in Kaiserslautern (!) antun, um im Merker darüber zu berichten. Vermutlich gibt es da wieder einiges zur Sache zu sagen. Ich komme darauf zurück.


    Für heute beste Grüße von Sixtus

    Diese Diskussion verspricht zu einer Neuauflage der endlosen (und fruchtlosen!) Debatten über Regietheater zu werden. Das hat Joseph II in Beitrag 5 kommen sehen und ehrenwerterweise abzuwenden versucht - leider bisher ohne Erfolg.


    Zu Weikls Ergüssen möchte ich sagen: Er hat ein Leben lang imponierend gesungen - mit dem Schreiben klappt es nicht so recht. Es ist natürlich ein Leichtes, seinen Schwulst zu zerpflücken, was hier auch ausgiebig geschieht. Aber damit ist niemandem gedient, außer den wissenschaftlichen Analytikern, die sich an seiner Prosa geüsslich laben können. Aber wenn man von seinem Stil absieht, beschreibt er etwas sehr Reales. Was er meint, ist doch die schlichte Tatsache, dass heute im Theater (nicht nur in der Oper!) Meisterwerke vielfach nicht interpretiert, sondern als Vorwand für selbstherrliche geistige Selbstbefriedigung missbraucht werden. Und dass dies nicht im Sinne des staatlichen Bildungsauftrags ist, kann in fast jeder Aufführung besichtigt werden. Daran ändern auch noch so eloquente "Argumente" nichts.


    Die Unterscheidung von Gewalt- und Sexszenen in Fernsehsendungen wie Dschungelcamp und in "anspruchsvollen" kritischen Inszenierungen klingt erst mal überzeugend. Sie übersieht (oder verschweigt!) aber, dass beides letztlich ein Vorwand für Aufmerksamkeitserregung ist: das eine direkt und plump, das andere unter dem Feigenblatt eines hehren Zwecks. Kunst braucht aber keinen Zweck; sie hat ihren Zweck in sich selbst. In Wahrheit sind beide Darstellungen unkünstlerisch: die eine ist einfach ekelhaft, die andere doktrinär und manipulativ. Solange das nicht zugegeben wird, bleibt alles Diskutieren leeres Geschwätz.


    Das meint Sixtus

    Jetzt kann ich zu dem kommen, was mir wichtig ist:
    Beim professionellen Singen gibt es einige Stolpersteine, die beachtet sein wollen - bei Strafe des Ruins der Stimme. Einer davon ist die "Deckung" der Stimme, besonders bei den Vokalen A, I und U in der hohen Lage. Das reine A wird dabei etwas abgedunkelt in Richtung offenes O (wie Ohr), das I eingefärbt in Richtung E (wie Esel), das U geöffnet in Richtung geschlossenes O (wie Ofen). Damit erreicht man, dass sich diese Vokale besser in die Gesangslinie fügen. Der Preis dafür ist allerdings eine Minderung der Wortdeutlichkeit. (Beides auszubalancieren, ist fast wie Spitzentanz.)
    Wer diese Regel missachtet, hat vielleicht kurzfristig Erfolg durch größeren Klangreichtum bei diesen Vokalen, überfordert aber auf Dauer die Stimmbänder - und ruiniert die Stimme. Prominentestes Beispiel: di Stefano; aktuellstes: Villazon. Das gilt aber auch für tiefere Stimmen. Aktueller Fall: Struckmann, der sein angestammte Baritonfach verlassen musste, weil die Höhe nicht mehr funktionierte. (Ich habe ihn bei der Schlussansprache des Sachs in Wien sogar ein E schmeißen hören! Drei Jahre später sang er dann Hagen - ohne wirkliche Bassstimme. Er hatte die Notbremse gezogen.)


    Zu den hier im Vordergrund stehenden Tenören: Ich kenne ihre Stimmen gut und schätze sie beide sehr. Aber sie sind grundverschieden: Botha singt technisch perfekt und ist nur deshalb kein Superstar, weil ihm seine Figur buchstäblich im Wege steht. Kaufmann ist einer geworden, aber beileibe nicht nur, weil er gut aussieht. Er besitzt ein reiches Material und hat sich eine Flexibilität erarbeitet, die ihm seine staunenswerte Vielseitigkeit erlaubt. Aber er gefährdet die Dauer seiner Karriere, indem er zu viel singt (nicht zu vielerlei, das hält die Stimme eher flexibel; aber zu oft). Doch wir dürfen, glaube ich, seinem Otello und Tristan noch getrost entgegen sehen.


