Beiträge von Marc

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    Original von Luis.Keuco
    Der arme Mann verzweifelt ja schon an sich selber.


    :D Ach, ich meinte das gar nicht so verzweifelt - aber wenn man nicht in der Lage ist, eine halbwegs wissenschaftliche Analyse vorzunehmen und auf ein entsprechendes Vokabular zurückgreifen kann, dann muss man eben versuchen, sich mit anderen Mitteln zu helfen - was, vermute ich, ein Gutteil der hiesigen Foristen ebenso tun.


    Zitat

    Kritik an einer Kunstrichtung aus der Basis des Nicht-Gefallens heraus zu äußern, ist unergiebig, da nicht widerlegbar.


    Das ist halt auch ein weites Feld, schon die Frage, inwiefern eine wirklich objektive Begründung und eine gleiche "Widerlegung" im Feld der Kunst denn möglich ist, inwiefern es überhaupt nötig ist, so eine "Möglichkeit der Widerlegung" einzubauen, wenn es nicht um Theoriebildung u.dgl. geht, sondern um den Ausdruck dessen - was, nunja: gefällt oder nicht. Man muss dann halt versuchen (s.o.) das Nicht-Gefallen irgendwie in Worte zu fassen, was natürlich oft sehr schwer ist und dazu einlädt, ein Vokabular zu verwenden, das dann entweder abgenutzt ist oder Anlaß zu den eigentlichen Diskussionen gibt. :D

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    Original von Johannes Roehl
    Dennoch verstehe ich den Unterschied, auf den oben abgezielt wird, nicht recht. Zumal als Kriterium nur äußerst subjektive Reaktionen (abreagieren, reinwaschen usw.) verwendet werden. Damit kommt man m.E. nicht weit.


    Du verstehst ihn deshalb nicht, weil ich (als Verfasser des Eingangsposts) ihn nicht verstehe, bzw. nicht in der Lage bin, eine sagen wir halbwegs "musikwissenschaftliche" Definition vorzunehmen, um diese wiederum halbwegs wissenschaftlich abzugrenzen. Also ich müsste z.B. selbst erstmal googlen, um jemand den Unterschied zwischen Zwölftonmusik und Atonalität zu erklären.


    Die Länge des Beitrags sollte also auch nicht den enthaltenen Fragecharakter überdecken. Ansonsten besteht bei dem Versuch, die ohnehin schwer greifbare Musik dann noch anhand von Beispielen und emotionalen Wirkungen etc. zu beschreiben, natürlich die Gefahr, dass man sich zusehr an einigen dieser Wendungen aufhängt.


    Es geht mir also nicht nur um Brutalität, Ekel und Aggression, sondern um ein größeres Spektrum an sich negativer, nachdenklicher, melancholischer Gefühle - zu denen ich Messiaens Betrachtungen über das Jenseits ebenso zählen würde, wie den Charakter der Vingt Regards. Messiaen finde ich übrigens auch deshalb interessant, weil es bei ihm so eine offenkundige Gleichzeitigkeit von Modernismus und von Katholizismus gibt. (Eine Religion übrigens, in der das Leiden ohnehin einen großen Stellenwert hat.)


    Ligeti hingegen gehört dann erwartungsgemäß nicht gerade zu meinen Lieblingskomponisten. Natürlich hat er einzelne Werke geschrieben, die meine "These" in Gefahr bringen könnten, das Klavierkonzert z.B., oder das Doppelkonzert für Flöte und Oboe, aber Atmospheres, Lontano, Lux Aeterna: würdest du sagen, dass das diese Stücke eine positive Stimmung vermitteln? Also ätherisch, spacig, wohlklang usw. stehen für mich nicht im Widerspruch zu dem "Negativen" - ansonsten müsste ich wohl auch Messiaen aus der Liste meiner Favoriten streichen.


    Was für mich allerdings in einem Widerspruch zu stehen scheint, ist "Moderne" und so etwas Verkitschtes, Simples ... Minimalistisches vielleicht. Deswegen habe ich auch meinen Beitrag von vorhin noch editiert, weil zwischen "zeitgemäß" und "modern" keine Differenz bestehen muss, aber je nach Zuschreibung eine Differenz bestehen kann und das, was zeitgemäß ist, nicht modern seien muss, sondern - du sagst es: eben "Postmodern", der aber natürlich wie viele dieser Postbegriffe (Postfeminismus, Postmarxismus, 'Poststrukturalismus', Postsäkularismus...) oft mehr Fragen als Antworten aufwirft.


    Ansonsten finde ich die "schöne Arroganz", die den KSM hier so erfreut, naturgemäß jetzt nicht so verneigenswert, und das weniger wegen dem Angriff auf mich, als schlicht wegen der Tatsache, dass ich ermüdet bin von dem Vorwurf, ein Nicht-Gefallen sei auf ein Nicht-Erfassen zurückzuführen. Jedenfalls wird natürlich versucht, unterschiedliche Stimmungen zu vermitteln, aber ich für meinen Teil muss nunmal sagen, dass mich eben nur ein begrenzter Teil dieser Stimmungen hier anspricht.


