Beiträge von Sixtus

    Manchmal lohnt sich das Schmökern in alten Threads. Aber diesmal ganz besonders.
    Die Auseinandersetzung über "Così fan tutte", vor zehn Jahren begonnen, vorübergehend auf Eis gelegt, dann weitergeführt und vor sechs Jahren (vorläufig?) beendet, hat den Charakter einer Konversation auf durchgehend hohem Niveau. Ich habe das Ganze (denn es ist ein Ganzes) mit Freude gelesen, dabei oft zustimmend genickt - und vor allem für meine eigene Auseinandersetzung mit dieser Materie neue Erkenntnisse gewonnen.
    Ich möchte, in aller Bescheidenheit, einen Aspekt hinzufügen, der mich zur Zeit umtreibt:
    Der Operntitel dürfte / sollte, aus heutiger Sicht, gern auch "Così fan tutti" heißen. Ich bin der Ansicht, dass in dieser Oper (zeitbedingt) ein zutiefst menschliches Problem einseitig auf Kosten der Frauen diskutiert wird. Das ändert aber nichts daran, dass ich dieses Stück für eines der genialsten der gesamten Opernliteratur halte.
    Dass der Schluss der Oper etwas unbefriedigend ist, ist den Konventionen der damaligen Zeit geschuldet. Selbstverständlich gehören die Paare so zusammen, wie sie im Verlauf der Handlung zusammengefügt werden - und wie es die Opernlogik auch erfordert. Aber wir können die Historie nicht beliebig umschreiben.
    Nochmals, mit herzlichen Grüßen, meine Hochachtung allen Beteiligten in grauer Vorzeit!
    Sixtus


    p.s. Damit es doch noch etwas zu lachen gibt: In einem anderen Thread, den ich jetzt nicht so schnell auffinden kann, hat jemand Don Alfonso allen Ernstes unter die größten Opernschurken eingereiht. Ich würde ihn eher zu den Aufklärern zählen - zu denen, die uns von Illusionen befreien...

    Mag sein, lieber Rüdiger, dass ich den Feldmarschall etwas überschätze. Aber seine Abwesenheit (auf die es mir ankam) halte ich doch für eminent wichtig, und das aus einsichtigen Gründen. Seine Frau achtet jedenfalls sehr genau auf die Gefahr seiner vorzeitigen Heimkehr...
    Ein weiterer Abwesender scheint mir auch unentbehrlich zu sein: Hundig ist im 1.Akt nur eine Viertelstunde auf der Bühne. In der Viertelstunde davor und der halben Stunde danach werden aber wichtige Weichen gestellt, die auch ihn betreffen.
    Man sollte also besser nicht allzu lange von zuhause wegbleiben. So viel zu Oper als Lebenshilfe.
    Herzliche Grüße von Sixtus

    Auch ich schließe mich der Beurteilung durch die Beiträge 32 bis 35 an:
    Zuverlässigkeit, Wortdeutlichkeit und Stehvermögen sind zwar wichtige Eigenschaften von Sängern. Aber um ein großer Sänger zu sein, sollte er auch die passende Klangfarbe besitzen - oder genauer: die passenden Klangfarben für die Partien seines Faches. Ich bin Heldenbaritonen dieses Typs nach Möglichkeit aus dem Wege gegangen. Sie sind mir für diese Charaktere zu hell, zu flach im Ton.
    Selbst ein Fischer-Dieskau war als Sachs oder gar Wotan ein Fehlgriff, für den allerdings auch Dirigenten wie Kubelik und Karajan mitverantwortlich sind. Diese Partien, auch der Holländer, brauchen sonore, dunkle und voluminöse Stimmen wie G.London, F.Frantz und der junge Hotter. Sie sind allerdings inzwischen rar geworden, weil die Ansprüche des Publikums mangels Kenntnissen von Gesang alarmierend zurückgegangen sind - meint, mit herzlichen Grüßen,
    Sixtus

    Der wegen Krankheit abwesende Niklaus Vogel (in meinem Beitrag 34) brachte mich auf einen viel wichtigeren Abwesenden: den FELDMARSCHALL im Rosenkavalier - vielleicht die wichtigste Person in dieser Oper.
    Über die Gründe dafür sind zwei weitere Protagonisten zu befragen: die Marschallin und ihr Quinquin alias Oktavian. Mehr muss ich nicht verraten. Aber jeder Leser darf sich selber fragen, ob er auch schon mal in einer ähnlichen Situation war wie einer von den dreien... Hoffentlich ist es nicht der FELDMARSCHALL !
    Nachdenkliche Grüße von Sixtus

