Beiträge von Bernd Schulz

    Zitat

    Vielleicht lags an denen, dass die Oboe zu einem meiner Lieblingsinstrumente wurde


    Blackadder, ich freue mich ja sehr, wenn jemand die Oboe besonders mag. Aber ausgerechnet die Oboe von Rondo Veneziano?


    Sorry, aber die klang für meine Ohren weitgehend wie abgeleckte Fensterscheiben - nur wesentlich steriler....


    Viele Grüße


    Bernd

    ,,,,da prallen wohl mal wieder Welten aufeinander :D. Ich fürchte aber, daß es wenig Sinn hat, unseren Streit um ästhetische und *weltanschauliche* Gegenpole hier weiter öffentlich zu vertiefen. Nur noch mal kurz zu Hesse: Ich habe kürzlich sowohl den Siddartha als auch das Glasperlenspiel nach über 20 Jahren zum zweiten Mal gelesen. Beide Bücher haben auch in meinen Augen Schwächen (auch sprachliche), aber trotzdem sagen sie mir immer noch hundertmal mehr als fast alles, was nach 1950 zu Papier gebracht wurde.


    Ja, so unterschiedlich sind die Menschen mit ihren Vorlieben und Abneigungen gestrickt...wobei wir uns wenigstens in einem Punkt einig sind: Die Aufführungen der Werke von Mozart, Dvorak, Chopin, Schumann etc. könnten ruhig ein wenig zu Gunsten von selten gespielten Komponisten gekürzt werden.


    Beste Grüße


    Bernd

    :D :O :D :O


    ....an derartigen "the best"-Threads sollte ich mich vermutlich lieber gar nicht mehr beteiligen..... :O :O


    Johannes, zugegebenermaßen höre ich auch die Pfitzner- und Atterberg-Sinfonien von der CD nur selten. Sinfonische Musik (oder gar Oper) aus der Konserve schmeckt mir einfach nicht sonderlich gut - mit aufgewärmter Kammer- oder Vokalmusik habe ich merkwürdigerweise viel weniger Probleme.


    Viele Grüße


    Bernd

    Meine Favoriten :D :


    Pfitzner G-Dur op.44
    Pfitzner C-Dur op.46
    Pfitzner cis-moll op. 36 a
    :D :O :D :O


    Nielsen 4.
    Nielsen 3.


    Sibelius 6.
    Sibelius 7.


    Brahms 1.
    Brahms 3.


    Dvorak 9.
    Dvorak 8.


    Atterberg 1.


    Mahler 4.

    Bruckner 8.


    Generell höre ich Sinfonien außerhalb eines Konzertsaals nur selten.


    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    einer meiner favoriten: eduard lalo, cellokonzert ...was langweiligeres kenn ich kaum ...


    Klingsor, da bin ich - Michael möge mir verzeihen! - sofort bei dir. Ein wirklich grottenödes Stück! Nachdem ich mich vor Jahren schon einmal bei einem Live-Konzert entsetzlich damit abgequält habe, habe ich neulich noch mittels einer Radioübertragung versucht, herauszufinden, ob ich diesem Konzert auch nur das Geringste abgewinnen kann. Es ist mir leider nicht gelungen, auch nur einen Hauch der von Lalo vermutlich beabsichtigten Aussage zu erahnen.
    Erfahrungsgemäß und verständlicherweise sieht das aber immer etwas anders aus, wenn man das Soloinstrument selber spielt - wobei ich Bellinis Oboenkonzert oder Donizettis E-Horn-Concertino ebenfalls eher unter die Gattung "Lieder, die Welt nicht braucht" rechnen würde....


    Achtung, jetzt stoße ich auf energischen Widerspruch: Unglaublich langweilig sind für mich auch SÄMTLICHE Rossini-Opern sowie nahezu alles, was das Dreigestirn der Neuen Wiener Schule auf Notenpapier verewigt hat (im Falle Schönbergs finde ich seine tonalen Werke noch viel zäher als die zwölftönigen Kompositionen - aus der "Verklärten Nacht" wäre ich vor einiger Zeit nach fünf Minuten am liebsten in eine wüste Kneipe entfleucht , obwohl ich in meinem Bekanntenkreis eher als schöngeistiges Sensibelchen gelte :O :D ).



