Beiträge von ThomasNorderstedt

    Okay, ich habe verstanden. Ihr Einstimmenabgeber kennt die Regeln. Auf eine Stimme beschränkt ihr euch aus rein taktischen Gründen, wohlfeiles Kalkül ist euer Motiv.


    Mir stellt sich da die Frage: Brauchen wir einen Extra-Thread: Taktiken bei der Stimmenabgabe?


    (Und weil es mehrfach angesprochen wurde: Die Rüge fand wirklich in netter Form statt und war überhaupt kein Problem, zumal mir mimosenhaftes Verhalten völlig fremd ist)


    :yes:
    Thomas

    Ach, da bin ich gar nicht so. :beatnik:


    Bei Schosti 14 habe ich es allerdings wohl wirklich geschafft, jetzt wirklich alle aus dem Thread zu schreiben. Ich sollte wohl meine Art mich auszudrücken hinterfragen. :D


    Wirklich gewundert hat mich allerdings, dass so mancher, der sich sonst gern zu Schostakowitsch-Werken äußert, sich überhaupt nicht hat blicken lassen. Tja, seltsam finde ich auch, dass derjenige, der das Werk vorgeschlagen (und mich gebeten hat, den Eröffnungsbeitrag zu schreiben), sich nicht mit einem Satz beteiligt hat.


    Vielleicht schreibe ich demnächst mehr über solche Sachen wie Streichquartette von Schnittke. Da habe ich zumindest nicht einmal mehr die Hoffnung, dass jemand antwortet. :baeh01:


    Aber jetzt - endlich! - zur Sache:


    So klar scheinen dir Regeln doch nicht zu sein. Von den bisher sechs Teilnehmern haben drei jeweils nur ein Werk vorgeschlagen.


    Daher nochmals: Ihr dürft so viele Werke vorschlagen, wie ihr wollt!


    Viele Grüße von einem gut gelaunten


    Thomas

    Liebe Paminas und Taminos!


    Jetzt komme ich endlich dazu, die Vorschläge für die nächste Runde bekannt zu geben. Entschuldigt bitte die Verspätung (ich wurde bereits auf nette Art gerügt). 27 Werke stehen in dieser Runde zur Wahl:


    Bartok: Klavierkonzert Nr. 2
    Bartok: Sonate für Violine und Klavier Nr. 1 (1921)
    Berg: 3 Orchesterstücke op. 6
    Berlioz: Les nuits d'été, op. 7
    Brahms: Klarinettensonaten op. 120
    Grieg: Suite "Aus Holbergs Zeit", op. 40
    Hartmann: Sinfonie Nr. 6
    Haydn: Streichquartett op.76,4 "Sonnenaufgang"
    Hindemith: Konzert für Orchester op. 38 (1925)
    Ives: Unanswered Question
    Martinu: Doppelkonzert für Klavier, Pauken & Orchester
    Mendelssohn Bartholdy: Ein Sommernachtstraum op. 61 (komplette Bühnenmusik)
    Poulenc: Concert champetre für Cembalo und Orchester
    Poulenc: Konzert für Orgel, Streicher & Pauken
    Prokofjew: Alexander Newsky
    Prokofjew: Symphonie Nr.2 in d-Moll, Op.40
    Reger: Klavierkonzert op.114
    Rossini: Stabat Mater
    Saint-Saens: 3. Violinkonzert
    Schönberg: Pierrot Lunaire
    Schostakowitsch: Bratschensonate
    Schostakowitsch: Violinsonate
    Schumann: Kreisleriana
    Simpson: Sinfonie Nr. 9
    Tschaikowsky: Klaviertrio a-moll, op. 50
    Varese: Amériques
    Vaughan Williams: The Lark Ascending


    Wie es geht, dürfte so langsam bekannt sein: Kopiert bitte die Werke, für die ihr stimmt und schickt mir eine PN mit entsprechendem Inhalt. Ich zähle dann ...


    Weggefallen sind zwei Werke, zu einem wurde zwischenzeitlich ein Thread eröffnet - Heldenleben -, das andere wurde vom Vorschlagenden zurückgezogen.