    Liebe Verdi-Freunde (zu denen ich mich auch zähle)!
    Mit wachsendem Respekt vor den hier ausgebreiteten Kenntnissen und der eindrucksvollen Begeisterung vor Verdis Werk habe ich große Teile dieses Threads, den ich erst jetzt entdeckt habe, gelesen - und habe das Bedürfnis, den Beteiligten meine Anerkennung auszusprechen. Bisher habe ich mich für einen Kenner seiner Opern gehalten; aber ihr habt mich eines Besseren belehrt. Zumindest was die Vollständigkeit einiger Musiksammlungen in den heimischen Regalen betrifft. Chapeau!
    Das Streben nach Vollständigkeit birgt aber eine Gefahr: Irgendwann hört man auf, kritisch zu hören, d.h. auf Unterschiede zu achten hinsichtlich des Niveaus, der gelungenen Form etc.
    Ein Beispiel. Zwei Opern, die Verdi zeitnah komponiert hat, sind in diesem Sinne nicht miteinander zu vergleichen. Beide sind bedeutende Verdi-Opern, aber ich würde sie nicht in einem Atem nennen: Simon Boccanegra - und Ballo in maschera. Den Ballo nehme ich uneingeschränkt mit auf die einsame Insel, der Boccanegra beginnt für mich als inspirierte Musik erst richtig mit Fiescos Klage-Arie. Und auch Teile des 1.Akts sind, auch nach der späteren Bearbeitung, für Verdis Verhältnisse unbefriedigend. Wir werden entschädigt durch das grandiose 1.Finale und durch vieles aus den Akten 2 und 3 samt dem ergreifenden Schluss, aber die ganze Oper ist (wegen des schwachen Librettos) nicht von einheitlichem Niveau. Verdi wusste das uns hat versucht, es mit Boitos Hilfe zu ändern - mit begrenztem Erfolg. Trotzdem darf das Stück mit Recht als bedeutender Verdi gelten. Dagegen ist der Ballo ein Juwel aus einem Guss.
    Um den Kontrast auszuweiten: Kurz davor entstanden die Vepres siciliennes, eine Grand opéra, die für die Bühne kaum zu retten ist. In Paris sieht man das sicher anders, in Sizilien vielleicht auch, aber nicht aus künstlerischen Gründen. In dieser Oper gibt es vor allem zwei inspirierte Stücke: die mitreißende Ouvertüre und die prächtige Bass-Arie. Dann noch einiges, was Effekt macht, aber das ist für eine dreistündige Oper zu wenig.
    Ich habe jetzt nur 3 Opern des mittleren Verdi herausgegriffen. Die Vergleiche ließen sich erst recht beim frühen Verdi anstellen. Da dürften, vor dem Rigoletto, nur Ernani, Attila, Macbeth und Luisa Miller ALS GANZES Verdis eigenen Maßstäben standhalten. Die anderen enthalten natürlich viele schöne Melodien und dankbare Partien; aber als Dramma per musica halten sie, meiner Meinung nach, die Spannung nicht durch. Auch der berühmt gewordene Nabucco verdankt seinen Ruhm vor allem dem Gefangenenchor.
    Ich meine, bei aller Begeisterung für Verdi (die ich teile) darf ein wenig Differenzierung erlaubt sein. Nur so kann die nötige Wahrhaftigkeit gewahrt bleiben - meint, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

    Dass ein Thread nach so langer Pause wieder aufersteht wie Phönix aus der Asche, spricht schon allein für die Qualität des Gegenstands. Und da kann ich auch nicht widerstehen, meine vielen beglückenden Stunden mit dieser Stimme ans Licht zu heben.
    Von allen Tenören, die mir je begegnet sind, hat kaum ein anderer bei mir immer wieder so ungetrübte Freude ausgelöst wie Jussi Björling. Besonders zwei Gesamtaufnahmen haben mich lebenslang begleitet: die Beachum-Bohème und der Cellini-Trovatore.
    Mit ersterer verbinden mich zwei Gastspiele in Stuttgart Ende der Fünfziger: Leider waren es zwei getrennte Aufführungen der Bohème: einmal mit Björling, das andere Mal mit De los Angeles. (Beide zusammen war wohl zu teuer.) Das löste bei mir dann den Kauf der Beecham-Eispielung aus, wo sie beieinander sind. Die beiden Stimmen passen so ideal zusammen, dass es ein ungetrübter Genuss ist, sie zusammen zu hören.
    Die Trovatore-Einspielung mit den "vier besten Sängern der Welt" lege ich oft auf, wenn ich mich eine ganze Oper lang nicht über Sänger ärgern will: über technische Schwächen, über Unarten, über Mittelmaß jeder Art. Hier stimmt einfach alles. Und bei dieser Oper muss der Dirigent auch nicht überragend sein - ein guter Begleiter tut´s auch.
    Björling ist für mich die Inkarnation von Musikalität, Klangschönheit und fokussiertem Stimmsitz. Ein Stimmenkenner wie Jürgen Kesting hat mir dann später in seinen Rundfunkvorträgen noch weitere Details über diese Stimme vermittelt.
    Ein biografischer Treppenwitz ließ ihn auch noch im gleichen Alter sterben wie Enrico Caruso.
    Jede Kritik wird angesichts dieser Stimme zur Mäkelei - meint (sogar!), mit herzlichen Grüßen, Sixtus

    Manchmal lohnt es sich, einen älteren Thread, den man schon öfters gedankenlos überblättert hat, einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Selbiges tat ich soeben, gedachte den Nachtwächter aus den Meistersingern beizusteuern, musste aber sehen, dass ich da viel zu spät dran war. Aber manchmal hat sogar Sixtus einen Einfall. Ecco:
    Es handelt sich zwar nicht um einen Solitär, aber dafür um eine geballte Ladung von Wurzen (übrigens ein Wiener Ehrentitel für die Winzlinge unter den Opernrollen):


    Kunz Vogelgesang,
    Hermann Ortel,
    Baltasar Zorn,
    Konrad Nachtigall,
    Augustin Moser,


    Ulrich Eißlinger,
    Hans Foltz,
    Hans Schwarz.


    Sie haben alle so gut wie nichts zum Geschehen beizutragen, sind gleichsam Staffage um der Vollständigkeit willen, damit die Atmosphäre der Meisterzünfte anschaulich wird. Und wenn das noch nicht genügt, verweise ich auf die Leerzeile in der Aufzählung der Namen. Die ist zu füllen mit :


    Niklaus Vogel? - Schweigt?
    (Lehrbube:) Ist krank.
    (Kothner:) Gut´Bess´rung dem Meister!
    (Die Meister:) Walt´s Gott!
    (Lehrbube:) Schön´Dank!