    Beste Grüße


    Bernd

    Othmar Schoecks künstlerische Bedeutung aus der Perspektive seines Freundes Hermann Hesse:


    "Unsere Zeit reagiert auf den Intellekt und den Willen in der Kunst rascher und sicherer als auf das eigentlich Schöpferische, das nichts anderes ist als jenes innerste Einssein mit der Natur. Wer das hat, wer bei den Müttern wohnt, wer bei den Quellen zu Hause ist, der mag lange verkannt bleiben - es kann ihn betrüben oder ärgern, schädigen kann es ihn nicht. Ich habe oft die Urteile des Tages über Schoeck bedauert, habe oft mit Seufzen und Ärger zugesehen, mit wie viel weniger Schöpferkraft andere Erfolge haben konnten, aber ich habe nie daran gezweifelt, daß Schoeck erkannt werden und jene wohlfeilen Erfolge überdauern werde. Und ich habe mit Freude und mit grimmigem Jubel zugesehen, wie er sich treu blieb, wie er sich unabhängig hielt bis zum Eigensinn, wie er weder dem Usus des Konzertsaals noch den Mahnungen des Theaters Konzessionen machte, und zum Glück auch nicht den Mahnungen und Klagen seiner Freunde, die ihn gerne für immer in der Atmosphäre seiner frühesten Lieder festgehalten hätten.


    Umgekehrt hat er auch jeden meiner dichterischen Anläufe und Versuche verstanden, auch dort wo nur wenige mitkamen. Er hatte zu der Notwendigkeit meines Weges dasselbe Vertrauen wie ich zu seinem, erkannte hellhörig jeden neuen Ton, ließ sich durch keinen Umweg im Urteil verwirren, und so ist er mehr als zwanzig Jahre mein bester und klügster Kollege gewesen. Da er häufig Gedichte von mir komponiert hat, habe ich sehr intime Erfahrungen machen können. Ich habe hunderte von Kompositionen mit Achselzucken oder mit Schaudern über meine Gedichte ergehen lassen. In Schoecks Vertonungen ist nigends das leiseste Mißverständnis des Textes, nirgends fehlt das zarteste Gefühl für die Nuancen, und überall ist mit erschreckender Sicherheit der Finger auf das Zentrum gelegt, auf jenen Punkt, wo um ein Wort oder um die Schwingung zwischen zwei Worten sich das Erlebnis des Gedichtes gesammelt hat. Gerade dieses Erfühlen der Keimzelle in jedem Gedicht war mir stets das sicherste Kennzeichen für Schoecks Genialität. Er kann aus Laune oder aus Selbstschutz sich einem Kunstwerk verschließen. Er kann aber kein Kunstwerk in sich einlassen, ohne auf dessen Qualitäten peinlich genau zu reagieren, er liest Verse oder Bilder, wie ein Jäger Bildspuren liest. Auch für dies Verständnis bin ich ihm dankbar, mehr aber noch für seine Werke, für die Lieder, die Chöre, die Opern, die Quartette. Ich verdanke ihnen nicht bloß viele glückliche Stunden, ich verdanke ihnen auch manchen Trost in Zeiten, wo die meisten anderen Tröster versagten" (1929)


    Den einleitenden Satz "Unsere Zeit reagiert auf den Intellekt und den Willen in der Kunst rascher und sicherer als auf das eigentlich Schöpferische, das nichts anderes ist als jenes innerste Einssein mit der Natur" finde ich übrigens auch heute noch unabhängig vom Zusammenhang mit Schoeck sehr bedenkenswert.... in manchen Radioübertragungen sogenannter "Neuer" Musik sind die Voraberklärungen zur Aussage und zum Sinn dieser Klänge länger als das Stück selber....


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo Bernd,


    vielen Dank für deine Mühe! Die zitierten Sätze werfen in der Tat ein etwas anderes Licht auf Michael Gielen.


    Nun beruht mein Bild von ihm nicht alleine auf meinem Erlebnis während der Frankfurter Messe, sondern auch auf diversen anderen Gerüchten. Aber das sind halt nur Gerüchte.


    Auf der anderen Seite könnte ich jetzt behaupten, daß Papier geduldig ist. Aber das wäre sicherlich ein wenig unfair. Vielleicht nehmen wir zunächst einfach einmal an, daß Gielen im Umgang mit den Orchestermusikern doch nicht so problematisch war, wie ich es bislang gesehen habe.


    Viele Grüße


    Bernd

    Othmar Schoeck (im Studium habe ich mal eine Arbeit über seine und Yrjö Kilpinens Lieder für meine damalige Freundin verfasst :D) genießt leider immer noch nicht die ihm gebührende Aufmerksamkeit. Seine Opern - neben "Penthesilea" sei hier noch auf " Venus" verwiesen - werden kaum aufgeführt, und seinen Orchesterwerken, von denen mir das Violin- und das Hornkonzert besonders gut gefallen, begegnet man leider kaum im Konzertsaal.