    Jetzt aber viel Spaß beim Aussuchen.


    :hello: Thomas

    Am 9. Satz scheiden sich offenbar die Geister. K. Meyer meint, er sei „musikalisch gesehen wohl weniger bedeutend“ (S. 491). Wernli hingegen zählt ihn zu den schönsten der ganzen Sinfonie (S. 98).


    Tatsächlich sind alle anderen Sätze der 14. Sinfonie musikalisch deutlich ambitionierter, wirkt der 9. Satz im Vergleich zu ihnen geradezu rückschrittlich. K. Meyer bezeichnet ihn denn auch als traditionelle Romanze und weist darauf hin, dass nur der 9. Satz in einer eindeutigen Tonart gehalten sei (Des-Dur).


    Jedoch möchte ich auch Wernli Recht geben. Höre ich den 9. Satz für sich - wie jetzt bei dem Verfassen dieses Beitrags -, büßt er sehr an Wirkung ein. Im Zusammenhang mit den vorherigen Sätzen allerdings, nach ihren musikalischen und textlichen Ausnahmezuständen empfinde ich ihn als äußerst stark. Dann macht sein anklagend-trauriger Tonfall auf mich starken Eindruck. Insbesondere das zu Beginn des Textes wiederholte „O Delwig“ empfinde ich dann als sehr eindrucksvoll.


    Schostakowitsch hat von Küchelbeker viel gehalten. Sowohl in der Prawda als auch in einem Brief an Glikman hat er sich sehr lobend geäußert. Lese ich das Gedicht – es heißt eigentlich „Dichter“ und ist sehr lang, Schostakowitsch hat nur einen kleinen Teil vertont -, kann ich das nicht nachvollziehen. Ich halte das Gedicht für schwach. Wenn ich lese, dass die Geißel der Gerechten die Schurken in ihre Schranken weisen soll, dann kann ich nicht umhin, einen derart deutlichen Qualitätsunterschied im Vergleich zu den anderen Gedichten z. B. Apollinaires festzustellen, dass ich mich wundere, wie Schostakowitsch dieses Gedicht gut finden konnte, auch wenn ich berücksichtige, dass Küchelbekers Gedicht bereits 1820 entstand, während die anderen vertonten Gedichte zwischen 1901 und 1921 geschrieben wurden, also deutlich moderner sind.


    Das Gedicht ist in Ich-Form geschrieben. Küchelbeker klagt in ihm seinem verstorbenen Freund Delwig – er war am Aufstand der Dekabristen beteiligt, in Kerkerhaft geraten (so Hollands in: Csampais Konzertführer, S. 1054) sein Los als Dichter.


    In dem Gedicht gibt es eine positive Wendung. Anfangs fragt der Dichter noch danach, wo der Trost bleibe für die Begabung zwischen Verbrecherpack und Wichten. Am Ende hingegen ist von der Unsterblichkeit als Preis für das Dichten, von der Unvergänglichkeit des Geistes, von freien, freudig-stolzen Wesen, dem Bündnis, das die Menschen eine, die Rede.


    Schostakowitsch macht diese Wendung zum Guten nicht mit. Hätte er analog zum Text komponiert, müsste der klagende Tonfall des Beginns weichen und der Satz sieghaft, hymnisch enden. Das tut er aber nicht. Zwar klingt in der letzten Strophe ein Hymnus an, dieser fällt aber sogleich wieder zusammen und der Satz endet, wie er begonnen hat. Hat also Schostakowitsch den Worten doch nicht geglaubt? War das Bündnis, das die Menschen eint, für ihn doch zu illusionär, um es musikalisch umzusetzen?


    Eine weitere Frage mag man sich stellen: Wernli weist darauf hin, dass bereits im 4. Satz Des-Dur verwendet wurde, dort wo von dem Fehlen des Kreuzes auf dem Grab die Rede ist. Handelt es sich nur um einen Zufall? Oder ist das ein versteckter Hinweis Schostakowitschs darauf, dass auch der Tyrann, dass auch Stalin also ohne Kreuz, in Sünde gestorben ist?