    Diese aparte, ja liebevolle Anekdote im ersten Akt verweist übrigens alle aktuellen Versuche, Wagners WERK antisemitische Züge anzudichten, ins Reich der boshaften Unterstellungen. Wagner war wohl Antisemit (wie viele damals). Aber in seinen Opern dergleichen zu suchen, zeugt, gelinde gesagt, von ideologischer Verblendung. Grade in den Meistersingern geht es vor allem um Kunst. Und in dieser Szene wird das spätmittelalterliche Nürnberg in seinen Bemühungen um die Kunst mit liebevoller Ironie anschaulich vorgeführt.
    Lassen wir uns also die Freude an diesem Meisterwerk auch in Zukunft nicht verderben -
    meint, mit herzliichen Grüßen, Sixtus

    Zu meinem gestrigen Bericht von der Rundfunkübertragung (Ö1) der Carmen, der in der Eile etwas summarisch geraten war, noch einige Ergänzungen, die mir beim sorgfältigen Abhören des Mitschnitts aufgefallen sind:
    Die vier Hauptpartien waren durchweg mit großen, dramatischen Stimmen besetzt, ohne dass dabei der elegante französische Stil verloren gegangen wäre. Auch voluminöse Stimmen können, wenn ihre Technik professionell ist, durchaus bei Bedarf die feineren Verzierungen glaubwürdig ausführen. Und das war hier der Fall. Und grade in großen Häusern große Stimmen den schlanken vorzuziehen, jedenfalls bei dramatischen Opern.
    Eine kleine Einschränkung: Pjotr BEZCALA sollte für den Don José sein Französisch dringend verbessern. Er singt das unbetonte e (wie bei autre) zu offen, fast wie ä. Spätestens in Paris nimmt man ihm das sicher übel. (Es sollte aber auch in Wien den zuständigen Sprach-Coachs auffallen.) Das beeinträchtigt seine ansonsten astreine Interpretation und lässt sich durchaus abstellen.

    Das war wieder eine Rundfunkübertragung, bei der das Zuhören Freude macht.
    Von den vier Protagonisten gaben drei ihr Rollendebut an der Staatsoper, und auch der Dirigent war ein frischer Import. Das Beste aber: Sie überzeugten allesamt. Und auch der Vierte, ein altbewährter Garant für rollendeckende Interpretationen, erwies sich erneut als sichere Bank: Carlos ALVAREZ blieb als Escamillo nicht hinter den Erwartungen zurück. Sein Torerolied begeisterte restlos durch nuancenreiche Dynamik und viriles Timbre. Man sah ihn vor sich, den siegreichen Toreador.
    Margarita GRITSKOVA überzeugte in der Titelpartie auf Anhieb. Ihre Stimme hat die gebotene Leichtigkeit und den verführerischen Klang. Aber sie weiß auch die Akzente so zu setzen, dass ihr die Männer zu füßen liegen. Und der Don José von Pjotr BECZALA wusste die zunehmende Hörigkeit in tenoralen Ausdrucksgesang umzusetzen. Man nahm ihm seine Schwäche ab, weil er sie in jedem Moment durch den Stimmklang beglaubigte. Die Blumenarie verfehlte ihre Wirkung aufs Publikum nicht. Schließlich Olga BEZSMERTNA als Micaela: Sie gab der Unschuld vom Lande die nötige Zartheit, wusste aber auch durch dramatische Akzente ihre Verzweiflung auszudrücken.
    Die übrigen Rollen waren, für ein Haus wie dieses keine Überraschung, sämtlich zufriedenstellend besetzt. So war es für den Dirigenten Jean-Christophe SPINOSI, aus Korsika stammend, hörbar eine Freude, mit diesem Ensemble - und vor allem mit diesem Orchester, Funken aus der Partitur zu schlagen.
    Für das Auditorium kam noch eine Freude hinzu: Die Produktion hat sich in Jahrzehnten bewährt. Sie wurde einst von Franco Zefirelli geschaffen. Leider war das am Lautsprecher nicht zu sehen - zu spüren war es schon.
    Herzliche Grüße von einem zufriedenen Sixtus

    Noch ein Gedanke zur eigentlichen Oper des Ariadne-Gespanns:
    Dass hier durch die Willkür eines reichen Banausen die beiden gegensätzlichen Formen der Opera seria und der Opera buffa zu einem Zwangsgespann zusammengeschweißt werden, ist ein extremer Fall jener Künstlichkeit, die ja der Gattung Oper insgesamt nachgesagt wird. Dass dies nicht immer nach jedermanns Geschmack sein kann, leuchtet mir ein.
    Ich glaube, auf diesem Niveau können wir getrost gegenseitig Toleranz walten lassen, ohne uns etwas zu vergeben. Eines ist uns doch gemeinsam: dass wir diese ganz und gar künstliche Gattung Oper als etwas für uns Natürliches empfinden. Und das hat etwas sehr Beruhigendes.
    Ich habe grade die Wiener Carmen ganz gehört. Und bei der können wir uns sicher darauf verständigen, dass sie (zumindest ihre akustische Seite) wieder ein gelungener Opernabend war. Mal sehen, wer morgen der Schnellste ist, um darüber zu berichten. Gute Nacht und herzliche Grüße von Sixtus

    Beim Schmökern in diesem Thread stieß ich auf einen Beitrag, in dem sich Bertarido über Straussens Ariadne ziemlich negativ ausließ. Das ist natürlich jedermanns gutes Recht. Aber in diesem Fall glaube ich, dass hier wohl einiges in der Rezeption schief gelaufen sein muss, wenn ein so versierter Forianer diese Oper nicht ernst nehmen kann.
    Ich bitte dich, lieber Bertarido, meine folgenden Gedanken nicht als Bevormundung misszuverstehen, sondern als Hinweise auf Aspekte, die dir vielleicht bisher entgangen sind.
    Zur Klärung: Ich spreche hier von der Wiener Endfassung. (Die Stuttgarter Erstfassung wurde ja von den Autoren nicht ohne Grund verworfen, weil Oper und Schauspiel sich einer Vermischung verweigern.)
    Das Vorspiel besticht vor allem durch seine kammermusikalische Transparenz im Buffa-Stil sowie durch zwei wunderbare Figuren: die köstliche Sprechrolle des arroganten Haushofmeisters (eine Paraderolle für viele Komödianten) und durch die poetische Hosenrolle des jungen Komponisten, der sich in der realen Welt erst zurecht finden muss. Und dafür sorgt vor allem Zerbinetta, die ihm auf ihre Weise erklärt, wie das Leben geht.
    Die Oper selbst beginnt mit einer bewusst monotonen Ouvertüre, die den trostlosen Zustand der verlassenen Ariadne veranschaulicht. Es geht deprimierend weiter mit den drei in Schönheit klagenden Naturgeistern. Jetzt muss dringend etwas geschehen! Und es geschieht: mit dem Auftritt der Zerbinetta und ihrer Gesellen, die aus einer ganz anderen Welt kommen und völlig an Ariadne vorbei reden (wie es manchmal auch hier im Forum geschieht).
    Ganz nebenbei werden zwei Arien gesungen, die verschiedener nicht sein können, aber beide von großer Schönheit. Erst als die Komödianten ratlos aufgeben wollen, wendet sich das Blatt: Die mythische Figur Ariadne findet ihr passendes Pendant im mythischen Bacchus. Und, man fasst es kaum: auch sie reden unentwegt aneinander vorbei, und das zu immer üppigerer werdender Musik. Sie finden via Missverständnisse zueinander, bleiben einander so fremd, wie eben Mann und Frau einander fremd bleiben (müssen). Sie können einander nicht verstehen - nur lieben. Und das alles besorgt gründlich - die Musik, die am Schluss über die Liebenden ihren ominösen Baldachin herabsenkt. (Nur noch kommentiert von Zerbinettas "Hingegeben sind wir - stumm - stumm..."
    Lieber Bertarido, ich hoffe, ich habe dich weder bevormundet noch gelangweilt. Wenn nicht, dann empfehle ich, dir als Abshluss eine der hier schon erwähnten guten Aufnahmen zu Gemüte zu führen. Bis dahin herzliche Grüße von Sixtus

