Beiträge von ThomasNorderstedt

    In letzter Zeit habe ich mehrfach Kozena in BWV 199 gehört - und war jedes Mal begeistert. Mehr Kantaten von Kozena wollte ich haben, also bestellte ich:



    Kaum hatte ich diese CD aufgerufen, brachte mir amazon in Erinnerung, dass ich BWV 140 endlich auch von Gardiner haben möchte, und weil die Pillgrimage-CDs gerade recht günstig sind, bestellt ich auch:



    Recht viele Kunden hatten das sagenhafte Schiff-Schätzchen schon geborgen, ich nun auch:



    Tja, und dann ist nicht spurlos an mir vorbei gegangen, dass Joseph II. für Ramin Werbung macht. Auf der Suche nach empfehlenswerten Ausgaben bin ich JRs Rat gefolgt und habe zu dieser Box gegriffen:



    Begleitende Lektüre ist nie verkehrt, kam mir dabei in den Sinn:



    Als ich dann den Einkaufswagen anklickte, musste ich bemerken, dass der Einkauf wieder mal teurer war, als ich geplant hatte. Also schnell auf "Bestellung abschließen" geklickt, nicht dass ich mir´s noch überlege.


    Schöne Feiertage wünscht
    Thomas

    Meine CD der Woche ist eine Box:



    Daraus höre ich seit einigen Tagen (sagen wir sieben, damit es zum Thema passt) immer wieder die Schönberg-Quartette. Grandios!


    Nebenbei lasse ich auch ab und zu mal die LasSalles laufen, sind bei mir aber klarer zweiter Sieger. Im zweiten Streichquartett liegen Welten zwischen Oelze, wunderschön!, und der Sängerin beim LaSalle-Quartett.


    Viele Grüße
    Thomas

    Hallo Pius,


    es gibt die 4-CD- Box von Chandos derzeit unglaublich günstig bei prestoclassical (genauer: dort ist alles von Chandos zurzeit im Angebot). Meines Erachtens empfiehlt es sich daher dringend, dort diese Box zu bestellen:


    "http://www.prestoclassical.co.uk/wx/81057"


    :hello:
    Thomas

    Mit diesen beiden Aufnahmen habe ich heute meinen Hördurchgang op. 67 abgeschlossen:


    (die rechts abgebildete Aufnahme ist bei amazon auch noch unter der ASIN „B0017W7DCI“ zu finden)


    Zunächst gehört habe ich die Aufnahme des Beaux Arts Trios. Es handelt sich um dessen dritte Aufnahme (die erste, noch mit Greenhouse, stammt aus 1975, die zweite aus 1989, die dritte aus 2005, Besetzung siehe oben). Matthias Oberg schrieb oben zu ihr: Diese finde ich auch ganz besonders ergreifend durch äußerst fein nuanciertes Spiel.“ Äußerst fein nuanciertes Spiel trifft es meines Erachtens ganz ausgezeichnet. Eindeutig ist diese Interpretation sorgsam erarbeitet worden. Nichts wirkt zufällig, alles durchdacht. Als besonders gelungen sehe ich in dieser Aufnahme den ersten und dritten Satz an. Im ersten wählt das Beaux Arts Trio einen anderen Ansatz als den gewohnten, in dem sie den Anfang nicht fahl spielen, sondern dünn, wie an einem seidenen Faden, wodurch sie eine geisterhafte Stimmung erzeugen. Gefällt mir gut. Den dritten Satz nehmen die Drei sehr langsam, ohne dass er ihnen auseinander fällt, und auch daher sehr traurig.