    Zuletzt ist zu fragen, warum Schostakowitsch hier im Gegensatz zu allen anderen Sätzen veraltete Mittel verwendet. Ganz oben habe ich zur Widmung darauf hingewiesen, dass in der britischen Musikwissenschaft im 9. Satz eine Reminiszenz an Britten gesehen wird. Nun, mag sein. Aber war Britten denn derart rückständig? Wahrscheinlich ist nur die Frage falsch gestellt. Für Schostakowitsch war Musik kein Selbstzweck. Gerade die 9. Sinfonie enthält eine Fülle von Beispielen dafür, dass Schostakowitsch auch moderne Techniken wie Zwölftönigkeit und Cluster einsetzte, wenn es ihm half seine Ideen kompositorisch umzusetzen. Im 9. Satz allerdings geht es darum, den Zuhörer emotional zu erreichen. Das aber geht nach wie vor am besten mit den altbewährten Mitteln. Gerade weil der 9. Satz traditionell romanzenhaft gewoben ist, erzeilt er seine starke Wirkung, kann er die ihm zufallende Rolle der Katharsis – so K. Meyer – derart machtvoll ausfüllen.


    Besetzung: Bass; Bratschen, Celli, Kontrabässe


    :hello: Thomas


    Hallo Radagast,


    das Problem mit diesen Jubelnden ist, dass ich nicht weiß, wie viele von denen dein Optimum sind.


    Wenn es


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    sind, ist


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    nicht so toll.


    Wenn es aber


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    sind, ist


    :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel: :jubel:


    natürlich spitze.


    :D


    So, nach dieser kleinen Spitze gegen die Smileywut möchte ich dich bitten, ein klein wenig mehr darüber zu sagen, warum dir die CD so gut gefällt. Das eine oder andere Mal stand ich nämlich auch schon kurz davor, sie zu kaufen. Du kannst den Ausschlag geben.


    :hello: Thomas

    Gerade habe ich das erste Mal diese neue CD gehört, Brahms´ Requiem mit Norrington:



    Zwiespältig, lautet mein erster Eindruck. Einerseits sehr schön durchhörbar, andererseits wenig Schub und schwächelnde Pauken. Einerseits sehr schöner Chorgesang, andererseits mag ich die Stimme von Dawson nicht gern hören.


    Nun ja, ich warte mal den zweiten Eindruck ab (der aber wohl etwas auf sich warten lassen wird).

    Zu diesem Satz hat sich Schostakowitsch laut den Memoiren nach Wolkow ebenfalls geäußert(S. 282):


    „Gegen den Tod zu protestieren ist dumm. Es ist schlimm, dass in früheren Zeiten die Menschen an Seuchen und Hungersnot starben. Noch schlimmer ist es, wenn Menschen einander umbringen. Darüber habe ich nachgedacht, als ich Mussorgskis „Tänze und Lieder vom Tod“ orchestrierte. Dieselben Gedanken fanden ihren Niederschlag in der Vierzehnten. In ihr protestiere ich nicht gegen den Tod, sondern gegen die Henker, die an Menschen die Todesstrafe vollziehen. Darum vertonte ich in der Vierzehnten Apollinaires Gedicht „Die Antwort der Saporoger an den türkischen Sultan“. Die Zuhörer denken dabei an Repins berühmtes Bild und schmunzeln vergnügt. Meine Musik ist aber Repins Bild sehr unähnlich. Besäße ich Apollinaires Talent, hätte ich mich mit solchen Versen an Stalin gewandt. Ich tat es mit meiner Musik. Stalin gibt es nicht mehr. Aber Tyrannen gibt es noch überreichlich.“


    Auf die Idee, über diesen Satz der Sinfonie schmunzeln zu können, kommt man wohl nur, wenn man Repins Bild und seinen Hintergrund – den Brief der Kosaken – kennt. Eine gute Zusammenfassung nebst Wiedergabe des Briefes findet sich bei Wikipedia:
    "http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Saporoger_Kosaken_schreiben_dem_türkischen_Sultan_einen_Brief"


    Mir scheint diese Stelle der Memoiren allerdings fragwürdig. Sie will mir nicht recht zu dem üblichen Verhalten Schostakowitschs zu passen. Nach allem, was ich über ihn gelesen habe, hätte er sich niemals mit solchen Versen an Stalin gewandt. Dass Schostakowitsch jemals irgend jemanden, sei es ein Freund, sei es ein Feind, angeschrieen oder beleidigt hätte, habe ich nirgendwo gelesen.