    Bisher habe ich das auch so gesehen. Aber gestern habe ich es anders vorgefunden - und geglaubt, ich hätte vielleicht durch meine längere Zwangspause etwas nicht mitgekriegt.
    Wie dem auch sei: Ich kann mit der bestehenden Einteilung gut leben, finde aber meinen alternativen Vorschlag nicht ganz abwegig, weil dabei die akustische Seite der Aufführung betont wird.
    Warten wir ab, wie der Meister das sieht.

    Gestern habe ich einen Bericht über eine Rundfunkübertragung aus der MET ins Opernforum gestellt. Danach bekam ich den Hinweis, dass schon ein anderer Bericht darüber in der Rubrik "Gestern in der Oper" steht. Der Grund: Die Vorstellung wurde parallel auch in den Cinestar-Kinos gesendet.
    Mein diesbezüglicher Vorschlag an Alfred: Könnten diese beiden Rubriken deutlicher voneinander getrennt geführt werden, um solche Verirrungen zu vermeiden? Also Kino bei "Gestern..." und Rundfunkübertragungen weiterhin bei "Funk u.Fernsehen"?
    Ich würde gern einen persönlichen Akzent auf Berichte über Funk-Mitschnitte legen, weil mir die Sänger besonders wichtig sind, einschließlich der gesangstechnischen Aspekte. Bei den rein akustischen Übertragungen achtet man ja viel detaillierter auf die Stimmen als bei einer Übertragung der ganzen Aufführung. Dabei könnten sich interessante Vergleiche ergeben. Herzliche Grüße, mit der Bitte an Alfred um eine Stellungnahme, von Sixtus

    Da habe ich etwas übersehen: Ich vermisste in der Rubrik Oper in Rundfunk und Fernsehen einen Bericht über ebendiese Tosca - und stellte selber noch einen Bericht dort ein. Er weicht in manchem vom hiesigen Bericht ab, was wohl teilweise auch daran liegt, dass ich nicht im Kino war, sondern die Übertragung vom Rundfunk mitgeschnitten habe.
    Ich war jedenfalls vom akustischen Eindruck sehr zufrieden mit dem Scarpia von Lucic - und begeistert von der Tosca der Yoncheva. Auch der Dirigent kam im Radio sehr gut rüber. Außerdem achtet jeder auf andere Aspekte. Bei mir liegt der Schwerpunkt in der Regel bei den Sängern.
    Herzliche Grüße von Sixtus

    Leider war auch ich verhindert, mir die MET-Tosca am letzten Samstag anzuhören. Aber ich habe sie aufgezeichnet, und beim Abhören dachte ich: Das darf man nicht einfach übergehen.
    Wir erinnern uns: Da blieb kein Stein auf dem andern. Zuerst sagten Terfel , Kaufmann und Opoleis ab, dann fiel auch noch der Dirigent aus delikaten Gründen aus. Und, man glaubt es kaum, die Aufführung wurde nicht nur hörenswert, sondern teilweise sensationell, vor allem dank einer echten Senkrechtstarterin in der Titelpartie. Aber auch der Bariton machte seiner Stimmlage alle Ehre. Der Reihe nach:
    Der Einspringer am Pult, Emanuel Villaume, war offenbar mit dem Stück mehr als vertraut. Er ließ keinen Knalleffekt aus, hielt die Spannung durch und war den Sängern hörbar ein wissender Partner. Er führte Vittorio GRIGOLO, der als Cavaradossi hörbar an seiner Grenze sang, sicher durch die heiklen Stellen. Der Tenor hatte zwar alle Töne, sowohl in der Lage wie in der Dynamik, und er sang um sein Leben. Aber es fehlte (vielleicht grade deshalb) die Geschmeidigkeit im Klang. Auch war ein Zittern in der Stimme nicht zu überhören.
    Umso erfreulicher die Leistungen der beiden anderen Protagonisten: Zelko LUCIC sang den Scarpia mit Legatotechnik und flüchtete sich nicht ins Brüllen. Das tat der Partie sehr wohl, gab ihr statt bloßer Brutalität echte Hintergründigkeit und den schleimigen Charme, den dieses Monster braucht. Kurzum: Die Partie wurde gesungen! Dass er im Tedeum nicht über dem Orchester stand, tat der Leistung kaum Abbruch.
    Doch das Beste zuletzt: Sonja YONCHEVA kam, sang und siegte. Keine Phrase ohne Puccini-Glanz. Eine voluminöse Höhe voller strahlender Dramatik, ohne Einbuße an weicher Fülle. Vissi d´arte war ein Genuss und wurde emphatisch bejubelt. Ich wage die Behauptung, sie hat auf Anhieb in dieser Partie wenig Konkurrenz.
    Das zu berichten, freut sich, mit herzlichen Grüßen - Sixtus