    Was der Aufnahme fehlt, wird beim Hören der Aufnahme von Kagan, Gutman und Richter schnell deutlich:


    Es ist ein altbekanntes Klagelied, dass der spezifisch russische Orchesterklang, den die Komponisten im Ohr hatten, für den sie geschrieben haben, verloren geht. Nun, wie gut, dass es Aufnahmen gibt. In dieser von Kagan, Gutman und Richter ist besagter Orchesterklang als Kammermusikklang zu erleben. Der Beiheftautor betitelt sein Loblied auf Kagan: „Höchste Wahrhaftigkeit in Oleg Kagans glühender Musik“. Tatsächlich sind das die beiden Säulen, die diese Aufnahme auszeichnen: Wahrhaftigkeit und glühende Intensität. Auf den Punkt gebracht besteht der Unterschied zwischen den beiden oben abgebildeten Aufnahmen darin, dass das Beaux Arts Trio sich die Interpretation erdacht hat und dieses Erdachte sodann kunstvoll wiedergibt, während Kagan, Gutman und Richter das spielen, was sie selbst als Sowjetrussen erlebt haben (Stichwort: Wahrhaftigkeit). Sie müssen sich nichts erdenken, sondern können ihre Emotionen einfach herauslassen. Dieses Herauslassen – und da bin ich wieder beim russischen Orchesterklang - nimmt keine Rücksicht auf technische Akkuratesse, sondern geht zum Zwecke des Ausdrucks darüber hinaus. Das technisch richtige Spiel wird dem Ausdruck immer untergeordnet. Ob Kagan oder Gutmann, die Instrumente von beiden klingen auf den Siedepunkten der Musik bisweilen sogar blechern, so weit gehen diese Musiker (Stichwort: glühende Intensität). Und ganz am Ende des Stückes, am Schluss des vierten Satzes klingt kein Ton mehr heil, alles ist kaputt, aus, zu Ende – der Mensch vorm Massengrab.


    Anmerkung 1: Keiner sollte denken, Kagan und Gutman (übrigens ein Ehepaar) könnten es technisch nicht besser. Diese Annahme wäre falsch.


    Anmerkung 2: Lieber Micha, selbstverständlich ist M. Argerich eine Weltklassepianistin. Diesen Rang hat sie sich über viele Jahrzehnte verdientermaßen errungen. Meine oben wiedergegebene Meinung zu dieser einen Aufnahme stellt diesen Rang für mich nicht annährend in Frage.


    Anmerkung 3: Auf eine abschließende Zusammenfassung womöglich sogar mit Benotung von 1 bis 10 verzichte ich. Es sollte deutlich geworden sein, dass ich die Kagan, Gutman, Richter-Aufnahme am meisten schätze - ich habe sie mir aufgrund der Empfehlung von pt_concours gekauft. Vielen Dank dafür. Einen zweiten Platz mag ich schon nicht mehr vergeben. Leonskaja mit Mitgliedern des Borodin Quartetts, Berezovsky, Makhtin und Kniazev sowie das Beaux Arts Trio finde ich alle sehr hörenswert, sie geben mir unterschiedliche Dinge. Deutlich abgeschlagen und nicht anhörenswert sind für mich Auer, Bor und Rosen sowie Argerich, Kremer und Maisky. Die Aufnahme mit Schostakowitsch, Oistrach und Sadlo steht als etwas Besonderes, als historisches Dokument außerhalb der Wertung.


    Viel Vergnügen euch anderen noch mit diesem Werk wünscht
    Thomas

    Was halte ich von der AKM-Aufnahme, fragt maticus. Grund genug, sie mir als nächste vorzunehmen. Gerade eben habe ich sie mal wieder gehört (so lange besitze ich sie noch nicht, ich habe sie vor einigen Wochen erst auf Empfehlung von flotan gekauft):



    Die ersten Takte genügen, um zu wissen, dass das nicht meine Interpretation ist.


