Beiträge von Ulli

    Klar, aber für ein beabsichtigtes Zitat wäre Mozarts Werk damals wie heute meiner Ansicht nach viel zu unbekannt, wobei ich für Sakralmusik alles andere als meine Hand ins Feuer legen würde. Was hätte das also bringen sollen? Okay, das Werk wurde 1792 anlässlich der Krönung Franz' II. aufgeführt ... vielleicht unterschätze ich das. Aber war es deswegen gleich so berühmt, daß es die Spatzen von den Dächern pfiffen? Das hat erst Beethoven mit dieser Melodie geschafft. Für eine bewusst hörbare Mozartreminiszenz wären sicher bekanntere Themen in Frage gekommen (z.B. 22. Diabelli-Variation: Don Giovanni). Niemand, dem die Melodie unvermittelt durch die Ohren rauscht, gibt sich entzückt mit „Oh, Mozart ... Misericordias“ ... (außer mir und Dir natürlich). Hätte Mozart geahnt, welches Potential diese flüchtige Phrase entwickeln würde ...


    Ich behaupte mal: bewusstes und zum Erkennen gedachtes Zitat = Reminiszenz vs. bewusstes Zitat einer unbekannten Melodie = Aneignung/„Diebstahl“ (wobei das Urheberrecht und Copyright zu jener Zeit erst im Entstehen war; da war JC Bach in London versuchsweise Vorreiter gewesen).


    Ich behaupte zudem, daß ein Werk mit derart von Beethoven beabsichtigter - und auch eingetretener - Wirkmächtigkeit beide Varianten nicht nötig hatte und es von Beethoven so auch nicht gewollt war.


    Beethoven hat m. W. auch überwiegend - wie Mozart bei van Swieten - Bachs und Händels Sakralwerke studiert; bei Mozart ist das (stilistisch) deutlich hörbar geworden, bei Beethoven eben nicht.


    Vielleicht hat Beethoven KV 222 tatsächlich mal gehört und das Thema hat sich unbewusst in seine Festplatte gefressen, ohne daß er weiß, wo es herstammte ... passiert auch nicht selten.


    Aber es ist natürlich spannend, der Sache mal auf den Zahn zu fühlen. Nehmen wir mal an, Mozarts Werk hätte sich in einer Abschrift tatsächlich in dieser umfangreichen Sammlung befunden (es könnte ja Kataloge geben, um dies herauszufinden): dann müsste Beethoven gezielt (was ich für unwahrscheinlich halte, weil der Focus auf den alten Meistern Bach und Händel lag) danach gesucht oder ihm zufällig begegnet sein; da bleibt genügend Unsicherheit und Raum für Spekulation. Beethoven hat sich wohl keine Kopie des Werkes (auch nicht in Auszügen) angefertigt. Mit letzter Sicherheit wird man das wohl nie auf den Punkt bringen können, aber ich finde diese Gedankenspiele auch stets sehr kurzweilig.

    aber bei den gemachten Zusammenhängen kommt mir natürlich gleich KV222 in den Sinn.

    Ja, das ist ein alter Hut (bei KV 222 hat sich Mozart auch kräftig bei Eberlin bedient; allerdings hinsichtlich anderen Materials). Die Köchler schreiben:

    Zitat

    In einer Rezension eines gedruckten Klavierauszugs [...] wird im Literaturblatt zur Niederrheinischen Musikzeitung [...] auf die Ähnlichkeit des im Verlauf des Werks in der Stimme Vl I mehrfach wiederkehrenden Themas [...] zur Melodie „Freude, schöner Götterfunken“ aus dem Schlusssatz von Beethovens Neunter Sinfonie op. 125 hingewiesen. Laut Redaktion des Blattes sei die „Aehnlichkeit der beiden Stellen“, die allerdings für zufällig gehalten wurde, „auch schon früher von einzelnen Musikern bemerkt worden [...]

    Es existieren zudem Skizzen Beethovens zur 9. Sinfonie, speziell auch zum Freude-Thema, die nahelegen, daß es sich um eine eigene Themenentwicklung handelt ... auch ist das Chorthema der Chorphantasie schon recht ähnlich.