    Ich denke, Schoecks Verhältnis zum Nationalsozialismus läßt sich nicht mit dem Pfitzners vergleichen - immerhin war ein Hermann Hesse (der heftig über Pfitzner als "alt-bösen Gnom" hergezogen hat) noch nach dem 2. Weltkrieg mit Schoeck befreundet. Auch finden sich in dem mir vorliegenden Buch "Othmar Schoeck - Leben und Schaffen im Spiegel von Selbstzeugnissen und Zeitgenossenberichten" von Werner Vogel (Artemis-Verlag) keinerlei Hinweise auf ein besonders ausgeprägtes "deutschnationales Empfinden".


    So oder so handelt es sich um einen Komponisten, der bis weit ins 20. Jahrhundert hinein tonale Musik von großer Inspiriertheit und vor allem Eigenständigkeit geschrieben hat. Eine nähere Betrachtung einíger seiner Werke dürfte sich für manchen in diesem Forum richtig lohnen.


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo Bernd,


    Zitat

    Dass Orchestermusiker träge und desinteressiert sein KÖNNEN, dafür gibt es allzuviele Beispiele.


    Das stimmt. Die Trägen und Desinteressierten habe ich allerdings kaum in der jüngeren Generation getroffen (mit dieser Haltung schafft man es bei der heutigen Konkurrenz auch kaum bis ins Orchester), sondern eher bei den Altgedienten, und bei denen lag es nicht selten daran, daß sie im Laufe der Jahre schlichtweg zerbrochen sind - und zwar nicht zuletzt an einem autokratischen Dirigententypus, dem eventuell auch Gielen nicht ganz unähnlich sein könnte.....


    Ich bin aber in jedem Fall gespannt auf die Zitate zum Thema aus Gielens Erinnerungen!


    Viele Grüße


    Bernd

    Danke, Helmut! Ich würde es vielleicht nicht ganz so zugespitzt formulieren, aber im Prinzip sehe ich es ähnlich.


    Ein entscheidender Faktor beim Musikmachen ist für mich immer noch die Freude an dem, was man tut - bei allem Ernst und bei aller bis zum Letzten der eigenen Möglichkeiten gehenden Leistungsbereitschaft.
    Und Freude kann nicht aufkommen, wenn ein machtsüchtiger Einzelner seine Position dazu nutzt, andere Künstler (und Musiker in guten Orchestern sind in der Regel Künstler auf ihrem Instrument) ständig ihre Inferiorität und scheinbare Unfähigkeit fühlen zu lassen.


    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Beim Verhältnis Dirigent-Orchester muss man immer beide Seiten berücksichtigen. Einer meiner Verwandten hat jahrzehntelang im Kölner Gürzenich-Orchester gespielt. Von ihm habe ich reihenweise Anekdoten und Einschätzungen über verschiedenste Dirigenten gehört -


    Hallo Bernd,


    Anekdoten habe ich auch schon viele gehört. Aber in dem von mir geschilderten Fall handelt es sich mitnichten um ein Verzällchen aus der Gerüchteküche - ich war ja dabei, als der betreffende Musiker gespielt hat, und alles war so auf Pianissimo ausgerichtet, daß das gesunde tonliche Fundament völlig weggebrochen war.


    Zitat

    Das, was Bernd Schulz berichtet, würde ich auch stark relativieren. Gielen gehört zu den Dirigenten, die eine bestimmte Vorstellung von Musik haben - das umzusetzen fällt manchem Instrumentalisten nicht leicht.


    Alviano, ich glaube viele von euch verkennen den enormen psychsichen Druck, dem die Musiker (Bläser) unter so manchem Pultdiktator ausgesetzt sind. Es geht nicht darum, daß sie endlich mal etwas leisten müssen, was ihnen "nicht leicht" fällt, sondern daß das nahezu Unmögliche - oder halt etwas, was nur möglich ist, wenn man woanders enorme Verluste in Kauf nimmt - von ihnen gefordert wird. Und gerade im Bereich der Dynamik ist es für den Taktstockwedler einfach, immer wieder besondere Extreme zu verlangen, viel einfacher, als selber feine Tempoübergänge oder musikalische Relationen zu verdeutlichen. "Leiser!!" kann jeder brüllen, wenn Pianissimo in der Partitur steht (und deshalb erlebe ich dieses maßlose Herumreiten auf dem dynamischen Aspekt besonders ausgeprägt bei ansonsten ziemlich unfähigen Kantoren, Chorleitern etc.).