    Es gibt darüber noch viel zu sagen; aber ich möchte nicht monologisieren. Ich bin gespannt auf den weiteren Gesprächsverlauf.


    Beste Grüße von Sixtus

    Liebe Freunde großer Stimmen!


    Beim Schmökern in alten Threads, die lange vor "meiner" Zeit entstanden entstanden und immer noch lebendig sind, habe ich mich an diesem Thema festgebissen und bin über die große Sachkenntnis der Beteiligten so erstaunt, dass ich mich gern in das Gespräch einklinken würde, zumal es sich um eines meiner Leib- und Magenthemen handelt. Besonders zum Thema Vokalverfärbung würde ich gern einiges Ergänzendes beitragen.


    Aber jetzt muss ich erst mal unterbrechen - ich muss mich trivialeren Dingen dringend zuwenden. Bis später!


    Beste Grüße von Sixtus

    Lieber Operus!
    dein Hinweis auf deinen Bericht von der Stuttgarter Tosca assozierte auch bei mir eine Erinnerung an diese Oper in Stuttgart in grauer Vorzeit. Das Stück diente damals als Vorlage für "Festliche Opernabende", weil es praktisch mit den Sängern der drei Hauptrollen steht und fällt.


    Die für mich markanteste Vorstellung war ein Doppelgastspiel Renata Tebaldi (damals die Tosca mit der schönsten Stimme, die allerdings mit dem bloßen Stimmbesitzer Eugene Tobin als Cavaradossi vorliebnehmen musste) - und vor allem George London, der neben Gobbi und Taddei wohl eindrucksvollste Scarpia dieser Ära, ein Sänger/Darsteller aus einem Guss, der auch den abgebrühtesten Zuhörer/Zuschauer das Fürchen (und das Schwelgen!) lehrte! Es freut mich zu hören, dass es für solche Künstler auch Nachfolger gibt wie Terfel, Volle - und eben Sebastian Holececk.


    Herzliche Grüße von Sixtus!

    Nach mehr als drei Wochen Sendepause lese ich grade nochmal dieses Thema nach. Da fällt mir noch ein markantes positives Beispiel ein:


    Michael VOLLE ist grade dabei, seine Karriere als Sängerdarsteller zu krönen. In einem Repertoire, das die größten Anforderungen stellt, bewältigt er grade die schwersten Brocken: den Sachs (mühelos!) - und demnächst den Wotan. Und, besonders bemerkenswert: In Wien hat er kürzlich eine Winterreise gestaltet, fast ohne sich zu bewegen, nur mit seiner prachtvollen, modulationsfähigen und ausdrucksstarken STIMME - und das Publikum ist ihm atemlos gefolgt.


    Sollte dieses Thema, wie die lange Pause andeutet, erschöpft sein (und zwar im positiven Sinne!), dann hätte ich einen Anschluss zu bieten, der es, wenn auch mit anderem Akzent, fortsetzt und weiterführt. Am Beispiel des eben genannten Sängers lässt sich nämlich veranschaulichen, was einen großen Sänger ausmacht. Neben den schon genannten Qualitäten ist es meiner Ansicht nach der innere Reichtum, der sich in der Stimme manifestiert: sein persönliches TIMBRE.


    In meinem neu eröffneten Thread DIE MENSCHLICHE STIMME - FINGERABDRUCK DER SEELE, den ich wohl etwas voreilig angestoßen habe und der noch keine Interessenten anlocken konnte (warum, darüber kann ich nur mutmaßen), gedenke ich über die Potenziale der Stimme zu diskutieren, die im heutigen hektischen und perfektionierten Opernbetrieb leider zu kurz kommen: die Potenziale der unverwechselbaren, von der Persönlichkeit nicht zu trennenden reichen Stimme, wie sie in Sängern wie Fritz Wunderlich, George London oder (aktuell) Sondra Radvanovsky immer wieder evident wird.


    Ich kann mir vorstellen, dass der hier aktive Kreis von abgebrühten Kennern dazu einiges Kompetente sagen könnte - und freue mich über jeden, der das Gespräch belebt.


    Mit den besten Grüßen von Sixtus

    Beim Blättern in den verschiedenen Themen entdeckte ich, dass hier vor genau drei Wochen ein ziemlich lebendiger Diskurs plötzlich abbrach. Das finde ich schade - und wüede mich freuen, wenn wir den Faden wieder aufnehmen könnten.
    Vielleicht darf ich, bis es geschieht, einen Brückenschlag versuchen zu meinem neuen Thema "Die menschliche Stimme - Fingerabdruck der Seele", die grade noch etwas Ladehemmungen beim Start hat. (Ist es Unsicherheit - oder der Glaube, alles schon zu wissen?)


