Lieber Gerhard,
diesen Trend, hin zum brillant gemachten, aber vom Wesentlichen ablenkenden Videoclip, werden wir nicht aufhalten. Und ein junges Publikum zieht das schon an. Aber es ist kein junges Opernpublikum, sondern ein auf den letzten Kick abfahrendes. Die fallen sofort wieder weg, wenn sie es "nur" handwerklich gut gemacht sehen. Die gehen höchstens zum Musical, wo diese Erwartungen bedient werden.
Grüße von Sixtus
Beiträge von Sixtus
-
-
Lieber Stimmenliebhaber!
Das war tatsächlich die Kupfer-Inszenierung, die auch sonst noch einige Striche enthielt und, so weit ich mich erinnere, als Kurzfassung (Kupfer nannte es "eine Version") ohne Pause durchgespielt wurde.Lieber Johannes,
da kann ich dir teilweise zustimmen: Wenn ich Carmen nur höre, überspringe ich auch gern das eine oder andere Zigeunerlied. Ich glaube, es ist weitgehend "Musik zum Schauen". Aber auf der Bühne - und gut besetzt, kann es schon mitreißen.Beste Grüße von
Sixtus -
Darf ich einen Versuch einer Zwischenbilanz anbringen?
Die bisherigen Beiträge dürften gezeigt haben, dass zwar die gegenwärtige Situation an den Bühnen der Entfaltung von großen Sängerdarstellern nicht eben förderlich ist, dass aber die wirklich starken Begabungen sich trotzdem durchsetzen. Zu den vielen genannten Namen, die ich überwiegend bestätigen kann, könnten noch eine ganze Reihe hinzugefügt werden: Anja Harteros, Nina Stemme, Zejlko Lucic, Sophie Koch, Jonas Kaufmann, Carlos Alvarez......Man könnte vielleicht sagen: Die Zeiten sind ihnen nicht günstig, aber es gibt sie noch. Und es gibt Anzeichen einer Trendwende. Wenn sie anhält, werden die starken Persönlichkeiten, die momentan resigniert haben, aus ihren Schlupflöchern kommen und eine neue Ära einleiten. Es ist noch nicht alles verloren. In diesem Sinne: Nicht verzagen!
Die größere Gefahr sehe ich in einer Verflachung des Publikums durch die Film- und Fernseh-Ästhetik und die perfekte Technik, die von dort auf das Theater (also auch auf die Oper) übergreift - und die nur auf optische Effekte zielt (was nicht dasselbe ist wie Darstellung und Ausstrahlung). Persönlichkeiten müssen wachsen können und sollten nicht mit technischer Perfektion wetteifern müssen.
Das wäre auch des Nachdenkens wert - denkt
Sixtus -
Der Andrang hält sich noch in Grenzen, also setze ich meine Laudatio noch ein wenig fort:
Bei der Besetzung der Protagonisten tun sich einige Klippen auf. Am klarsten ist es bei Micaela: ein lyrischer Sopran reinsten Wassers.
Carmen selbst verlangt einen beweglichen, aber voluminösen Mezzo, unbedingt mit sinnlichem Timbre, aber auch zu dramatischer Expansion fähig. Auch dramatische Soprane mit satter Tiefe können bestehen. (Callas!)Problematischer ist es bei den Männern. Escamillo sollte über einen gut sitzenden, metallisch glänzenden Bassbariton verfügen - und gut aussehen! Aber das allein genügt nicht, wie ich in der Berliner Komischen Oper erfahren habe. Der Torero sah blendend aus, sang aber mit gepflegter Sprechstimme sein Macho-Auftrittslied - und wurde (von Damen!) beklatscht. Bei seinem Solovorhang wollte ich zu erkennen geben, dass ich seine Defizite bemerkt habe - und erschreckte die zufriedenen Abonnenten mit einem deutlichen "Buh!". Ein Herr neben mir hatte sich verhört und kommentierte es mit den Worten "Ein Ochse in der Oper!"
Don José braucht im Grunde zwei Tenöre: im 1. und 2.Akt einen lyrischen, danach einen Spinto. Aber die Gesangslinie ist äußerst sängerfreundlich und deshalb zu bewältigen. Gute Sänger schaffen das beides: Sie singen sich 2 Akte lang ein und machen danach ein richtiges Fass auf. Sehr gute singen sogar das hohe B in der Blumenarie im piano.
Stilistisch ist die Oper ein Übergang zwischen der Clarté et Élégance der Opéra lyrique und dem spritzigen Chanconstil der Opéra comique - mit einem vorweggenommenen Schuss Verismo (Schlussduett!). Und das alles in perfekter Synthese: ein Meisterwerk! Das jedenfalls findet
Sixtus -
Nachdem ich bei Fidelio auf den beballten Protest der Gralshüter gestoßen bin und mein Heil in der Flucht suchen musste, hoffe ich bei Carmen offene Arme vorzufinden - oder zumindest weniger vermintes Gelände.
