Beiträge von kurzstueckmeister

    Aus einem älteren Regietheater-Diskussions-Beitrag, passt ohnehin besser hierher:

    Entscheidend ist vielleicht, dass beide innerhalb einer Aufführungspraxis agieren, die Regeln vorgibt, ohne die weder die Notation des Komponisten lesbar noch die Aufgabe des Pianisten sinnvoll leistbar ist.

    Also:

    1) Der Komponist tut seinen Willen in Bezug darauf, wie seine Musik klingen soll, mittels Notation kund.

    2) Es gibt Regeln, die die Freiheit desjenigen einschränken, der die Noten verwendet, um Klänge zu erzeugen.

    Ich glaube, dass wir hier einig sein sollten ...

    Man könnte auch sagen, dass die Noten der Versuch sind, den Willen des Komponisten dem Musiker zu übermitteln. Ein Betrachten der Noten ohne an den Willen des Komponisten und die Aufführungspraxis zu denken, ist zumindest defizitär.

    ^^

    Gibt es eigentlich einen Dirigenten, der Norringtons non-vibrato-Spleen übernommen hat?

    Ich zitiere mal Herreweghe:

    >>

    Natürlich informieren wir uns ständig. Früher waren wir in mancher Hinsicht vielleicht etwas extrem. Es gibt auch heute noch Leute – ich glaube Norrington vertritt auch die Meinung – die sagen, man müsse komplett auf Vibrato verzichten. Das Problem ist: Beim Vibrato weiß niemand genau, in welchem Maß es eingesetzt wurde. Ich glaube, dass es auch in der Vergangenheit verschiedene Geschmäcker gab; Vibrato ist eine Geschmackssache. Hauptsache ist, dass man einen Rahmen hat, einen Vibrato-Rahmen und eine Vibrato-Kultur. Meine Theorie für die romantische Musik ist, kein kontinuierliches Vibrato zu verwenden, es aber als Ornament zu gebrauchen.

    <<

    https://portraits.klassik.com/people/interview.cfm?KID=4634

    Ich würde das für den HIP-Mainstream halten, etwa wie im Eröffnungsbeitrag von "weniger vibrato" als in der non-HIP-Hochblüte zu sprechen. Vielleicht gibt es ja non-HIP gar nicht mehr.

    ^^

    Zur Partitur-Anweisung vibrato&innig: Das spricht gegen Deine These von oben, dass die Gefahr bestünde, die Stelle sonst „ätherisch“ non-vibrato zu spielen.

    Ich habe große Zweifel, dass das Vibrato an der Stelle "merkbar stärker" sein soll. Meine Deutung von Mahlers Spielanweisung geht eher in die Richtung, dass an der Stelle überhaupt mit Vibrato gespielt wird und ihr leise-ätherischer Klang nicht durch Non-Vibrato erzielt wird. Alles andere macht m. E. wenig Sinn.

    Hast Du dazu etwas gelesen, oder ist das Deine These?

    Ähnlich verfehlt könnte man eine Interpretation finden, in der permanent so viel vibriert wird, dass ein merkbar stärkeres Vibrato bei der bezeichneten Stelle nicht merkbar ist.

    Das hast Du falsch verstanden. Meine Bemerkung ergab sich nicht aus dem Umstand, dass wir damals so gut waren, sondern dass Norringtons Orchester so gruselig schlecht klang.

    Ich habe das schon richtig verstanden. Du kannst das Spiel Deines Laienorchesters überhaupt nicht richtig einschätzen. Der Vergleich entwertet jegliche Norrington-Kritik Deinerseits.

    Wirklich? Mrs. Symbol und ich haben ihn neulich mit der Ouvertüre zum "Fliegenden Holländer", ähm, genossen - das klang wie früher bei uns im Schulorchester. Das sollte ich wohl korrigieren: unser Schulorchester klang in einigen Jahren und bei manchen Stücken eher besser... :untertauch:

    Dass sich Laien gnadenlos überschätzen kenne ich auch aus Beteiligung an entsprechenden Orchestern ...

    Jedenfalls gibt es in Hinblick auf Norrington mit Bremner eine Stimme des 18. Jahrhunderts, die gegen Vibrato im Orchester war.

    Norrington dürfte aber bei Brahmssinfonien ganz ohne Vibrato eine Ausnahme sein, oder sieht das etwa Gardiner genauso? Vielleicht sollte ich mal genauer hinhören versuchen.

    Das hat jetzt nichts mit Norrington zu tun, sondern damit, dass ChKoehn gemeint hat, dass es im 17./18. Jahrhundert Dauervibrato gab und Geminiani Vibrato überall wollte, wo es möglich sei.

    Dort steht dann: >>ein kontinuierliches Vibrato gab es nachweislich im Barock nicht. Wenn fallweise darüber geschrieben wurde, dann wurde es durchwegs abgelehnt.<<

    Na OK, ich deute jetzt John Does Radikalforderung als Hip-Mode. Nur ist das so eine Grundsatzdiskussion, die ich mir zwar nicht gewünscht habe, gegen die ich jetzt aber auch nicht groß protestieren mag. :rolleyes:




    Manchmal hat man ja das Glück, ein wunderbares Werk kennenzulernen, das man aus unerklärlichen Gründen bislang übersehen hat - so erging es mir mit Sibelius‘ "Pelléas et Mélisande", einfach zum Dahinschmelzen und absolut zauberhaft - Karajan macht das besser als Edward Gardner und Paavo Järvi, finde ich. Leider gibt es von Barbirolli keine Gesamtaufnahme von Pélleas, soweit ich sehe.


    das war meine erste CD, damals war ich ca. 14

    :/

    Auf jeden Fall ist die Quelle eine, die gegen ein non-vibrato spricht. Auch sonst hast Du natürlich Recht. Ich frage mich, ob es überhaupt eine Quelle für wenig Vibrato gibt? Sollte doch wissenschaftliche Texte dazu geben, oder publiziert das HIP-Umfeld nicht?

    Hast Du dafür eine Quelle? Bekannt ist, dass Joseph Joachim mit wenig Vibrato spielte (und dafür mit extrem vielen Portamenti, die von praktisch keinem heutigen Geiger übernommen werden, auch wenn er sich angeblich ganz dem historischen Vorbild verpflichtet fühlt).

    Korrekt, das war nicht Brahms sondern Joachim:

    >>Hubay told us that Joachim, while teaching in Berlin, and hearing someone play with too much vibrato, had protested: "Kaffeehaus, Kaffeehaus!"<<

    NHQ; the New Hungarian Quarterly, Ausgaben 111-112

    Lapkiadó Publishing House, 1988
    Seite 203