    Wir wissen ja, dass grade Wagner, besonders mit seinen hochdramatischen Partien wie Tannhäuser, Tristan, Siegfried, aber auch Brünnhilde und Tsolde - und Wotan! - so manche Sängerkarriere "ruiniert" hat. Meine Meinung dazu ist: Nicht Wagner trifft die Schuld, sondern forcierte Planung, Ungeduld und falscher Ehrgeiz der betroffenen Sänger, unterstützt durch eine Vermarktung, die buchstäblich über die Leichen (der Stimmen) geht.


    Das sensible Instrument Stimme will behutsam eingesetzt werden. Nur dann kann es, wie alles Lebendige, wachsen und reifen. Wird das Tempo forciert, bricht irgendwann das, was wir bei der Uhr die Unruhe nennen, die alles in Bewegung hält - die Triebfeder. Es ist noch kein Tristan vom Himmel gefallen. Die meisten kommen entweder vom lyrischen Fach (Tamino, Micaela) über das das Zwischenfach (Max, Agathe) zum schweren Fach. Die anderen, die den Weg abkürzen wollen, stranden meistens früher oder später. Und die meisten tun klug, wenn sie begreifen, dass auch das lyrische oder das Zwischenfach nicht das schlechteste Endziel ist.


    (Bei der Gelegenheit könnten vielleicht auch einige, die mich wegen einer Meinungsdifferenz auf eine Ignorierliste gesetzt haben, zu der Erkenntnis kommen, dass man einen vermeintlich ungenießbaren Apfel auch aussortieren kann, statt die ganze Kiste zu entsorgen. Außerdem bin ich ja erst "Schüler", also noch lernfähig!)


    Bis bald mal wieder - hofft Sixtus

    Ohne wieder in die alte Falle zu rennen, möchte ich für die Diskussion noch eines zu bedenken geben: Sänger und Dirigent sind natürliche Freunde und wollen möglichst auf kürzeste Distanz gehen: von Pult zu Rampe. Sänger und Regisseur dagegen sind eher natürliche Feinde, weil die Tonproduktion den kürzesten Weg zum Publikum sucht, und der führt nicht vom Kopfstand über den Rundhorizont. Dem Regisseur dagegen ist weniger am Ton gelegen als an der Gruppendynamik. Wenn diese Gegensätze versöhnt werden, spricht man von einer guten Aufführung. Oder?


    Wer dem zustimmen - oder widersprechen will, der trete vor!


    Das wünscht sich Sixtus

    Lieber Dr.Pingel,
    unter Druck habe ich mich selber gesetzt. Ich hätte ja sagen können: Langsam, Wozzeck, langsam! Lass mir ein paar Tage Zeit!
    Aber Spontaneität kann ja auch ein positiver Aspekt sein.
    Danke für deinen ersten Beitrag, dem ich nichts hinzufügen kann - außer: Keine Regel ohne Ausnahme.


    Ich selbst hatte mit Chorgesang nur in meinen Zwanzigern zu tun, als die Stuttgarter Staatsoper die Gesangsschulen der Stadt abgraste, um Nachwuchs für ihren Sonderchor zu rekrutieren, der bei den großen Choropern eingesetzt wurde. Bei den Meistersingern (Beginn 18 Uhr) waren wir erst auf der Festwiese dran (gegen halb elf). Ich war der einzige vom Sonderchor, der schon während der Ouvertüre (verbotenerweise!) in der Gasse stand, um die Vorstellung zu verfolgen. Ich wollte das Stück erleben! Kein Wunder, dass ich auf meine alten Tage immer noch so ein Opernnarr bin.


    Beste Grüße von Sixtus

    Darf ich daran erinnern, dass mein Gedanke, gelegentlich ein neutraleres Thema aufzurufen, von Dr. Pingel aufgenommen und zeitlich forciert wurde?


    Ich habe die Aufforderung angenommen und um Mitternacht den Thread "Die menschliche Stimme - Fingerabdruck der Seele" angestoßen. Wen es interessiert - und wer vom hiesigen Thema nichts mehr wissen will (wie inzwischen auch ich), ist herzlich eingeladen zu einem Disput über Stimme, Gesang und Sänger (oder, politisch korrekt: Sängerinnen und Sänger!).