Als Nietzsche seine Wagner-Wunden leckte, stieß er auf Carmen und fand die Musik mediterran, sonnig. Und: "Sie schwitzt nicht!" Da ist was dran. Doch der Welterfolg ließ auf sich warten. Die Opéra comique fiel durch, fand erst posthum als Fast-GrandOpéra mit Rezitativen den Weg um die Welt. Auch dieser Triumphzug verdankte sich teilweise dem Stoff, diesmal nicht hehrer Humaität, sondern, ein paar Nummern kleiner: der Femme fatale. Ohne sie hätte sich das Stück zumindest langsamer durchgesetzt.
Im Stück selbst finde ich nur einen einzigen Schönheitsfehler: Gleich zu Anfang, nach dem Schicksalsmotiv, mit dem das Vorspiel endet, wird der Beginn der Handlung durch die Wachablösung samt Kinderchor-Parodie um etwa zwölf Minuten hinausgezögert, ohne dass ein nennenswerter musikalischer Ertrag dafür entschädigt. (Nur dramaturgisch wird klar, dass Micaela auf Don José wartet.) Ein Verzicht auf diese Kasernenfolklore ließe die Oper mit dem Doppelchor der lüsternen Männer und der lockenden Frauen beginnen - und der lange 1.Akt wäre deutlich straffer.
Ab hier gibt es nur noch Grund zum Jubeln: Das lastende Schicksalsmotiv lässt keinen Zweifel, dass wir in einer Tragödie sind. (Daher der Name Opéra comique!) Von da an steigt der Spannungsbogen steil an, bis zur Katastrophe. (Lyrische Inseln wie das Duett Micaela/José sorgen für die nötigen Kontraste.) Bevor ich vollends ins Schwärmen gerate, unterbreche ich mich und hoffe auf enthusiastische Fortsetzung von anderer Seite.
Vorerst beste Grüße von
Sixtus -
Lieber Johannes,
bei allem Respekt: Wir sprechen offenbar versichedene Sprachen und reden aneinander vorbei. Mir geht es nicht darum, etwas mit Zahlen zu beweisen. Auch die Tatsache, dass ein Stück seit 200 Jahren auf den Spielplänen steht, ist für mich nicht relevant. Das kann auch mit dem Stoff zu tun haben, und das tut es hier ganz offensichtlich. Es ist offenbar des deutschen Bildungsbürgers liebstes Kind - unabhängig von der Qualität.Wir sind uns einig, dass es sich um ein bedeutendes Stück des deutschen Musiktheaters handelt. Nicht einig sind wir uns, ob es eine "runde Sache" ist. Ich würde es ein problematisches Meisterwerk nennen, dessen Meisterschaft selbst die vielen Ecken und Kanten seiner Form bis heute ausgehalten hat. Mich wundert nur, dass diese Tatsache im Forum noch nicht bekannt war.
Ich habe alles gesagt, was mir dazu wichtig war. Und weil ich mich nicht nochmals wiederholen will, ziehe ich mich jetzt aus diesem Thema zurück. Weiterhin ff - fiel Fergnügen bei der weiteren Debatte!
Das wünscht euch - bis irgendwann -
Sixtus -
Lieber Rodolfo, mehr Konfusion geht nicht.
Nur den ersten Punkt will ich beantworten: Die Florestan-Arie z.B. besteht zur Hälfte aus Vor- und Nachspiel, also Orchester, das sinfonisch behandelt wird. Und am Schluss der Arie wird die Singstimme mit atemlosem Stammeln in die Höhe getrieben, das die wenigsten Tenöre adäquat singen können. Es ist, wie der Fachjargon sagt, instrumental komponiert (eine Geige kann das besser, hier singt aber ein Mensch!).Grüße von Sixtus
-
Eine Panne hat mich zurückgeworfen:
Ich wollte meine detaillierte Antwort auf Willis nächtlichen Einwurf absenden - und weg war er, im Orkus. Deshalb jetzt aus dem Gedächtnis eine Neufassung.Es liegt mir fern, irgendein Denkmal zu demontieren - schon gar nicht das des Schöpfers der Eroica und der Fünften - und des wunderbaren Concertato "O Gott, welch ein Augenblick!", wo die Handlung stillsteht und das ganze Haus vier Minuten lang die Luft anhält! Aber mich hat auch mein Lebenlang gestört, wie Beethoven davor und danach die Sänger quält mit "Heil! Heil! Heil sei dem Tag!" und "Wer ein sol-ches Weib errun-gen, stimm in un-sern Ju-hu-bel ein!" (Ich habe es oft genug im Chor mitgesungen und kenne es gut!) Des weiteren fiel mir schon damals auf (in Stuttgart, vor 50 Jahren), dass Wieland Wagner nicht ohne Grund die unsäglichen Dialoge radikal entfernt und durch einen Sprecher ersetzt hatte, der dreimal die folgenden Szenen erläuterte - entschieden zum Vorteil des Werkes. Das hat mich für alle Zeiten die (später gehörten) Dialoge ungenießbar gemacht.