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    Diese Art „Tonleiter-Themen“ (auch Dreiklangthemen) sind stets schwierig einzuordnen, da ist eine Doppelerfindung nicht selten; beispielsweise findet sich der Refrain aus „Haydns“ Kaiserhymne bereits in der Hofkapellmeister-Messe Salieris:



    Auch das „Eroica“-Thema gab es ja schon bei Mozart, wenn auch nicht ganz so heroisch:



    Die Möglichkeiten, Töne anzuordnen, sind eben in gewisser Weise beschränkt.

    Obwohl zeitlich zuerst entstanden, haben die sechs sogenannten Berliner Konzerte nach dem Verzeichnis von Ernest Warburton (W, manchmal auch „Warb“) die höchsten Werkverzeichnisnummern (W C68-73).


    Die Orchesterbegleitung beschränkt sich auf 's Streichquartett (Vl1, Vl2, Vla, Vc/B). Sicher ist sowohl eine solistisch als auch stärker besetzte Darbietung denkbar. Die Konzerte sind dreisätzig gehalten. Damit sind sie (auch hinsichtlich der Besetzung) „mehr Clavierkonzert“ (die Stimme ist als „Cembalo concertato“ bezeichnet) als die Concerti opp. 1 & 7, deren Fokus mehr auf Popularität stand. Der Kopfsatz des 1. Konzerts B-Dur entspricht mehr der Konzertform, obwohl sich längere Tutti- und (begleitete) Solopassagen meist abwechseln, auch eine Art Durchführung ist erkennbar, die im ersten Konzert gar recht witzig gelungen ist: unter dem arpeggierenden und tremolierenden Cembalo werden die Tonleitern durch die Instrumente gereicht (ca. 3:24) - nicht geistreich-witzig, aber spaßig-witzig:



    Im Mittelsatz (Andante) spielen die Streicher mit Dämpfer, der Cembalist darf mit einer kurzen Cadenz aufwarten. Das finale Rausschmeißer-Presto orientiert sich an der herben Schroffheit der Musik seines Bruders CPE: der generell energiereiche Fluss der Musik wird durch abgehackte Phrasen unterbrochen.


    Mit beinahe 20 Minuten Spieldauer wird auch die durchschnittliche Spieldauer einzelner Konzerte aller folgenden Opusgruppen deutlich überschritten. Während diese zudem sämtlich im Tongeschlecht Dur stehen, bietet die Berliner Gruppe gleich drei Moll-Konzerte: das 2. und 6. jeweils in f-moll, das 3. in d-moll: dies unterstreicht nochmals den bewussten späteren Wechsel zur Galanterie. Diese sechs Werke sind noch ganz der Empfindsamkeit verschrieben.


    Auch das 2. Konzert ist dreisätzig angelegt, im Mittelsatz wird den Streichern einmal mehr ein Dämpfer verpasst. „Orchester“ und Solopart werden „wettstreitend“ gegenübergestellt. Die Konzerte soll JC ja unter der Obhut und dem Einfluss seines Bruders CPE verfertigt haben, weshalb sich hier JC Bachs Personalstil, der später auch Mozart et al. formte, noch nicht entfaltet. Die ständig variierenden dynamischen Vortragszeichen machen einen beinah störenden Anteil im Schriftbild des Mittelsatzes aus, der auch zeitlich den größten Teil des Konzertes beansprucht und damit genügend Raum lässt, sich in die Musik hineinzuversenken. Die obligatorische Cadenz darf nicht fehlen, bevor der bestimmend (17:38) intonierte und zwischendurch nahezu „schreiende“ (17:55ff.) Finalsatz den Hörer wieder auf den Boden der Tatschen zurückholt.



    Wie bei den beiden Schwesterkonzerten drängt sich auch im 3. Konzert d-moll aus der Empfindsamkeit heraus das Zugehörbringen der Geläufigkeit der rechten Hand in den Vordergrund. Auch hier liegt das Gewicht des Mittelsatzes, bei dem die Streicher wieder „con sordini“ abgetönt werden, noch über dem des Hauptsatzes. Zeit für Entspannung und Ruhe nach dem angriffslustigen und unaufgeräumt wirkenden Allegro assai. Cadenz, naklar und dann ein dunkel und mysteriös gefärbter Schlußsatz, bei dem - zumindest in dieser Aufnahme - das Cembalo einen harfenartigen Klang (17:26) zugeteilt bekommt, der durch Streicherpizziccati noch Unterstützung findet:



    Was für eine tolle Stelle und was für ein tolles Gemälde von James Barry (übrigens Onkel der gleichnamigen Medizinerin - das wäre doch mal einen Film wert)! Das Konterfei zeigt zwar nicht JC Bach, teilt aber eine ähnliche Eigenschaft des berühmten Gainsborough-Gemäldes: aus welchem Winkel man es auch anschaut, die Falkenaugen des Gemalten packen den Betrachter stets fest und lassen ihn nicht mehr los ...