    Zurück :hello:: Marc

    Zitat von John Doe

    1943 dirigierte Arturo Toscanini in einem Konzert in den USA eine selbsterstellte Fassung von Verdis Inno delle nazioni, derem Ende er die vom Chor gesungene damalige Hymne der Sowjetunion, eben Die Internationale, sowie The Star-Spangled Banner - beides in eigener Instrumentation - anfügte.
    Neben der zugehörigen Tonaufnahme gibt es dazu auch einen kleinen Film, der Anfang dieses Jahres auf Arte gezeigt wurde.


    ...übrigens hat das Orchester des Papstes - ich glaube irgendwann in den 60er Jahren - auch einmal gestreikt und damit gedroht, zu internationalen Anlässen nicht mit O felix Roma zu beginnen, sondern mit Vööölker hört die Signale.
    Der Streik muss wohl erfolgreich gewesen sein. :D

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    Original von Luis.Keuco
    Was machen wir denn jetzt mit der Fragestellung, wenn man "modern" und "zeitgemäß" als Synonyme sehen muss?


    Lieber Marc, hast du eine Idee, wie du deine Frage umformulieren könntest?


    Mit der Verwendung des zweiten Adjektivs wollte ich gar nicht andeuten, dass eine Differenz zwischen "zeitgemäß" und "modern" bestehen muss - nur habe ich mich zunächst gegen den Begriff des "Zeitgenössischen" gesträubt, weil er nahelegen würde, schlicht zu sagen, dass zeitgenössisch das ist, was von Zeitgenossen kommt.
    Und das ginge an meiner Fragestellung vorbei, bzw. es wäre eine mögliche Antwort.


    Also habe ich stattdessen "zeitgemäß" verwendet. Den Begriff fand ich zwar passender, aber sehr gängig ist er nicht gerade. Also noch schnell das "modern" drangehängt, damit ungefähr klar ist, was ich meine.

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    Original von Melisma
    Ich denke dabei an Henze und...der Name fällt mir nicht mehr ein! Habe ihn verdrängt! Jedenfalls ist es der Komponist mit den 4 Helikoptern.


    Tut mir echt leid, dass ich den Erfolg deiner Verdrängung nun zunichte machen muss, aber du meinst natürlich Karlheinz Stockhausen. :P


    ...übrigens habe ich mit einigen Werken von Henze auch sehr große Probleme: vorallem mit seinem Stück (über) "Das Ende einer Welt." Hier liegt das Problem für mich darin, dass Henze eine humorvolle und ironische Geschichte mit einer Musik ausdrücken will, die meiner Meinung nach nicht mit humorvoller Ironie in Einklang zu bringen ist.
    Auf der CD, die ich davon habe, ist das Stück gekoppelt mit einer Vertonung von Kafkas Landarzt, die ich ganz großartig finde. Diese "zeitgenössische Musik" taugt also für meinen Geschmack nur für einen sehr begrenzen Gefühlsradius - für Schmerzen, Trauer, kafkaeske Leere, die Darstellung einer kalten, langsamen und unerbitterlichen Welt.


    Ein Grenzfall ist vielleicht die "Elegie für junge Liebende", von der ich immer denke, dass sie auch Thomas Bernhard hätte schreiben können, der ja selbst eine ganz eigene Form des Humors hatte -- aber ansonsten sind meiner Meinung nach die größten Werke der Moderne vorallem solche, die sich eben mit Katastrophen u.dgl. beschäftigen: der Überlebende aus Warschau, der Threnos für die Opfer von Hiroshima, das Requiem für einen jungen Dichter ... die Tragödie des Hörens?
    Hm, nein, eigentlich nicht: Nono, gerade sein Spätwerk, hat überhaupt eine fast schon meditative Wirkung, die durch die Untebrechung fortissimoster Tuttipassagen allerdings eine Anspannung erzeugt, die meine Atmung auf merkwürdige Weise beeinflußt und sie mir überhaupt erst bewußt macht: Konzentration, Anspannung, das Meer und das Vergessen. Natur und nur eine Kielspur im Meer ... wie am Meeresufer ein Gesicht im Sand.

    Hm, das deckt sich ja stellenweise sehr mit dem, was ich vorhin in dem Strang über "zeitgemäße Musik" geschrieben habe. Ich selbst fühle mich jedenfalls keiner der streitenden Seiten zugehörig und will kurz versuchen, das zu begründen:


    1.) Banal und offensichtlich sollte sein, dass die entscheidende Frage nicht lauten muss, ob eine "Regietheater-Inszenierung" vorliegt (schon ein fragwürdiger Begriff, übrigens), sondern ob eine gelungene oder eine misslungene Inszenierung erreicht worden ist.


    2.) Das entscheidende Kriterium, um die Frage zu klären, ob eine Inszenierung eigentlich als "gelungen" bezeichnet werden kann, ist nicht, ob Kostüme und Kulisse irgendwie den Eindruck erwecken, alt zu sein und der Zeit der Handlung entsprechen, dabei aber in hollywoodesker Weise auf Schönglanz getrimmt wurden, damit die Illusion suggeriert wird, es handle sich bei der Syphilis um eine romantische Liebeskrankheit, deren Opfer so aussehen, als würden sie gerade den Salon für Brautmoden verlassen.


