Ich habe auch auf einen Text verlinkt, in dem ein Beispiel für einen Kurthschen Bewegungszug erklärt wird und das auch hier kurz zusammengefasst. Aber offensichtlich steht im Vordergrund das Bemühen, Ungewohntes abzuwehren und die Begrifflichkeit auf das Schulbuch einzuschränken, was man mit Seriosität verwechselt - es ist natürlich das Gegenteil davon.
Beiträge von kurzstueckmeister
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Ist Dir wirklich fremd, dass es in Musik ruhende und bewegte Passagen geben kann? „Was wird da bewegt“ ist wirklich drollig.
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Das finde ich bedauerlich, weil es mir nur um ein Verständnis des Begriffs "Bewegungszug" ging. Irgendwas muss es doch sein, das sich da bewegt, nur mir ist immer noch nicht klar, was das sein soll.
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Ob man nun das Thema mehr oder weniger "bewegt" spielt, jedenfalls ist es eindeutig geprägt durch den Kontrast zwischen lang liegenden Akkorden und bewegter Fortsetzung. Pollini dreht das um, kürzt die liegenden Akkorde (im späteren Verlauf manchmal extrem) und spielt dann demgegenüber die eigentlich bewegten Achtel aus. Auch das ist wieder inkonsequent und passt gerade nicht zu dem von Dir konstatierten "Bewegungszug".
Das verstehe ich nicht. So eine Einebnung würde die vermeintlich fortlaufende Bewegung ja schon hervorheben, die Frage ist, ob da überhaupt ausreichend Tendenz zum "Bewegungszug" in der Komposition ist.
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Dass Kurth zu den wichtigsten und einflussreichsten Musikwissenschaftlern/Musiktheoretikern des 20. Jahrhunderts gehört, sagt auch Grove. Die Bachforschung hat er beeinflusst mit einem Ansatz, der auf die linearen und motorischen Aspekte der Melodie fokussiert. Die Begriffe wie "Bewegungszug" sind dabei aber offenbar nicht so ins gängige Vokabular eingegangen.
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Noch eine Fundstelle zu Kurths Bewegungszug:
https://www.google.at/books/ed…=PA34&printsec=frontcover
S. 34
Hier wird die Fortspinnung durch einen Bogen aus kraftvollem Anstieg und balancierendem Abstieg zum "Bewegungszug", offenbar also ein Embryo der Kurthschen "Kraftwelle" für Bruckner.
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Die Formverwandtschaft könnte ein Hinweis darauf sein, diese Stelle nicht nebenbei 'wegzuspielen', abgesehen von der harmonischen Tollheit, mit dieser chromatischen Tonfolge mal eben die Überleitung von G-Dur zur Mediante Es-Dur zu erreichen.
Man erkennt unschwer das Meister-Schülerverhältnis.
Allerdings bewirkt die chromatische Tonfolge keine "harmonische Tollheit".
Und die Bezifferung der Halb- und Ganztonschritte ist jedenfalls komplett überflüssig.
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Da von Dir [...] in dieser Richtung nichts zu kommen scheint, habe ich mich selbst gerade etwas weitergehend informiert.
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Erstens gibt eine Äußerung des Kollegen ChKöhn , die nahelegt, dass die Begriffe Vorder- und Nachsatz bei der Analyse etwas bringt.
Na geh, das hat doch niemand irgendwo angezweifelt.
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Na, Holgers Raumfetischismus teile ich ohnehin nicht, aber ich sehe nicht, warum man nicht ab und zu zur Verdeutlichung entsprechende Assoziationen absetzen soll. In dem einen Buch ist ja auf einigen Seiten eine Übersicht gegeben, von der ich auch nur 3 Seiten Vorschau lesen kann, damit sollte aber klar genug sein, dass es sich hier nicht um Holgers Spinnereien handelt. Was man nicht darf, ist einfach etwas aus einem Medium mit etwas aus einem anderen gleichsetzen, deshalb hat Sachs teilweise Schiffbruch erlitten, das entwertet aber den Text von Sachs auch nicht komplett.