    Ihr müsstet wirklich mal auf der anderen Seite des Dirigentenpultes sitzen....es ist ein Gefühl wie Weihnachten und Ostern zusammen, wenn man unter Aufbietung aller Möglichkeiten (unter anderem gehört unendlich zeitintensives Herumfeilen am Rohrmaterial dazu) auf dem Instrument so leise herumflüstert, wie man es selber kaum für denkbar gehalten hat, während der unfehlbare Boss vorne immer weiter "Psssst!!!" brüllt, bis einem die Töne ganz wegbleiben, so daß man vor den Kollegen und vor sich selber als völliger Versager dasteht....


    Viele Grüße


    Bernd

    Nach meinen Eindrücken ist Gielen einer der typischen Musikerschinder. Ich habe auf der Frankfurter Musikmesse mal einen Intrumentalisten getroffen, der im SWR-Orchester saß. Der arme Kerl brachte infolge des ständigen Pianissimozwangs ("Sie glauben überhaupt nicht, wie leise man unter Gielen spielen muß!") kein gesundes Mezzoforte mehr zustande, letztlich war seine Klangpalette infolge ständiger Vergewaltigung durch den Dirigenten zerstört.


    Mit beständigen Forderungen nach noch leiseren Tönen in bestimmten Lagen kann man einen nur normal nervenstarken Bläser leicht in die völlige Verzweifelung treiben. Und Dirgenten, die ohne Rücksicht auf Verluste Menschen kaputtmachen, sind für mich von vorneherein unten durch.


    Hinzu kommt, daß mich die Gielen-Aufnahmen, die ich bislang gehört habe, nicht unbedingt durch besondere Expressivität begeistern konnten.


    Fazit: Einer derjenigen Dirigienten unserer Zeit, auf deren Wirken ich gut verzichten könnte.


    Viele Grüße


    Bernd

    Falls du Lieder von Schumann und Brahms magst, wirst du sicherlich auch mit dem einen oder anderen Pfitzner-Lied eine Menge anfangen können.


    Leider sind, wenn ich das richtig sehe (ich habe die Raucheisen-Aufnahmen nur als LPs), die Eichendorff-Lieder op.9 nicht vertreten. Das ist sehr schade, aber trotzdem würde ich an deiner Stelle zuschlagen!


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo Bernd,


    deinen Zeilen über die Eichendorff-Kantate gibt es nicht viel hinzuzufügen (höchstens, daß ich den Titel aus heutiger Perspektive ebenfalls problematisch finde, aber daß Pfitzner eben Eichendorff vertont hat und nicht irgendwelche Nazi-Lyrik).


    Im Gegensatz zu dir habe ich das großartige Stück schon live gehört, und zwar unter Hollreiser in einem jener Düsseldorfer Konzerte, die deiner Aufnahme zugrunde liegen. Damals habe ich Hollreiser in der Pause einen Blumenstrauss überreicht und ihm später - er war sehr freundlich zu mir - noch einen Brief geschrieben. Die recht ausführliche Antwort ziert heute meinen Dvotionalienschrein :D.


    "Das dunkle Reich" zählt zu denjenigen Werken Pfitzners, die mich nicht so unmittelbar ansprechen. Es schien mir immer recht spröde.


    Aber unter den Klavierliedern gibt es viele leider immer noch zu wenig bekannte Perlen. Zuerst zu nennen wären da die Eichendorff(!)-Lieder op 9, dann solche Genieblitze wie "In Danzig" (ebenfalls nach Eichendorff),"Hussens Kerker", "Mailied", Michaelskirchplatz" etc. usf...


    Auch hier gefallen mir die neueren JPC-Aufnahmen leider weniger gut. Bislang unübertroffen sind für meine Ohren die alten Einspielungen mit Fischer Dieskau und Karl Engel bzw.Hartmut Höll.

    Hallo Johannes,


    was man beim Berücksichtigen der Quellen aus früheren Jahrhunderten leicht vergißt, ist die Tatsache, daß sie auch nur jeweils eine bestimmte, letztlich subjektive Perspektive wiedergeben.


    Wenn sich L. Mozart über den übermäßigen Gebrauch des Vibratos aufregt, beweist das eigentlich nur, daß der übermäßige Gebrauch des Vibratos zu seiner Zeit nicht unüblich war :D, und daß das L.Mozart nicht gefallen hat, anderen Zeitgenossen aber sehr wohl.