    Andererseits hat Schostakowitsch aber eben doch dieses Gedicht vertont, es sich zur Vertonung ausgesucht. Wozu? Nun, es liegt äußerst nahe, das Gedicht auf Stalin zu beziehen. Das tut denn auch Wolkow, der in seinem Buch „Stalin und Schostakowitsch – Der Diktator und sein Künstler“ in Sachen Personalisierung der Satzaussage sogar noch einen Schritt weiter gehl als in den Memoiren (S. 414 f.):


    „Die direkte Auseinandersetzung mit Stalin findet sich im achten Satz … Hier setzte Schostakowitsch seinen Dialog mit dem toten Tyrannen fort, der ihm inzwischen zur fixen Idee geworden war. Mit einer an das „Stalin“-Scherzo der Zehnten Symphonie erinnernden Musik zeichnet er ein groteskes Porträt Stalins.“


    Das überzeugt mich nun gar nicht mehr. Für eine fixe Idee der Auseinandersetzung mit Stalin noch lange nach dessen Tod spricht meines Erachtens wenig. Im Gegenteil hat sich Schostakowitsch doch nach Stalins Tod immer weniger darum gekümmert, wie der Staat seine Werke aufnehmen wird und hat er sich mit Themen beschäftigt, die nicht oder jedenfalls nicht in erster Linie Bezug zu Stalin hatten, z. B. mit dem Antisemitismus in der 13. Sinfonie, in „Aus der jüdischen Volkspoesie“ oder eben mit dem Tod in der 14. Sinfonie.


    Für sehr viel überzeugender halte ich demgegenüber das Verständnis K. Meyers, der die Satzaussage als Protest gegen alle despotischen Machthaber versteht: Es sei kein Zufall, dass gerade dieser Satz auf den siebten folge. Unwichtig seien die französische Nationalität des Dichters und die türkische des Sultans. Es gehe ganz allgemein um die Opfer der Tyrannei auf der ganzen Welt (S. 491).


    Ein Einwand lässt sich allerdings gegen den letzten Satz des soeben in indirekter Rede wiedergegebenen Zitats formulieren: Geht es wirklich um die Opfer? Dagegen sprechen gute Gründe: Die Kosaken sind keine Opfer, sondern Sieger in der gerade erlebten Schlacht. Nach der traditionellen russischen Betrachtungsweise – siehe den Wikipedia-Link zum Bild – werden sie sogar als Helden wahrgenommen. Der Sultan ist ebenfalls kein Opfer. Zwar hat er die Schlacht verloren, gestorben aber ist nicht er, sondern sind seine Soldaten. Tatsächlich kommen Opfer in dem Satz überhaupt nicht vor. Gleichwohl werden die Opfer allerdings naturgemäß mitgedacht, denkt man an einen Tyrannen.


    Nicht zu verkennen ist überdies, dass der Ton des Satzes im Vergleich zu dem vorherigen und zum nachfolgenden Satz deutlich kriegerisch ist. Schostakowitsch aber war entschiedener Kriegsgegner. Verstehen kann man den Satz vor diesem Hintergrund daher auch dahingehend, dass Schostakowitsch den Kriegstreiber, den Aggressor im Tyrannen anklagt. Ja, die Kosaken haben die Schlacht gewonnen, Opfer zu beklagen haben aber auch sie.