    Beinahe hätte ich geschrieben: "Euch macht ihr´s leicht, mir macht ihr´s schwer..." Aber da hätte ich mich an einer Partie vergriffen, die ich nie ernsthaft angestrebt habe. Außerdem: "Io non sono che un critico!"
    Jetzt verzichte ich drauf, mich bei allen, die mir Glück wünschen, namentlich zu bedanken. Ich sage nur: Ich bin gerührt! Außerdem komme ich grade von der Beerdigung eines fast Gleichaltrigen, das macht die Sache nicht leichter. Deshalb auch die Verspätung.
    Ich habe noch nicht alles gelesen, was in meiner Abwesenheit hier an Weisheit kursiert ist. Also greife ich mir einen Punkt heraus, den ich wichtig finde - und um den es wieder mal unnötigen Streit gab: die Frage, wie dick ein(e) Sänger(in) sein darf, um trotzdem noch der dargestellten Figur zu genügen.
    Ich werfe mich jetzt einfach zum Schlichter auf und sage: Holla, ihr Streiter in Apoll! JE BESSER ER SINGT, DESTO DICKER DARF ER SEIN. Mit Pavarotti hatte ich da immer wenig Probleme, bei Botha stieß ich gelegentlich an meine Toleranzgrenze. Schwieriger ist es bei den Damen. Da hat man als Mann so seine Galanterie-Probleme. Aber Marilyn Horne hätte von mir aus ruhig noch dicker sein können, und ich wäre vor ihr auf die Knie gefallen. Doch kürzlich hatte ich in Karlsruhe eine Brünnhilde zu verdauen: Heidi Melton. Da war meine Schmerzgrenze erreicht. Aber dann sang sie so schön, so mühelos und rollendeckend - da habe ich die Augen zugemacht und ihre Kunst genossen.
    Oper ist einfach nicht so einfach - meint, mit ganz herzlichen Grüßen, der Heimkehrer Sixtus

    Beim informierenden Lesen der neueren Beiträge stieß ich auf Alfreds Thread und dachte sofort: Cimarosa! Dann las ich Dr.Pingels Beitrag und dachte: Aha, noch einer!
    Ich habe seit Jahrzehnten "Il matrimonio segreto" als Plattenaufnahme im Regal stehen und höre auch gelegentlich hinein. Dabei denke ich immer auch an "Figaro". Es gibt da sicher stilistische Ähnlichkeiten und Parallelen: die kleine Orchesterbesetzung, die Stimmtypen, die Proportionen.
    Aber es gibt auch gravierende Unterschiede: Bei Cimarosa wirkt alles schematischer, bei Mozart dominiert unverwechselbare Individualität. Nichts wäre austauschbar, es kann nur da stehen, wo es steht.
    Cimarosas Oper musste bei der Uraufführung auf Wunsch von Kaiser Joseph in voller Länge wiederholt werden. Diese Ehre wurde Mozart nie zuteil. Ich denke, dem Kaiser, der ein nüchterner Mensch war, war Mozarts Musik zu kompliziert. Cimarosa ist schön im Sinne von gefällig, Mozart verlangt volle Aufmerksamkeit - von einem Kaiser zu viel verlangt.
    Aber ein gelegentliches Anhören und auch Aufführen verdient Cimarosa schon,
    meint, mit herzlichen Grüßen, Sixtus

    Falls ich von einigen schon abgeschrieben wurde: Fehlanzeige!
    Ich hatte ja vor einiger Zeit schon angekündigt, dass ich mich künftig etwas rar machen werde. Dabei bleibt es auch, zumal mich kurz nach meinem 80.Geburtstag eine Reihe von gesundheitlichen Schreckschüssen in Schach gehalten hat, die dann im Dezember in einem 14tägigen Krankenhausaufenthalt kulminierten. Das Resultat war dann zwar (fast) ohne ernsthaften Befund, aber in meine Erleichterung darüber mischte sich doch das Gefühl der Verunsicherung und der Vorsatz, mich künftig mehr um meine Gesundheit zu kümmern.
    Ein Unglück kommt selten allein. In meinem gestressten Zustand passierte mir ein selbst verursachter Computerabsturz, der mir nicht nur fast alle Mailadressen löschte, sondern auch den Zugang zum Internet versperrte. Das ist inzwischen behoben. Aber unser umsichtiger Operus konnte es nicht erwarten. Er kam mir zuvor und rief mich an. Sein Wortschwall gipfelte in der Behauptung "Du fählsch!" Ich will das nicht weiter nachprüfen, erkläre aber feierlich, dass ich mich künftig zwar nicht mehr regelmäßig, aber doch gelegentlich zu Wort melden werde. Aber zuerst muss ich mich durch die Lektüre wichtiger Beiträge eurerseits durchkämpfen. Bis bald!
    Herzliche Grüße von Sixtus

    Heute ist es zwei Jahre, dass ich zum Tamino-Klassikforum gestoßen bin. Und das war wohl auch das meiste, was ich hier zu melden hatte. Denn ich habe den Leichtsinn begangen, mich in ärztliche Hände zu begeben. Die haben mich weiter gereicht, um dies und jenes abzuklären, und jetzt muss ich auch noch für ein paar Tage ins Krankenhaus, um Bedrohliches zu klären. Sage niemand, er sei gesund, solange er noch nicht lange genug untersucht wurde! Genug davon...


    Ich werde mich also nur noch dann und wann zu Worte melden. Zum Beispiel heute, während ich mir nochmal den Bayreuther Parsifal im Radio anhöre. Es ist eine musikalisch großartige, beinahe perfekte Aufführung. Die Optik bleibt mir zum Glück erspart. Das ist nicht nur Hartmut Haenchens Leitung zu verdanken, der eine unglaubliche klangliche Dichte erzeugt - ein wissender Dirigent. Aber auch die Besetzung der Hauptpartien ist gediegen bis erlesen: Georg Zeppenfeld ist Wort für Wort und Ton für Ton ein überzeugender Gurnemanz, wenn man sich an die etwas trockene Stimme gewöhnt hat. Ryan Mckinny schöpft als Amfortas aus dem Vollen, stößt an keine Grenzen. Andreas Schager gehört z.Z. zu den wenigen, die das Recht haben, sich Heldentenor zu nennen. Sein Parsifal lässt stimmlich kaum Wünsche offen. Eine Offenbarung für mich ist die Kundry von Elena Pankratova: Eine Stimme, die nirgends an Grenzen stößt - und auch noch klangschön und ausdrucksstark. Allein schon ihretwegen hätte sich das Anhören gelohnt!