    3.) Als pessimistischer Mensch gehe ich davon aus, dass ein Großteil der Leiden und des Übels in der Welt unabdingbar sind und seine Ursachen nicht ausschließlich in "gesellschaftlichen Zuständen" u.dgl. zu suchen sind, sondern in der menschlichen Natur selber. Daraus leite ich ab, dass es ein völlig legitimes Ziel der Kunst ist, die gelegentliche Weltflucht zu gewährleisten und "künstl(er)ische Paradiese" der Reinheit, der Schönheit und der Makellosigkeit zu schaffen.

    4.) Ich gehe allerdings auch davon aus, dass diese Opiatfunktion der Kunst schon wieder mißbraucht werden soll, damit spießger Muff über die Zerstörung, die Auslöschung und die "De-konstruktion" konservativer Werte hinwegtäuschen soll und ein Zustand erreicht wird, in dem die biedere Gemütlichkeit den letzten Gedanken an Widerstand zunichte macht.


    5.) Das Vertrackte besteht für mich nun darin, dass ein Großteil des modernen "Regietheaters" gleichzeitig "links" ist und "spießig." Viele Medienanalysen haben z.B. ergeben, dass die deutsche Systempresse fast nur negativ über Israel berichtet - und trotzdem greifen diverse Essayisten auf die Strategie zurück, zunächst zu behaupten, dass es "mutig", ja beinahe selbstmörderisch wäre, die Politik des Landes zu kritisieren, nur um es dann doch zu tun und eigentlich nur das zu schreiben, was ein Großteil der Meinungsmacher ohnehin doch denkt. Ähnlich scheint es mir mit dem vermeintlichen Mut des Regietheaters zu sein, in dem die ewig-gleichen Angriffsflächen (USA, Patriarchat, George Bush, "die Rechten" usw.) attackiert werden, ein radikaler und revolutionärer Gestus geheuchelt wird, der aber eigentlich nichts anderes aussagt als das, was die durchschnittlichen Bionadespießer ohnehin so denken.


    6.) Trotzallem spannend finde ich (mittlerweile?) die Auseinandersetzung mit dem nackten, menschlichen Körper: dies vorallem deswegen, weil hier auch innerhalb einer schwer zu umreißenden "Linken" doch eine große Reibungsfläche zwischen denjenigen besteht, die gegen Sexismus, den Körper als Ware und Objekt kämpfen - und denjenigen, die gegen vermeintlich rechte Prüderie ankämpfen wollen. Insofern sind besonders die Reaktionen darauf spannend, wenn Darsteller verwendet werden, die zwar nackt sind, aber nicht den gängigen Schönheitsidealen entsprechen.


    7.) Allerdings nutzt sich jede Revolution irgendwann ab, sie frisst im schlimmsten Fall ihre Kinder und verkrustet zu etwas Ätzendem, gegen das selbst revolutioniert werden muss. Clichees, die "dekonstruiert" und durch andere Bilder ersetzt werden, verkommen ihrerseits zu Clichees: Videoleinwände mit Models oder die fast schon kahle Bühne; weißer, grauer Hintergrund mit minimaler Dekoration, die - frei nach Mosebach "zu Interpretationsexzessen einlädt, die umso wortreicher ausfällt, je weniger zu sehen ist."


    8.) Wünschenswert wäre ein Regietheater, das seine Kräfte nicht mehr dafür benutzt, um das herrschende System zu stabilisieren, indem es auf kaum noch vorhandene Feindbilder schlägt, die als Feindbild zu verstehen aber gesellschaftlich erwünscht ist - sondern eine Art von konservativer Revolution unterstützt, indem es die EU, den Feminismus, die Grünen, die Intoleranz der Atheisten usf. attackiert.


    EDITH meint gerade, dass ich mir im Grunde selbst widerspreche, wenn ich einerseits die Unterstützung einer emotionalen Essenz einfordere, aber andererseits konkrete Ansichten unterstützt sehen will. Insofern muss wohl noch erwähnt werden, dass ich mir das ganze auf einem etwas zu hohem Abstraktionsniveau vorstelle, und einen allgemeinen Gestus (hinsichtlich bestimmter Clichees und bestimmter Politik) von der Inszenierung ganz konkreter Werke trennen möchte.

    Als nur sehr unregelmäßiger Benutzer des Forums, der mit der Suchfunktion auch öfter seine Schwierigkeiten hat, weiß ich jetzt mal wieder nicht, ob meine Frage schon in einem anderen Strang behandelt wurde. Sollte das der Fall sein, würde ich die Moderation bitten, meinen Post entweder in den entsprechenden Strang zu verlegen, oder gleich in diesen hier -Was hat Euch zeitgenössische Musik zu bieten?- in dem ich ursprünglich antworten wollte, und der mir nun auch als Aufhänger dienen muss.
    (Ich versuche, es kurz zu machen und hoffe, die Kurve noch zu kriegen.)


    Jedenfalls wollte ich auf die Frage, was zeitgenössische Musik denn eigentlich zu bieten habe, zuerst mich selbst zitieren, da ich über Mahlers Zehnte mal geschrieben habe, dass sie wie ein musikalischer Schwamm funktionieren würde, und man sich nach einer guten Interpretation gereinigt fühle und "jeder depressiv-verwegene Schmutz in einem" erstmal aufgesaugt sei und entfernt.
    Und im Grunde, das wäre dann mein Punkt gewesen, ist es genau dieser Effekt, den mir "zeitgenössische Musik" eben bietet, und der bei Boulez z.B., bei Nono, bei Lachenmann, bei Rihm usw. noch viel stärker ist als bei Herrn Mahler. (Auch deswegen, weil die Reinigungswirkung von Pli Selon Pli vorallem auch quälende Aggressionen mit einschließt.)