    E-Dur, 3/4, tänzerisch-triolisch ... so beginnt das 4. Konzert dieses Sets. Nach den beiden das Gemüt trübenden moll-Konzerten eine schöne frühlingshafte Erfrischung. Es ist das bislang kürzeste Konzert, auch liegt der Schwerpunkt nicht so deutlich auf dem Mittelsatz, der zwar in nachdenklichem moll steht, aber diesmal keine Dämpfer vorschreibt; auch hier ist die Cadenz obligatorisch. Es folgt ein mit Synkopen gespicktes 3/8-Presto zum Ausklang, das den barocken Vivaldi-Duft des Kopfsatzes wieder aufnimmt.



    Wie eine Unterhaltung zweier Personen entgegengesetzter Meinung (Dur-moll-Wechsel) beginnt das 5. Konzert in G-Dur - mit, wie ich finde, gelegentlichen Anklängen an Zelenka (0:54: 2:28) und Glucks Don-Juan (2:34) ... ein fröhlicher, blumiger Satz, der Neu und Alt vereint, ohne Stilbrüche vom Zaun zu brechen. Hier darf auch bereits im Kopfsatz die freie Improvisation des Solisten kurz hervortreten (Cadenz).


    Ebenfalls steht der Mittelsatz im Kontrast zu den Rahmensätzen: g-moll, con sordini. Er ist leicht kontrapunktisch gearbeitet und besinnt sich ganz auf die traditionelle Klangrede zurück. Das erste (und einzige) Konzert mit zwei Cadenzen, denn auch der 2. Satz lässt eine solche zu. Im Gegensatz dazu eröffnet der Finalsatz mit absteigenden, der Tonleiter folgenden, Tonwiederholungen im Bass, worüber die Streicher sich mit witzigen Rhythmen im tänzerischen 3/4-Takt hinwegsetzen.



    Das sind alles Kompositionen des ca. 20jährigen, bevor er zum Londoner „Rockstar“ aufstieg; wer die Musik des Bruders CPE mag, wird sich mit diesen Werken schnell anfreunden.


    Das 6. - möglicher Weise nicht authentische, dafür aber wohl bekannteste und meist eingespielte - Konzert ist mir eine separate Betrachtung wert.

    Das Clavierkonzert Es-Dur (W C75) steht für sich in doppelter Hinsicht alleine: es ist nicht einer Reihe von publizierten Konzerten (üblicher Weise 6) zugeordnet; zudem ist die Besetzung im Vergleich zu den übrigen Konzerten herausstechend: im Holzbläserbereich ergänzen 2 Clarinetten und ein Fagott das Ensemble.


    Die Clarinette könnte sich durch Bachs Verbindungen zu Mannheim hier (ausnahmsweise) etabliert haben; seine für Mannheim komponierte Oper Lucio Silla (1776) zeugt jedenfalls reichlich vom Gebrauch der Clarinette, während sie in England zwar bekannt (Thomas Augustin Arne) war, aber noch eher selten Verwendung fand. Haydn setzte die Clarinette erst ab 1794 in seinem (Londoner) Orchester ein. Auch schon in der 1772 ebenfalls für Mannheim komponierten Oper Temistocle finden sich Clarinetten (zwar nicht durchgehend, aber manchmal auch gleich drei Clarinetti d'amore), so daß ich der Versuchung nicht widerstehen kann, anzunehmen, daß dieses Konzert im engeren Zusammenhang mit Mannheim steht. Gleichwohl gibt es Werke aus den 1760er Jahren mit Clarinette, als Bach aber noch nicht in London verweilte. Vielleicht gibt das Booklet der Halstead-Edition mehr zum Thema her? Ich konnte es online leider nicht finden ...


    Das Konzert ist dreisätzig angelegt, was bei Bachs Konzerten eher noch die Ausnahme als die Regel ist; im Mittelsatz schweigen die Bläser vollständig.




