Zur „Ehrenrettung“ der „Eine kleine NachtMusick“, wie Mozart sie in sein eigenes Verzeichnis eingetragen hat:
Nota bene: das „eine kleine“ verwendet er durchaus nicht selten in unmittelbar zeitlicher Nähe: „Eine kleine klavier Sonate für anfänger“ (gemeint ist die sogenannte Sonata facile C-Dur KV 545), „eine kleine klavier Sonate - für Anfänger mit einer Violin“ (Violinsonate F-Dur KV 547), „eine kleine Kantate. Die Maurerfreude“ (KV 471), „ein kleines Rondo für das Klavier allein“ (KV 494; später zur Claviersonate erweitert), „ein kleiner Marsch“ (KV 544), „eine kleine Canzonette. à 2 soprani e basso“ (Piú non sì trovano; KV 549), „eine kleine Gigue für das Klavier“ (KV 574), „eine kleine Teutsche Kantate für eine Stimme am Klavier“ (Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer; KV 619), „Eine kleine Freymaurer-Kantate“ (KV 623) und last but not least: die kürzlich entdeckte „ganz kleine Nachtmusik“ KV 648 (Titelgebung von „Nannerl“).
Schaut man sich all diese „kleinen“ Werke (mit Ausnahme des neuentdeckten Werks, dessen Titel nicht von Mozart selbst stammt) an, so findet man als gemeinsamen Nenner, daß die Bezeichnung eher tiefgestapelt ist; vielleicht war sich Mozart selbst ihrer inneren Bedeutung nicht so sehr bewusst - aber alle diese Werkchen kommen sicher mehr „von Herzen“ (sind also persönlicher) als die großen bekannten; hier mit der Ausnahme eben der kl. Nachtmusik und der Sonata facile, die beide sehr bekannt wurden und trotzdem sehr persönliche Werke sind (wie auch die beiden moll-Stücke für Clavier allein KV 511 und 540); und das zu Recht. Die Erstausgabe in Stimmen erfolgte 1837 bei André; erst ab hier konnte sie ihren eigentlichen Siegeszug beginnen.
KV 525 ist sicher simpel im Konzept (wie auch die beiden Sonaten, von denen das Schwesterwerk KV 547 seltsamer Weise ein Schattendasein fristet; „bekannt“ ist allenfalls der Finalsatz), man lässt sich aber leicht von den Ecksätzen blenden: die kecke und nicht humorlose „Romanze“, die ich bewusst in An- und Abführungszeichen setze, ist als solche nicht so bierernst zu nehmen, schon gar nicht der moll-Teil. Sie ist übrigens vom Charakter her dem 2. Satz der Sonata facile sehr ähnlich. Dazu ist das (dämliche) Motiv des 2. Satzes der Claviersonate jenem aus Don Giovanni („„Nella bionda egli ha l'usanza“) nicht unähnlich: daran sieht man schön, daß Mozart häufig gleiche „Bausteine“ verwendet, die aber im (anderen) Kontext völlig neu wirken - optisch fällt das mehr ins Auge als man es vielleicht zu hören vermag:

Man kann davon ausgehen, daß „eine kleine NachtMusick“ eine Anlasskomposition war; evtl. für den Namenstag einer nahestehenden Person wie beispielsweise das „Nannerl-Septett“. Welche, ist leider nicht bekannt. Ehefrau Constanze und die beiden Gottfrieds (van Swieten und von Jacquin) scheiden leider aus. Der Namenstag für Schwester „Nannerl“ ist am 26. Juli ... Mozart könnte das Werk natürlich nachträglich in sein Verzeichnis eingetragen haben (der Eintrag datiert vom 10. August 87); dagegen spricht aber, daß er das Werk offenbar nicht seiner Schwester geschickt hat, denn es befand sich ja - vermindert um das 2. Menuett - in seinem Nachlass und in Korrespondenzen wäre es sicherlich erwähnt worden. Die Korrespondenz in diesem Zeitraum ist dürr ... der Vater war gerade gestorben und in Briefen mit der Schwester geht es genau darum bzw. um die Erbschaft. Charakterlich steht die „kleine NachtMusick“ - wie auch der „musikalische Spaß“ (KV 522) - den Lebensumständen diametral entgegen. Ich glaube eher, daß die Nachtmusik am Tage des Anlasses - und dann nie wieder - vorort in Wien erklungen ist. Da kann man nun schön rätseln ...
An Puchberg, 17. Juni 1788: „P: S: wenn werden wir denn wieder bey ihnen eine kleine Musique machen? - - Ich habe ein Neues Trio geschrieben!“ (das was das E-Dur-Trio KV 542).
Schade ist eben, daß das Stück inzwischen totgenudelt ist. Aber das gilt auch für andere Werke anderer Komponisten und das kann ihnen nicht zur Last gelegt werden.