    So, jetzt unterlasst bitte sowohl vorzeitige Kondolenzbezeugungen als auch Genesungswünsche: Ich fühle mich überhaupt nicht krank, bin schmerzfrei und fühle mich altersgemäß wohl. Aber Ärzte haben da eine andere Perspektive, und wahrscheinlich haben sie recht. Aber solange man sie nicht konsultiert, fühlt man sich wohler. Doch irgendwann kommt man nicht an ihnen vorbei.


    Eine Empfehlung an die, die meine Haltung zum RT teilen: Vergesst die Diskussionen, sie bringen nichts, verhärten nur die unvereinbaren Standpunkte. Warten wir lieber, bis sich die Sache von selber erledigt, weil das Publikum vollends wegbleibt.


    Bis irgendwann - herzliche Grüße von Sixtus

    Es ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich diese Debatte nicht mehr aushalte.
    Dass ich hier mitmache, ist eine der skurrilsten Episoden meines Lebens - ich bin dazu gekommen wie die Jungfrau zum Kind. Ich hatte, mit Mitte Siebzig, nach einem Leben, in dem die Gattung Oper immer zentral war, vom aktuellen Opernbetrieb die Nase voll. Aber mein später Freund Siegmund Nimsgern (dem es ähnlich ging), lockte mich zum Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft. Dort "entdeckte" mich die zufällig anwesende Chefredakteurin des Wiener Merker und "engagierte" mich für Berichte aus Saarbrücken. Dazu kamen dann noch sporadisch Kaiserslautern - und vor allem Straßburg. Ich graste die jeweiligen Premieren ab, erlebte dadurch einige schöne Produktionen, aber überwiegend entsetzlich entstellte Werke der klassischen und romantischen Opernliteratur, die ich mir "außer Dienst" nie angetan hätte.
    Parallel dazu hatte mich Freund Hey hierher gelockt, wo mich ein Wechselbad von Freude und Frust empfing, was sich bis heute nicht geändert hat. Inzwischen werde ich von Freunden gefragt, warum ich mir das antue.
    Als ich dieses Jahr Achtzig wurde, war ich meines Merker-Dienstes müde - und wollte endlich meinen Ruhestand. Jetzt frage ich mich, weshalb ich nicht auch hier aufhöre, wo ich mir meine Gesprächspartner nicht aussuchen kann und immer wieder feindselige Nackenschläge einstecken muss. Deshalb habe ich mich auch, neben gesundheitlichen Rücksichten, in letzter Zeit sehr rar gemacht.
    Zum Kern der Sache: Ich finde besonders diese RT-"Diskussion" unersprießlich - und inzwischen peinlich. Meine Haltung dazu: Ich habe mich, nach Beendigung meiner Merker-Berichte, dazu durchgerungen, Opernhäuser nicht mehr ungeprüft zu betreten. Wenn das viele, die das ähnlich sehen, auch täten, wäre der Spuk dieser unwürdigen RT-Diskussion, bei der die beiden Parteien regelmäßig aneinander vorbei giften, bald zu Ende - mangels Masse. Die Theater müssten wieder Opern spielen, die man auch wiedererkennt.
    Ich verabschiede mich hiermit von diesem grotesken Thema. Vielleicht werde ich, wenn Alfred es erlaubt, gelegentlich bei anderen Themen etwas beitragen. Falls nicht erwünscht, auch gut. Einige werden erleichtert sein, aber das beruht auf Gegenseitigkeit.
    Für diejenigen, mit denen ich oft einer Meinung war, tut es mir leid, dass ich meinen Nerven zuliebe die Notbremse ziehen muss. Seid herzlich gegrüßt von Sixtus!

    Nicht erschrecken bitte, dass ich mich mal wieder melde. Ich tue es, um Alfred in allen Punkten zuzustimmen.
    Auch ich gehöre inzwischen zu denen, die am liebsten ihre Ruhe haben wollen, wenn auch vorwiegend aus Rücksicht auf meine Gesundheit.
    Aber es scheint mir auch, dass inzwischen zu den Ideologen und Theoretikern noch einige Haarspalter und Erbsenzähler gestoßen sind, die den Freunden der werkgerechten Aufführung von Opern das Leben schwer machen.
    Ich selber halte es seit dem Ende meiner Merker-Rezensionen mit dem Opernbesuch so: Meine Erfahrungen sagen mir: Bleib lieber zu Hause, deinen Nerven zuliebe. (Die meisten Opern, die mir viel bedeuten, habe ich ohnehin im Kopf.) Das rate ich besonders auch Gerhard.
    Herzliche Grüße, besonders an die, die ähnlich denken, von Sixtus

    Ich habe diesen Thread im Schnelldurchgang gelesen und manche Sänger wiederentdeckt, die ich sehr schätze.
    Besonders gefreut habe ich mich über die mehrfach geäußerte Wertschätzung von Elisabeth Grümmer. Bei Partien wie Agathe, Figaro-Gräfin, Desdemona, Micaela: d´accord! Es gibt wenige Sängerinnen, die, trotz der Studiobedingungen, so viel Gemüt, so viel Seele transportieren.
    Wenn ich nichts übersehen habe, gibt es bei ihr etwas zu ergänzen: Sie war eine unübertreffliche Eva. Wenn ich die Meistersinger-Aufnahme unter Kempe höre, wird mir bei der Duettszene mit Sachs (Ferdinand Frantz!) regelrecht warm ums Herz, wenn sie mit ihrer unnachahmlichen Mischung aus Koketterie, Charme und Innigkeit Sachs schwach zu machen versucht: "Könnt´s einem Witwer nicht gelingen?" Besser habe ich solche Stellen nie gehört, von beiden. Überhaupt eine der gelungensten Einspielungen dieser Oper. Selbst Schock, auf der Bühne etwas schwach auf der Brust, ist hier im Studio fast rollendeckend. Und ein Kabinettsstück: Erich Kunz als Beckmesser. Da gerät selbst Sixtus ins Schwärmen...

