Guten Abend,
auch ich habe den fliegenden Holländer in Stuttgart nun endlich selbst live sehen können. Er wurde ja schon einige Male neu aufgenommen und hatte schon einen gewissen Ruf.
Erstmal zu der Musik:
Ich habe in den letzten zwei Jahren etwa 25 Aufführungen des fliegenden Holländers in allen Ecken Deutschlands gesehen: Stuttgart war hier musikalisch ganz vorne mit dabei. Das Orchester hat zwar sehr laut, aber insgesamt sehr gut gespielt (und gerade beim Holländer höre ich jeden falschen Ton!). Um einiges besser als beim Tristan im letzten Sommer!
Rutherford als Holländer ist umwerfend, ein junger Sänger der noch eine große Karriere vor sich hat.
Daland war in Ordnung. Eine große und laute Stimme, hat aber nicht so viel Darstellung in die Rolle eingebracht
Blondelle als Erik ziemlich gut. Ein junger, gut anzusehender Sänger der die Rolle mit viel Spielfreude gestaltet und mühelos selbst die schwersten Passagen singt.
Sein Loge in Wiesbaden ist ebenfalls zu empfehlen.
Mary wurde aus dem Opernstudio besetzt. Eine hervorragende junge Sängerin, welche der Mary eine Stärke vermittelte, wie ich sie sonst noch nie gehört habe. Die größte Überraschung an diesem Abend
Senta (Christiane Libor) war gut. Nicht ganz so hervorragend wie andere Sentas dieser Welt aber doch mindestens eine 2+
Und jetzt die Inszenierung:
HEFTIG, was dort auf der Bühne zu sehen war.
Aktuell laufen ja gleich drei Holländer-Produktionen für Freunde des gepflegten Regietheaters:
Kosky in Essen
Konwitschny in München
und eben Bieto in Stuttgart
Witzigerweise hat der Bieto-Holländer einige Parallelen (tote Babys) zu dem Holländer aus Essen.
Die Inszenierung zeigte in der Ouvertüre einige gute Ideen (Senta gefangen und suchte nach Hilfe), nur leider war kein schlüssiges Konzept hinter der gesamten Produktion zu erkennen.
Wo Bieto sonst streng am Libretto inszeniert (Jenufa in Stuttgart oder das Totenhaus in Nürnberg als hervorragendes Beispiel) hat er bei seinem Holländer zu viele Beliebigkeiten und Provokationen auf die Bühne gebracht, die mit der eigentlichen Handlung des Holländers nicht mehr viel gemeinsam hatten.
Auch wenn keine Deutung oder Konzept in der Inszenierung zu erkennen ist, bleibt festzuhalten, dass die Oper Stuttgart diese Produktion unglaublich gut geprobt und wieder aufgenommen hat. Jede Geste, jeder Schritt, jeder Effekt sitzt. Man könnte meinen, es ist ein Kinofilm, so gut wurde die Produktion geübt. Der Chor weiß in jeder Minute, wann welche Bewegung zu erfolgen hat und gerade das macht es spannend!
Oft sieht man im Regietheater Sänger und Statisten, die hilflos in modernen Kostümen über die Bühne schreiten, nicht so im Bieto Holländer: Auch wenn nicht alles sinnvoll ist, sind die gesamten zwei Stunden hervorragend choreographiert! Ich war nach der Vorstellung schockiert und baff. Eine brutale Inszenierung und sehr starke Personenregie. Das reicht schon, um diese Produktion noch ein zweites oder drittes Mal sehen zu wollen.
Als Fan von Bieto muss ich trotzdem festhalten, dass dies nicht seine beste Produktion ist!