    Dem Konzert widerfuhr auch eine Verwandlung zur Sinfonia Concertante, die als W C33 (anderen Quellen folgend: W C33a) kursiert; Solisten sind hier 2 Violinen und Oboe:




    clck 351

    Die Concerti op. 13 werden als Nrn. 13-18 gezählt - das Konzert Nr. 12 steht für sich alleine.


    Hier gesellen sich jetzt wechselweise zu Hörnern und Streichern 2 Flöten oder Oboen hinzu, die auch kräftig im Zwiegespräch mit den übrigen Instrumenten agieren. Sie geben den Konzerten die dringend benötigten Farbtupfer. Noch immer im galanten Stil, gelangt aber auch leicht kontrapunktische Arbeit zum Vorschein, beispielsweise beim 2. Thema des Kopfsatzes des C-Dur Konzerts; das Thema und seine „Verarbeitung“ hat sich Mozart auch irgendwo zu Eigen gemacht. Überhaupt klingen die Concerti op. 13 ziemlich mozartisch. Es gibt hier keine sonatenhafte Wiederholung der Teile mehr, die Kopfsätze sind jetzt konzerthaft durchkomponiert, langsame Mittelsätze allerdings sind noch immer nicht konsequent vorhanden. Der Finalsatz von op. 13 Nr. 1 (Nr. 13) hat ein Motiv, das später im Finale von Mozarts Krönungskonzert aufblitzt.


    Das 2. Konzert beginnt mit einem Motiv, das Mozart ebenfalls verwendet hat: Marsch C-Dur KV 408 Nr. 3. Etwas versteckter, wenn man so will, auch bei „Siano pronte alle gran nozze“ aus „L'Oca del cairo“: man mag darüber selbst befinden, ob es sich um ein Thema handelt oder ob es bloß ein zerlegter Dreiklang ist - es ist jedenfalls die musikalische Sprache der Zeit:



    Auch dieses Six-Pack ist einer hochstehenden Lady des britischen Adels zugeeignet: Catherine Pelham (1700/01-1780); sie war Ehefrau des britischen Premierministers Henry Pelham und entstammte einer bedeutenden Adelsfamilie: ihr Vater, John Manners, war 2nd Duke of Rutland. Die englische Wikipedia berichtet, ihre Fähigkeiten würden u. a. darin gelegen haben, die Gewinnung und Verteilung von Mäzenen zu manipulieren.


    Wie das zweite (14.) Konzert dieser Reihe verfügt auch das vierte (16.) über einen langsamen Mittelsatz; zu seiner Zeit war dieses B-Dur-Konzert das wohl beliebteste; gar Joseph Haydn verfertigte ein Arrangement für Clavier solo, zehn Jahre nach JC Bachs Tod. Dies geschah wohl kaum in Ermangelung eigenen Erfindungsreichtums, sondern als Ehrerbietung und Wertschätzung. Auch hier versüßt Bach den langsamen Satz mit Pizziccato-Begleitung der Streicher und läßt eine Cadenz zu. Wegen des Finalsatzes, der Variationen über das schottische Lied „The Yellow-haired Laddie“ anzubieten hat, wird sich das Konzert in die Herzen gespielt haben:




    Im Finalsatz des letzten Konzerts vernehme ich Mozarts „Entführung“ ...


    Nach Abschluß seines op. 13 hat Bach dann den Acker Clavierkonzert Mozart & Collegen zur weiteren Bearbeitung und Veredelung freigegeben.


    Mozart selbst bezeichnete seine Concerti KV 413, 414, 415 als

    Zitat

    das Mittelding zwischen zu schwer und zu leicht. Sie sind sehr brillant – angenehm in die Ohren – natürlich ohne in das Leere zu fallen. Hie und da können auch Kenner allein Satisfaction erhalten – doch so – dass die Nichtkenner damit zufrieden sagen müssen, ohne zu wissen warum.

    Wie man sieht, bezieht er sich damit nicht auf den Schwierigkeitsgrad des Clavierparts allein; ich würde wetten, mit „zu leicht“ hat er ein zwinkerndes Auge auf Bachs Concerti op. 13 geworfen. Dazu gesellt sich dann auch das von Bachianer gegebene Zitat CPE Bachs:

    Zitat

    Schobert ist hier auch bekannt; er ist ein Mann, der Kopfs hat, aber hinter seiner und meines Bruders itziger Komposition ist nichts.