    Natürlich durfte aber dann der Hinweis nicht fehlen, dass ich "zeitgenössisch" und "modern" in dem gleich unwissenschaftlichen, eigentlich völlig polemischen Sinne verwende wie ihre Gegner - das heißt, dass ich zwar die Wertung umkehre, aber es in mir auch immer denkt, dass das Klavierkonzert von Schoenberg (1942) viel "moderner" ist, viel "zeitgenössischer" als das "Tirol Concerto" Philip Glass' (2000).


    Ich will jetzt freilich nicht sagen, dass es im Gegenteil sehr "wissenschaftlich" wäre, die Modernität eines Werkes schlicht an dessen Entstehungsdatum fest zu machen...
    (Oder will ich das sagen? Jedenfalls wäre das eine der Streitfragen, um die es hier gehen sollten.)
    ...sondern dass der Effekt, den ich suchen und den ich einer Musik finde, die ich dann als zeitgenössisch, als modern usf. bezeichne, präziser nicht in derjenigen Musik zu finden ist, die "zeitgenössisch" ist, sondern in Musik, die von den Gegner des Zeitgenössischen schlicht als Krach bezeichnet wird - but you don't have to call it music, if the term shocks you.


    Wie auch immer: die Frage sollte nun also lauten, wann Musik (wann Kunst an sich) denn eigentlich modern ist und wann sie nicht nur zeitgenössich, sondern zeitgemäß ist.


    Ich vermute, dass diese -vielleicht etwas unscharfe Frage- drei verschiedenen "Fraktionen" sich positionieren lässt:
    Die erste verwirft nicht nur die Relevanz des Entstehungsdatums, sondern auch die Vorstellung, dass veränderte gesellschaftliche Bedingungen maßgeblichen Einfluß auf die Beantwortung haben - stattdessen sei zumindest die Essenz einiger menschlicher Gegebenheiten (Liebe, Krankheit, Tod usw.) unabhängig von den gesellschaftlichen Bedingungen und insofern könne auch die sensible Freude eines Figaro z.B. die Menschen aller Zeiten bewegen, erreichen und be-reichern - große Musik könne also insofern immer "zeitgemäß" sein.


    Die zweite Fraktion könnte...
    auch ausgehend von einem Bild des Menschen, der als größenßteils oder sogar völlig "leeres Blatt" zur Welt komme, das von der jeweiligen Kultur dann bis in's Intimsten hinein beschriftet werde
    ...betonen, dass die Veränderung dieser gesellschaftlichen Umstände insofern auch die Wahrnehmung eines Kunstwerks so entscheidend beeinfluße, dass es "nach Auschwitz eigentlich barbarisch" sei, noch eine kleine Nachtmusik zu schreiben, zu hören; dass man die pastorale Unschuld irgendeines klassizistischen Quartetts ohnehin nicht mehr nachvollziehen könne und die vornehmste Aufgabe der Kunst ja auch gar nicht darin bestünde, dem Menschen die immer schreckliche Gegenwart erträglich(er) zu machen, sondern sie das Grauen auch grauenhaft abbilden müsse, damit der Hörer eben nicht in künstl(er)ische Paradiese flüchte, sondern Mut bekomme zur Revolution. :P
    [Derlei Beispiele gebe es noch viele: können die religiösen Analphabeten der Gegenwart eigentlich noch eine Matthäus-Passion verstehen? Findet man einen Zugang zur Zauberflöte, wenn man sie unter Berücksichtigung der Gender-Frage analysiert und zu dem Schluß kommt, dass dort schlimme Gedankenverbrechen lauern ("Nichts höheres als Mann und Frau", "Sie ist ein Weib, hat Weibersinn" usf.) von denen man sich permanent "distanzieren" muss, damit man von unseren politisch korrekten Gesinnungsgouvernanten nicht des Schlechtdenks wegen zum Volksfeind deklariert wird?]


    Die dritte Fraktion jedenfalls könnte betonen, dass klassische Musik eigentlich immer schon ein Minderheitenphänomen gewesen sei und dies in Zukunft auch bliebe.
    Damit wäre sie quasi (wie die Philosophie) immer zeitgemäß, aber auch immer unzeitgemäß. Jedenfalls in ihrer allgemeinen Form, die Frage nach spezifischen Werken bliebe noch unbeantwortet.
    (Ebenfalls variieren könnte dann auch die Reichweite, weil es freilich einen Unterschied macht, ob nur der alte Fritz den Bach gern' hört, oder nur der kleine Angestellte eines Museums, der sich in einem Umfeld von Liebhabern bewegt, deren Einfluß so gering ist wie der Einfluß derjenigen, die statt CDs halt Briefmarken sammeln.)