Ich habe mich mit meinem Sänger-Freund darüber unterhalten, der den Pizarro u.a. an der MET gesungen hat. Seine Reaktion auf meine Fragen: "Du rennst offene Türen ein, Fidelio ist durch und durch sinfonisch angelegt, das ist im Grunde keine Oper - und schon gar nicht für Stimmen geschrieben. Er wollte eben auch mal eine Oper schreiben, wie fast alle. Und sie musste genau so durch Nacht zum Licht gehen wie die Sinfonien..."
Mozart, Rossini, Donizetti, Bellini haben den Sängern in die Kehle geschrieben. Verdi und sogar Wagner haben die Möglichkeiten der Sänger gut gut gekannt und ausgelotet. Beethoven hat sogar beim Violinkonzert den Solisten angeschnauzt: "Was kümmert mich seine elende Geige?!" Und von Gesang verstand er noch weniger. Dass der Fidelio trotzdem unglaublich bewegende Stellen enthält, bezweifle ich als letzter. Aber das ändert nichts daran, dass das Werk voller Brüche und Schrammen ist.
Verehrung von Genies in allen Ehren. Aber ein so sperriges Meisterwerk als makellos zu sehen, das grenzt schon an Devotion und entspringt dem Wunschdenken. Genießen wir es, wie es ist: als Achterbahn extremer Emotionen - als Beethoven!
Das meint jedenfalls
Sixtus -
Lieber Stimmenliebhaber,
dass fast alle Tristan- und Isolde-Sänger zuvor auch Florestan und Leonore gesungen haben, liegt einfach daran, dass die beiden Wagner-Partien das Endziel der Karriere einer großen Stimme sind. Jeder dramatische Sänger wird dir das bestätigen: Tannhäuser und Tristan, Isolde und Brünnhilde - und dann sterben! Für sie ist Beethoven ein Etappenziel.Ich stimme auch zu, dass Fidelio kein gewöhnliches Repertoirestück ist, sondern eher ein Festspielstück, dem man ehrfürchtig naht.
Kurzum: Mir ist klar, dass es ein Ausnahmewerk ist, nur eben mit der Einschränkung der beschriebenen Brüche und Unebenheiten. Aber muss man ihm deshalb den Status einer Devotionalie andichten?
Könnten wir diesen Befund nicht, jenseits aller Rechthaberei, als gemeinsamen Nenner stehen lassen?Das wünscht sich, Beethoven zuliebe,
Sixtus
-
Lieber Rodolfo,
es hat doch niemand bezweifelt, dass auch Verdi am Anfang noch üben musste. Wer musste das nicht?Zu Verdis Urteil über das Finale der Neunten: Ich habe ihn nicht fragen können. Aber er bezieht sich vermutlich auf Stellen wie das Tenorsolo, auf die Stelle "Wer ein holdes (im Fidelio: wer ein solches) Weib errungen" oder auf den Endspurt aller Mitwirkenden, wo man sogar als Zuhörer aus dem Tritt kommen kann.
Und das Bass-Rezitativ "O Frohooooo-hohohohoinde!" mit Beethovens eigenem Text (!) ist auch nicht seine größte Tat (auch wenn an Silvester viele davor auf den Knien liegen) -
- meint jedenfalls SixtusAuch Klassiker haben ihre Schwachstellen - zum Glück! Sonst müssten wir sie anbeten...
-
Wer hätte das gedacht: dass ich ausgerechnet von Bertarido Zustimmung bekomme (Danke!) - und dass Johannes, dem ich erst kürzlich Sachlichkeit und Eloquenz bescheinigt habe, mir solche Tiefschläge verpasst?! Letzteres muss besondere Gründe haben, die ich nicht kennen kann.
Ich bescheinige dir auch diesmal Eloquenz und Sachverstand. Aber die sind jetzt irgendwie vergiftet. Du hast recht:Total gescheitert sind Schubert und Schumann an der Oper. Aber Beethoven, mit Verlaub, partiell auch. Schon die Entstehung spricht dafür.
Was die Stellung im Repertoire betrifft: Niemand behauptet (auch ich nicht, ich müsste ja taub sein!), dass er total gescheitert ist. Dafür enthält das Stück zu viele herrliche Stellen (die ich ausdrücklich erwähnt habe, wenn auch nicht alle). Aber die oft zu hörende Aussage "Fidelio ist meine Lieblingsoper!" macht sich auf Nachfragen oft an seiner hehren humanistischen Botschaft fest, also am Stoff. (Es gibt eine ganze Reihe von Opern, die aus außermusikalischen Gründen beliebt sind).Dass der Tristan auch schwer zu singen ist, wird niemand bestreiten. Die Partie ist für den Sänger eine Herausforderung; aber sie ist nicht gegen die Stimme - oder genauer: ohne Rücksicht auf die Stimme - geschrieben.
Und was das Finale betrifft, erinnere ich daran, was Verdi (sinngemäß) über die Neunte gesagt hat, die ein ziemlich ähnliches Finale hat: Drei Sätze herrlich, der vierte ein Chaos! Und Verdi verstand etwas von Stimmen...