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Die Frage ist ja, ob das für das Stück von Schubert etwas bringt. Das Herumnörgeln an den Begriffen finde ich nur kindisch.
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Wenn die Vorstellung vom "Bewegungszug" so derartig nützlich ist, frage ich mich außerdem, wieso MGG Online ganze sieben Treffer zu diesem Begriff ausspuckt.
Na siehst Du, sogar im MGG findest Du es.
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Ersteinmal sorry für meinen Buchstabensalat bei der Anekdote. Er ist mittlerweile korrigiert.
Den Text zur Musik der siebten Sinfonie Bruckners habe ich erstmal überflogen auf Räumlichkeit. Da habe ich zuerst die "Ausfahrt ins Freie", dann kommt einiges zur Harmonik, was man ja durchaus als Streckenzug darstellen kann. Auch Begriffe wie Spiegelung haben natürlich eine räumliche Bedeutung, wobei hier aber ein Bezug auf die notierte Musik, also eine Ebene genommen wird.
Also es sollte, wenn man nicht nach Anspielungen auf Räumlichkeit Ausschau hält, sondern die Analyse nachvollzieht, klar werden, dass da Entwicklungen ablaufen, die durch ein "Einkasteln" mit den gängigen Begriffen der Formenlehre eher verdeckt als erkannt werden.
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Daher nochmal meine Frage: Wo gibt es in der Musik eine konkrete Stelle mit einem "Bewegungszug", bei deren Betrachtung mir eben diese Analogie zur Raumbewegung einen irgendwie gearteten Verständnis- und Erkenntnisgewinn einbringt?
Mir ist klar, dass die Kurthsche "Energiewelle", die neben der klassischen Form bei Bruckner, bei dem die Formteile öfters ausgefranst sind und manchmal gar keine klassische Gliederung ergeben, eine zweite Gliederung etabliert, die für das Verständnis hilfreich ist (dem widerspricht auch, glaube ich, niemand). Den "Bewegungszug" habe ich als etwas damit Verwandtes aufgefasst, die Räumlichkeit als Verdeutlichung davon. Wenn man es im Detail wissen will, muss man halt nachlesen.
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Das nennt man üblicherweise "Modulation". Natürlich kann ich eine Modulation formal als eine Bewegung in einem Tonartenraum beschreiben. Erstens wäre damit aber nicht klar, welchen Vorteil mir diese Beschreibung einbringt, und zweitens wäre nicht klar, wieso das ein "Bewegungszug" und nicht einfach eine "Bewegung" ist.
Erstens war das nur ein Beispiel und zweitens verwechselst Du offenbar schon wieder die Begriffe. Niemand hat gesagt, dass "Bewegungszug" = "Bewegung" ist. Du lieferst eigentlich geradezu die Parodie einer Person, die nur mit den Wörtern aus dem Schulbuch hantieren will und daher keine brauchbare Analyse schreiben kann.
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Mir ist darüber hinaus vor allem nicht klar, warum ein Stück in "offener Form" nicht durchgestaltet werden muss.
Das ist - zur Abwechslung einmal - ein sinnvoller Einwand.
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Ich denke das schon. Alles, was ich mir da so an Räumlichkeit abgeleitet habe hatte am Ende etwas mit Schallwellen zu tun und ist wahrscheinlich nicht das Intendierte.
Ich fände in diesem Zusammenhang dann auch die Formulierung "Mir ist klar" wesentlich besser, weil es einen dann am Ende auch nicht in Erklärungsnöte bringt.
Es gibt ein kleine kleine Anekdote über den Mathematiker David Hilbert. Als er in einer Vorlseung gesagt haben soll, ging er, auf die Nachfrage eines Studenten, ob das stimme, nach draußen. Als er dann zurückkam, meinte er, ja das sei trivial
Also als Beispiel einer Vorstellung von Räumlichkeit habe ich Sachs zitiert mit der Sopranstimme im Vordergrund und dem BC im Hintergrund.
