Renato Capecchi ist ganz eindeutig einer meiner Lieblingssänger im italienischen Fach, sowohl im dramatischen Bereich, wie auch als Buffo. Ganz allgemein hat mich schon immer seine Vielseitigkeit beeindruckt, er gehört zu den Sängern, die sich nur sehr schwer in eine Schublade einordnen lassen.
Ich tue mir allerdings schwer, ihn als Bariton zu sehen, für mich war er immer eher ein Basso cantante mit sonorem Fundament, dessen Stimme sich dann aber - im Gegensatz zu vielen Kollegen - mühelos höher und immer höher schwingen konnte, fast als gäbe es da keine Grenze.
Harald hat ja schon auf einige dramatischere Rollen hingewiesen, den Rigoletto etwa, ich denke da auch noch an den Jago unter Santini mit Mario del Monaco und den Riccardo in den Puritanern unter Bonynge. Also Rollen, die z.B. auch Tito Gobbi sang. Und im direkten Vergleich mit diesem auf seine Art ebenfalls einzigartigen Sänger wird ein wesentlicher Unterschied deutlich: Capecchi blieb trotz aller Dramatik und Leidenschaftlichkeit im Ausdruck immer ein Belcanto-Sänger, d.h.seine Töne klangen immer auch schön. Anders als Gobbi oder auch Boris Christoff opferte er den Schönklang und die Exaktheit seines Singens eben nicht dem Ausdruck.
Das bedeutet aber jetzt keinesfalls,dass er etwa ein unbeweglicher Rampensteher war, der sich nur auf seine Tonbildung und sonst nichts konzentrierte, sondern er war durchaus auch agiler Schauspieler auf der Opernbühne. Extremstes Beispiel dafür dürfte sein Dottore Bartolo unter der Regie von Dario Fo gewesen sein, der den Barbiere von Sevilla kurzerhand nach Bella Venezia verlegte und ein grandioses Karnevalsspektakel draus machte, wobei er die Sänger bis aufs Äußerste forderte und sie zu derart akrobatischen Einlagen animierte, dass man sich unwillkürlich fragte, wo sie noch den Atem zum Singen hernahmen.
Und der damals auch nicht mehr ganz junge Capecchi vornedran, das war echt eine Lust anzusehen.
Wobei ich jetzt gar nicht sagen könnte, ob ich diesen vielseitigen Sänger jetzt als Figaro oder doch lieber als Bartolo höre. In Bruno Bartolettis Aufnahme liefert er einen Maßstäbe setzenden Figaro ab: Neben seiner gesanglichen Leistung nicht zuletzt, indem er diese meiner Meinung nach sehr schwierig zu gestaltende Rolle sehr gut im Griff hat und die Balance zwischen Ernst und Buffo-Blödelei souverän trifft. Auf Anhieb fällt mir da momentan nur Hermann Prey ein, der ihm in dieser Hinsicht das Wasser reichen konnte.
Sehr beeindruckt hat er mich auch in der schon erwähnten Aufnahme von "I Puritani" unter Bonynge. Seine nur scheinbar leicht klingende, aber unglaublich schwer zu singende Arie gleich zu Anfang der Oper bewältigt er mit enormer stimmlicher Souveränität. Was bei anderen läppisch oder langweilig klingt, oder gequält, falls die stimmlichen Mittel nicht reichen, wird bei Capecchi zu einer beindruckenden Synthese aus Ausdruck und Schönklang, Bellini, wie er klingen sollte. Und im großen Duett mit Giorgio, gesungen von Ezio Flagello, geht dann die Post mit Trompeten und Posaunen ab. Wobei ich den Eindruck habe, dass die Stimmen der beiden Sänger besonders gut harmonierten.
Naja, ich höre jetzt lieber auf, sonst komme ich noch ins Schwärmen.
Auf jeden Fall kann ich jedem Liebhaber schöner Stimmen diesen Sänger nur ans Herz legen. Meiner Meinung nach gehört er eindeutig zu den unterschätzten Künstlern seiner Epoche, wobei ich allerdings keine Ahnung habe, woran das liegen könnte. Spielt im Grunde aber auch keine Rolle mehr, da wir dank Tontechnik diesen großen Sänger jederzeit hören können, wenn uns danach verlangt. Glücklicherweise.