    Nachdem ich bis hierher gelesen habe, hat sich bei mir immer mehr der Eindruck verstärkt: Dies alles enthält mancherlei Kluges, Bedenkenswertes. Aber von Satire habe ich nichts entdeckt.
    Es ist von Anfang an mehr oder weniger gut getarnte Polemik, die, wie Operus in Nr.20 befürchtet hat, zunehmend die alten Klischees von Pro und Kontra bedient und zu neuen Grabenkämpfen führt.
    Der Grund ist nicht schwer zu finden: Am Thema Oper scheiden sich die Geister. Das führt leicht dazu, dass man sich in seinen eigenen Positionen fest einmauert und die wichtigste Zutat der Satire verfehlt: den Abstand, der den dazugehörigen Humor ermöglicht. Auch noch so kluge Argumente und noch so große Belesenheit können das nicht leisten. Auch das Thema verführt zum Einsatz schwerer Säbel anstelle des Floretts, das auch mal ein Augenzwinkern zulässt.
    Ich fürchte, eine Fortsetzung dieses Threads könnte (zumindest mich) immer mehr an den Gedanken des Sokrates beim Gang über den Athener Markt erinnern: "Wie viele Dinge gibt es doch, die ich nicht benötige!" Deshalb empfehle ich, die Waffen ruhen zu lassen und die gesparte polemische Energie an geeigneterer Stelle einzusetzen.
    Herzliche Grüße von Sixtus

    Defizite gibt es, mehr oder weniger, immer.
    Ich habe den Pariser Carlos von Anfang bis Ende gesehen. Die einzigen größeren Defizite, die mich gestört haben, sind bei der Regie zu suchen: Albernheiten in der Personenregie (einschließlich Pferd), die trostlos leere Bühne etc.
    Für die Sänger stimme ich dem Versprechen des Generaldirektors zu: Er hat für jede Partie die möglichst optimale Besetzung gesucht - und meiner Meinung nach auch gefunden. Zu kritisieren gibt es immer etwas, aber im Ganzen hat es musikalisch gestimmt (auch im Orchester). Wenn man die Augen schließt, kann man die Aufführung mit Genuss hören - meint Sixtus.

    Diese Ermutigung, lieber Chrissy, die eigentlich gar nicht bei Verdi steht und die deshalb nicht ganz zu dieser Oper passt, sage ich jetzt einfach zu Dir, um meinen Respekt für Deine unermüdliche (und sicher berechtigte) Werbung für das Theater in Liberec zu bekunden.
    Lass dich nicht entmutigen! Ich habe ja im Mai, trotz der schweren Indisposition eines Protagonisten, dort einen erstaunlich guten Verdi mit Dir erlebt. Und wenn Du so weiter machst, fahren bald Busse von Dresden nach Reichenberg zu Verdi...
    Vielleicht schaffe ich es in sonnigerer Jahreszeit, wieder mal durch Böhmens Hain und Flur zu zigeunern und dieses Haus wieder zu besuchen. Dann sage ich vorher Bescheid. Evviva VERDI !
    Herzliche Grüße von Sixtus

    Immer wieder geht es hier um die Hauptfrage: Was ist essenzieller Bestandteil einer Oper, was ist verhandelbar?
    Ich meine, auch die Kernsubstanz einer Oper ist kein einheitlicher Block, sondern differenziert sich mehr oder weniger durch die Funktion der Teile für das Ganze. Für mich stellt sich das Gefüge so dar:
    Der innere Kern einer Oper ist das, was die Autoren dem Publikum anbieten, also Text und Musik - die Partitur. Ohne sie ist alles andere sinnlos. An zweiter Stelle kommen für mich die Anweisungen der Autoren, die sie das Werk auf der Bühne sehen wollen. Die unterliegen aber bis zu einem gewissen Grade dem jeweiligen Zeitgeschmack. Für ihre Umsetzung gibt es einen gewissen Spielraum. Das kann realistisch oder mehr stilisiert geschehen, solange den Intentionen der Autoren keine Gewalt angetan wird, die das Stück bis zur Unkenntlichkeit entstellt. Ob und wann das zutrifft, das ist allerdings dem Geschmack von Interpreten und Publikum unterworfen. Deshalb wird es immer wieder umstritten sein.
    Wenn nach meinem Geschmack diese Grenze überschritten wird, ziehe ich eine konzertante Aufführung vor, bei der ich das Optische mit meiner Phantasie ergänzen muss - wohl wissend, dass ich nicht das vollständige Werk erlebe. Aber es ist für mich das kleinere Übel, ein erträglicher Kompromiss, mit dem ich (z.B. bei Rundfunkübertragungen) gut leben kann. Aber das sieht jeder etwas anders, nach Maßgabe seiner Persönlichkeit -
    meint Sixtus

    Diese selten gespielte ungekürzte Orginalfassung habe ich mir natürlich nicht entgehen lassen, wollte mich aber nicht vordrängen.
    In Kürze: Diese Fassung, so schlüssig sie dramaturgisch sein mag, ist nicht mein Favorit. Warum? Im 1.Akt wird vieles ausführlich erklärt, was für die Handlung von Bedeutung ist. Aber musikalisch ist es eine halbe Stunde (beinahe) Leerlauf. Die Oper ist dan (für Verdi) zu lang.
    Die Aufführung selbst hatte musikalisch hohes - und vor allem ausgewogenes Niveau. Man konnte immer wieder durchatmen, weil die Stimmen rollendeckend eingesetzt waren. Ich mchte deshalb keine Einzelleistungen herausheben. Es war eine homogene Besetzung, was bei diesen fünf großen Rollen nicht oft vorkommt. Auch der Dirigent musste nicht zu viel Rücksicht auf die Sänger nehmen - und ließ sie singen. Und sie sangen, dass es eine Freude war.
    Die Regie war überwiegend Flickschusterei aus Stummfilm, Aktualisierung und vielem mehr - meint zumindest Sixtus

