Lieber La Roche,
da sieht mein Standpunkt aber ganz anders aus. Vorweg möchte ich sagen, dass ich nichts gegen die russische Bevölkeung habe und die derzeitige Tendenz, alles Russische aus dem Kulturleben zu verbannen, für überzogen halte,
um es mal milde auszudrücken. Was können Dostojewski oder Tschaikowski für Putin? Dass aber Stalin Deutschland die Hand gereicht haben soll? Er hat sicherlich die Hand ausgestreckt, aber mit der Absicht, ganz Deutschland ebenso in seinen Einflussbereich zu bringen, wie er es schon mit allen osteuropäischen Staaten, in die die Rote Armee einen Fuß gesetzt hatte, gemacht hatte. Alle Verhandlungen der vier Siegermächte zwischen 1945 und 1948 drehten sich um die Frage der Reparationen (noch verständlich) und den sowjetischen Wunsch, eine Viermächtekontrolle über das Ruhrgebiet (mit Vetorecht, versteht sich) durchzusetzen. Bis dahin scheiterte die Frage eines irgendwie gearteten wirtschaftlichen Wiederaufbaus in allen vier Zonen am sowjetischen Veto. Als die Westmächte schließlich genug hatten und beschlossen, dann wenigstens in ihren Zonen "ihr Ding" zu machen, antwortete Stalin mit dem Erpressungsversuch der Blockade Westberlins.(Übrigens - damals haben die Westberliner tatsächlich lieber gehungert und gefroren, als auf ein Angebot der Sowjets einzugehen, sich nach einer Registrierung in Ostberlin sich dort mit Kohle und Lebensmitteln einzudecken!) Diese wiederum scheiterte am Widerstand der Westberliner Bevölkerung und der Luftbrücke. Da man durch alle diese Ereignisse keinen Zweifel am ungebremsten Hegemonialstreben der Sowjetunion hatte, kam es in der Folge zur Gründung der NATO, danach entsprechend des Warschauer Paktes.
Um jetzt den Bogen zum Heute zu schlagen: Hast du dich mal gefragt, warum die ehemaligen Ostblockstaaten so schnell wie möglich der NATO beitreten wollten - es hat sie sicherlich niemand gelockt oder gar gezwungen. Wieso sich Russland dadurch bedroht fühlen kann, ist mir nicht ersichtlich - schließlich ist die NATO ein Verteidigungsbündnis und bleibt es hoffentlich auch. Bedroht ist allerdings der ungebremste Hegemonialanspruch Russlands bzw. Putins. Und was die Demütigung angeht - demütigend kann eigentlich nur der Wille der ehemaligen Satellitenstaaten sein, vor einer neuerlichen "brüderlichen" Umarmung des russischen Bären geschützt zu sein. Übrigens - stell dir mal vor, die baltischen Staaten wären nicht in der NATO und Putin meinte, die Bevölkerung in Kaliningrad vor irgend etwas schützen zu müssen und brauchte daher unbedingt eine Landverbindung dorthin...
So, Schluss mit dem historischen Rückblick! Hoffen wir auf Frieden!
LG Mme. Cortese