Auch ich liebe liebe den Fidelio. Aber ich verkenne nicht seine Schwachstellen.So viel fürs Erste. Ich diskutiere gern mit Enthusiasmus, aber versuche, niemanden zu beleidigen. Wenn es trotzdem passiert, tut es mir leid.
Beste Grüße von Sixtus
-
Das fängt ja gut an!
Aber ich habe noch einiges von Wichtigkeit nachzutragen:Das herrliche Concertato "O Gott..." ist umrahmt von einem Kantaten-Finale, das teilweise für Chor und Solisten eine Zumutung ist:
Zu Beginn das abgehackte "Heil! Heil! Heil sei dem Tag!..." und gegen Ende das fast unsingbare "We-her ein sol-ches Weib errun-gen, stimm in u-hun-sern Ju-hu-bel ein!" erfordert schon einen sehr souveränen Dirigenten, um nicht zur Karikatur zu verkommen.Natürlich gibt es immer wieder Fälle, in denen alle diese Klippen genommen werden. Aber der Aufwand, um das zu erreichen, ist enorm. Ich habe jedenfalls überwiegend massives Scheitern erlebt (gebe allerdings zu, dass ich es mit den Ohren eines Insiders in Sachen Gesang höre, und da hört man solche Stellen besonders kritisch.)
Ich freue mich auf eine lebhafte (und sachliche) Diskussion.
Sixtus
-
Mit Verlaub:
Es wundert mich, dass trotz mehrerer Anläufe bei diesem Thema der Fokus fast ausschließlich an der (Un-)Logik des Librettos kleben geblieben ist.
Was mir bei "Fidelio" viel mehr Magenschmerzen bereitet, ist Beethovens Schwierigkeit, für Sänger zu schreiben. Das verwundert besonders angesichts der Tatsache, dass er bei seinen Sinfonien so durch und durch dramatische Spannung aufbaut. Aber es gibt eben den Unterschied zwischen instrumentaler und vokaler Dramatik.Beethoven war offenbar kein Sängerflüsterer. Von den vier Protagonisten im Fidelio trägt nur eine Partie musikalisch menschliche Züge: die Basspartie des Rocco. Er darf singen. Die anderen drei sind, jeder auf andere Weise, überspannt:
Leonore hat in ihrer Arie, neben wunderbaren Kantilenen, irrsinnige Hindernisse zu überwinden (explosive Höhen, endlose Phrasen). Es ist die reine Zitterpartie.
Florestan braucht die Qualitäten von zwei Tenören: eines lyrischen und eines Heldentenors. Und das aus dem Stand, denn er muss die Partie mit dieser Monsterarie beginnen.
Pizarro vollends ist ein monströser Pappkamerad, der weder von einem Bass noch von einem Bariton zu bewältigen ist, weil er fast nur bellen darf.Das alles, nur aus der Ideologie des deutschen Idealismus zu erklären, ändert nichts daran, dass dieses Werk Stellen enthält, die zu den ergreifendsten der Opernliteratur gehören (Quartett 1.Akt, Gefangenenchor, Terzett 2.Akt, Concertato im Finale "O Gott, welch ein Augenblick!"). Aber als Ganzes (musikdramatisch) ist es, auf hohem Niveau, gescheitert.
Jetzt ziehe ich lieber den Kopf ein und erwarte einige Nackenschläge!
Beste Grüße von
Sixtus -
Scusi, Rheingold! Der Gegenstand riss mich mal wieder hin.
Was ich meinte: Die überwiegende Zahl der sog. Galakonzerte (ich kenne sie von der Berliner AIDS-Gala) ist eine Reihe von Sopran- und Tenorarien, schamhaft ergänzt durch eine Mezzo- und eine Baritonarie - und strukturiert durch die immer gleichen Ouvertüren und Intermezzi, die die A-dabeis nicht oft genug hören können. Wenn du das nicht miterlebt hast, sei froh!Beste Grüße von Sixtus
-
Um das Abgleiten in einen weiteren Hahnenkampf zu vermeiden, schlage ich einen Ausflug in die Realität vor:
Dass Galakonzerte die perverseste Form des Arienzirkus sind, weiß jeder. Das hat aber nichts mit den Opern zu tun, aus denen sie entnommen werden.
Außerdem: Wer hat schon etwas gegen eine Bravourarie? Nicht mal ich! Sogar in Glucks Orpheus steht eine am Ende des 1.Akts. Aber hier ist sie dramsturgisch gerechtfertigt. Und es ist eine - nicht zwanzig an einem Abend---
--- meint Sixtus -
Danke für deine Mühe, lieber Holger. Deine eloquenten Auslassungen sind lesenswert. Aber man kann der Interpretation auch zu viel tun. Ich habe meinen Nietzsche lächelnd wiedererkannt, gebe aber zu bedenken, dass er grade bei Wagner manchmal (bewusst!) aus dem Ressentiment heraus überzieht, um alte Rechnungen zu begleichen.
