Beiträge von Christian B.

    Als musikalische Evokation des Glaubens an die Überwindung des Todes durch die Liebe in der Gewissheit der Existenz eines die Liebe verkörpernden Gottes.

    Jens Malte Fischer schreibt zu dieser Thematik, dass Mahler nicht christusgläubig im Sinne des Christentums war, dass er sich innerlich zum Christentum distanziert verhielt, wie er sich auch zur jüdischen Religion distanziert verhielt.
    „Unbezweifelbar aber ist, dass er einen Begriff von Gott hatte.“ (482)

    Es freut mich zu hören, dass es der dt. Automobilindustrie so gut geht, die Beschäftigten in Wolfsburg und anderswo werden über ihre sicheren Arbeitsplätze erleichtert sein. Und VW hat in China auch nur deshalb ein Werk geschlossen, um Stellung gegen die Behandlung der Uiguren zu beziehen. Es lag natürlich nicht an der nicht vorhandenen Nachfrage.


    Die Werbegelder, auf die die Entertainment-Branche und viele (auch kulturelle) Veranstaltungen angewiesen sind, fließen dann bestimmt bald wieder, oder?


    Auf absehbare Zeit ist das eher nicht in Sicht. Der Werbemarkt ist näher am Geschehen als Statistiken von gestern.


    Doch zurück zum Thema: In München sind nun bei den Kammerspielen Einschnitte angekündigt - Berliner Verhältnisse auch in Bayern?

    https://www.sueddeutsche.de/ku…ux.2y9Huz9MH3oTUcT1wi2RND


    Ansonsten sind Produktionsindex und Umsatzindex aufschlussreich:


    https://www.destatis.de/DE/The…rindikatoren/_inhalt.html

    Die beruhigende Rückkehr zum Grundton "D" am Ende des letzten Liedes - Helmut Hofman hat das in seinem thread alles sehr genau beschrieben (Gustav Mahler. Seine Lieder, vorgestellt und besprochen in der Reihenfolge ihrer Entstehung und Publikation) finde ich in ihrer Schönheit und tröstenden Wirkung außerordentlich verstörend.

    So etwas darzustellen ist wohl nur mit einem starken Glauben möglich. Gleichwohl liegt in der Musik selbst kein Glaube - und es bleibt nur der Trost.

    Ganz aufgelöst bekomme ich diesen Widerspruch für mich nicht.

    Ungeachtet der Frage, was davon zu halten ist, wundert mich übrigens doch ein wenig, dass alle so laut über die Kürzung des Kulturetats kamen, als gäbe es nicht noch viele andere Kulturbereiche, wo (zum Teil noch gekrochen heftiger) gekürzt wird. Ich will keinesfalls Kindergarten oder Schulen usw. gegen die Kulturinstitutionen ausspielen, aber es wäre doch schön, wenn nicht jeder sein Interesse auf sein Kirchspiel beschränken würde, sondern die Dinge gelegentlich in größeren Zusammenhängen betrachten würde.

    Das hängt damit zusammen, dass wir uns in diesem Forum über Musik, Oper, teilweise auch noch über Theater und Literatur austauschen, aber eben nicht über Autos - auf die marode Situation dieser Branche wurde schon hingewiesen - oder über andere, vermutlich noch wichtigere Lebenswelten.

    Viele werden sich wahrscheinlich fragen, warum die Filmwirtschaft überhaupt einer Förderung bedarf? Der Grund ist: Im Unterschied zu englischsprachigen Ländern können wir aus Deutschland heraus neben den deutschssprachigen Ländern nur geringe Erlöse über das Ausland erzielen, da englischsprachige Ländern nur sehr selten Synchronisationen akzeptieren. Somit sind die europäischen Länder allein international budgetär nicht wettbewerbsfähig. Eine Filmförderung ist mit hohen Auflagen verbunden und bei einer regionalen Förderung muss man bspw. 200-300% im jeweiligen Bundesland ausgeben. Davon profitieren alle, Land, Produzenten, Filmschaffende und Künstler vor und hinter der Kamera.