    Lieber Operus,
    du sprichst das an, was ich in meinem Eröffnungsbeitrag aus Zeitgründen ausgespart habe: die Überschreitung von Fachgrenzen. Das ist vor allem eine Frage der Intelligenz, der Musikalität - und besonders der Stimmtechnik.
    Ich habe am Abend nach dem Konzert Eike Wilm Schulte flapsig gelobt mit der Bemerkung: Ein guter Stimmsitz hält ein Leben lang! Er darauf, mit dem Finger auf seine Schädeldecke zeigend: Hier oben! Runter kommt sie von alleine! Recht hat er...
    Ähnlich gilt das für das Singen in verschiedenen Sprachen: Wenn eine Stimme italienisch geschult ist, kann sie, auch wenn der Sänger deutsch singt, italienisch-geschmeidig klingen. Ein weites Feld...
    An alle, die hier teilnehmen, herzliche Grüße von Sixtus

    Das diesjährige Künstlertreffen der Gottlob-Frick-Gesellschaft war für mich ein schöner Anlass, mich aus einem Gemisch aus Urlaub und gesundheitlichem Einbruch zurückzumelden - und mich für alle guten Wünsche von Kollegen zu bedanken. Ich werde künftig etwas kürzer treten müssen, um meinen Kreislauf nicht durch Strapazierung vollends zu ruinieren. Deshalb von der Veranstaltung am 14./15.10. nur ein kurzer Bericht über das traditionelle Festkonzert, das dank der fantasievollen Initiative von Operus alias Hans A.Hey an der Katastropphe vorbei geschrammt ist - und sich zum sensationellen Erfolg verwandelt hat.
    Die plötzliche Absage des Konzert-Protagonisten Sebastian Holececk wurde unversehens zum triumphalen Auftritt von Eike Wilm Schulte, der kurzerhand die Reihe der Baritonarien übernahm - und in einem Alter, in dem die meisten Sänger sich längst im Ruhestand die Wunden ihrer Karriere lecken, mit den Highlights des Baritonrepertoires triumphierte. Nicht immer konnte sich die Interpretation mit der optischen Erinnerung decken, die man mit der Rolle verbindet; doch Schulte ersetzte dieses Manko durch seine große Erfahrung, sein Einfühlungsvermögen, seine Geistesgegenwart - und seinen unverwüstlichen Charme - besonders gefragt im Duettino des Don Giovanni mit der temperamentvollen jungen Brasilianerin Josi Santos.
    Und die Stimme? Kaum eine Spur von Verschleiß war zu entdecken, die Töne sprachen in jeder Lage an. Und dabei war das Spektrum dieser Töne breit gestreut: vom liedhaft-spielerischen Schmachten Papagenos über Figaros süffisante Lektion in militärischer Disziplin bis zur dämonischen Beschwörung Dapertuttos (mit zwei perfekt fokussierten hohen Gis!) und zur Brutalität Pizarros (bei dem sogar einmal jedes Wort zu verstehen war!).
    Doch Schulte hatte noch mehr im Gepäck. Er zog eine Auftrittsarie von Rossinis Barbier aus dem Hut: deutsch gesungen, aber perfekt italienisch phrasiert. Den tobenden Applaus steigerte er, indem er den Schluss nochmal in der Originalsprache draufgab. Stimmung pur im Saal!
    Neben dem Wundermann zu bestehen, waren Partner von Format vonnöten. Und die gab es, besonders in Gestalt von Josi Santos, die mit dem Finalrondo der Cenerentola en stimmliches Feuerwerk abfackelte.
    Dass alldies nicht ohne einen kompetenten und inspirierenden Dirigent möglich ist, der ein Orchester wie die Heilbronner Sinfoniker (mit wenig Opernerfahrung) zu einem sicher begleitenden Klangkörper macht, versteht sich. Alois Seidelmaier war dieser Dirigent, der ein solches Unterfangen in jedem Moment unter Kontrolle hatte. Sonst hätte er Beethovens Leonore III unter diesen Umständen nicht so brillant präsentieren können.
    Trotz allem: Der Star dieses Festkonzerts hieß Eike Wilm Schulte (der am Tag davor seinen 78.Geburtstag feierte!).

    Manchmal lohnt es sich, einen Live-Mitschnitt innerhalb von wenigen Tagen ein zweitesmal zu hören und zu sehen. Ich habe das diesmal gemacht und muss nach dem zweitenmal einige Aussagen präzisieren - und zum Teil auch etwas korrigieren:
    Herrn Meli muss ich einiges abbitten. Er ist noch kein astreiner Radames, aber er singt die Partie ehrlich und schwindelt sich nicht durch. Auch die heiklen Stellen sind schön gesungen und klingen gesund. In Anbetracht der jetzigen Tenornot ist er jedenfalls eine gute Lösung. Und die Netrebko ist für eine Rollendebütantin eine Erfüllung. Es gab noch bessere, aber heute wohl eher kaum. Überhaupt braucht Mutis Besetzung, nehmt alles nur in allem, kaum einen Vergleich zu scheuen.


    Von der optischen Seite lässt sich leider kaum etwas Ähnliches sagen. Mir fiel auf, dass besonders die letzten beiden Akte, die ja besonders von der Atmosphäre abhängen, eine solche beinahe total vermissen lassen. Die Sänger standen, auf sich selbst gestellt, in den kahlen Kulissen auf verlorenen Posten. Am meisten hatten dem Aida und vor allem Amneris entgegenzusetzen.
    Ich habe mir von dem aufgenommenen Mitschnitt deshalb eine Audio-Kopie geschnitten - und bin grade dabei, sie mit Genuss anzuhören. Zur Nachahmung zu empfehlen -


    meint Sixtus