    Für Streithähne: Auch bei diesem Thema lässt sich sicher mancher Ausflug in politische Gefilde nicht ganz vermeiden. Aber meine Bitte wäre: ohne Tretminen!


    Beste Grüße von Sixtus

    Es trifft sich gut, dass noch niemand den nächtlich entstandenen Prolog samt Tippfehler im Titel entdeckt zu haben scheint. (Die erste Fassung war plötzlich weg, und ich musste sie, genervt, aus dem Gedächtnis um Mitternacht nochmal schreiben! Dieser Dr. Pingel bringt mich ganz schön auf Trab...) Jetzt, nach dem Frühstück, kann ich alles in Ruhe abrunden, und dann kann die erste Runde beginnen.


    Sängerkarrieren haben oft seltsame Anfänge: Eltern, die selber Sänger sind, schleusen ihr eigenes Kind hinter die Bühne, lassen es im 3.Tosca-Akt den Hirten aus dem Off trällern - und setzen damit dem Kind einen gefährlichen Floh ins Ohr: den Wunschberuf Sänger. Alles, was man zu diesem Zeitpunkt sagen kann, ist, ob es musikalisch ist. Alles andere entscheidet sich in der Pubertät.


    Andere beginnen in einem Kinderchor. Auch hier sit die Prognose nicht viel aussagekräftiger. Nur das Gehör wird trainiert, und das ist nicht wenig. Aber nicht jeder Chorknabe wird ein Adam oder ein Schreier. Und außerdem gibt es schönere Stimmen. Die Papes aber sind dünn gesät.
    Mit einem Grundirrtum ist aufzuräumen: Chorgesang und Sologesang haben wenig miteinander zu tun. Während im Chor die Einzelstimme nicht herauszuhören sein darf, wird vom Solisten grade das verlangt.


    Vielleicht stehen hier schon (unbeabsichtigt!) die ersten Sätze mit Zündstoff; aber das wird nicht das letztemal vorkommen. Ich übergebe jetzt das Wort denen, die nicht länger warten wollen. Bis bald!


    Besten Gruß von Sixtus

    Solange es die Oper gibt, also mehr als vier Jahrhunderte, steht die menschliche Stimme im Fokus der Gattung. Orfeo erweicht die Götter und die Furien mit seinem Gesang, Don Giovanni verführt die Frauen reihenweise mit dem Schmelz seiner Kantilene, der Herzog von Mantua erobert unschuldige Mädchen wie abgebrühte Lockvögel mit tenoraler Sinnlichkeit. Carmen und Dalila unterwerfen sich ihre Opfer mit erotischen Klängen, Marina stachelt Dimitrij mit üppigem Melos zur Usurpation des Zarenthrones auf.


    Doch damit nicht genug: Ariadne und Bacchus singen aneinander vorbei, und nur ihr Gesang verwandelt den Unsinn ihrer Worte in einen neuen, gesungenen Sinn, den nur die wissende Zerbinetta versteht: Kommt der neue Gott gegangen, hingegeben sind wir - stumm... Die menschliche Stimme umgibt ein Geheimnis, das Hass und Fremdheit in Liebe verwandelt. Selbst rebellische Freigeister wie Mozart, Verdi und Wagner haben sich ihrer Macht bedient, wenn sie ihre Zuhörer erschüttern wollten.


    Kenner und Betroffene bestätigen immer wieder, dass dieses Instrument unter allen das ist, das am schwersten zu erlernen und zu beherrschen ist - wie die Karrieren vieler Shootingstars bezeugen, die raketenhaft aufstiegen - und plötzlich verpufften.


    Dieses hymnische Vorwort war nötig, um die Bedeutung der anstehenden Fragen zu umreißen.


    Wir sollten damit beginnen, wie künftige Sänger die ersten wichtigen Entscheidungen treffen: Welche Stimme schlummert in mir? Wie finde ich den richtigen Lehrer? Wie baue ich meine Karriere auf?


    Wer an solchen Fragen interessiert ist, den lade ich ein, an diesem Gespräch teilzunehmen.


    Morgen können wir anfangen - meint Sixtus

    Lieber Dr. Pingel!
    Aufforderung dankbar angenommen. Ich hatte zwar gedacht, es wird noch Zeit gebraucht zum Wunden lecken; aber an mir soll es nicht liegen.
    Ich bitte nur noch um ein paar Stündchen Zeit, damit ich nach dieser Überraschung - analog zu den Regisseuren! - ein Konzept entwickeln kann! Es soll ja professionell aussehen...
    Bis zum späteren Abend - beste Grüße von Sixtus