    Zur Besonderheit dieser ersten Takte zitiere ich aus dem Booklet-Text aus der Makhtin/Berezovsky/Kniazev-Aufnahme von Jeremy Siepmann: „Der Anfang biete einige der eindringlichsten und inspiriertesten Klangfarben-Verwendungen in der Geschichte der Kammermusik: der ganze einleitende „Gesang“ wird vom Cello in hohen Flageolettönen mit aufgesetztem Dämpfer und anfangs solo gespielt; dann schließt sich in einer Art Fugato die Geige in ihrer tiefsten Lage an – fast zwei Oktaven tiefer als das Cello, also eine vollständige Umkehrung der Regel – und später noch das Klavier, das selbst mehr als anderthalb Oktaven tiefer als der tiefste Ton der Geige spielt.“


    Oben ist ja bereits dargestellt worden, worum es in dem Trio geht. Reclams Kammermusikführer fasst zusammen: „In den 4 Sätzen kommen die Trauer um den Freund und der Schmerz über das Elend und die Not der Kriegszeit zum Ausdruck."


    Wenn ich vor diesem Hintergrund diesen wie dargestellt verfremdeten Anfang, in dem nichts mehr wie üblich ist und der wohl eine gewisse Sprachlosigkeit angesichts des toten Freundes zum Ausdruck bringt, ein nach Worten suchen (man vergleiche die Anfänge des ersten und zweiten Satzes miteinander), spiele, liegt es nahe, eine interpretatorische Antwort zu geben. Typischerweise und für mich überzeugend und richtig wird die Antwort in einem fahlen Spiel gefunden bzw. gegeben – mustergültig in diesem Sinne die Aufnahme des Borodin Quartetts mit Leonskaja. Von einer solchen Fahlheit fehlt bei AKM jede Spur. Im Gegenteil gewinne ich schon in diesen ersten Takten den Eindruck, dass Maisky – und sich ihm bei ihren Einsätzen anschließend Kremer und Argerich – versucht, so schön wie möglich zu spielen. Wenn die Musik nach gut vier Monaten anzieht, höre ich in der oben vorgestellten Aufnahme mit Schostakowitsch am Klavier aus dem Jahre 1946 eine so intensive Beschleunigung, ja Steigerung des Spiels, dass der Musik eine äußerste Dringlichkeit verliehen wird. Bei AKM höre ich nichts davon. Im Gegenteil habe ich sogar zeitweise den Eindruck, die drei spielten ein heiteres Scherzo. Wenn man es nicht besser wüsste, müsste man meinen, die Drei wissen nicht, worum es in dem Stück geht.


    Nach diesem ersten Satz ist es keine Überraschung, dass der zweite Satz ebenfalls fröhlich gespielt wird. Gehetztheit gibt es bei AKM nicht. Vielmehr kann man sich beim Hören dieses Satzes tatsächlich die Beschreibung vom lebenslustigen Sollertinski vorstellen. Auch im dritten Satz zeigt vor allem Maisky, das er in erster, in zweiter und auch noch in dritter Linie daran interessiert ist, schöne Töne zu produzieren.


    Der vierte Satz bei AKM, ich traue mich kaum, es zu schreiben: ein heiterer Tanz. Erzwungenheit des Tanzes? Antisemitismus? Unterschwelligem Leid? Gibt es nicht. Stattdessen, oben wurde es bereits zweimal angesprochen, machen die drei bisweilen sogar einen Tango aus der Musik (allerdings für mein Empfinden nicht so deutlich, wie ich es nach dem Lesen der obigen diesbezüglichen Kritik erwartet hatte). Dafür wird dann auch bereitwillig das jüdische Element der Musik – das für das Werk von zentraler Bedeutung ist! – zurückgefahren. Das Ende des Satzes sieht dann auch so aus, dass Argerich schöne, warme Akkorde spielt und die Streiche schließlich so schön zupfen, wie es nur geht..


    In Reclams Kammermusikführer heißt es zum vierten Satz: „… ein Trauermarsch, dessen Thema von Schostakowitsch in schmerzerfüllte Schreckensschreie gesteigert wird.“ Der Hintergrund für die Verwendung jüdischer Musik ist oben bereits dargestellt worden: Der Antisemitismus in Nazi-Deutschland und in der Sowjetunion sowie die konkreten Nachrichten über die Gräuel in den Konzentrationslagern, insbesondere das erzwungene Tanzen.