    ***


    Langweilig wie ich bin, finde ich selbst jedenfalls, dass in allen drei "Fraktionen" eine Wahrheit steckt. Und wie zu Beginn gesagt, wirkt Boulez etwa auf mich ja so wie ein Schwamm, der "negative Triebimpulse" aufsaugt, wegwischt, sodass man sich nach dem "Genuß" seiner Musik in einem Zustand der erleichterten Erschöpfung befindet.
    (Man müsste hier noch differenzieren zwischen der Wirkung seiner zweiten Klaviersonate, einem Stück wie Caminantes... Ayacucho von Nono oder der Hamletmaschine von Rihm.)
    Aber wie in der modernen Literatur z.B. auch, verlangt diese Musik eine gewissen Leidensfähigkeit und ein großes Durchhaltevermögen. Aber wer es schafft, ein Stück von Boulez oder einen Roman von Beckett wirklich durchzuhalten (auch wenn es manchmal weh tut) der wird meiner Erfahrung nach auch reich belohnt am Schluß.


    Ich wiederhole das nur deshalb, weil der Gegensatz zu dieser Schwammfunktion für mich in der Musik von Mozart zu finden ist, der mir auch als Argument für die "erste Fraktion" dienen soll. Denn seine großen Werken wirken auf mich jetzt eben nicht wie ein Schwamm, sondern wie ein Vergrößerungsglas meines jeweiligen Seelenzustands, und wenn ich etwa traurig bin, melancholisch und dann den Figaro höre, wirkt er auf mich auch immer so und mit einem immer völlig herzzereißendem Unterton. (Al fiero tormento / di questo momento / Quest' quell' anima appena / Resistere or sa...)


    Wenn ich im Gegensatz dazu fröhlich bin und gut gelaunt, dann hach: ja finde ich auf einmal, dass die Musik doch total heiter ist und wie verkomponierter Frühling.
    Insofern glaube ich also auch, dass Mozart oft viel weniger harmlos ist, als moderne Komponisten - denn es ist ja nicht immer nur angenehm, den eigenen Zustand intensiviert vor Augen geführt zu bekommen. Zuweilen erschrickt man dann über sich selbst...
    Jedenfalls: aus dieser Sicht heraus muss eben der angesprochene Figaro z.B. als (immer) zeitgemäß betrachtet werden.


    Trotzdem denke ich auch, dass Musik, um als zeitgemäß bezeichnet zu werden, die jeweilige Zeit eben reflektieren muss und Opern, für die das adelige Recht der ersten Nacht von Bedeutung ist, eigentlich nicht als zeitgemäß zu betrachten sind.
    (...und äh: nein, das ist jetzt kein Widerspruch, sondern Dialektik :P Bzw. die Trennung von Musik - Text. Wie auch immer.)


    Insofern glaube ich eigentlich und irgendwie ja auch, dass Stockhausen, Boulez und Nono schon lange nicht mehr zeitgemäß sind: das waren sie in den sechziger, siebziger Jahren. Zeitgemäß heute wäre der oft hollywoodeske und melancholische Minimalismus eines Arvo Pärt, der zudem noch von religiösen Motiven durchtränkt ist, die aber oft nur auf das "Credo" beschränkt sind oder auf Text gar verzichtet und wie im Film nur "Ohoooo Ahhaaaa Eeeheee" zu hören ist. Nicht zu vergleichen jedenfalls mit einer Bach'schen Kantate a la "Ich sehne mich nach meinem Tod."


    Ich kann mich bzgl. Pärt aber auch irren, weil ich mich nicht eingehend mit seiner Musik beschäftigt habe und es auch eine Weile her ist, dass ich CDs von ihm gehört habe. Trotzdem scheint er mir als Beispiel zu taugen - vorallem für eine allgemeine Tendenz in der Kulturszene, die man in gewisser Weise als "reaktionär" bezeichnen könnte: Gerhard Richter schimpft jetzt immer öfter über "das Häßliche", die Mozart-Statue von Lüpertz und malt stattdessen Kerzen, Landschaften; die Bilder von Norbert Bisky sehen so aus, als hätte Steven Spielberg versucht, Leni Riefenstahl nachzufilmen, jemand wie Martin Mosebach erhält den Büchner-Preis (man denke an seine Aussagen bzgl. moderner Kunst, Ästhetik in der "Häresie der Formlosigkeit"), der Daniel Kehlmann verschimpfte jüngst das Regietheater und schreibt schon, obgleich erst Mitte 30, einen Beststeller über zwei Intellektuelle aus dem 18. Jahrhundert. Wahrscheinlich auch der Typ, der schon mit Ende 20 eine Rotweinsammlung anlegt...


    Mein Problem wäre jetzt weniger das Reaktionäre (ich bin ich vielerlei Hinsicht ja selber einer), sondern dass man diese Beschreibung unbedingt in Anführungszeichen setzen muss, da ich oft den Eindruck habe, dass nicht an die großen Werke der Vergangenheit angeknüpft wird, sondern nur der hollywoodeske und vereinfachte Abglanz dieser Werke produziert wird (Gerhard Richter und die Essays Mosebach schätze ich aber sehr): ein melancholischer Unterton bei dem gleichzeitigen Optimismus, der uns ja allerorten auferlegt wird, damit die Konsumquote nicht einbricht - dann eingängige, vermeintlich klassische Formen und ein bisschen Weltflucht: alles einmal umrühren und wir haben das, was unserer Zeit vielleicht entspricht.