    Damals werden unterschiedliche Leute an unterschiedlichen Orten einen unterschiedlichen Geschmack gehabt haben - genauso wie heute (in diesem Forum kann man ja sehr schön sehen, wie unterschiedlich die Vorstellungen von einer musikalisch überzeugenden Interpretation sein können).
    Und wer will letztlich beurteilen, ob der Geschmack von L.Mozart oder Quantz - auch wenn das bedeutende Musiker und Lehrer ihrer Zeit waren - immer der einzig "richtige" gewesen ist?


    Damit will ich nicht behaupten, die Beschäftigung mit den alten Quellen sei überflüssig. Nur sollte man sich ihrer Relativität bewußt sein.


    Viele Grüße


    Bernd

    Die Vibrato-Frage betrifft ja nicht nur die Streicher....auch uns Holzbläsern (Klarinetten in Deutschland sowie alle möglichen Tröten in Wien ausgenommen) bereitet dieses Thema schlaflose Nächte und arbeitsreiche Tage.


    Ich persönlich halte es für ein Gerücht, daß man vor 250 oder 300 Jahren völlig vibratolos gespielt hat. Schon Agricola beschreibt 1528 den "zitternden Wind".


    Erstrebenswert ist für mich ein differenzierter Umgang mit dem Vibrato - und das gilt meiner Meinung nach ebenso für "alte" wie für "klassische" oder "romantische" Musik. Ein permanent durchjaulendes Einheitsvibrato kann zur wahren Ohrenplage werden - auch bei Strauss oder Puccini!


    Wenn ich Barockmusik spiele, gehe ich normalerweise mit dem Vibrato sehr sparsam um. Das heißt aber nicht, daß ich wirklich jeden Ton bemüht geradeaus blase.


    Zitat

    Der erzeugte Ton wirkt dann durch das Mitschwingen weiterer Töne voller und runder


    Ja, das gilt auch für die Bläsers, wenn man nicht völlig ungehemmt herumtremuliert ("Meckervibrato" oder gar "Quintenschleuder").


    Jedenfalls ist das Vibrato, wenn man es eingermaßen kontrolliert einsetzt, ein wunderbar bereicherndes Gestaltungselement. Und wenn einem beim Musikmachen mal so richtig die emotionalen Sicherungen durchbrennen, kann auch ein aus dem Ruder laufendes Vibrato seine spezifische Ausdrucksqualität haben....


    Viele Grüße


    Bernd

    ...in der Tosca gibt es auch - von den leuchtenden Sternen im Schlußakt abgesehen - kaum nennenswerte solistische Holzbläserpassagen.
    Von daher ist das die ideale Oper für die Wiener Philharmoniker :D !


    Viele Grüße von Bernd, der sich immer noch darüber wundert, daß das unsinnliche, spröde Gesäge des Wiener Holzes kaum jemanden zu stören scheint....

    Oh, da gibt es einige Aufnahmen. Aber besonders gut gefällt mir dieses Orchester mit seinem seit Jahrzehnten fantastischen Holz :D in Schumanns Klavierkonzert (Geza Anda/Kubelik). Wenn ich es richtig überblicke, ist diese Einspielung momentan leider nur in einer Box erhältlich:



    Großartig klingen die Berliner auch in Abbados Wagner-CD mit den Vorspielen zu Tannhäuser, Tristan und Parsifal sowie dem Karfreitagszauber und weiteren orchestralen Parsifal-Ausschnitten. Nicht nur die Holzbläser, sondern auch die Streicher leuchten hier in den glühendsten Farben. Einen solchen Karfreitagszauber habe ich vorher noch nie gehört.


    Viele Grüße


    Bernd

    Referenzaufnahmen mit den Wienern sind für mich lediglich diverse alte Einspielungen unter Furtwängler (Beethoven, Brahms, Wagner). Diese besitzen eine so unglaubliche Innenspannung, daß mir der scheußliche Klang des Wiener Holzes egal ist.


    Ansonsten - ich habe es schon mal geschrieben - vermeide ich CDs mit den Wienern, wo immer es nur geht. Das vibratolose, stocksteife, farblich unnuancierte, teilweise quäkige und klanglich wie musikalisch für meine Ohren weitgehend aussagefreie Spiel der Holzbläser verursacht mir regelrechte seelische Schmerzen. In fast allen Sinfonien und Solokonzerten gibt es herrliche Soli für die erste Oboe oder Klarinette, und immer wenn dann jemand von den Wienern loslegt, denke ich voller Entsetzen: "Wie um alles in der Welt kann man das nur so spielen!"


