Hallo,
Michael, Pfitzner hat gesagt, eine bessere Musik zum Sommernachtstraum als die Mendelssohnsche sei nicht denkbar.
Es gäbe auch noch mehr Positives beizusteuern, z.b. den Auszug aus einem 1933 an einen jüdischen Sänger geschriebenen Brief:
Lieber Herr Schey,
Gott sei Dank kennen sie mich schlecht, wenn Sie glauben, daß Bedenken von meiner Seite vorliegen, meine Lieder von Ihnen gesungen zu wissen, weil Sie Jude sind. Ich möchte Ihnen nicht ausführlich schreiben, wie ich über die Judenverfolgung denke, denn ich liebe die Dachauer Gegend nicht besonders!
1946 schrieb Pfitzner an Bruno Walter:
Wer hätte damals im entferntesten ahnen können, welche Richtung diese Bewegung einschlagen und bis zu welchen Exzessen und Fratzen sich diese Idee auswachsen würde. Mit der Vergrößerung, der Ausbreitung und dem Machtzuwachs der "Partei" begann allerdings ein Terror in Deutschland, der für jeden freien und geistigen Menschen schlechthin unerträglich wurde....."
Armin Diedrichs Behauptung Besonders übel sind übrigens Pfitzners Auslassungen nach 1945, als er erst wirklich zum Verteidiger des Nationalsozialismus avanciert, etwa in Briefen an Bruno Walter oder in seiner "Glosse zum zweiten Weltkrieg", in der er den Holocaust leugnet etc. scheint mir angesichts solcher Zeilen dann doch sehr einseitig formuliert. Und auch das Buch von Sabine Busch macht mir einen etwas tendenziösen Eindruck...
Pfitzner war vor allen Dingen eines: Eine sehr ambivalente Persönlichkeit, der das gängige Bild vom nibelungentreuen Nazi nicht wirklich gerecht wird. Die "schuldhaften" Aspekte in Pfitzners Verhältnis zum Dritten Reich (Hans Frank ist hier in der Tat das Stichwort) will ich mit dieser Feststellung nicht herunterspielen, aber es gab bei ihm halt auch eine andere, den Nazis gegenüber sehr distanzierte Seite, die man ebenfalls betrachten und kennen sollte. Dann versteht man auch besser, warum unter anderem Arnold Schönberg und Bruno Walter 1947 eidestattliche Erklärungen abgaben, um Pfitzner im Entnazifizierungsverfahren zu entlasten.
Das läßt sich nur unterstreichen. Mir ist bislang noch kein bedeutender Komponist begegnet, der auf der menschlichen Ebene eine derart ekelhafte Person gewesen sein muß. Seine Tochter trieb er in den Selbstmord (wobei er sich anschließend nur beklagte, warum sie ihm das antun konnte), mit seinem Sohn verkehrte er nur noch über den Anwalt und so fort. Im Vergleich dazu war Wagner wohl ein Ausbund an Edelmut und Herzensgüte...
In den letzten Jahrzehnten ist es ja eine regelrechte Mode geworden, bedeutenden Künstlern ihre kleinen menschlichen Schweinereien bis ins letzte Detail nachzuweisen und diese negativen Charakterzüge auf hunderten von Seiten in der Offentlichkeit zu präsentieren, möglichst unter einem dicken Vergrößerungsglas, auf das jeder séhen möge, wie völlig unerträgliche Zeitgenossen Goethe, Thomas Mann, Richard Wagner etc. usf. eigentlich gewesen sind. Mir scheint, nach einer Phase der kritik- und distanzlosen Bewunderung erleben wir jetzt eine Ära, in der man mit besonderer Lust auf jeder einzelnen Schwäche der ehemaligen "Meister" herumreitet.
In meinen Augen ist das eine wie das andere eine problematische Schwarz-Weiß-Malerei..... -
Gerald, ich finde es sehr bemerkenswert, daß du dich schon als Gymnasiast so intensiv mit Pfitzner und seiner Musik auseinandersetzt. Ich glaube, ich würde dich sehr gerne einmal persönlich kennenlernen! Die Veröffentlichung oder Nichtveröffentlichung eines doch bis an die Grenzen der Unerträglichkeit belasteten Randstückes (als etwas anderes kann ich die "Krakauer Begrüßung" bislang nicht sehen) unseres Lieblingskomponisten ist mir allerdings völlig unwichtig. Richtig ärgerlich finde ich es hingegen, daß bislang immer noch keine offizielle Aufnahme der "Rose vom Liebesgarten" auf Tonträger zu bekommen ist....
Viele Grüße
Bernd