    Robert Spaemann, den ich wirklich sehr schätze, sagte einmal, dass sich die Philosophie vorallem auch mit dem beschäftige, was immer sei und dem, was auf sie zu komme, aber dass das eigentliche Witterungsorgan für künftige Zeiten eher die Kunst sei. Insofern deckt sich das ja mit diesem halbgare Pseudokonservatismus, den wir vielerorts ja beobachten können: Pseudokonversative, die nur deshalb von "Werten" faseln, weil sie als nützlich für das Wirtschaftswachstum verstanden werden und alle Werte, die dem Wirtschaftswachstum nicht dienlich sind (Religion, Geschlechterrollen usw.), sofort fallengelassen werden.


    Sö. Jetzt habe ich zwar ellenlang herumgeschrieben, bin öfter vom Thema abgekommen und noch häufiger in die Polemik verfallen, aber ich glaube, ich klicke jetzt trotzdem mal auf "Neues Thema erstellen." :untertauch:

    Salute,


    Ich habe über die Suchfunktion kein vergleichbares Thema gefunden, und möchte daher selbst eines eröffnen. Jedenfalls habe ich im aktuellen Fono Forum einen schönen Artikel über den Wein und die Musik gelesen. Nicht den Wein in der Musik, sondern die Kombination aus Wein (Alkohol) und Musik.


    Plaudern könnte man also über die Frage, ob ihr gerne Wein oder sonstige Alkoholika trinkt, während ihr Musik hört. (Oder: welche Kombination etc.) Ich selber habe keine ganz feste Meinung zu dem Thema. Denn einerseits habe ich am Samstag z.B. einen schönen Rotwein getrunken und drei Stunden Rinaldo, Rene Jacobs, angehört - schön mitgelesen, gemütlich gemacht: ganz wunderbar.
    Andererseits bevorzuge ich meistens allerlei Teesorten, weil der Alkohol oft mit sich bringt, dass man sich nicht sehr gut konzentrieren kann. Bei eingängigeren Stücken mag die Kombination ja noch ganz lustig sein - aber sobald es etwas anspruchsvoller wird? Parsifal und Alkohol? Wozzeck und Wein? Goldberg und Becks Gold? Hm... ?(

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    Original von Andrew
    Ich bin gespannt auf die Nominierungen!


    Meine drei Nominierungen wären erstens:



    Die Gesamtaufnahme der Mozart-Symphonien!


    Sehr hörenswert auch diese Box mit Bach-Aufnahmen:


    Pinnock mal in moderneren Gefilden:

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    Original von Alfred_Schmidt
    Die andere Methode - im Alter tendiere ich immer mehr zu ihr, wäre eine Aufnahme ohne Vergleich - rein subjektiv zu bewerten, man lässt sich also auf den Künstler ein und wird von ihm bezaubert - oder eben nicht nicht......


    Diese Methode hat sicher etwas für sich, aber vielleicht setzt sie ein gewisses Alter, genauer gesagt: eine gewisse Hörerfahrung voraus. Wenn man ein Stück zum ersten Mal hört, dann kann es ja sein, dass einen durch die lausigste Interpretation hindurch schlicht etwas Größeres anschaut, das dann trotzdem geliebt wird. Die erste Eroica, die ich gehört habe, wurde von irgendeinem lausigen Orchester eingespielt, so eine Ein-Euro-CD, würde mir heute wohl nicht mehr gefallen. Aber zerstören konnte sie die Eroica nicht.
    (Wobei die Frage wäre, ob es überhaupt Werke gibt, die quasi "unzerstörbar" sind, und die selbst bei der schlechtesten Interpretation noch ihre Größe erahnen lassen.)


    Wenn man aber schon fünf Don Giovannis kennt, ihn auch paarmal live gesehen hat - und dann, naja: hört man zum ersten Mal die Einspielung von Rene Jacobs, ohne sich vorher erneut mit Fricsay, Giulini et. al. zu beschäftigen, ist es ja wieder etwas anderes und ich würde deiner Methode dann ... wohl auch den Vorzug geben. *Grübel*


    Ansonsten glaube ich, dass man eine gute Rezension, einen guten Hörbericht über eine Oper vorallem dann verfassen kann, wenn man die Einspielung einmal in der Gänze gehört hat, also richtig mit Textbuch in der Hand, Kopfhörer auf usw. Von Anfang bis Ende durch. Und dann einmal nur die "Sahnehäubchen" hört, bestimmte markante, berühmte Stelle, wichtige Arien, Solos usw. Bei diesem zweiten Schritt sollte man dann aber schon auch andere Einspielungen heranziehen, denke ich.

    Wenn das CSO erwähnt wird, muss unbedingt auch Pierre Boulez genannt werden!






    Wobei man natürlich einwenden könnte, dass Boulez ein Dirigent ist, dessen Stil zwar die Fähigkeiten selbst des letzten Bratschisten hörbar macht, aber die Möglichkeiten des musikalischen Kollektivs leider nur im technischen Bereich (der Feinabstimmung usw.) verdeutlicht.
    Den CSO/Boulez-Bartok habe ich zwar lange nicht mehr gehört, aber ich hatte damals den Eindruck, dass genau dieser Einwand hier ganz zutreffend ist - und so habe ich mich meist eher für Solti, Reiner, Mrwanisky entschieden.