    Und jetzt das (Auszug):


    "Ein Desaster mit Ansage


    Am vergangenen Freitag teilte um 14.37 Uhr die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Claudia Roth, per Pressemitteilung mit, dass nach einer Umfrage der Produktionsallianz fast 70 Prozent der befragten Unternehmen angeben, dass im Falle eines Scheiterns der Filmreform eine Abwanderung der Produktionen ins Ausland unvermeidlich wäre. Wörtlich sagt Claudia Roth: „Die Zahlen sind alarmierend und zeigen, dass hier sehr schnell gehandelt werden muss. Die umfassende Reform der Filmförderung ist von existenzieller Bedeutung für den Filmstandort Deutschland und für die gesamte Filmbranche hierzulande. Internationale und sogar deutsche Produktionen wandern ab in andere Länder, die bessere Rahmenbedingungen bieten. Wir müssen jetzt dringend hierzulande bessere Rahmenbedingungen schaffen, auch um europäisch und international als Produktionsstandort wettbewerbsfähig zu sein.“ […]


    Im Februar 2023 hatte Claudia Roth hier erklärt: „Mein Ziel ist es, Ende dieses Jahres die notwendigen Gesetzesvorhaben auf den Weg zu bringen. Der Bundesfinanzminister, aber auch viele andere Kolleginnen und Kollegen im Kabinett sind mehr als interessiert an unseren Fortschritten.“ Doch dieser Zusage folgten kaum Taten.


    Seit Monaten monieren die Bundesländer, die ja für das Anreizmodell mit zur Kasse gebeten werden, dass es keinen Vorschlag des Bundesfinanzministeriums gäbe, der die Kostenverteilung regele und auch festschreibe, dass der Bund seinen bisherigen Anteil an der Filmförderung beibehält. Wie zu hören ist, lehnt die zuständige Abteilung im Bundesfinanzministerium eine solche Lösung ab. Und sicher spielt auch zentralistisches Gebaren eine Rolle, dass man die Länder bei einer Reform, die in ihre Kultur- und Finanzkompetenz eingreift, links liegen lässt und versucht, sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. [...] Die Förderung eines Kulturwirtschaftsbereichs neu organisieren zu wollen, ohne die Interessen der Bundesländer zu berücksichtigen, muss in einem Desaster enden.


    Zu fragen ist auch, warum Claudia Roth ihren Vorschlag von 2023, das österreichische Modell der Filmförderung „genauer anzusehen“ nicht umgesetzt hat. Hier hätte man nicht das finanzielle Notopfer der Länder benötigt. Eine Öffnung der bisherigen Bundesförderung ohne Deckelung, hätte für ausreichend Anreiz gesorgt. Unser Nachbarland kann sich jedenfalls nicht über eine unzureichende Auslastung der Studios beklagen. Auch Dank deutscher Produzenten."

    https://medienpolitik.net/aktu…n-desaster-mit-ansage-573


    Danke, sehr interessant! Wobei ich das Argument „dieses und jenes Merkmal findet sich in keinem anderen Walzer Chopins“ nicht überzeugend finde, allenfalls die Häufung derartiger Merkmale.


    Aber zeichnet es einen großen Künstler nicht aus, Dinge zu tun, die man nicht von ihm erwartet? Ich werde vor allem beim dreifachen fff in einem Walzer stutzig. Aber wäre das nicht ein leicht zu vermeidender, da offensichtlicher Fehler?

    Um zum Thema „Reife“ und „Wettbewerbe“ zurückzukehren: Ich gestehe, nur einmal in München bei Jugend musiziert persönlich anwesend gewesen zu sein. Aber es war so faszinierend! Mit 13-14 haben die Teilnehmer die schwierigsten Stücke auf hohem Niveau gespielt. Die letzten beiden Chopin-Wettbewerbe konnte man im Internet verfolgen und auch das war faszinierend. Ch.Köhn hat kürzlich auch Links zu einem Wettbewerb geteilt, die ich ebenfalls gerne verfolgt habe, so die Zeit es erlaubt hat. Bei allen Wettbewerben spürte man, wieviel für die jungen Teilnehmer auf dem Spiel steht: letztlich geht es mitunter gewiss auch um die Frage, ob sie sich behaupten und ihr Leben auf diesem Weg finanzieren können. Ich war von der Reife zumeist sehr angetan, Ausschläge nach oben und unverwechselbare, besondere Gestaltungskraft waren jedoch eher selten.

    Bei dieser Thematik sollte eine differenzierte Würdigung der Leistungen im Vordergrund stehen. Es ist kein Thema für pauschale Urteile (und gegenseitige Diffamierungen sind hier wie anderswo auch völlig fehl am Platz).

