Beiträge von Christian B.

    Ich kannte diese Aufnahme bislang nicht und finde sie ebenfalls sehr bemerkenswert! Luisada findet im ersten Satz andere, eigene Lösungen, ohne dabei künstlich zu wirken. Auch die WH der Exposition spielt er anders, das hört man nicht oft so. Toll ist auch die Durchführung! Bin auf die andere Sätze gespannt.

    Mir gefällt der Eingangschor besonders gut. Dem bei Bach am häufigsten vorkommenden Schema gemäß wird der Choral blockweise eingefügt, während das Orchester ein thematisch ziemlich eigenständiges Ritornell etabliert. Diese herrlichen und virtuosen Umspielungen der Oboe d'amore verursachen mir jedes Mal Gänsehaut.

    Obwohl ich die Leipziger Choralkantaten sehr schätze, kannte ich diese nicht, bzw. habe ich sie vielleicht nur einmal gehört.

    Bei den meisten Choralkantaten finde ich ebenfalls den Eingangschor besonders schön, so auch hier. Ich dachte auch, dass das ein wesentliches Merkmal dieser Kantaten sei. Nun schreibst du aber weiter oben, dass sich die Choralkantaten dadurch auszeichnen, dass in den "Schlusschoräle[n] hinaus bekannte Choralmelodien aufgenommen wurden, welche die Gottesdienstbesucher (damals wirklich) wiedererkannten."


    Also sind nicht die eindrucksvollen Eingangschöre das wesentliche Merkmal dieser Leipziger Kantaten 1724/25, sondern die Schlusschoräle?


    Viele Grüße

    Christian

    Um das Buch schleiche ich seit Veröffentlichung herum. Kennst Du die Safranski-Biographie? Lohnt es sich wirklich? Wie schildert er das Ende in Leipzig? Was sagt er über das Verhältnis zu Friederike Brion? Inwiefern ist die Biogaphie für Dich korrigierend? Habe auch den zweibändigen Boyle im Regal, aber der behandelt mehr das Werk. Sehr gut fand ich Seehafer, wenngleich etwas zu kurz. Bei Safranski findet man nichts über Bertuch, aber bei Boyle (Göschen Ausgabe usw.). Die Los-Geschichte macht mich neugierig, die kannte ich auch noch nicht. So ein Rittergut zu bewirtschaften hätte seine umfangreichen Tätigkeiten und Interessen sicherlich um eine weitere Facette bereichert.

    Lieber Alfred, vielen Dank für Deine Ausführungen, die ich sehr interessant finde! Karl Kraus, wie könnte es anders sein, bringt mein Unbehagen mit der Hymne auf den Punkt! Ich erlaube mir das noch einmal zu zitieren:


    Die Vorstellung, dass die göttlichen Klänge sich eigens zur Ehre jenes Scheusals gefügt haben, das sich über die Martern seiner Patienten vom Spielberg stündlich berichten ließ, hat etwas Beklemmendes.“


    Wie steht ihr Wiener zu Karl Kraus? Das würde mich interessieren, führt aber wohl zu weit weg vom Thema.

    Lieber Thomas, Du hast das Werk ganz wunderbar vorgestellt, aber Deinem Kommentar "Ich war ergriffen, denn ich kannte die Melodie nur als unsere Hymne" und "Was auch immer man mit diesem zweiten Satz verbinden mag, es steckt so ungemein viel Menschliches darin, es ist mehr als nur Musik, weitaus mehr" konnte ich den für mich entscheidenden Punkt nicht entnehmen, "unsere Hymne" kann ja auch was anderes bedeuten (ich habe an eine Vereinshymne gedacht). Ich habe das Werk zuletzt vor 10 oder 15 Jahren gehört und wusste nicht, dass mich im zweiten Satz dieses staatstragende, totgespielte Thema erwartet. Damit möchte ich Eure Gespräche nicht weiter stören.


    Viele Grüße

    Christian

    Ich lebe sehr, sehr gerne in diesem Land und war überrascht, dass über jedes Detail dieses Werks diskutiert wird, aber die Tatsache, dass das Thema des zweiten Satzes durch seine Verwendung als Nationalhymne ein losgelöstes Eigenleben hat, dem man sich ja nicht entziehen kann, völlig unerwähnt blieb. Wie immer man zu diesem nationalen Eigenleben zu den üblichen Anlässen (Empfänge von Staatsoberhäupten und Fußballspiele) stehen mag - allein durch diese Verwendung ist das Thema abgegriffen und für mich quasi zu Tode gespielt.