    Zitat

    Original von Ulli
    Da gibt es doch diese T-Shirts mit der Aufschrift


    geschieden und pleite
    ...aber TAMINO


    :lips:


    Also:
    "Geschieden und Pleite - Deshalb Tamino. (Klassik Tröstet)"
    würde mir ja besser gefallen. :P;)


    Aber ... für einige Diskussionen haben ja diese atheistischen Buskampagnen gesorgt, wo Linienbüsse mit der Botschaft versehen wurden: "There is probably no God. No stop worrying and enjoy your life." Der Konter der Christen: "Keine Sorge: Es gibt Gott. Also: schönen Tag!"


    Dazu passend wäre nett:
    "Es gibt vielleicht keinen Gott, aber Mozart ist ja auch schonmal was."
    Bzw.:
    "Keine Sorge: Es gibt Gott. (Und dazu auch noch Mozart!)"
    Bzw.:
    "Schlimm genug, dass es keinen Gott gibt, aber nach Mahler ging's ja auch in der Musik nur bergab..."


    ;)

    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    Immer weieder wird heutzutage gegen "Diktatoren", "Vorzugsschüler"
    "Stars" und "Führungspersonen gewettert - und es wird gewissermaßen verlangt, daß diese "Ausnahmeerscheinungen" schön brav in der Allgemeinheit untergehen und ihre Überlegenheit verbergen.
    Ich halte diesen Denkansatz - er ist in unserer Zeit sehr verbreitet - für falsch - weil nicht "menschengerecht"


    Wie gesagt, es geht hier meiner Meinung nach nicht um die Abneigung einer Musikalischen Gruppe aus MUSIKALISCHEN, sondern aus GESELLSCHAFTSPOLITISCHEN Erwägungen.....


    Ich verstehe deinen Punkt und kann die Abneigung auch nachvollziehen.
    Nur glaube ich, dass die gesellschaftspolitische Doktrin, auf die du hier anspielst, weniger auf eine Führungsperson an sich abzielt, als auf einen bestimmten Typus. Eine akzeptable oder gar ersehnte Führungsperson ist ja die weibliche, die muslimische, die schwarze, homosexuelle etc.


    Obwohl ich das also nachvollziehen kann, glaube ich schon, dass man auch jenseits dieser gesellschaftspolitischen Aspekte eine gewisse Abneigung gegenüber dem Starkult, der effektheischenden Eitelkeit usw. empfinden kann. Der "Fehler", wenn man so will, besteht nur glaube ich darin, dass man diese Abneigung nicht auf eine Gattung an sich beziehen sollte und auch nicht auf Solisten an sich. Eine herausragende Brillianz ist immerhin möglich, ohne dass ein penetranter Starkult entsteht. Und ein penetranter Starkult, ein puberäters "sich-in-den-Vordergrund-spielen" ist möglich, ohne dass etwas Herausragendes eigentlich vorliegt.
    So auch mit der Gattung. Zwar wäre es wohl selbst dem Kempff nicht gelungen, die Klavierkonzerte von Liszt zu retten - aber Rachmaninoff, Chopin und Tchaikovsky, da kommt es zu einem Gutteil doch auch auf den Pianisten an.
    Also ich will nur sagen, dass ein guter Pianist auch in der Lage seien sollte, ein solches Stück zu interpretieren, ohne dass das Gefühl von leerer Eitelkeit entsteht - so wie im Gegenzug der Lang² bestimmt auch in der Lage wäre, ein mozartisches Klavierkonzert ... aber lassen wir das.
    Wäre natürlich hilfreich, wenn der Threadersteller auf konkrete Beispiele seiner Abneigung eingegangen wäre. Gibt ja sicher auch Leute, die glauben, dass obige Beispiele nicht durch einen guten Pianisten gerettet werden können.


    +


    Bezüglich der Ausgangsfrage überlege ich gerade, ob ich die Oper auch so lieben würde, wenn ich nicht die Möglichkeit hätte, die Rezitative zu überspringen.
    Ich meine, "live" ist das ja eine Sache - aber daheim. Hm. ?(

    Zitat

    Original von Martina-Sophie
    Mich würde interessieren, wie Euer Programm zu diesem Anlass aussehen würde. :)


    Ich würde irgendeine Totenmesse spielen lassen. Oder die Fünfte Shostakovich. An derem Ende könnte man dann langsam die EU-Fahne hissen. :yes:

    Zitat

    Original von Tharon
    Ein Einzelner, der zeigen darf, was er kann, gegenüber den anderen, die ein bisschen mitspielen dürfen, das ödet mich irgendwie an (denn warum spielt er dann nicht gleich solo?). Es ist mir im Prinzip schon bewusst, dass es da noch um mehr geht... nur bekomme ich trotzdem immer den Eindruck einer virtuosen Kraftmeierei.


    Hm. Das klingt eher so, als würde sich deine Abneigung weniger auf die Gattung beziehen, denn auf einen bestimmten Typus und ein bestimmtes Repertoire. Spätromantik, Klavierkonzerte von Liszt, Rachmaninoff und sowas.
    Bravourstücke also, die den Kameramann dazu einladen, die rasenden Finger zu filmen. Und für den Zuhörer das Gefühl, dass jenseits der technischen Brillianz doch wenig Substanz vorhanden ist und sehr wenig Tiefe.


