Hallo,
nachdem ich gestern den Aachener Lohengrin besucht habe, hier der nun im Nachbarthread versprochene Bericht:
Das Orchester unter der Leitung des Chefs Markus Bosch bot eine weitgehend hervorragende Leistung. Besonders die Bläser konnten mich über weite Strecken begeistern. Man merkt, daß an vielen Positionen inzwischen junge, erstklassig ausgebildete Leute sitzen.
Ausgezeichnet war Rachael Tovey als Ortrud. Mit dieser stimmlichen und darstellerischen Leistung könnte sie sich sicherlich auch an größeren Häusern mühelos behaupten. Ähnliches gilt für den ebenso kraftvollen wie im Bedarfsfall auch lyrisch weichen Norbert Schmittberg, der mich als Lohengrin besonders positiv überrascht hat. Eine solide und vor allem darstellersich überzeugende Leistung in der Rolle des Telramund bot Johannes von Duisburg.
Irina Popova hingegen wirkte als Elsa stimmlich überfordert, und eine Fehlbesetzung war für meinen Geschmack auch der rein klanglich recht gute, aber arg asiatisch akzentuierende Baß Woong-jo Cho als König Heinrich.
Szenisch gestaltete sich der Abend wie erwartet: Lohengrin erschien mit einem ollen Sportkajak sowie einem Plasteschwan nebst einer Kiste, auf der "Live Animals" zu lesen stand, der Chor trat im zweiten Akt komplett in Unterhemden auf (im ersten und dritten Akt gab es aber auch die obligatorischen Naziuniformen), Telramund zischte sich zu Beginn des zweiten Akts ein leckeres Bierchen, um seine Sorgen zu vertreiben, während Elsa als Angeklagte ein Mineralwasser serviert bekam, mittels vom Chor hochgehaltenen Buchstabenschildern ("Zu Gast bei Freunden") wurde endlich einmal der naheliegende Bezug dieser Oper zum Fußball deutlich gemacht....etc. usf....
Zum Glück gelang es mir gestern, mich über weite Strecken von der Musik, die deutlich faszinierender war, als ich sie von lange zurückliegenden Aufführungen in Erinnerung hatte, mitreißen zu lassen und den Schwachfug auf der Bühne Schwachfug sein zu lassen. Im ersten Rang Seite des Aachener Opernhauses sitzt man sehr nahe am Orchester und an den Sängern, so daß man das Gefühl hat, richtig im Zentrum des Klanges zu stecken. Mir ist wieder einmal klarer geworden, daß mir gerade im Falle der Oper Konserven nur einen Schatten des Live-Erlebnisses bieten können. Und deshalb werde ich wohl auch in Zukunft noch einigen Regie-Kokolores über mich ergehen lassen....
Viele Grüße
Bernd