    Ich staune sehr über die Beliebtheit dieses Quartets hier, ich finde es wegen seines zweiten Satzes und wofür dieser verwandt wurde, kaum erträglich. Haydn kann dafür natürlich nichts, aber man kann doch die Rezption eines solchen Werkes nicht komplett ausblenden. Schon die Wahl des Stücks erscheint mir problematisch. Der Variationssatz mag meisterlich gemacht sein, das Finale überraschend dramatisch - aber diese Hymne überlagert wegen ihrer Bekanntheit ALLES und es ist mir ABSOLUT UNMÖGLICH, dieses Quartett anzuhören.

    Diese Musik hebt sich mit einer unglaublichen Leichtigkeit vom Boden, sie schwebt. Sie ist ein Zustand. Ein Schuss Ironie, eine Prise Larmoyanz und eine gewisse deckelte Schräigheit bewahren sie vor allzu großem Ernst. Man ahnt ein Lebensgefühl, das man gern hätte aber nicht erreichen kann.
    Ich würde hier eher das Melancholische, Traurige, gepaart mit oberflächlicher Fröhlichkeit. Das "Raunzen" des Wieners"

    Beides finde ich in der Beschreibung treffend, aber die Frage ist doch, wie diese Charakteristika musikalisch realisiert werden? Um zu Schubert zurückzukommen, der hier freilich nicht mehr im Mittelpunkt steht, so sind seine großen Werke gewiss nicht lamoryant. Ich verbinde mit "wienerischer" Musik eine sich steigernde Rasanz, die dann aber auch wieder umschlagen kann. Sie hat etwas Doppelbödiges, bleibt aber zumeist auf der heiteren Seite. Wohingegen Schubert in seinem Spätwerk vor allem die dunklen, inwendigen Seiten erkundet.

    Man müsste wohl erst einmal definieren, was überhaupt die Charakteristika einer "wienerischen“ Musik sind, das überlasse ich gerne den Wienern hier im Forum, die verstehen davon bestimmt mehr als ich.


    Für mich gehört zu einer typisch "wienerischen" Musik aber auch unbedingt das Abgründige dazu, das hinter der Fassade aufscheint. (Unser Forenbetreiber wird dagegen bestimmt protestieren!) Und diese oftmals unerwarteten "Wendungen" hat Schubert mit seinen mich sehr faszinierenden enharmonischen Wechseln (oftmals ins Dur) ganz besonders getroffen. Das ist für mich auch das "Wienerische" an dieser Musik, aber eine allgemeingütltige Regel würde ich daraus nicht ableiten wollen.


    Werke wie D. 845 gehen weiter und sind mit vereinfachenden Beschreibungen auch nicht beizukommen, da mag es allenfalls im dritten Satz Anklänge geben.

    Für mich persönlich hat Schubert das vermeintlich "wienerische" mitgeprägt und mit seiner Musik einen Stil definiert, der über die bloße Walzerseeligkeit hinausgeht. Das ist meine persönliche Meinung, die zu begründen ich jetzt kaum die Möglichkeiten und Zeit habe. Und das 'wienerische' höre ich durchaus auch in den späten Werken, so bspw. in D.946,2 (mit 6/8 Takt).

    Mag sein, aber bspw. Vol. 5 (Concert De Paris, 4 Décembre 1968 mit Sviatoslav Richter) ist meines Wissens nur in dieser Reihe veröffentlicht worden. Klangtechnisch war ich mit der Aufnahme immer sehr zufrieden und habe sie vor dem Verkauf digitalisiert. Es ist eine Sternstunde (ich verwende das Wort ansonsten nur ungern).


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    Diese Box hatte ich mal, zur Zeit wird sie für 333,- EUR gehandelt. neu sogar für 800,-

    Die Regeln von Angebot und Nachfrage werden wir nicht ändern können, das kann niemand, außer durch Subventionen usw.

    Wobei es mich gerade bei dieser Box sehr wundert, da es unter dem Icon-Label eine immer noch erhältliche Neuauflage gibt.

    Und Dank Digitalisierung sind ohnehin viele Preise gefallen.



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    Serh begehrt sind auch CDs aus dieser Reihe:


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    Ich hatte über den Herkulessaal im Pollini-thread schon mal ein paar Zeilen geschrieben.


    Eine Anmerkung zu der Innenaufnahme: Die an den Wänden hängenden blau-grauen Gobelins sind aufwändige Replikationen, im Grunde sind es Fotos der Originale, die auf ein Gewebe gedruckt wurden. Nicht zu erkennen. Die Originale waren vom Verfall bedroht und sind seit Jahren eingelagert. Wobei ich mich frage, was Kunstwerke überhaupt für einen Sinn haben, wenn sie im Keller weggesperrt werden?

    Das bringt uns aber vom Thema des Threads weg. Schlussendlich ist es ja relativ egal ob Haydn seine C-Moll Sonate 1771 oder 1780 komponierte.