    Nun mag man dass alles hinnehmen und darauf hinweisen, AKM hätten doch nur einen anderen Ansatz gewählt, es gehe ihnen darum, die schönen Aspekte des Stückes aufzuzeigen. Dafür habe ich allerdings nicht das geringste Verständnis. Er ist mir geradezu zuwider. Die Vorgehensweise, den vierten Satz von seinem Schrecken zu entkleiden und auf schön zu spielen, empfinde ich als moralische Brandstiftung. Für mein Empfinden ist es so, als würde man eine gerade vergewaltige Frau in ihrem Elend sehen und dazu nur bemerken, dass sie ein hübsches Kleid trage.


    Gerade der vierte Satz ist überdies geprägt von starker Manieriertheit, die in willkürlichen Temporückungen und sogar Rhythmusverschiebungen zum Ausdruck kommt (was übrigens in Argerich/Maiskys Aufnahme der Cellsonate ähnlich ist). AKM scheint es mehr darum zu gehen, sich selbst darzustellen als sich mit dem Inhalt des Stückes auseinanderzusetzen. Dazu passen zwei Auffälligkeiten: Zum einen beginnt das Stück mit Applaus. Diesem Applaus ist ein eigener 25 Sekunden langer Track gewidmet. Wunderbar, ihr seid toll, möchte ich den Dreien ironisch zurufen. Zum zweiten ist es bezeichnen, was Inhalt des Booklets ist. Zum Trio selbst finden sich nur wenige Zeilen. Sehr ausführlich geht das Booklet dafür auf die Erlebnisse der Musiker auf Tour ein. Diesen wertvollen Beitrag möchte ich nicht vorenthalten:


    “14 Uhr 30: Martha Argerich wandelt in ihrem rotkarierten Pyjama durch ihre Hotel-Suite im 23. Stock, an ihrem dritten Espresso noppend und mit gelegentlichen Stops am Fenster, das einen eindrucksvollen Blick auf Tokio bietet. „Ist es sehr heiß heute?“, fragt sie ihre Tochter. „Was soll ich heute anziehen?“ Sie wartet die Antwort nicht ab; eine andere Frage kommt ihr in den Sinn. „Was soll ich essen? Etwas Richtiges oder nur eine Kleinigkeit?“ Sie weiß, dass sie eine solide Grundlage braucht, damit ihr Magen während des Konzerts durchhält. Immerhin wird sie vor zehn oder elf Uhr abends nichts essen können. Essen, erläutert sie, hat immer schon eine Hauptrolle in der Argerich-Familie gespielt. Also sollte sie das Zimmer tunlichst nicht verlassen, ohne ihren Gaumen befriedigt zu haben, wenn sie „gut drauf“ sein soll Ihr Mittagessen wird entweder aus Rinder-Pilaw oder gegrilltem Lachs bestehen, den beiden einzigen Gerichten auf der Speisekarte, die sie reizen. Sie bittet eine ihrer Töchter, das Pilaw zu bestellen.“ Und so weiter, und so weiter, uns so weiter. Dieser erste Absatz nimmt schon mehr Raum ein, als man für die Erläuterung des Trios vorgesehen hat.


    Da es sich um eine Live-Aufnahme handelt, möchte ich Intonationsmängel, die sowohl Maisky als auch Kremer unterlaufen, nicht herausstellen. Negativer schlägt da schon zu Buche, dass Argerich ihren Klavierton, ihre Farbe in allen vier Sätzen nicht verändert. Sie spielt die allermeiste Zeit mit einem einheitlich warm-weichen Klang, der so überhaupt nicht zu dieser Musik Schostakowitschs Trio passt (und eben auch ganz anders klingt, als Schostakowitschs Klavierspiel selbst). Aus einem Guss, wie es so vorbildlich in der Borodin/Leonskaja-Aufnahme zu erleben ist, klingen AKM zudem ebenfalls nicht. Von blindem Verständnis kann hier nicht die Rede sein.