Bei den ästhetischen Vorurteilen stimme ich dir gern zu. Doch wer davon frei ist, der werfe den ersten Akkord.
Ich wollte diesmal eigentlich weniger werten als beschreiben. Aber auch darin steckt ja immer ein Gen-bedingter Rest von Subjektivität - zum Glück, sonst wäre es ja langweilig.Beste Grüße von
Sixtus -
Nach der Lektüre der ersten 15 Beiträge habe ich das Bedürfnis, etwas Positives anzumerken. (Nicht zu glauben!)
Das Thema läuft nicht nur zügig an, sondern verläuft äußerst seriös, wozu ich Johannes Roehl neidlos gratuliere!Ein Punkt scheint mir noch nicht genügend ausdifferenziert worden zu sein:
Könnte man nicht das Dramma per musica so beschreiben, dass es sich der jeweiligen gesellschaftlichen Situation angepasst hat (auch anpassen musste) und sich dadurch in jedem Jahrhundert andere Schwerpunkte herauskristallisierten, die vom folgenden wieder belächelt wurden - weshalb wir heute aus dem Grinsen (und Streiten) gar nicht mehr herauskommen??
Dazu meine persönliche Graphik:Nach dem gewaltigen Aufbruch mit Monteverdi (Poppea!) machte sich die feudale Oberschicht über die Oper her und baute Logentheater, die zur lockeren Kommunikation von Loge zu Loge während der Rezitative ermunterte. Die Handlung, ohnehin nur ein Vorwand, interessierte nicht wirklich. Wenn dann eine Arie kam und der Sänger sie virtuos servierte (wie heute die Soloauftritte im Kabarett), amüsierte man sich gut, um danach wieder seine privaten Vorlieben zu verfolgen.
Nachdem Mozart gezeigt hatte, dass es auch anders geht (was sogar Kaiser Joseph II. irritierte!), kehrte man nach seinem frühen Tod erleichtert zur alten Tagesordnung zurück: Rossini zum virtuosen l´art pour l´art der Virtuosität, Bellini zur elegischen Melancholie - beides vertraute Überreste der Opera seria, stilistisch der neueren Zeit angepasst (Belcanto-Oper). Erst Verdi und (in Deutschland) Wagner erkämpften einen neuen (Doppel-)Gipfel: das Musikdrama, von dem dann sogar noch Puccini und Strauss zehren konnten. Dass in den Zeiten zwischen den steilen Gipfeln auch sehr schöne Opernmusik entstand, wird niemand bestreiten.p.s. Über die Karriere meines "Arienzirkus" freue ich mich - so viel Eitelkeit darf sein!
Aus der Ferne: Grüße von Sixtus
-
Jetzt wollen wir es aber genau wissen. Ich bin jedenfalls gespannt auf Willis Eindrücke von der Aufnahme.
Warum sollten wir uns nicht mit der xten Einspielung des Freischütz befassen? Von der Traviata gibt es noch viel mehr, und es wird nicht langweilig.Was die Kleiber-Einspielung betrifft: Da war die Besetzung äußerst problematisch. Schreier selbst hat sich dahingehend geäußert, dass Kleiber ihn so lange bekniet habe, bis er nachgegeben hat. Aber es war ihm selbst peinlich. Dirigenten und Besetzungen sind ein sehr weites Feld, bis hin zu Karajan.
Bis demnächst!
Sixtus -
Da ich momentan zu selbst gewählter Arbeitslosigkeit verurteilt bin, habe ich diesen Thread von Anfang an gelesen. Dabei habe ich immer wieder eure Geduld im Umgang mit dem Ersteller bewundert - besonders die von Willi. (Ich könnte das nicht, aber ich bin fleißig am Üben!)
Zur Sache fiel mir auf, dass "Liebestraum" es nicht für nötig hielt, ein Wort über die Sänger zu verlieren. Dabei fällt die Fähigkeit des Dirigenten, Sänger zu begleiten, völlig unter den Tisch. Und gerade Thielemann ist dafür bekannt, Sänger zu streicheln und ihnen Höchstleistungen zu entlocken. Vielleicht könnte einer, der die Aufnahme inzwischen kennt, darüber etwas sagen, dann könnte ich sie mir u.U. auch zulegen (und ggf. ein Wörtchen dazu sagen, weil Gesang ja zu meinen Spezialitäten gehört).
Ich würde mich über eine positive Reaktion freuen und grüße die Freischütz-Runde!
Sixtus
-
Lieber Johannes Roehl,
das ist der sachlichste und fundierteste Beitrag in diesem veunglückten Thread. Leider kommt er zu spät.
Ich habe mehrere Anläufe genommen, um genau dieses Ziel anzupeilen. Aber die Gruppe war so heterogen, dass ich vollauf damit beschäftigt war, das Mäandern in Grenzen zu halten.