    Die Idee hingegen, dass Schostakowitsch nicht nur den Sultan – stellvertretend für den Tyrannen im Allgemeinen – anklagt, sondern auch die Kosaken, weil er ihre – durch den Krieg verursachte? – Rohheit, ihre Primitivität zum Ausdruck bringt, ist wohl weniger überzeugend. Möglich aber ist sie. Die Kosaken wären dann nur vermeintliche Sieger, in Wahrheit sind sie Opfer, weil sie in der Schlacht ihre Menschlichkeit verloren haben,


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    Oben habe ich zu der kurzen Diskussion, ob Schostakowitsch im Vergleich zu seiner sonstigen kompositorischen Meisterschaft Schwächen in der Stimmen-Behandlung habe –Fairy hat sich in diesem Sinne geäußert -, nicht Stellung genommen. Hier nur kurz: Ich sehe solche Schwächen nicht. Härten, die manche empfinden mögen, dürften eher in der russischen Sprache begründet sein. Ob mir diese gefällt, ist aber eine Geschmacksfrage. Die meisten dürften den französischen Sprachklang z. B. dem russischen vorziehen. Bei mir ist es anders. Ich mag Französisch nicht gern hören, empfinde diese Sprache stets als etwas gekünstelt, zu viel Parfüm, möchte ich sagen. Russisch dagegen empfinde ich als urwüchsig, kräftig, schön. Überdies sollte man darauf achten, nicht Äpfel mit Birnen zu vergleichen. Die Behandlung der Singstimme im spätromantischen Lied ist selbstredend eine ganz andere als die in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts. Will man Schostakowitschs Sprachbehandlung vergleichen, suche man nach Zeitgenossen, die Ähnliches geschaffen haben.


    Warum ich dieses Thema erneut zur Sprache bringe, wird sich mancher fragen. Nun, weil ich im achten Satz gerade das Gegenteil von dem von Fairy Beschriebenem empfinde. Meines Erachtens liegt die Stärke des achten Satzes in dem gesungenen Text, in der Stimmbehandlung. Das Orchester hingegen, das im letzten Satz noch so eindrucksvoll die bedrückende Gefängnisstimmung zu zeichnen wusste, nehme ich hier als vergleichsweise schlicht und unoriginell wahr. Ja, es gibt den der sich steigernden Wut der Stimme entsprechenden Anstieg der Melodie in die Höhe mit anschließendem Cluster. Aber ansonsten finde ich wenig hörenswertes – wohlgemerkt rede ich nur vom orchestralen Geschehen.


    Es mag allerdings sein, dass Schostakowitsch diese Schlichtheit absichtlich gewählt hat, um so ein Pendant zur Schlichtheit der Kosaken zu bilden. Für wahrscheinlich halte ich das aber nicht.


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    Besetzung: Bass, Streicher


    :hello: Thomas

    Nun habe ich auch mal gezählt:


    In Führung liegt bei mir das Dvorak-Cellokonzert mit 14 Aufnahmen vor der Eroica mit 13 Aufnahmen. 13 mal besitze ich auch die Cellosuiten von Bach. 10 x besitze ich z. B. Mahlers 1. und Schostakowitschs 5. Sinfonie. Bei manchen Werken war ich erstaunt, dass ich davon mehr besitze, als ich dachte, z. B. Chopins Polonaise Nr. 6 oder Prokofjews Klaviersonate Nr. 7, beides besitze ich 5 bzw. 6 mal.


    :hello: Thomas

    Apollinaire schrieb das dem siebten Satz zu Grunde liegende Gedicht aufgrund eigener Erfahrungen. Im Jahre 1911 war er zu Unrecht beschuldigt worden, ein Hehler zu sein. Hintergrund war laut Wikipedia, dass ein Bekannter von Apollinaire eine im Louvre gestohlene Büste bei ihm abgestellt habe und Apollinaire, als er von deren Herkunft erfahren habe, versucht habe, die Rückgabe einzufädeln. Fünf Tage dauerte es bis zur Freilassung. Das Pariser Gefängnis, in dem Apollinaire inhaftiert war, heißt „La Santé“ (deutsch: „Die Gesundheit“).


