II.
Wenn ich mich recht entsinne, stellte diese CD eigentlich meine erste Begegnung mit dem Kantatenschaffen Bachs dar. Ich glaube im Nachhinein, dass diese Begegnung nicht viel besser hätte laufen können. Die CD war wie ein Sechser im Lotto, wenn ich überlege, wie viele Stunden innigen Hörens folgten, die mir größtes Vergnügen gebracht haben, die mich angesichts der Bachschen Kunst nahezu vor Ehrfurcht erstarren ließen, in denen ich selten allein war, in denen ich oft Trost fand und in denen ich nicht zuletzt von einer riesigen musikalischen Hingabe erfüllt war.
Nicht nur, dass die Kantate "Ich hatte viel Bekümmernis" wohl zu den schönsten der großen (oder leider viel zu kleinen) Anzahl an Kirchenkantaten Bachs gerechnet werden muss, ist diese auf der vorliegenden CD in meinen Augen einfach am schönsten wiedergegeben. Ich habe diese Kantate schon mehrfach live hören dürfen. Ich habe mehrere Einspielungen dieser Kantate. Aber selbst Gardiner, dem ich bei den Bachkantaten blind vertraue, und der mich bislang auch ein kleines Vermögen gekostet hat , kommt mit seiner Einspielung nicht an die rührende Schönheit der Herreweghe-Aufnahme heran. Bei Herreweghe stimmt für mich alles. Es ist zweifelsohne eine "waschechte" HIP-Aufnahme, aber fern jeglicher Ruppigkeit, die manchen HIP-Einspielungen mitunter etwas eigen ist.
Die Kantate selbst macht alles aus, was mir an den Vokalwerken Bachs so gefällt. Sie ist geprägt von herzzerreißender Religiosität Bachs. Ich bin selbst nicht religiös, aber das rührt mich zutiefst und entfaltet Wirkung. Die Sinfonie trieft nur so von Verzweiflung und Niedergeschlagenheit. Das folgende Chorstück (man entschuldige meine laienhafte Ausdrucksweise) verstärkt das und führt dies aufs Prächtigste aus. Die Verzweiflung wird wird immer mehr gesteigert und die Musik ist herzzerreißend. Das folgende Rezitativ ist fast anklagend. Gefolgt wieder von einer Arie (Bäche von gesalznen Zähren), die vor Bachscher Setzkunst strotzt. Der dann folgende Chor "Was betrübst du dich, meine Seele" leitet die Wende in dieser Kantate ein. Man wird mit Chorgesang nicht gleich aufgerichtet, aber es ist, als ob das verweinte und von Verzweiflung geprägte Haupt empor gehoben wird und der Blick in eine andere Richtung gelenkt wird. Im folgenden Rezitativ und dem wunderschönen Duett beginnt die "emotionale und seelische Rehabilitierung". Ein wunderschönes Duett lässt langsam den Zweifel verfliegen. Der Chorus "sei nun wieder zufrieden" ist so wunderschön und tröstet einfach nur mit Bachscher Musik, die wirklich "transzendal" scheint und dies vermittelt. Ich rede von einem ganz speziellen Trost, den nur Bachsche Musik für mich vermitteln kann. Er greift uns erst auf und konfrontiert uns mit dieser Verzweiflung um uns dann musikalisch zu trösten und aufzurichten. Dabei schwingt immer eine gewisse Demut mit. Das ist dem Vokalwerk Bachs sehr eigen. Selbst das Prächtigste enthält einen Tropfen Demut. Das macht für mich viel von Bach aus und entspringt seiner Religiosität, die er in seiner Musik wie kaum ein anderer auszuleben verstand.
Die Kantate endet mit einer Arie, die Mut und Zuversicht spendet, gefolgt von einem großen Schlusschor, der in Form einer gigantischen Fuge daher kommt, wie nur Bach sie schreiben konnte.
Meine Ausführungen zu dieser Kantate mögen schrecklich stümperhaft sein und dem Werk überhaupt nicht gerecht werden, Fakt ist aber, dass diese eine CD für mich der Schlüssel zu Bachs Vokalwerk war. Und ich erachte die CD als so gut, dass ich mir vorstellen könnte, dass es anderen genau so gehen kann. Daher eine ganz klare Nennung in diesem Thread.