    Man hat offenbar schon damals zwischen E- und U-Musik unterschieden. Auch Leopold Mozart ermahnte seinen Filius nicht selten, „populärer“ zu schreiben, was offensichtlich auf fruchtbaren Boden fiel.


    Dies soll keine subjektive Wertung meinerseits sein.



    Concerti opp. 13 Nr. 2 & 4


    Susan Alexander-Max (Hammerklavier)

    The Music Collection

    Bei den Concerti op. 7 gesellen sich 2 Hörner ad libitum zu den Streichern; in den Einspielungen von Haebler und Halstead höre ich davon leider nichts. Gewidmet sind sie ebenfalls Her Majesty Charlotte Queen of Great Britain.

    Wie auch bei op. 1 dominiert die Zweisätzigkeit, der Finalsatz ist ein kurzes Rondo oder modisches „Tempo di Minuetto“ (z.B. auch Mozart KV 242, 415); tatsächlich klingt beim F-Dur Konzert Nr. 2 schon das Finale von Mozarts Doppel- bzw. Tripelkonzert KV 242 an.


    Die Kopfsätze bekommen in op. 7 allmählich das Flair einer italienischen Opernouvertüre, sind bewegter, frischer und weniger „stur“ als op. 1.


    Das Es-Dur-Konzert Nr. 5 aus op. 7 (oder als Nr. 11 gezählt) ist wieder dreisätzig und gefällt mir bislang am besten - es klingt im Kopfsatz ein klein wenig nach einer bravourösen Opernarie:



    Außergewöhnlich ist hier der langsame Mittelsatz in c-moll; es klingt schon der 2. Satz aus Mozarts Concertante für Violine und Viola an, nicht wahr? Jedoch, ohne sich in Mozartischem Tief- und Trübsinn zu verlieren. Der Solist hat sogar erstmals Gelegenheit zu cadenzieren. Beim Finalsatz vermisse ich jetzt wirklich die Hörner, die das la-chasse-hafte schön unterstützen würden.


    Auch das 6. (12.) Konzert ist dreisätzig. Der Mittelsatz hat was: die melodieführende 1. Violine wird von zupfenden Streichern begleitet. Das erinnert mich an was (?).


    Die Concerti op. 1 sind überwiegend bloß zweisätzig; den Finalsatz repräsentiert oftmals ein galantes „Tempo di Minuetto“, womit die Concerti unspektakulär - wie sie begannen - auch ohne große Erregung enden. In den Kopfsätzen werden die beiden Teile jeweils wiederholt, was eher noch der Sonatenform als der später etablierten Konzertform entspricht. Ein wenig erinnern die Concerti stilistisch an Mozarts frühe Claviersonaten KV 279-282.


    Ausnahmen sind das vierte und sechste (vielleicht fünfte?) Konzert.


    Beim vierten Konzert ist ohrenfällig, daß das Soloinstrument nicht auf der Tonika mit dem Kopfmotiv einsetzt, sondern auf der Dominante. Der Mittelsatz wartet hier mit der Besonderheit auf, daß das Soloclavier nach kurzer Themenvorstellung durch die Streicher sich mit ausgehaltenem Triller, unter dem die Streicher seicht weiterspielen, abhebt. Als zweiminütiger Kehraus folgt hier ein Presto 3/8, ähnlich dem späteren „Giovani liete“ aus Mozarts Figaro.



    Im fünften Konzert ist der Kopfsatz durchkomponiert.


    Auch das sechste Konzert ist dreizätzig. Der Finalsatz wartet mit Variationen über das Thema „God save the King“ auf. Das erklärt die Widmung an die beliebte Sophie Charlotte zu Mecklenburg-Strelitz, durch Heirat 1761 mit König Georg III. zur Königin avanciert.



    Auch diese Variationen sind kurz und denkbar einfach gehalten, frei von harmonischen Irritationen, Ecken und Kanten; wie alle Concerti aus op. 1 dem galanten Stil verpflichtet, der sich bewusst homophon und melodiebetont von der strengen Tradition und Rethorik abhebt: ein einfaches, stilles Vergnügen, ganz der Schönheit und Eleganz verschrieben. Abschweifungen in entfernte Tonarten, gar Rückungen, sind unzulässig: die Harmonik bewegt sich nur im Rahmen naher Blutsverwandter.


    Auch Melancholie wird hier kurzgehalten: sie taucht als Molltrübung allenfalls gelegentlich in den Mittelteilen auf, darf aber nicht den Focus auf den Vergnügungsaspekt stören.