    Vertont hat Schostakowitsch nicht das gesamte Gedicht, sondern nur einige Verse daraus. In einem Brief an Glikman schreibt er: „Bei Apollinaire gibt es da viele Verse, von denen ich nur einen oder zwei Vierzeiler ausgewählt habe. Ich erkläre Dir das, damit Du Dich nicht an der Unförmigkeit dieses Gedichts stößt.“


    Solschenizyn hat Schostakowitsch vorgeworfen, das Gedicht verwandt zu haben. Apollinaire sei nur wenige Tage eingesperrt gewesen, und sein Leiden lasse sich nicht mit dem der Millionen Menschen vergleichen, die in sowjetischen Gefängnissen und Lagern geschmachtet hätten (zitiert nach Wernli, S. 42, der wiederum nach Wilson zitiert).


    Sonderbar, diese Vorwurf, meine ich. Ein solcher Vergleich war von Schostakowitsch doch offensichtlich nicht beabsichtigt.


    Schostakowitsch selbst hat sich (in den Memoiren nach Wolkow, S: 283) wie folgt über das Gedicht geäußert:


    „Ich dachte über die Gefängniszellen nach, die entsetzlichen Löcher, in denen Menschen lebendig begraben wurden. Sie warteten ständig darauf, geholt zu werden, horchten auf jedes Geräusch. Furchtbar ist das. Man kann vor Angst verrückt werden. Viele, die die andauernde Spannung nicht aushielten, verloren den Verstand. Ich kenne solche Fälle.“


    Hurwitz spricht davon, dass der Gefangene fälschlich angeklagt sei. Bei anderen ist zu lesen, dass der Gefangene auf seine Exekution warte. Meines Erachtens kommt es auf beides nicht an. Schostakowitsch fragt nicht nach dem Grund für die Inhaftierung, er klagt niemanden an. Das verzweifelte Warten, das Alleinsein, das Verstreichen der Zeit, das sind die Themen des Satzes. Diese Themen betreffen einen zu Recht verurteilten Mörder genauso wie einen zu Unrecht inhaftierten politischen Gefangenen.


    Musikalisch sticht der instrumentale Mittelteil heraus, in dem Schostakowitsch unfassbar suggestiv das in den dunklen Raum Hineinhören des Gefangenen darstellt. Der merkwürdige Klang entsteht dadurch, dass Schostakowitsch die Streicher in zwei Gruppen teilt, die eine Gruppe spielt pizzicato, die andere col legno.


    Nähere Einzelheiten zum musikalischen Geschehen finden sich auf der oben verlinkten Seite von Tobias Hock.


    Besetzung: Baß; Streicher, Holzblock


    (Man stelle sich vor, man bekommt im Kompositionsunterricht die Aufgabe, einen dunklen Gefängnisraum zu schildern. Gut, sagt man, ich brauche Streicher und einen Holzblock...)


    :hello: Thomas


    Ja, müde darf man Feldman wohl nicht hören.


    Bei mir läuft gerade Hüpfmusik aus dieser Box:



    :hello:
    Thomas

    Zitat

    Original von maticus
    Lieber Thomas,


    nochmal von mir auch der Rat, nicht jedes Wort auf die Goldwaage zu legen (im Hinblick auf die Besprechung dieses Musikstückes). Sind Gedichte in der Muttersprache oft schon nicht eindeutig interpretierbar, kommt hier ja noch das Problem der Übersetzungen hinzu. Schostakowitsch hat sicherlich mit russischen Übersetzungen gearbeitet. Wir bekommen oftmals die Rückübersetzungen vom Russischen zu lesen.


    Näher interessiert hatten mich die Gedichte von Michelangelo, die Schostakowitsch in seinem Op. 145 vertont hat. Da hatte ich dann teilweise drei sehr unterschiedliche Übersetzungen von einem Gedicht vorliegen (u. a. auch von Morgener, der es vermutlich aus dem Russischen übersetzt hat (?)), und zudem war mein Eindruck, dass keine dieser Fassungen mit dem italienischen Original "identisch" war. Zu beachten ist noch, dass es sich oft um Nachdichtungen und nicht um eins-zu-eins Übersetzungen handelt, insbesondere, wenn auch noch Reim berücksichtigt wird.