    So, lieber maticus, jetzt habe ich viel mehr geschrieben, als ich eigentlich wollte. Das kommt davon, wenn man sich ärgert.


    Viele Grüße
    Thomas

    Lieber maticus,


    ich besitze folgende Aufnahmen:


    Schostakowitsch, Oistrach, Sadlo, 1946
    Richter, Kagan, Gutman, 1984
    Auer, Bor, Rosen, 1990
    Leonskaja, Borodin Quartet, 1995
    Argerich, Kremer, Maisky, 1998
    Berezovsky, Makhtin, Kniazev, 2004
    Beaux Arts Trio (Hope, Meneses, Pressler), 2005


    Über die von mir bislang nicht genannten werde ich in den nächsten Tagen berichten, auch über AKM (die, das sei schon verraten, mich enttäuscht hat).


    "Ältere" Aufnahme war ein Schreibfehler. Ich hab´s korrigiert. Es handelt sich um ein und dieselbe Aufnahme, die in verschiedenen Ausgaben erschienen ist.


    Viele Grüße
    Thomas

    Lieber maticus,


    ob es diese Diskrepanz gibt, interessiert mich ebenfalls. Ich weiß es nicht. Vielleicht kann ein anderer diese Frage beantworten.


    Mit "bekanntlich" meinte ich, dass in Deutschland der vierte Satz nach meinem Wissen tatsächlich nicht in erster Linie mit Bezug auf den erzwungenen Tanz der Inhaftierten - ich muss gestehen, von solchen erzwungenen Tänzen außerhalb des Umfelds des Klaviertrios nie gehört zu haben - verstanden wird, sondern eher im Kontext des Antisemitismus gesehen wird, etwa in dem Sinne von Michael Schlechtriem.


    Mir ist aber nicht bekannt, wie es im Ausland ist. Meinungsführer in solchen Dingen sind ja gemeinhin die musikalischen Standardwerke. In Deutschland wäre das die Biographie von Meyer. Ich kann mir vorstellen, dass, wenn in einem vergleichbaren englischen Standardwerk die Tanz-Interpretation vertreten wird, sich diese durchsetzen wird. Ist aber bloße Spekulation.


    Der Booklet-Autor jedenfalls meint, die dargestellte Diskrepanz feststellen zu können. Das fand ich hier erwähnenswert.


    :hello: Thomas

    Heute habe ich noch diese Aufnahme aus dem Jahre 1995 gehört (ich besitze die rechts gezeigte ältere Ausgabe):



    Sie gehört für mich zu den sehr guten Aufnahmen, aber nicht zu den besten. Ein ganz dicker Pluspunkt ist, dass die Musiker unverkennbar Schostakowitschs Sprache sprechen. Kein Wunder, das Borodin Quartett, dem die beiden Streicher zugehörig sind, war seit Jahrzehnten mit Schostakowitschs Kammermusik intensiv befasst. Meine Kritikpunkte, es handelt sich größtenteils um Geschmacksfragen: Im ersten Satz mag ich es lieber, wenn das Klavier härter, perkussiver spielt. Der zweite Satz ist mir schlicht zu langsam. Überdies ist mir nicht recht klar geworden, was die Musiker mit diesem Satz ausdrücken wollen, interpretatorisch indifferent, könnte man sagen. Im dritten Satz fehlte mir Wärme. Die Fahlheit, die den ersten Satz noch so auszeichnete - obgleich das Flageolett-Spiel auch recht eierig daher kam - empfand ich hier als fehl am Platz. Für mich hat der dritte Satz mehr Wärme verdient, aber hierbei handelt es sich um Geschmacksfragen. Die ersten Minuten des vierten Satzes finde ich herausragend. Sehr klezmeristisch, mit großer farblicher Bandbreite wird hier gespielt. Je länger der Satz dauerte, desto mehr hatte ich allerdings das Gefühl, das hinter dem Tanz stehende Grauen könnte deutlicher aufgezeigt werden, zudem ging für meinen Geschmack mit der Zeit ein wenig die Linie verloren. Das war jetzt aber bereits mehr Kritik, als die Aufnahme verdient hat.