    Gefunden habe ich überraschender Weise gerade noch zufällig diese Einspielung der Concerti opp. 1 & 7 mit Ingrid Haebler am Hammerflügel:



    Die Aufnahmen sind wohl auch auf YT hörbar.


    Was Neupert damals in den 1960er mehr oder weniger willenlos zusammengeschraubt hat, klingt doch recht hübsch für einen Hammerflügel.

    Von Franz Anton Hoffmeister gibt es in meiner Sammlung NICHTS. Aber ich sehe, es gibt eine CD mit Streichquartetten. Kennt die jemand?

    Ich bin seit langem sehr begeistert! Sowohl von den Werken selbst, als auch von den Leistungen des mir sehr lange gänzlich unbekannten Aviv Quartet. Die 1786 komponierten Werke stehen tatsächlich in ihrer "Machart" zwischen Haydns op. 76 und Mozarts "Preußischen" Quartetten. Die beiden ersten Quartette sind nur dreisätzig, aber das tut nichts zur Sache, die musikalische Qualität ist beeindruckend. Hoffmeister war einer der beiden ersten Verleger Wiens (neben Artaria) und aus seinem Verlag ging später nach einem Zusammenschluß mit einem Berufskollegen in Leipzig der heute noch existente Verlag C. F. Peters hervor. Hoffmeister ist auch der Namensgeber von Mozarts Streichquartett D-Dur KV 499: das Quartett erschien im Spätsommer 1786 in Hoffmeisters Verlag.


    Sehr erfreulich ist beispielsweise der dritte Satz des F-Dur-Quartetts, das sehr in der Manier eines typischen Sinfonie-Finales von Haydn steht. Ein auftaktiges, sprunghaftes Thema wird regelrecht seziert und mal ohne, dann wieder mit Auftakt wiederholt, erhält dämonische Wendungen und mal führt der Auftakt überraschender Weise in ganz andere Gefilde. Das B-Dur-Quartett erinnert mich im ersten Satz an eines der Quartette von Joseph Martin Kraus (G-Dur op. 1 Nr. 6). Ein ebenfalls sehr fröhliches, manchmal hingegen nachdenkliches Werk, das besonders markant durch die lautstarken Offbeats im Finale auffällt.


    Als "Krönung" wartet Hoffmeister mit einem d-moll-Quartett auf, dessen Bedeutung durch seine Viersätzigkeit zudem erhöht wird. Er beginnt mit einem von Seufzern durchzogenen Vivace, es folgt ein rührseliges Adagio cantabile, wiederum mit thematischer Anlehnung an Haydn. Das Menuett, ein Allegretto hat sizilianohafte Züge; es steht im sanften D-Dur und hat ein besonders schönes und zerbrechlich wirkendes Trio in moll. Mit einem im frz. Stil stehenden Presto (es beginnt wie das Finale von Mozarts Pariser Sinfonie zum Ohrenspitzen leise, um dann auszubrechen) endet op. 14 Nr. 3 triumphierend.

    Die Bookletautorin Dianne James kritisiert einen Mangel an Tiefe in den Werken. Ich glaube, die wäre hier einfach Fehl am Platz - mir geht hier nichts ab.


    Eine großartige Ergänzung zu den Wiener Klassikern, die nur hoffen lässt, dass die Serie genau so fortgesetzt wird.

    Also, 5 der 6 "Berliner Konzerte" sind in originalen Handschriftpartituren von JCB im Nachlass von CPEB gefunden worden.

    Es geht ja bloß um das sechste, dessen Autorschaft bislang nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnte. Wenn es von JC ist, dann hat er CPE extrem gut kopiert!

    :)


    Interessant ist da auch das Wort "itziger" = jetziger! Könnte CPEB damit genau diese Werke gemeint haben und nicht die Berliner Konzerte?

    Nicht auszuschließen; kommt darauf an, wann er diesen Satz formulierte.


    Und ja, die ersten Konzerte sind, sagen wir mal: einfach, simpelst gehalten, was schon die dünne Begleitung zu erkennen gibt: das könnten auch Claviertrios mit bc oder Clavierquartette sein ... Ich werde mich dennoch damit befassen, zumal ja eine Steigerung in der Besetzung zu sehen ist. Ich zumindest schließe dann erstmal auch auf einen allmählichen Qualitätszuwachs.