    Die hier angerissene Frage, ob man gewisse Stücke erst ab einem gewissen Alter mit der entsprechenden Reife spielen sollte, kann man sicherlich nicht pauschal beantworten, aber interessant ist sie schon. Zum einen gibt es nicht wenige Pianisten, die ihre Karriere mit der späten Sonaten-Trias von Beethoven begonnen haben - mit Erfolg! Und zumindest in einem Fall sind sich hier alle einig - ja, auch das gibt es -, dass der frühe Wurf stärker war als der späte (Pollini). In anderen Fällen werden wir es nie erfahren (Gould) oder müssen noch abwarten (bspw. Levit).


    Ich finde in dem Zusammenhang ein Bonmot von Andras Schiff ganz treffend, der mal in einem Meisterkurs gesagt hat, dass er früher zu jung war, die Hammerklaviersonate zu verstehen und jetzt zu alt ist, um sie zu spielen :-)


    Humor ist übrigens auch in anderer Hinsicht manchmal hilfreich.

    Dass die dt. Automobilbranche eine weltweite Transformation verpennt hat, ist nun mal eine bittere Tatsche (wer erinnert sich noch an Kodak?), aber hier für mich nicht das Thema. Mich interessieren die Auswirkungen der aktuellen Wirtschaftskrise auf die Kulturlandschaft. Auch die Verlage sind betroffen. Ob eine Biografie für 42.- EUR das Jahr retten kann? Da muss sie sich schon sehr gut verkaufen. Offenbar setzt man bei KIWi alles auf eine sehr teure Karte und hofft aufs Weihnachtsgeschäft. Verzweiflung pur.

    Es sind übrigens nicht 10%, die im Berliner Kulturetat gekürzt werden, sondern 12%. Die Uhr tickt. Man wird im ersten halben Jahr aufgrund bestehender Verpflichtungen nur sehr wenig einsparen können, um so krasser dürfte dann die zweite Jahreshälfte aussehen.

    Das kann man nur auffangen, in dem die Anzahl der Neu-Produktionen massiv gekürzt wird. Aber auch hier gibt es ja Vorläufe über Jahre hinaus. Wie soll das gehen? Sänger und Dirigenten wieder ausladen?

    Die deutsche Kulturlandschaft erlebt zur Zeit eine Krise, wie es sie so noch nicht gab. Nach dem Börsencrash 2008 hat sich alles überraschend schnell erholt. Aber diesmal wird es länger dauern. Noch spürt das Publikum nichts davon. Wahrscheinlich ist es deswegen im Forum kein Thema, möglicherweise sind viele Teilnehmer nicht mehr berufstätig?


    Mich würde ein Meinungsbild interessieren. Berlin muss den Kulturetat um 10% kürzen - und das bereits 2025. Also in fünf Wochen geht es los und noch vor Weihnachten sollen Lösungen verabschiedet werden. Wie das seriös über die Bühne gehen soll, ist mir ein Rätsel. Möglicherweise gibt es einfach weniger Bühnen. Allein dieses Beispiel zeigt, wie ungeplant alles abläuft, wie chaotisch die Lage ist.


    In meiner Branche (Film & Fernsehen) arbeiten viel freiberuflich und projektbezogen - und sind derzeit arbeitslos. Einige größere Firmen haben Stellen abgebaut oder gleich Kurzarbeit verordnet. Während in Österreich das Geschäft boomt, hat man es hier versäumt, rechtzeitig neue Gesetze auf den Weg zu bringen, nicht mal das auslaufende FFG (Film-Fördergesetz) kommt nun fristgerecht durchs Parlament. Von vorausschauender Planung kann keine Rede sein. Hinzukommt nun die aktuelle Werbekrise, die das Geld aus dem Markt saugt.


    Nicht nur bei VW und Thyssen sind viel Arbeitspltze bedroht.

    Wie sieht es in den Museen aus?

    Wie in den Theatern und Orchestern in anderen Städten?

    Das komplette Album gibt es aber noch gar nicht, nur die a-Moll Sonate digital! Deswegen ist ein Link zu jpc verwirrend, denn dort kann man die Sonate erst am 8.11. erwerben.