    Viele Grüße
    Thomas


    Die in der oben abgebildeten Box enthaltene Aufnahme des Trios von Auer, Bor, Rosen aus dem Jahre 1990 lohnt den Kauf der Box nicht. Am wenigsten gefällt mir noch der Pianist, der nicht den Eindruck vermittelt, sich mit dem Stück länger beschäftigt zu haben.


    Für erwähnenswert halte ich jedoch die folgende Feststellung im kurzen) Booklet-Text:


    "The danse macabre in this work (last movement) was said to habe been inspired by the Nazis, forcing their victims to dance by their own graves before they were executed. It is remarkable that this fact is still not acknowledged in Germany, where this finale is said to be penetrated by ´folkloristic dance elements´."


    Woher die Annahme stammt, man höre im letzten Satz folkloristische Tanzelemente, weiß ich nicht, verbreitet ist wohl eher die Beschreibung jüdische Musik. Wenn es aber stimmt, dass im Ausland überwiegend im letzten Satz tatsächlich der erzwungene Tanz der inhaftierten Juden gehört wird, was hier in Deutschland bekanntlich nicht der Fall ist, frage ich mich, woher diese Diskrepanz kommt.


    Viele Grüße
    Thomas

    Heute habe ich erst diese oben bereits gelobte Aufnahme gehört, die mir ebenfalls sehr gut gefällt:



    Und anschließend die Aufnahme mit Schostakowitsch selbst am Klavier und Oistrach und Sadlo aus 1946:



    (Ich selbst habe eine andere CD, die aber bei amazon.de nicht mehr erhältlich ist, wohl aber bei amazon.com; dort Asin: B00170U4ZI)


    Die Klangqualität ist schlecht. Hörenswert ist die Aufnahme aber sehr. Besonders interessant ist das Tempo. Wieder einmal ist Schostakowitsch schneller als die meisten anderen, die seine Werke spielen (eine allgemeine Komponistenkrankheit oder Fingerzeit auf die Art, wie Schostakowitschs Werke zu interpretieren sind?). Den zweiten Satz nehmen Schostakowitsch und seine Parten in 2:36. Das ist fast Rekord! (man vergleiche die Zeiten bei "http://www.envi.osakafu-u.ac.jp/develp/staff/kudo/dsch/work/trio2e.html") Es gibt ja die oben bereits erwähnte Aussage, nach der es sich in diesem Satz um ein Porträt Sollertinskijs handele. Wenn man Schostakowitschs Aufnahme hört, kann man daran nicht mehr glauben (tut wohl sowieso keiner, glaube ich). Viel überdrehter als gewohnt hört sich da bei ihm an. So etwas wie Sympathie, was man, wenn es sich denn tatsächlich um ein Poträt seines Freundes handeln sollte, wohl erwarten dürfte, ist nicht annähernd zu vernehmen. Übrigens sind auch im ersten Satz manche Temposteigerungen deutlich zugespitzter als üblich. Wie gesagt, sehr hörenswert.


    :hello: Thomas

    Unglaublich! Nein, ich habe tatsächlich nach einem Streichquartett gesucht, weil es sich dabei um die Krone der Kammermusik handelt. Da habe ich wohl was übersehen.


    Böse sein? Ach, iwo! Darüber werde ich wohl den ganzen Abend noch lachen.