    Aber darauf beschränkt sich die Gattung ja nicht. Also ich habe öfter die Erfahrung gemacht, dass die Klavierkonzerte Mozarts z.B. gerade deshalb weniger Begeisterung als das Dritte von Rachmaninoff auslösen, weil sie nicht sehr dazu taugen, um sich mit rasend-donnernden Akkorden in den Vordergrund zu spielen. Manche könnte man ja fast als Konzerte für Klavier und Bläser bezeichnen.


    Naja, wie auch immer - eine Gattung, die ich grundsätzlich nicht mag, fällt mir so spontan jetzt nicht ein.

    Zitat

    Original von Zwielicht
    Besonders bei Boxen mit mehreren CDs und teilweise über hundert Hörschnipseln war es ja manchmal das reinste Roulettespiel, das gewünschte Stück zu finden...


    Stimmt, das Problem kenne ich - wie die meisten hier wohl auch. :D


    Ausserdem kann es oft interessant sein zu wissen, wie lange ein Stück dauert. :yes:


    Leider gibt es diese Details (noch) nicht bei allen CDs:
    http://www.jpc.de/jpcng/classi…27722?rk=home&rsk=hitlist


    :(


    Hinterlässt einen eher zwiespätigen Eindruck. ?(
    Nummer Eins und Zwei sind wunder- und schwungvoll musiziert.
    Danach wird es etwas schwächer und vorallem scheinen die Londoner unter Davis doch etwas farblos zu sein, weichlich warm - ohne genügend Spannung.


    Erinnert mich ein bisschen an die Aufnahmen mit Michelangeli, deren Qualität ja auch durch das Orchester getrübt wurden.
    Ausserdem vermittelt diese Aufnahme (nach den ersten Eindrücken, wohlgemerkt!) eine gewisse Enttäuschung, die ich auch schon bei anderen Kissin-Aufnahmen gespürt habe: die anfängliche Euphorie, vorallem wenn das Tempo angezogen wird, weicht dem Gefühl, dass er doch oberflächlich bleibt und nicht in der Lage ist, wirklich in die Tiefe zu gehen und eine emotionale Vielschichtigkeit aufzuzeigen, die in diesen Konzerten ja aber drin ist und die auch notwendigerweise dargestellt werden müsste, da wir ja hier nicht von pianistisch-krawalligen Virtuosenstückchen sprechen, sondern von Beethoven.


    Hm.
    Naja. Mal sehen - bzw. hören. :beatnik:


    :jubel:



    Zitat

    A. Csampai in FonoForum 02 / 07: "Er will uns die ganze Bandbreite Mozartschen Seelenlebens vorführen, und mit Hilfe sehr schneller Tempi, seiner eigenen, frisch-verspielten Kadenzen und einer überraschenden Verzahnung beider Mittelstücke gelingt es ihm, dem bekannten Programm einen ganz eigenen Akzent des Jugendlich-Drängenden, Spontan-Unbekümmerten, Lebenshungrig- Atemlosen zu verleihen, der gewiss auf das stets dramatisch pulsierende Nervenzentrum Mozarts trifft und alles bleierne Pathos - vor allem in den langsamen Sätzen - endgültig verscheucht."

    Zitat

    Original von Ulli


    Widerspricht sich das nicht?


    :untertauch:


    :D


    Für die meisten Hörer vermutlich schon.
    Für mich allerdings, der die Spielweise eines Aimard z.B. eher als didaktisches Geklopfe empfindet und die einzelnen Fugen von Glenn Gould nur als annähernd perfekt, nicht.

    Zitat

    Original von Antracis


    Ha: diese Box habe ich mir auch vor kurzem bestellt und bis zum Wochenende sollte sie auch in der Packstation meiner Wahl liegen. Es ist dann auch gar nicht so unwahrscheinlich, dass sie sich noch Platz Nummer Eins sichern wird, um denen sie mit folgenden zwei Aufnahmen konkurrieren muss...



    ...mit einer herrlich romantisierten Kunst der Fuge, aus der Grigory Sokolov wohl das Maximum an Schmerz destilliert.



    ...und einer phänomenalen Einspielung von Pli Selon Pli, die mir dieses Werk, das ich vorher zwar als gut, aber nicht wirklich umwerfend empfunden habe, sehr nahe gebracht hat. Das speist sich zu einem Gutteil aus der Sängerleistung von Christine Schäfer, die Phyllis Bryn-Johnson überlegen ist.


    Weiterhin zu nennen wären Mozartische Klavierkonzerte mit Pierre-Laurent Aimard und die Gran Partita, gekoppelt mit Alban Bergs Kammerkonzert für Klavier, Violine und 13 Blasinstrumente unter Pierre Boulez. Aber naja. Mal sehen, wie die Aufnahmen von Webern sind - den Gewinner werde ich dann in die "Unverzichtbaren Klassikaufnahmen" übernehmen und meine großartige Wahl begründen.


    Übrigens: Gibt es schon einen Thread über den "Worst Buy" des Jahres?