Dies ist jetzt vielleicht eine letzte Gelegenheit, mein Themenziel im Ganzen zu erläutern:
Ich wollte im Gespräch zeigen, dass in einer Oper der Belcanto selbst iin Wagners Musikdrama - und natürlich auch noch beim späten Verdi, ja sogar noch im Verismo und bei Strauss - immer vor Augen (und Ohren!) stehen muss. Fehlt er, dann bleibt vielleicht "zeitgenössisches Musiktheater" übrig, das mit Oper nicht mehr viel zu tun hat. (Deshalb habe ich auch von "Oper im engeren Sinn" gesprochen, die mit Kakophonie nicht kompatibel ist. Aber ist wohl anders eingeordnet worden.)Zu meiner Geringschätzung der barocken Opera seria: Weil sie fast nur aus Arien besteht, die an der Wäscheleine der Rezitative hängen, konnte diese Gattung kaum echte Dramen hervorbringen. Und ihre französische Rivalin, die Tragédie lyrique, verhinderte das Dramma per musica durch ihre ins Kraut schießenden obligaten Balletteinlagen. Erst Gluck hat dagegen opponiert, aber leider mit begrenztem Erfolg, sodass noch Mozart und sogar Rossini gezwungen waren, sich dieser erstarrten Form zu bedienen, die den Belcanto zum Selbstzweck erhoben hatte. Die Gattung lag künstlerisch schon im Koma, als der reife Mozart mit da Ponte den Weg des (heiter/ernsten) Dramas wies.
Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr gelangweilt.
Beste Grüße von Sixtus
-
Das ist schon lustig, dass einer im selben Beitrag sich zuerst (überflüssigerweise!) bei mir entschuldigt, dann glaubt, mir (!) wortreich erklären zu müssen, warum der Tannhäuser in Paris durchgefallen ist - und mir schließlich einen begrenzten Horizont bescheinigt. Den haben wir alle. Aber die Begründung:
Dass ich einem Stück des modernen "Musiktheaters" trotz seiner hochkomplexen Struktur (die mir nicht entgangen ist) - und trotz der amtlichen Zustimmung der Hofberichterstatter von der Presse - den Glorienschein eines Meisterwerks abspreche, ist mein gutes Recht und hängt nicht vom Radius meines Horizonts ab. Man führe solche Stücke ohne Abo auf (und ohne verschenkte Karten) und lasse das Publikum mit den Füßen entscheiden! Dann hört der Zirkus der Uraufführungen auf, die dem Publikum auf Kosten der Steuerzahler untergeschoben werden, damit der Kulturbetrieb weiterläuft. Dann sind die Donaueschinger unter sich und schmoren im eigenen Saft. Hat sich das noch nicht bis zu euch herumgesprochen?
Das, aber nicht nur das, hat mich bewogen, zumindest keinen Thread mehr anzustoßen. Die Schreckschüsse aus dem Hinterhalt muss ich mir nicht mehr antun. Ich werde künftig, wenn es Alfred recht ist, bei Gelegenheit meinen Senf dazu geben, wenn ich es für nützlich und hilfreich halte. Aber an humorlosen Haarspaltereien, die sich Diskussion nennen, möchte ich nicht mehr so gern teilnehmen.
Ich habe meine Haltung begründet und habe keine Veranlassung, sie nach den bisherigen Kommentaren zu ändern.
Bis auf Weiteres: Tschüs!
Sixtus -
Als ich gestern Abend meinen Rundumschlag präsentiert hatte, war ich erst mal erleichtert, kam mir aber dann vor wie Tannhäuser, der nach seiem Ausruf "Zieht in den Berg der Venus ein!" in ein Dutzend Schwertspitzen blickt. Nach der Lektüre eurer ersten Reaktionen dachte ich jetzt: Ist das alles? Ich hatte mit dem Beginn meiner Post-Forum-Zeit gerechnet! Der Firnis der Zivilisation ist also gar nicht so dünn...
Immerhin wollte mich Bertarido in den Arsch treten - das ist doch schon mal was für den Anfang. Als Hilfestellung dazu sage ich noch: Zimmermanns Soldaten lass ich mir nicht als Meisterwerk andrehen. (Ich kenne das Stück!) Puccini sagte schon zu weniger grotesken Konstrukten: "Musik ohne Heimat". Ohne Melodie keine Oper, so einfach ist das. Viele sind nur zu feige, das laut zu sagen. Bruno Walther zum gleichen Thema: "Der Intellekt singt nicht." Mehr muss man dazu nicht sagen.
Das mit dem Arienzirkus ist doch offensichtlich: Die feudale Unterhaltungsindustrie (der heutigen postmodernen ähnlich) brauchte keine Dramen, sondern Shows. Man hielt sich Hofkomponisten, die ein höfisches Publikum, das während der Rezitative in den Logen plauderte, speiste und flirtete, zwischendurch mit zwei Dutzend Bravourarien bei Laune hielten. Oder mit viel Ballett, "zum Entzücken der älteren Kavaliere", wie es im Capriccio heißt. Das dürfte auch der Hauptgrund sein, warum man dergleichen wieder aus der Versenkung geholt hat.