    Viele Grüße
    Thomas

    Lieber Micha,


    für Belehrungen bin ich immer dankbar, gerade weil mir als Nichtmusiker manche Kenntnisse schlicht fehlen. Aber der Reihe nach:


    Flotan sprach das Lautstärke-Problem bei Isserlis an. Für mich, der ich Isserlis im Allgemeinen und jetzt auch mit der Rachmaninow-Sonate im Besonderen sehr gern höre, hat sich die unausgesprochene Frage gestellt, ob man Isserlis die fehlende Lautstärke in einem Konzert zum Vorwurf machen darf, wenn es um die Beurteilung von Tonaufnahmen geht. Tonaufnahmen folgen einer ganz anderen Ästhetik als Konzertaufführungen. Dinge, die vor dem Mikro – das man aufdrehen kann – funktionieren, funktionieren live nicht und umgekehrt. Wenn Isserlis nun aber unbestritten ganz hervorragende Aufnahmen produziert (nicht nur Kammermusik, sein Schumannkonzert ist grandios!), warum kann man ihn dafür nicht einfach loben, sondern muss fast schon reflexartig immer wieder erwähnen, dass er es live aber nicht bringt. Zugespitzt könnte man nach dieser Logik auch irgendeinem aktuellen Filmstar vorwerfen, dass er zwar super Kinofilme macht, aber auf der Theaterbühne nicht zu bestehen weiß.


    Da ich die Erwähnung des Lautstärkeproblems vor diesem Hintergrund als mich persönlich störend empfand, antwortete ich Flotan, dass das Lautstärkeproblem dann keins mehr ist, wenn der Raum klein genug ist, zumal wir hier von Kammermusik reden und nicht von Konzerten, in denen sich Isserlis gegen ein Orchester behaupten muss. Zugespitzt habe ich das dahingehend, dass mir ein solch Spitzencellist wie Isserlis in einem kleinen Raum lieber ist als irgend ein bei weitem nicht so guter Cellist, der aber die Lautstärke bringt, in einem großen. Das habe ich pointiert mit dem Begriff Stahlsaitensägemeister zum Ausdruck bringen wollen.


    Keineswegs wollte ich alle Stahlsaitenspieler abqualifizieren. Mir liegt es absolut fern, behaupten zu wollen, Darmsaiten klingen gut, Stahlsaiten nicht. Eher denke ich das Gegenteil, weil ich bei Darmsaiten gerade aus den Anfängen der historischen Aufführungspraxis noch so manches Gekratze im Ohr habe und dann bei Darmsaiten auch zuweilen erlebt habe, dass der Klang beim Forcieren eben gerade nicht mehr so schön ist.


    Letzteres bringt mich zum Punkt Lautstärke. Da überraschen mich deine Ausführungen tatsächlich. So dachte ich bisher, dass man mit Stahlsaiten lauter spielen kann als mit Darmsaiten. Dass die Art der Saiten auf die Lautstärke keinen Einfluss hat, erstaunt mich. Ich bin gern bereit, dir zu glauben, habe aber noch eine Nachfrage: Du schreibst ja selbst: „Die allergrößten Säger, welche ich kenne, spielen in vielen Fällen Darmsaiten, denn da muß man u.U. sägen, was das Zeug hält und bis die Saiten platzen.“ Damit bringst du doch aber gerade das zum Ausdruck, was ich am Ende des vorigen Absatzes geschrieben habe. Wenn man mit Darmsaiten forcieren muss - und das muss man doch in aller Regel, wenn Lautstärke gefordert ist -, gibt´s Gesäge. Bedeutet das aber nicht gerade das, was zu zuvor bestritten hast, dass Darmsaiten für das Fortespiel doch nicht so gut geeignet sind wie Stahlsaiten?