    Die Schlichtheit; nennen wir sie mal Popularität; ist sicher Absicht gewesen und unterscheidet sich natürlich deutlich von CPEs Stil, ist aber auch beim erwähnten Fünfsternepilzkoch Schobert sowie Schroeter, Paisiello, ggfs. Kuzeluh usw. zu finden.

    Das sind aber - bei allem gebotenen Respekt vor der Genauigkeit Deiner Betrachtungen - eher Details.

    Das kann schon sein - die springen mir aber ins Ohr. BTW: das Rossineske ist für mich bei Schubert erst rossinesk, seitdem ich mich überhaupt mit Rossini befasst habe - und das war weitaus später; vorher war das für mich Schubert.

    Ich habe hierauf (noch) keine Antwort(en), aber interessant ist die Fragestellung allemal...

    Ich schon:

    dennoch schuberttypisch sind die unvermittelten Sprünge zur Mediante, also von C-Dur zu E-Dur (z.B. 3:17/18; noch deutlicher 5:46/47) sowie die Bässe in der Coda (z.B. 7:40ff), die schon ein wenig auf die „große C-Dur“-Sinfonie hindeuten.

    Wie wär's mit beidem gleichzeitig? Ich habe mir die Freiheit genommen, die Kennzeichnung „Solostücke“ aus dem Threadtitel großzügig als „ohne Orchester / Begleitinstrumente“ umzuinterpretieren:



    Johann Christian Bach (1735-1782)

    Sonate für zwei Tasteninstrumente G-Dur op. 15 Nr. 5


    Anna Kislitsyna (Fortepiano), Irene Moretto (Harpsichord)


    Das Hören und gedankliche Mitspielen macht soviel Spaß, daß ich mir Mozarts KV 448 mal in dieser Form wünsche ... die Idee, auf zwei unterschiedlichen Tasteninstrumenten zu spielen, ist toll (aber nicht neu: CPE komponierte extra ein Konzert zur Gegenüberstellung der Instrumente). So aber kommt das Miteinanderspiel viel besser heraus als würde man zwei baugleiche Instrumente nehmen. Möglich, daß es damals tatsächlich so stattfand: man nahm an Instrumenten, was man hatte ... es klingt manchmal ein wenig so, als würde das Cembalo das Clavier begleiten, aber im Prinzip ist der Part fast gleich berechtigt.

    Und als kleines Bonbon:



    Anders Muskens, Fortepiano Longman & Broderip in London c1788, restauriert von Paul Kobald in Amsterdam c2018

    Das Neue Mannheimer Orchester


    Die Melodie des Finalsatzes kehrt ganz minimal erinnernd in Mozarts „Entführung“ wieder; es mag Zufall sein, aber Mozart setzte oft Reminiszenzen an den Freund (A-Dur-Konzert KV 414, Mittelsatz oder Marternarie, Rondo KV 485 bzw. 478, Sonate KV 333). Es ist nicht das, was man als „direktes Zitat“ bezeichnen würde, aber der Satz schwingt in


    Dass wir uns niemals wiederfinden!
    So dürfen wir nicht erst empfinden
    Welchen Schmerz die Trennung macht.


    Johann Christian starb am 1. Januar 1782 - die Komposition der „Entführung“ umfasste den Zeitraum 30.07.1781 bis Ende Mai 1782 ...

    „Berliner“ Konzert Nr. 6 f-moll (ehemals W. F. Bach zugeschrieben)

    Ich halte es ziemlich sicher für ein Werk Carl Philipp Emanuels.


    Ich könnte damit leben, daß der Clavierpart von Carlo Filippo Emanuele Bach im Original stammt und der damals vllt. 15jährige Bruder Joh. Chr. unter dessen Anleitung die Instrumentierung eingerichtet hat ... ganz ähnlich der Pasticci und Arrangements, die Mozart unter der Fuchtel seines Vaters vorgenommen hat.


    WF schließe ich grundsätzlich ebenso aus wie eine Originalkomposition Joh. Chr. Bachs. Wenn man mit den Concerten Carl Philipp Emanuels und Johann Christians, die stilistisch unterschiedlicher nicht sein können, einigermaßen vertraut ist, fällt die Wahl wohl kaum schwer ...