    Hallo Hegel,


    vielen Dank für Deine Initiative, tatsächlich sind mir die von Dir aufgeführten Pianisten zumeist unbekannt, so dass ich den thread sehr interessant finde. Gestern habe ich mir die aktuelle Aufnahme der G-Dur Sonate D.894 von Andrew Rangell angehört, fand diese aber doch ein wenig holperig und nicht auf dem höchsten Niveau. Anlässlich der letzten Pollini-Veröffentlichung haben wir über dieses Werk im Forum zuletzt intensiv gesprochen. Die B-Dur Sonate hat Rangell früher aufgenommen, die werde ich mir noch anhören.


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    Bei den Worten „Es schwindelt mir, es brennt / Mein Eingeweide“ ereignet sich für Schubert ein Ausbruch aus der Innerlichkeit der Äußerungen in einen schmerzerfüllt-extrovertierten Klageruf. Und so legt er denn auf sie eine Melodik, die in ihrer repetitiven Entfaltung auf in Sekundintervallen ansteigender und dann wieder fallender Ebene dieses in deklamatorisch rezitativischem Gestus zum Ausdruck bringt. Und weil Mignon hier für einen Augenblick aus ihrer autistischen Verschlossenheit ausbricht und Einblick ihr seelisches Inneres gewährt, wiederholt er diese Worte noch einmal.

    In der Frankfurter Ausgabe weist der Herausgeber im Kommentar darauf hin, dass in dieser Zeit "Eingeweide" neben dem körperlichen auch das "seelische Innere", das "Gemüt" meine.

    Grimms Wörterbuch: oft blosz für das innerste herz

    Ein wunderbares Lied und eine starke Aufnahme, finde ich!

    Die Melodie zu Beginn und wieder am Ende kommt mir bekannt vor, hat Schubert sie noch woanders verwendet?


    Seltsamerweise habe ich mich erst jetzt gefragt, was mit "Seite" (Z. 6) eigentlich gemeint ist.

    Aber das kann ja nur die Sehnsucht sein, die das lyrische Ich beim Blick ins weite Firmament sieht?

    Beziehungsweise sieht es jetzt diese Seite des Himmels.

    Wie verstehst Du das, lieber Helmut?

    Universal (ich glaube die umtriebige Abteilung aus Australien) hat erst kürzlich einige Westminster-Aufnahmen von Egon Petri wieder aufgelegt. Darunter auch die Hammerklaviersonate.


    Es gibt aber auch vergessene Pianisten, die noch leben, aber ihren Schwerpunkt mehr auf den Unterricht verlegt haben. Sehr spannend finde ich Jacques Rouvier, dessen Debussy atemberaubend gut gespielt ist. In seiner Lebendigkeit ein starker Gegenentwurf zu ABM. Auch klanglich wunderbar!


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    Goethe hat das Gedicht im Juni 1785 geschrieben (also fast 50 Jahre vor Schuberts letzter Version) und es Charlotte von Stein geschickt. Einen Brief dazu konnte ich nicht finden. In der Zeit hat er auch an der Urfassung von Wilhelm Meister gearbeitet, in dem es leicht verändert vorkommt. Offenbar hat Goethe das Gedicht also ohne Ergänzung und ohne Hinweis auf den Roman an Frau von Stein geschickt, so dass sie diese Zeilen, wie viele andere auch, nur auf ihn - und nicht auf Mignon - beziehen konnte (wie bspw. das berühmte " Warum gabst du uns die tiefen Blicke").

    Ja, aber sein imaginatives Werk handelt eben gerade nicht von der Region, aus der Albéniz stammt. Es ist fast ein bisschen wie in dem Lied „Kennst Du das Land“, das hier an anderer Stelle gerade besprochen wird, nur gibt es zwischen Katalonien und Andalusien keine Drachennester.

    Deswegen portraitiert Albeniz auch die einzelnen Regionen

    Er hat sich wohl vor allem für den Süden Spaniens mit seinen maurischen Einflüssen interessiert. Das hört man dem Zyklus auch an, wobei die Art der Verarbeitung der Themen eine andere ist als bei Debussy und auch Ravel.


    Mir gefällt IBERIA sehr gut, aber es ist ein Zyklus, den ich nicht komplett anhöre, immer nur einzlene Stücke.