    Jetzt noch zu Horowitz als Kammermusiker (das hat zwar nichts mehr mit dem Thema zu tun, aber sei es drum): Ich habe mich gerade mal auf einer Horowitz-Homepage getummelt (Discographie und Aufführungsdaten). Das hat bestätigt, dass Horowitz Kammermusik nur äußerst selten gespielt hat. Er hat niemals in seiner langen Karriere ein Streichquartett aufgeführt (nicht aufgenommen), nur sehr wenige Trios gespielt und kaum Cellosonaten (1927 eine von Brahms, eine von Beethoven). Das von dir genannte Klaviertrio hat er komplett weder aufgeführt noch aufgenommen. Eben in dem von Flotan angesprochenen Carnegie Hall-Konzert hat er nur den ersten Satz gespielt. Deine Aussage, Horowitz sei ein ganz formidabler Kammermusikpianist gewesen, ist in dieser Allgemeinheit daher wohl nur eingeschränkt richtig.


    Viele Grüße
    Thomas

    Wenn Holger demnächst einen Thread zu Weinberg eröffnet, ist es an der Zeit, rechtzeitig vorher Weinbergs Cellosonate kennen zu lernen, dachte ich mir. Also bestellte ich heute diese sehr gut besprochene CD (und Schostakowitsch ist auch drauf):



    :hello: Thomas

    Lieber Flotan,


    danke für den link auf das Video. Isserlis kommt da sehr sympathisch rüber, finde ich.


    Ob Isserlis das auch im Konzert bringen kann, weiß ich nicht. Ich habe ihn leider noch nie live gehört. Und ich möchte wetten, dass viele, die über Isserlis´ kleinen Ton Witze machen, das ebenfalls noch nicht getan haben. Dass etwas dran ist an diesem altbekannten Thema, möchte ich gar nicht bestreiten. Trotzdem würde ich tausend Mal lieber Isserlis in einem kleinen Saal hören, als irgendso einen Stahlsaitensägemeister in einem großen.


    Nein, die Aufnahme von Rostropowitsch mit Horowitz kenne ich nicht. Von ihr hatte ich noch nie gehört. Aber tatsächlich, am 18.05.1976 in der Carnegie Hall wurde es Ereignis. Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass da etwas ordentliches herausgekommen ist. Die beiden Interpreten scheinen mir nicht wirklich zueinander zu passen, was wohl an Horowitz liegen dürfte, den ich mit Kammermusik so gar nicht verbinde. Und dann noch nur der dritte Satz, schon sonderbar.


    :hello: Thomas

    Heute habe ich die Isserlis/Hough-Aufnahme (aus 2002) erhalten und gleich angehört:



    Sie ist superb! Ich meine, eine lange Vertrautheit Isserlis´ mit der Sonate herauszuhören. Sagenhaft, wie viel Isserlis aus Einzelheiten herausholt, wie er mit dem Ton seines Cellos zu gestalten weiß.


    Den Booklet-Text hat Isserlis selbst geschrieben. Dort setzt er die Sonate in Bezug zu Rachmaninows kurz vor der Komposition bewältigter Krise. Isserlis meint, es sei sicher keine Einbildung, wenn man Anklänge an Rachmaninows Kampf um die Wiederherstellung seiner geistigen und kreativen Gesundheit vernehme: "im ersten Satz mit seinem Konflikt zwischen Halb- und Ganztönen, in der dunklen Nacht des Scherzos und dann in der auflodernden Freude des Finales".


    Selten kann sich ein Cellist bei seinem Spiel auf Angaben seines Großvaters berufen. Isserlis kann es: Isserlis Großvater war ein in Rußland bekannter Pianist und hat die Sonate damals mit dem Widmungsträger der Sonate, Anatoli Brandukow, gespielt. Dieser habe Isserlis´ Großvater zu einer bestimmten Notenstelle (in der Koda des letzten Satzes) gesagt, Rachmaninow habe nach dem Druck entschieden, dass die als pianissimo notierte Stelle fortissimo zu spielen sei. Und weil das zudem musikalischen Sinn mache, so Isserlis weiter, spiele er diese Stelle eben fortissimo.


    Viele Grüße
    Thomas