Und bezüglich der Formteile und der Energiewellen kann man ja das hier lesen:
https://de.wikipedia.org/wiki/…onie_(Bruckner)#Zur_Musik
Wenn man dann immer noch keine Vorstellung hat, kann ich nicht mehr helfen.
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Gib' mir doch bitte mal ein konkretes Beispiel aus einem Musikstück, wo man einen "Bewegungszug" vorliegen hat und nur mit einer Raumimagination weiterkommt.
Strohmann?
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Tonale Musik bewegt sich gerne von einer Tonart zu einer anderen (Richtung) und dann wieder zu einer anderen (andere Richtung).
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Sorry, aber mir ist das noch nicht klar.
Noch nie Bruckner gehört?
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So ist das, wenn man die Klarheit von Dingen behauptet.
Also ich denke, es ist weder zu viel verlangt, Assoziationen von Räumlichkeit beim Hören von Musik zu entwickeln, noch, dass man merkt, dass sich manchmal eine Kontinuität oder Entwicklung über Formgrenzen hinweg ergibt.
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Ein Band, der sich gewissermaßen ausschließlich damit beschäftigt, was bei der Konzentration auf die Abzirkelung von Formteilen vernachlässigt werden könnte, ist dieser hier:
Alfred Stenger: Anton Bruckner. Klangwandlungen. Florian Noetzel Verlag, Wilhelmshaven 2015 (= Taschenbücher zur Musikwissenschaft, Band 166).
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Zu Kurth, der wie gesagt in Texten über Bruckner gar nicht ignoriert wird, gibt es folgende aktuelle Publikation:
https://www.google.at/books/ed…=PT54&printsec=frontcover
Musik als Bewegung
Die Energietheorie der Musik von Ernst KurthVon Christian Salvesen · 2020
Da gibt es dann auch ein Kapitel "Kritische Vertiefung" - "Zur Methode".
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Jetzt bin ich wieder das Auskunftsbüro.
Guckstu hier Seiten 22-29:
https://www.google.at/books/ed…=PA20&printsec=frontcover
Da haben wir unter mehreren Bedeutungsmöglichkeiten den "intendierten Kompositionsraum", ein "Vorstellungsraum", der etwa bedeutet, dass das musikalische Material in einem als Einheit vorgestellten zwei- oder dreidimensionalen Raum komponiert wird, in dem es laut Schönberg "kein absolutes Unten, kein Rechts oder Links, Vor- oder Rückwärts" gibt und beim "Niederschreiben ... der Raum in die Zeit umgeklappt" wird.
Das Beispiel nur, damit klar ist, dass auch Komponisten Räume imaginieren.
Natürlich gibt es auch Musik, die den vorhandenen Raum nutzt für reale räumliche Effekte.
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Also Holgers Texte sind inzwischen recht klar, die Einwände reichlich erzwungen.
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Ich glaube, dass das ohne Beispielanalysen verhältnismäßig dunkel bleibt. Am besten liest man aber wohl den Band zum 19. Jahrhundert des neuen Handbuchs der Musikwissenschaft, der ja von Dahlhaus ist. Da gibt es auch einiges zur Form, ich erwarte jedoch nicht, dass von "offener Form" die Rede ist - ich habe diesen Band aber noch nicht angeschaut, bin immer in den anderen Jahrhunderten unterwegs gewesen in diesem Standardwerk.
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Welcher Text von Dahlhaus ist das?
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Man sollte sich davor hüten, die "offene" und "geschlossene" Form als Schubladen zu verstehen.
So wie ich das bislang sehe, ist das aber eine Begriffsbildung von Dir, insofern besteht jetzt nicht so die Gefahr, dass wir da so viel damit verbinden und Schubladen gebildet haben.