    LG aus Wien.:hello:

    ich finde, dass diese Informationen dem Thema durchaus angemessen sind! Für mich jedenfalls interessant. Zu den Klaviersonaten möchte ich noch anmerken, dass die in Moll kompositorisch meines Erachtens origineller und stärker sind, da überzeugt jeder Satz, was ich bei den Dur-Sonaten nun nicht von jeder behaupten würde. Besonders gelungen finde ich #34 in e-Moll.


    Von der c-Moll Sonate gibt es viele gute Aufnahmen, herausragend finde ich aber einen erst kürzlich erschienen Live-Mitschnitt von Pletnev aus dem Jahr 1989.


    Viele Grüße, Christian

    Einen Anspruch auf "originalen" Bruckner könnte es selbstverständlich genauso wenig erheben wie alle anderen "Vollendungsversuche".

    Dies stimmt insofern nicht, als das SPMC-Finale, wie von Rattle aufgeführt, bis auf wenige Takte ausschließlich auf Bruckner-Material in unterschiedlicher Ausarbeitung zurückgeht. Diese langjährige Arbeit sollte man also bitte nicht mit einer KI-Rekonstruktion vergleichen, finde ich.


    Viele Grüße, Christian

    Ich möchte den thread kurz ergänzen und die Klaviersonaten in Moll erwähnen, ich glaube 6 von 49 sind es und sie sind allesamt sehr besonders!

    So richtig aufschlussreich sind die Ausführungen Draheims leider nicht, zumal auf vier oder fünf CDs verteilt, was schwer nachzuvollziehen ist. Die Forschungslage scheint sehr dünn zu sein.


    Ich habe den Eindruck, dass Schumann für "Bunte Blätter" auch dramatischere und teilweise längere Stücke (#11 Marsch ist 8 Minuten lang!) ausgewählt und bei der Zusammenstellung auf eine stimmige Abfolge geachtet hat. Der Zyklus wirkt für mich - auch harmonisch - wie aus einem Guss, was für eine "Resteverwertung" ungewöhnlich ist.


    Wie Schumann das hinbekommen hat, werden wir wohl nie erfahren.


    Vielen Dank für Eure Bemühungen!

    Ich bin gespannt auf die Texte des Schumann Forschers Joachim Darheim für die Uhlig-Aufnahmen. Die sind auf dem letzten Forschungsstand und er zitiert in Vol. 3 Schumann (weiter bin ich noch nicht gekommen), dass das Opus früher aus "30 kürzeren Stücken" bestanden habe, woraus ja klar hervorgeht, dass Schumann die Stücke für die Ausgabe unter dem Titel "Bunte Blätter" überarbeitet hat. Dass die Stücke aus einem längeren Zeitraum stammen, ist bekannt, aber interessant ist doch, was er daraus für diese Ausgabe gemacht hat.

    Es gibt IMO überwältigend interpretierte Einzelstücke in den Bunten Blättern, aber für meine Begriffe auch weniger Überzeugenderes.

    Meinst Du damit diese Richter-Aufnahme? Das würde mich allerdings sehr wundern ;-)


    Gibt es hier denn gar niemand, der etwas über die meines Erachtens vorhandenen thematischen und harmonischen Zusammenhänge ausführen kann? Was steht denn im Booklet von Uhlig? Das ist ja von einem Schumann-Experten. Verteilen sich da die Anmerkungen auf einzelne CDs?

    Ich kenne die Aufnahme, Alfred, aber wenn Du das Werk interessant findest, dann besorge dir doch mal die Einspielung von Sviatoslav Richter. Es dürfte eine seiner besten Einspielungen überhaupt sein, und das heißt was bei diesem Pianisten. Richters Aufnahme hat einen unglaublichen Zug und man erlebt diese Stücke ohne Zweifel als zusammengehörend.

    In meinem Buch über Robert Schumann steht leider nur sehr wenig über die Bunten Blätter.


    Es mag sich ja um eine Art "Restverwertung" handeln, aber ich bin mir relativ sicher, dass Schumann die Stücke für diese Sammlung bearbeitet hat, dass er sich die Anschlüsse genau überlegt und die Tonarten aufeinander abgestimmt hat. So schließt der stürmische Beginn des zweiten Stücks ohne Zweifel an das Ende des ruhigen ersten Stücks an. Und auch das dritte Stück wirkt wie eine Weiterführung des thematischen Materials usw. Und das 9te, 10te und 11te Stück wirken in ihrer Abfolge wie füreinander und aufeinander komponiert. Auch 12 und 13 wirken sehr zwingend in ihrer Abfolge.


    Das soll alles nur eine Restverwertung sein? Kann jemand mehr über das verwendete Material beitragen?


    Es gibt hier einen Unterschied zu den viel loseren Albumblättern op. 124.