Auf Seiten der Mee Too-Gegner gibt es hier zwei Gruppen. Die eine Gruppe - ich möchte stellvertretend die immer bereichernden Beiträge von Johannes Roehl erwähnen - betonen die Bedeutung der Unschuldsvermutung und die beträchtlichen Konsequenzen, wenn man diese über Bord wirft.
Doch es gibt auch eine Gruppe - unser Foreninhaber gehört dazu -, der es um etwas anders geht. Hier wird grundsätzlich hinter jeder Mee Too-Veröffentlichung ein Rachefeldzug gewittert oder eine persönliche Bereicherung unterstellt. Das finde ich wirklich schwer erträglich, wobei ich gar nicht ausschließe, dass so etwas vorkommt.
Meine Erfahrung als Produzent von Spiel- und Fernsehfilmen ist, dass dort, wo es Macht gibt, sie in jeder Hinsicht auch ausgenutzt wird. Und zwar wirklich schamlos und unverblümt ausgenutzt - wenn es keine Compliance-Regeln gibt.
Ich stelle hier mal einen Vertragspassus ein, den ich bei der Produktion von Spielfilmen strikt in meinen Verträgen umzusetzen habe. Solche Vertragszusätze gäbe es nicht, wenn sie nicht dringend notwendig wären. Offenbar sind sie im Klassikbetrieb jedoch nicht üblich. So hat James Levine gegen seine Kündigung an der MET geklagt, weil in seinem Vertrag "sexuelle Belästigung" gar nicht als Kündigungsgrund aufgeführt wird. Das spricht nun wirklich für sich - bekanntlich hat man sich dann außergerichtlich geeinigt.
Hier nun also ein Passus, wie ich ihn als Produzent unterschreiben und umsetzen muss:
1. Beide Parteien
lehnen jede Form von Diskriminierung im Sinne des AGG, insbesondere jede Form
von sexueller Gewalt, Missbrauch und sexueller Belästigung ab.
2. Der Vertragspartner
stellt die Einhaltung diesbezüglich bestehender branchenüblicher Maßnahmen (z.
B. durch den „Verhaltenskodex
zu sexueller Belästigung und Gewalt“) sicher und wird auf die Möglichkeit der
Inanspruchnahme der überbetrieblichen Vertrauensstelle hinweisen.
3. Der Vertragspartner
versichert, alles Zumutbare unternommen zu haben, um jede Form von sexueller
Gewalt, Missbrauch und sexueller Belästigung im Zusammenhang mit dieser
Produktion durch ihn als Auftragnehmer und seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
zu vermeiden, Verdachtsmomenten nachzugehen und Verstößen durch geeignete
Maßnahmen (z. B. arbeits- und vertragsrechtliche Mittel, bis hin zu
strafrechtlichen Anzeigen) entgegenzuwirken.
4. Der Vertragspartner
erkennt dies durch seine Unterschrift unter den Vertrag an und versichert
ausdrücklich, dass er keine Kenntnis von Verstößen oder konkreten
Verdachtsmomenten im Zusammenhang mit dieser Produktion gegen ihn als
Auftragnehmer und seine Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter wegen sexueller Gewalt, Missbrauch und sexueller
Belästigung hat.
5. Der Vertragspartner
wird dem Auftraggeber unter Wahrung berechtigter Datenschutz - und Persönlich-keitsrechte
der betroffenen Personen und der Geschäftsgeheimnisse seines Unternehmens über
konkrete Verdachtsmomente und Verstöße gegen Ziffer 3 oder 4 unverzüglich
informieren und einvernehmlich
einer gemeinsam bestimmten geeigneten Stelle (z. B. Vertrauensstelle oder einer/einem
Rechtsanwältin/Rechtsanwalt oder einer/einem Psychologin/Psychologen) Einsicht
in seine produktionsbezogenen Unterlagen gewähren, um diese Verdachtsmomente zu
überprüfen.
6. Unbeschadet
sonstiger Rechte ist der Sender im Falle des Verstoßes gegen die in den Ziffern
3, 4 und 5 genannten Verpflichtungen zu weiteren verhältnismäßigen Maßnahmen
berechtigt. Dies kann im Einzelfall bis zur außerordentlich fristlosen Kündigung führen.
Viele Grüße
Christian