Danke, lieber Stimmenliebhaber, dass du mich noch ein wenig hätscheln willst. Aber das wird bei einem rüstigen Endsiebziger nicht viel helfen. Wir sollten etwas mehr Klarheit schaffen, z.B. darüber, dass in einer Diskussionsrunde ein Minimum an Konsens bei dem herrscht, worüber diskutiert werden kann oder muss - und wo Diskussion sinnlos ist. (Deshalb habe ich auch die Regietheater-Debatte nicht ausgehalten.) Das erreicht man am ehesten durch Aussortieren der Teilnehmer, deren Chemie zu der der übrigen nicht passt. Deshalb habe ich gestern einiges klargestellt.
Ich bin ebenso bereit, meinen Hut zu nehmen, wie mit denen, die mir in den Grundzügen zustimmen, einen neuen Thread zu beginnen. Aber das Thema sollte nicht zu eng sein, sonst wird es zur Fessel.
So oder so: Seid gegrüßt von Sixtus!
-
Bei der Lektüre der letzten Beiträge fällt mir ein ganz neues, dazu passendes Thema ein:
Dramma per musica oder Arienzirkus?In Stichworten meine Intention: Monteverdi fand keine Nachfolger - bis Gluck den barocken Arienzirkus beendete. Seine Erben und Vollender: Mozart, dann Verdii einerseits, Wagner andererseits. Deren Erben und Spätlinge: Puccini, Strauss und Janacek. Mit dem Ende der Tonalität (und damit der Melodie) endet die Oper im engeren Sinn.
Dass heute wieder Barockopern in Mode sind, weiß ich natürlich auch. Aber sie waren ziemlich lange vergessen, und wie ich meine, mit guten Gründen. Heute sind sie Spielwiesen für Originalklang-Fetischisten und Regisseure. Es wäre schön, wenn die ihre Spiele darauf beschränken würden - und die Meisterwerke des Kernrepertoires ungeschoren ließen.
Darüber zu diskutieren wäre ich bereit.
Grüße von Sixtus -
Lieber Dr.Pingel,
zunächst eine kleine Korrektur der Jahreszahlen:
Die Zeit der Operngeschichte, die mich (und nicht nur mich) vor allem interessiert, ist die von Gluck bis R.Strauss. (Darin ist auch Janacek enthalten, den ich sehr liebe - und der von den Sängern, die hier vor allem im Fokus stehen, sehr wohl gesungen wird.) Und diese Zeit umfasst doch immerhin 180 Jahre: von 1762-1942. Dieses Repertoire wird bis heute lückenlos gespielt und darf deshalb mit Recht Kernrepertoire heißen.
Vor Monteverdi haben sicher wir alle den größten Respekt. Aber er ist doch eher ein sporadischer Gast auf unseren Bühnen. Und das dazwischen liegende Barockrepertoire, mit Verlaub, interessiert mich nicht sehr. Es ist ein anderer Planet. Du kannst es aber gern in einem gesonderten Thread ansprechen.
Mit bestem Gruß
Sixtus -
Danke! S.
-
Es freut mich, Bertarido, dass wir ein kleines Missverständnis im Entstsehen auflösen konnten. Solche versehentlichen Dissonanzen eskalieren ja gern und wachsen sich dann zur Vergiftung der Atmosphäre aus. Dazu ein Dialog aus dem schönen Bayernland:
"Sama wiada guat?" - "Jo, aber der Hass bleibt!" (Dem sind wir für diesmal entkommen!)Was sollte der Schwerpunkt eines neuen Themas sein? Die Frage wäre noch zu klären. Aber ich glaube nicht, dass es viel bringt, wenn wir gegen die Windmühlenflügel der Kommerzialisierung oder der Globalisierung anrennen. Die Frage ist eher, wie wir mit den Gegebenheiten, die sich nicht ändern lassen, umgehen. (Jubel, Protest oder Boykott???)
Eine kritische Anmerkung: Beim Forum-Schmökern ist mir aufgefallen: Oft werden Sängerleistungen beschrieben nach dem Schema "Gefällt mir / Gefällt mir nicht" - oder "hat eine gute Höhe", "kann auch piano singen". Ich finde, da fehlt etwas Wesentliches: die Beschreibung der Stimmfarbe. Erst wenn das Timbre einer Stimme beschrieben wird, kann ich mir eine Vorstellung machen, wie sie klingt - und entscheiden, ob sich das Anhören lohnt.
Es gibt viel zu tun. Warten wir´s ab!
Beste Grüße von sixtus
-
Lieber Bertarido,
ich habe keinesfalls das Rampensingen wieder herbeigewünscht, wie dein Beitrag 102 nahelegt, sondern es als Karikatur verspottet. Was aber den Kern einer Oper ausmacht, darüber sollte es, denke ich, unter Opernfreunden und -kennern keinen grundsätzlichen Dissens geben, sonst wird jede Diskussion sinnlos. Dieser Kern ist fraglos die Partitur (also Text und Musik als Einheit), die durch Dirigent, Sänger und Orchester in Klang zu verwandeln ist. Das ist nicht alles, aber ohne das ist alles nichts.