    Nun ja, die meisten anderen scheint das ja nicht so zu stören wie mich, und meinethalben sollen die Wiener aus Gründen der Globalisierungsgegnerschaft :D ihre Holzbläsertradition ruhig beibehalten. Aber Aufnahmen mit diesem Orchester muß ich selber nicht haben - da ziehe ich jeden einigermaßen ordentlichen deutschen Klangkörper bei weitem vor!


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo BBB,


    jedem seine eigene ästhetische Welt...ich gucke schon auch ab und an mal über deren Rand!


    Arabella in Dresden? Eigentlich wollte ich die Oper noch mal sehen, ohne dafür ans andere Ende der Republik fahren zu müssen. Angesichts von 5-6 großen Opernhäusern im Umkreis von 150 Kilometern sollte das bei einem "relativ häufig" gespielten Werk im Laufe der Jahre ja kein Problem darstellen, oder? :D


    In einem Punkt gebe ich euch allerdings Recht: Ich brauche, obwohl es sich um zwei geniale Werke handelt, auch nicht in jedem dritten Jahr in jedem zweiten Theater die Salome oder den Rosenkavalier. Stattdessen gerne mal ein Schreker oder Kaminski - oder eben auch eine Daphne oder Danae :D!


    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Ich halte es da ebenfalls mit Klemperer, der schlicht und ergreifend den SPÄTEN Strauss als "MIST" bezeichnete


    Es ist Klemperers gutes Recht, den späten Strauss für Mist zu halten. Ich hngegen liebe gerade das Alterswerk inclusive der Metamorphosen ganz besonders (und auch einige von Pfitzners letzten Kompositionen - vor allem die beiden Sinfonien - sprechen mich stark an).


    Es wird aber niemand - auch nicht Edwin :D - objektiv und allgemeingültig nachweisen können, daß eine Oper wie Capriccio nichts taugt.


    Man kommt auch nicht weiter, wenn man sich auf vermeintliche Autoritäten beruft (ich könnte jetzt Glenn Gould ins Feld führen, der vom späten Strauss begeistert war).


    Für mich und meine Ohren ist fast alles von Strawinsky (außer Pulcinella, aber da stammt das melodisch-motivische Material ja nicht von Strawinsky) ganz großer, grottenöde zu hörender "Mist". Nur hüte ich mich, zu glauben, daß sich das für alle anderen Ohren ebenso verhalten muß.


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo Edwin,


    Zitat

    Man nehme eine "Arabella" (also ein relativ häufig gespieltes und von diversen Forianern heftig verteidigtes Werk)


    Zum hundertsten Mal: Arabella ist außerhalb von Wien kein häufig gespieltes Werk, sondern eine absolute Rarität. Leider!


    Der "seltene Anflug von Selbsterkenntnis" bezog sich auf den Vergleich mit Mozart, nicht mit den von dir ins Feld geführten Unmelodikern des frühen 20. Jahrhunderts.
    Für meine Ohren steckt im ersten Akt des Rosenkavaliers mehr inspirierte Melodik als in dem ganzen von dir zusammengestellten Opernkonvolut (wobe ich die Brautwahl, König Roger und die Schatzgräber zugegebenermaßen nicht kenne).



    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Mich stört auch, dass hier du und auch Alviano den Eindruck erwecken wollen, als gäbe es gute Musik in einem objektiven Sinne.



    Genau das ist auch mein Problem, zumindestens dann, wenn es sich um Komponisten handelt, denen ein gewisses Mindestniveau von niemandem abgesprochen werden kann.


    Edwin sagen die Melodien in der Arabella oder im Duett-Concertino nichts, während ich mich neulich bei einer Aufführung von Schostakowitschs Cellokonzert grässlich gelangweilt habe. Ich besitze keine einzige Schostakowitsch-CD und werde mir vermutlich auch nie eine kaufen. Trotzdem würde ich nie behaupten, Schostakowitsch sei ein chronisch überschätzter Komponist. Die Menschen sind nun mal unterschiedlich und für unterschiedliche Reize empfänglich!


    Zitat

    Und da bin ich schon bei Deiner Frage, wer denn jetzt festlegt, wie Musik zu bewerten ist. Es gibt die Möglichkeit, zu beschreiben, warum sich ein Werk von anderen abhebt und eventuell Auswirkungen auf andere, nachfolgende Werke hat. Das ist ein seriöser Ansatz, den Stellenwert eines Komponisten oder eines Stückes zu umreissen.