    Zitat von Jean Rondeau

    Alle Komponisten werden in Klaviere vernarrt [gewesen, Anm. von mir] sein, gehätschelt in den anonymen Schmieden von Bach & Co., man weiß leider nicht, wer was gemacht hat, wem man z. B. den Widersinn oder die köstliche Extravaganz dieses Konzertes in f-moll zuschreiben soll ...

    Die Beschreibung passt exakt auf CPE; wie man um Himmels Willen jemals auf WTF kam, ist mir schleierhaft, für JC eben zu extravagant und widersinnig, für den „Alten“ zu modern. Was bleibt? Eben - der beste: CPE (man braucht das ja nur mal mit Wq23, hier ebenfalls enthalten, zu vergleichen, vielleicht fallen dann die Groschen?) ... und falls sich für das herrenlose Werk niemand finden sollte; ich melde mich freiwillig.

    Empfehlenswerte Einzeleinspielungen:



    Konzert D-Dur op. 1 Nr. 6


    Tobias Koch, Érard 1838

    Concerto Köln



    Konzert Es-Dur op. 7 Nr. 5
    Konzert G-Dur op. 7 Nr. 6


    David Owen Norris (Square Piano 1769)

    Trio Sonnerie



    „Berliner“ Konzert Nr. 6 f-moll (ehemals W. F. Bach zugeschrieben)


    Jean Rondeau (Cembalo Jonte Knif & Arno Pelto, 2006, nach germanischen Vorbildern)
    Sophie Gent & Louis Grec'h (Violine), Fanny Paccoud (Viola), Antoine Touche (Cello),
    Thomas de Pierrefeu (Kontrabass), Evolene Kiener (Fagott)

    Die Konzerte waren mitunter inspirierend für Mozart.


    Bekannt ist womöglich die folgende liebevoll eingespielte Gesamtausgabe:



    Anthony Halstead

    The Hanover Band


    Eine etwas zupackendere Aufnahme des Konzertes W C75 hätte ich allerdings schon gerne ...

    Ich habe keinen separaten Thread zum Thema gefunden (falls doch vorhanden, bitte verschieben).


    Die englische Wikipedia listet folgende Konzerte, die ich um Entstehungszeit und Besetzung ergänzt habe:


    Clavierkonzerte op. 1 (1763; 2 Vl, Vc e Basso)

    Nr. 1 B-Dur (W C49)
    Nr. 2 A-Dur (W C50)
    Nr. 3 F-Dur (W C51)

    Nr. 4 G-Dur (W C52)

    Nr. 5 C-Dur (W C53)

    Nr. 6 D-Dur (W C54)


    Clavierkonzerte op. 7 (1770; 2 Hr, 2 Vl, Vc e Basso)

    Nr. 1 C-Dur (W C55)

    Nr. 2 F-Dur (W C56)
    Nr. 3 D-Dur (WC57)
    Nr. 4 B-Dur (W C58)

    Nr. 5 Es-Dur (W C59)

    Nr. 6 G-Dur (W C60a)

    Clavierkonzert G-Dur (W C60b - Originalversion op. 7 Nr. 6)


    Clavierkonzert Es-Dur op. 14 (W C61; 1777; 2 Hr, 2 Vl, Vle, Vc e Basso)


    Clavierkonzerte op. 13 (1777; 2 Fl*, 2 Ob°, 2 Hr, 2 Vl, Bassi)

    Nr. 1 C-Dur (W C62)°

    Nr. 2 D-Dur (W C63)°

    Nr. 3 F-Dur (W C64)*
    Nr. 4 B-Dur (W C65)°

    Nr. 5 G-Dur (W C66)°
    Nr. 6 Es-Dur (W C67)*

    „Berliner“ Cembalokonzerte (1754; 2 Vl, Vle, Basso)
    Nr. 1 B-Dur (W C68)
    Nr. 2 f-moll (W C69)

    Nr. 3 d-moll (W C70)
    Nr. 4 E-Dur (W C71)

    Nr. 5 G-Dur (W C72)

    Nr. 6 f-moll (W C73)

    Concerto "nach Tartinis Manier" (verloren; W C74)

    Clavierkonzert Es-Dur (W C75; c1772; 2 Fl, 2 Clar, 2 Hr, Fg, 2 Vl, Vle, Vc e Basso)


    Eine interessante Beobachtung ist, wie die Konzerte von Opus zu Opus an Bläsergehalt zunehmen; das Konzert W C75 von 1772 ist hier mit der größten Besetzung eine Ausnahme.