Das jedenfalls meint
Sixtus -
Liebe engagierte Opernfreunde!
Wie schon mehrfach von euch artikuliert: Früher war natürlich nicht alles besser mit der Gesangsausbildung, sondern anders.
Es gibt heute - wie vor Jahrzehnten - ganze Völkerstämme gut ausgebildeter junger Sänger. Nur heute werden aus diesem Pool nicht mehr automatisch die ausgelesen, die am besten vorsingen. sondern oft, überspitzt gesagt, die attraktivsten. (Siehe "Physic du role"). Film und Fernsehen haben das Optische in den Fokus gerückt. Dass Sänger wie Botha überhaupt noch so weit nach oben kommen, grenzt an ein Wunder. Es zeigt zugleich, dass immer weniger Talente die Chance haben, sich ruhig zu entwickeln, weil sie vor der Zeit verheizt werden. Das ist der Ungeduld unserer Zeit geschuldet, der nur wenige widerstehen. Und die, die den neuen Bedingungen nicht entsprechen, bleiben zunehmend auf der Strecke.Der Gesang hat heute in der Oper nicht mehr die unangefochtene Vorherrschaft gegenüber der Handlung. (Dass dazu auch das Regietheater beiträgt, sei nur hinter vorgehaltener Hand geflüstert, um keine schlafenden Hunde zu wecken.)
Das hat Folgen für den Opernbetrieb. Die Theater erliegen diesem Sog zunehmender Kommerzialisierung und vernachlässigen den Stellenwert von Gesangsexperten. Das produziert in immer schnellerer Folge neue Sensationen, die sich oft als Luftblasen erweisen. Spielpläne werden immer öfter nach einem (sachfremden!) politischen Motto ausgerichtet, ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten der Besetzung. Diese Schrumpfung des Fachpersonals zieht nach sich, dass im Publikum immer weniger Kenner sitzen. (Woher sollen sie auch kommen, wenn die Aufführungen nicht durch Qualitätsanspruch neue erziehen?)Das alles sind gesellschaftliche Entwicklungen, bei denen der Kern dessen, was Oper ausmacht, immer mehr an den Rand drängen. Wir können das nicht ändern. Und wenn wir es könnten: Wollen wir wirklich den obligaten Rampengesang wieder haben? Wir würden uns wundern, welche Karikatur das heute wäre, weil wir ja selbst auch geprägt sind von den modernen Sehgewohnheiten. Und eiin goldener Mittelweg ist bei unserer Hektik eher unwahrscheinlich.
Falls wir uns im Prinzip einig sind, dass uns solche Fragen bewegen, können wir überlegen, ob wir in diesem Rahmen einen neuen Thread starten. Ein Thema ist dann schnell gefunden.
Auf substanzielle Beiträge dazu freut sich
Sixtus -
Liebe Gesangs-Interessierte!
Beim abendlichen Studium der letzten Beiträge habe ich den Eindruck gewonnen, dass ein Neues Thema erwünscht ist. Einverstanden! Ich werde es überschlafen und morgen einen Themenvorschlag machen, der eure Wünsche nach Informationen über den Wandel der Schwerpunkte in der Gesangsausbildung in den Fokus nimmt. Eine aktive Unterstützung durch Rheingold und Operus wäre mir sehr willkommen.
Gute Nacht!
Sixtus
-
Dieses Thema lässt sich im Grunde nur durch Beispiele erläutern. Dazu eine gute und eine schlechte Nachricht:
Monserrat Caballé wurde nicht in der Wiege gesungen, dass sie als voluminöse Spanierin u.a. einmal als Salome Furore machen wird. Aber sie startete ihre Karriere in Basel und lernte dort offenbar nicht nur Schwizerdütsch. Als dann Erich Leinsdorf ihr für eine Einspielung die Prinzessin anbot, wurde daraus eine der besten Interpretationen dieser Figur. Die Phrasierung, die Höhe, das Timbre, alles vom Feinsten. (Ihr Jochanaan dagegen, Herr Milnes, hatte damals offenbar noch nicht Deutsch gelernt und setzte den Propheten total in den Wüstensand.)
Im Verdi-Wagner-Jahr 2013 gab es in Saarbrücken ein entsprechendes Jubelkonzert. Unter den Mitwirkenden war Torsten Kerl. Das Otello-Liebesduett sang er vom Blatt, ohne seine Partnerin nur einmal anzusehen. Er stellte seinen Heldentenor aus. Desgleichen beim 1.Aktschluss Walküre: Die wunderbare Katarina Dalayman schwärmte ihn an, wie es sich gehört, und er - sang eine Viertelstunde vom Blatt. (Man kriegt das also auch in seiner Muttersprache hin, wenn man nur ein Stimmbesitzer ist!)
Ich bin sicher, dass einigen von euch ähnliche Beispiele einfallen, wie man Charaktere lebendig macht - oder zerstört. Bitte sehr!
Beste Grüße von Sixtus