    Alviano, dir war ich noch eine Antwort schuldig. Nein, die Auswirkungen eines Stückes auf andere, nachfolgende Werke sind für mich kein eindeutiges Kriterium für seinen ästhetischen Stellenwert. In der Musik geht es in erster Linie doch nicht um "Fortschritt" (sonst wäre Mozart ja eindeutig "besser" als Bach und Beethoven "besser" als Mozart etc. usf.), sondern darum, die immer wichtigen Dinge möglichst treffend zum Ausdruck zu bringen. Das kann man mit vorwärts, aber auch mit rückwärts gewandten Mitteln tun.
    Ich hatte immer schon immer eine besondere Vorliebe für die nach hinten blickenden Komponisten ...


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo Edwin,


    Zitat

    Willst Du jetzt damit sagen, daß Du das Oboenkonzert und das Duettconcertino für starke Werke hältst


    Ja, das will ich damit sagen. Der Anfang des Duett-Concertinos hat mich schon beim ersten Hören vor etwa 25 Jahren vom Stuhl gerissen, und zwar wegen seiner melodischen Kraft und Inspiriertheit. Und die Reminiszenz des langsamen Satzes aus dem Oboenkonzert ist gut gespielt (eigentlich kann speziell DAS nur Holliger) ein wunderbar ferner, ganz tief entrückter Traum.


    Zitat

    "Aber der Richtige..." ist eine so gute Melodie, daß ich mich immer gewundert habe, sie in einem so uninspirierten Werk zu finden


    Außer "Aber der Richtige" und "Und du wirst mein Gebieter sein" gibt es in Arabella noch jede Menge hinreißender Melodien. Kann es sein, daß du diese Oper schon länger nicht mehr gehört hast? Wundern würde es mich nicht, denn sie wird im Gegensatz zu deinen Behauptungen fast gar nicht gespielt. Ich hatte überhaupt erst einmal Gelegenheit, sie auf der Bühne zu erleben, und das war 1985 oder 86 im fernen Hamburg. In Düsseldorf, Köln, Essen oder Dortmund begegnet man viel eher einer Oper von Zemlinsky als der Arabella. Gleiches gilt für Capriccio . Hier in Deutschland wirst du (von München vielleicht abgesehen) auf den Spielplänen völlig vergeblich danach suchen.


    Viele Grüße


    Bernd

    Hallo Alviano,


    zum Glück arbeite ich weitgehend selbst und ständig, deshalb muß ich morgen nicht ganz so früh raus....


    Zitat

    ...ist "Tristan" tatsächlich so bedeutend? Und wenn ja, warum?


    Scheinbar "objektiv" musikwissenschaftlich ist der "Tristan" so bedeutend wegen seiner vorher so nicht denkbaren chromatischen Melodik und Harmonik. Im Gegensatz zu den anderen Wagner-Opern gibt es in ihm kein eindeutiges tonales Zentrum, und insofern ist er das Vorbild für alle nachfolgenden "Auflösungserscheinungen".
    Weniger objektiv gesehen ist der Tristan ein Kunstwerk, welches einen völlig aus dieser Welt entrücken kann. Mit 16 oder 17 habe ich das selber erlebt, da wurde diese Oper am hiesigen Theater achtmal gegeben, und ich habe keine Vorstellung verpaßt. Noch heute würde ich sagen, daß diese acht Abende zu mit den stärksten, intensivsten Eindrücken in meinem Leben zählen.


    Zitat

    ...was habt ihr (oder zumindest sehr viele) gegen strauss? natürlich hat er auch schlechte, grauenhaft langweilige werke komponiert.


    Eben! Ich finde es reichlich unfair, wenn hier ständig die Helena oder das Heldenleben ins Feld geführt werden.
    Das rein Illustrative ín den Strausschen Tondichtungen interessiert mich auch nicht sonderlich. Aber es gibt ja nicht nur den Don Quichotte oder den Zarathustra, sondern auch das Duett-Concertino, das zweite Hornkonzert, die Metamorphosen und das Oboenkonzert....


    Viele Grüße


    Bernd.

    Hallo Alviano,


    Zitat

    Worauf will ich hinaus? Natürlich entwickelt sich Musik immer weiter - und es gibt gute und weniger gute Komponisten, das hat mit persönlichem Geschmack, ob ich die mag oder nicht so gerne deren Musik höre, erstmal nichts zu tun


    Und wer genau entscheidet, ob ein Komponist zu den "guten" oder "weniger guten" gehört?