    Lieber Helmut,


    die Version von Hugo Wolf kannte ich nicht, es ist eine wunderbare Vertonung, die die in dem Text thematisierte Sehnsucht auf unterschiedlichen Ebenen differenziert zum Ausdruck bringt. Vielen Dank für Deine genauen Analysen, die für mich immer eine Bereichung sind! Besonders gelungen finde ich hier die in der dritten Strophe hinzukommenden Unruhe und Dramatik.


    Viele Grüße

    Christian


    Soeben sehe ich, dass Hugo Wolf drei weitere Mignon-Lieder geschrieben hat! Auch diese kenne ich noch nicht. Gefunden habe ich sie auf der Aufnahme von Sophie Karthäuser.

    Leider hinter der Bezahlschranke, aber unbedingt lesenswert:


    https://www.sueddeutsche.de/me…ux.PNUkFRU9NVvXDSGSLC1fqM


    Dabei sichert der Mechanismus der aus den Parlamenten ausgelagerten Beitragsentscheidung ein durch und durch demokratisches Grundrecht: Er soll die Rundfunkfreiheit schützen und verhindern, dass über die Finanzierung der Sender Medienpolitik gemacht wird. Das ist derzeit besonders unbequem, weil die Blockade der 58 Cent durch die Länder eigentlich genau das ist: Medienpolitik durch pseudo-kraftstrotzende Geldverweigerung statt einfach durch Gesetze.“


    Auch ich ärgere mich über die Quotenfixiertheit der Sender und der eher geringen Bereitschaft, in Kultur zu investieren, aber darüber wird oft vergessen, dass das Verfahren über die KEF, die den Beitrag unabhängig und aufwändig ermittelt, zunehmend politisiert wird. Das finde ich in unseren Zeiten besorgniserregend, zumal ein Ende dieser Politisierung noch lange nicht in Sicht ist.

    Ich finde Konzertkritiken besonders interessant, wenn ich dabei war: Welche Worte findet der Kritiker? Wie beurteilt er das, was ich gesehen und gehört habe? Worin weicht er von meiner Einschätzung ab und wie begründet er oder sie es? Fundierte und gut geschriebene Kritiken sind ja leider selten geworden, auch in der SZ und FAZ, in denen sie mal eine wichtige Rolle eingenommen haben. Und nochmal zu J. Kaiser, der hier ja gerne runtergemacht wird (und dem solche schiefen Bilder wie die in der Besprechung oben nie passiert wären): Seine Bedeutung war, dass er ein interessiertes Publikum anstecken konnte und neugierig gemacht hat. Ich habe ihn in meiner Jugend (Mitte 80er) entdeckt und war sehr froh darüber. So etwas gibt es heute gar nicht mehr. Noch besser waren seine Radiosendungen, er hatte eine gute Stimme. Interessant übrigens auch, was er in seinem Buch über den damals ja noch sehr jungen Pollini geschrieben hat. Da könnte man fast zu dem Schluss kommen, dass sich der alte Pollini in einer gewissen Weise dem jungen Pollini wieder angenähert hat.


    Bei seiner älteren Einspielung spielt Pollini immerhin klar artikulierte Sechzehntel, wenn auch kaum diese synkopische Gegenstimme zur Rechten, während in der neueren nur noch ein indifferenter Klangteppich zu hören ist. Ich würde diese recht komplexe, dreistimmige rhythmische Struktur gerne hören (der Satz ist aus guten Gründen nur "Allegretto" und nicht "Allegro molto" oder "Presto" überschrieben)

    Tatsächlich hört man diese Gegenstimme links so gut wie nie - ich bin erst durch Dein Notenbeispiel darauf aufmerksam geworden -, zumeist dominiert das Motiv der rechten Hand. Nur bei Barenboim ist die Gegenstimme links gut zu hören, aber hier ist der Bewegungsfluss so stark retardiert, dass ich es etwas übertrieben und nicht mehr natürlich finde. Es kann natürlich aber auch daran liegen, dass meine Hörgewohnheiten eingeschliffen sind ;-)

    Was für eine Aufnahme! Elektrisierend! Vielen Dank fürs Verlinken. Wirklich ein Erlebnis, auch der dritte Satz. Man wird wohl festhalten können, dass er in dieser Zeit (Ende 80er - Anfang 90er) auf dem Höhepunkt seines Schaffens war. Vielleicht werden ja noch ein paar Live-Mitschnitte freigegeben - die von Radu Lupu bei Doremi zum Beispiel sind eine Bereicherung.