    Lieber maticus,


    nein, ich möchte nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen. Dafür bedürfte es der näheren Analyse unter Nebeneinanderabdruck der unterschiedlichen Fassungen jeweils mit wörtlicher Übersetzung. Das können wir hier nicht leisten.


    Worum es mir geht, ist etwas anderes. Allgemein gesprochen halte ich es für das Hören (sowie die Interpretation und somit auch für die Beurteilung von Interpretationen) von Liedern für eminent wichtig, sich mit dem Inhalt der vertonten Texte auseinanderzusetzen. Eine solche Auseinandersetzung bedeutet für mich nicht (jedenfalls nicht in erster Linie), danach zu fragen, wie der jeweilige Komponist, wie die jeweiligen Gedichtautoren ihre Texte verstanden haben, sondern danach zu fragen, wie die Texte heute gelesen und verstanden werden können. Ich frage mit anderen Worten nicht nach der Absicht des Erzeugers, sondern interessiere mich für die Verständnismöglichkeiten auf Seiten der Rezipienten. Mir ist dabei bewusst, dass es nicht nur ein richtiges Verständnis der Gedicht/Lied-Texte gibt, sondern dass unterschiedliche Leser/Hörer unterschiedliche Verständnisse haben. Diese Weite des Bedeutungsspektrums empfinde ich nicht als störend, sondern im Gegenteil als reizvoll.


    Vor diesem Hintergrund möchte hier nicht fragen nach dem (womöglich einzig) richtigen Verständnis der Gedichte, sondern meine Hoffnung war, dass die Mitstreiter des Threads jeweils ihr Verständnis der Texte darlegen (in diese Darlegungen könnten die unterschiedlichen Fassungen einfließen, müssen es aber nicht) und wir auf diesem Wege gemeinsam ein Bedeutungsspektrum der Texte aufzeigen bzw. entwickeln. Eben deshalb habe ich oben jeweils nur Vorschläge zum Verständnis, zur Lesart der Gedichte gemacht und nicht vorgegeben, wie die Texte zu verstehen sind. Leider, das muss ich konstatieren, ist meine Wunschvorstellung nur in geringem Maße Realität geworden. Schade ist das deshalb, weil keines der mir bekannten Bücher über Schostakowitsch sich näher zu dem Thema Textverständnis äußert, sondern sich dort typischerweise jeweils nur ein, zwei zusammenfassende Sätze zu den Liedtexten finden, und wir hier gemeinsam tatsächlich etwas Neues aufzeigen könnten.


    Zitat

    Zu sagen, dass Inzest in dem Gedicht "Auf der Wacht" vorkommt, halte ich nicht für plausibel. Vorher würde ich noch an übertragene Bedeutungen von "Geliebter" bzw. "Bruder" denken. Aber der Gedanke, dass eigentlich der Tod in Form der weiblichen Person spricht, scheint mir am plausibelsten. Ähnliche Konstruktionen gab es ja auch in Mussorgskys Lieder und Tänze des Todes.


    Hier gilt es m. E. aufzupassen. In der Fassung Apollinaires ist (nach der Übersetzung Wernlis) ausdrücklich von Blutschande und von dem Bruder als Geliebten die Rede, wozu die Verwendung des Wortes „Brüste“ passt, das bei Männern nicht konnotationsfrei gelesen wird. In Apollinaires Text geht es somit m. E. recht eindeutig um Inzest. Allerdings bleibt offen, ob der Inzest tatsächlich stattgefunden hat. Die besseren Gründe sprechen dagegen, meine ich. M. E. stellt sich die Frau den Inzest als wahnhafte Reaktion auf den seherisch erfahrenen Tod nur vor, phantasiert sie mit anderen Worten davon.


    In der Morgener-Fassung und deshalb wohl auch in der russischen Fassung ist vom Inzest wie oben bereits dargestellt nicht mehr die Rede. Im Gesamtzusammenhang der 14. Sinfonie ist das Inzest-Motiv überdies nicht von Bedeutung, geht es um den Tod.