    Anders liessen sich Werke musikgeschichtlich, musikwissenschaftlich gar nicht einordnen (eine interessante Frage ist doch - für mich zumindest - ob z. B. Claude Debussy nicht der "wichtigere" Komponist gegenüber Richard Wagner war, wenn ich die Gesamtentwicklung betrachte).


    Diese Gegenüberstellung verstehe ich überhaupt nicht. Weshalb soll Debussy bedeutender für die "Gesamtentwicklung" (Gesamtentwicklung wohin?) gewesen sein als Wagner? Ohne den Tristan ist ein Großteil der Musik des frühen 20. Jahrhunderts gar nicht denkbar.


    Zitat

    Vor diesem Hintergrund ist die Musik von Dr. Richard Strauss, gemessen an ihrer Zeit, verglichen mit anderen Komponisten, die zur selben Zeit wirkten, nicht herausragend und natürlich relativiert sich damit auch der Stellenwert des Komponisten.


    Nochmals die Frage, wer denn eigentlich jetzt abschließend darüber urteilt, ob die Musik von Strauss herausragend ist oder nicht? Du? Edwin? Das Publikum? Der Musikwissenschaftler xy? Was macht Musik überhaupt herausragend?


    Zitat

    Pfitzners "Rose" hat einen grauenhaften Text, stimmt schon. Und in die x Wiederholungen des fis in der Ouvertüre gehört ein vorsichtiger Strich. Aber was dann folgt, ist IMO eine sehr schöne, wunderbar melodiöse nachromantische Oper.


    Ganz meine Meinung, Edwin. Wobei Arabella für meine Ohren auch eine sehr schöne, wunderbar melodiöse Oper ist.... :D
    Mal im Ernst: Ich halte es für ziemlich witzlos, Pfitzner und Strauss gegeneinander auszuspielen. Beide waren geniale Komponisten, die melodisch ungemein inspirierte und handwerklich äußerst raffiniert gebaute Musik geschrieben haben - auch wenn sie nicht immer der "Gesamtentwicklung" im Sinne eines positivistischen Fortschrittsgedanken gedient haben.


    Zitat

    Schreker packt sofort mit der Handlung und findet immer einen interessanten Vortragstonfall. Es wird nie langweilig. Während ich bei Strauss schon sehr bald beginne auf die Uhr zu schauen, konnte mich der Schreker sogar bei einer konzertanten Aufführung restlos gefangen nehmen.


    Da geht es mir gerade umgekehrt. Nach spätestens 10 Minuten wirkt die Schrekersche Klangschwüle auf mich ausgesprochen einschläfernd - da fehlen einfach die melodisch- motivisch klaren Elemente, die ich bei Strauss (ich rede jetzt nicht von der Ägyptischen Helena) und Pfitzner immer wieder auf beglückende Art und Weise finden kann.


    Viele Grüße


    Bernd

    Zitat

    Institutionen sind verbesserbar, da hast Du ganz sicher recht. Aber Du urteilst hier aus der Perspektive dessen, der seit 20 oder mehr Jahren professionell Musik macht und stilistische Unterschiede halt kennt. Das ist etwas unfair. Was schlägst Du für den Schulunterricht vor? Sollen sie Rosen und Dahlhaus oder was immer lesen, um die weniger äußerlichen stilistischen Unterschiede zu verstehen? Das kann wohl nicht die Alternative sein...mit irgendwas muß man anfangen.


    Ich glaube nach meinen Erfahrungen mit der Schule und der Hochschule (beide habe ich mt sehr netten, dekorativen Zeugnissen verlassen) nicht mehr, daß Institutionen im Kern verbesserbar sind.


    Um möglichst viel von der Schulzeit zu haben, sollte man, wenn immer es geht und wenn nicht gerade einer der extrem raren Lehrer. die wirklich etwas zu vermitteln haben, vorne steht, ein gutes Buch unter der Bank lesen!
    Mindestens 80 Prozent der Zeit, die ich in irgendwelchen Klassenzimmern und Hörsälen abgesessen habe, war vergeudet. Meinen "geistigen Besitz" (mir fällt gerade kein besserer Begriff ein), mein Wissen über Musik, Literatur, Kunst, Geschichte und kulturelle Zusammenhänge habe ich mir nahezu komplett außerhalb der Schule und Musikhochschule angeeignet.
    Im Massenunterricht erwirbt man nur selten Wissen, das einen wirklich etwas angeht und deshalb auch haften bleibt.



    Viele Grüße


    Bernd