    Zitat

    Ich lese heute im Text zur CD von Mattila/Quasthoff/BPO/Rattle (EMI 2006). Der Text ist von Eric Roseberry ... Ich frage mich, was er mit "erfundenen Worten eines Selbstmörders" meint.


    Wahrscheinlich liest Roseberry den Text von „Der Selbstmord/Der Selbstmörder“ nicht wie wir oben dergestalt, dass der Selbstmord tatsächlich stattgefunden hat, dass es mithin um einen Toten geht, sondern dergestalt, dass eine Person sich imaginiert, wie es wäre, wenn sie Selbstmord beginge.


    Einen nennenswerten Anhaltspunkt für ein solches Verständnis sehe ich allerdings nicht.


    Viele Grüße
    Thomas

    Der sechste Satz ist eine Fortsetzung des fünften, wie der vierte eine Fortsetzung des dritten war. In ihm wird die Frage beantwortet, ob das Leben einer liebenden Frau nach dem Tod des Geliebten noch Sinn macht. Schostakowitschs Antwort kommt bereits in der Kargheit der Begleitung zum Ausdruck. Sie lautet nein. Die Musik klingt wie abgestorben. Die Hysterie des vorangegangenen Satzes flackert in dem irren, von einem großen Tonsprung dominierten „Ich lache laut“ nochmals auf. Das folgende Lachen („Ha, Ha …“) aber erstirbt.


    „Ein gespenstisches Bild vom Tod, der alles Glück zerstört“, kommentiert K. Meyer. Ja, so ist es. Das gebrochene (verlorene) Herz äußert sich in Gefühllosigkeit, Bitterkeit und kaltem Zynismus. Wahrlich, ein beklemmender Satz.


    Wirklich ein Scherzo?


    Besetzung: Sopran, Bass; Streicher, Xylophon

    Ja, mir geht es ähnlich wie Klingsor. Den ersten Satz höre ich ganz gern, da sind einige nette Sachen drin, die mir Spaß bringen. Den zweiten Satz empfinde ich demgegenüber als wenig inhaltsreich, nach meinem Empfinden ist er mit "recht gefällig" ganz gut beschrieben. Der dritte Satz beginnt munter, ist aber im Vergleich zum ersten so schnell vorbei, dass ich mich immer wieder wundere.

    Im Sinne der von Zwielicht oben dargestellten Auffassung von der Viersätzigkeit der 14. Sinfonie beginnt mit dem fünften Lied (der Begriff Lied wird hier und im Folgenden zur besseren Unterscheidung für die elf Sätze der 14. Sinfonie verwandt, der Begriff Satz für die vier des übergeordneten Modells) der aus den Liedern fünf und sechs gebildete zweite Satz, also das Scherzo. Zuvor war im vierten Lied die ruhige, dunkle Stimmung des ersten wieder aufgegriffen und mittels dieser Umklammerung der im übergeordneten Sinne erste Satz zum Abschluss gebracht worden. Im Vergleich zu dieser ruhigen Stimmung sind die Lieder fünf und sechs energiegeladen und vom Inhalt der Gedichte her ein wenig überdreht. Andererseits ist die Stimmung der Lieder fünf und sechs bereits im Lied zwei vorgezeichnet. Und ebenso wie Lied fünf in starkem Kontrast zu Lied vier steht, kontrastierte bereits Lied zwei zu Lied eins.


    Bei dem fünften Lied wird wieder die oben bei „De profundis“ angesprochene Frage des Verhältnisses zwischen dem Original Apollinaires zu der russischen, von Schostakowitsch vertonten Übersetzung von besonderem Interesse. Denn in Apollinaires Gedicht – das ich mangels französischer Sprachkenntnisse nur in der wörtlichen Übersetzung Wernlis im o. g. Buch lesen kann – ist ein stark ausgeprägtes Inzest-Motiv vorhanden, das in der russischen Fassung – hier orientiere ich mich an Morgeners Übersetzung – weitgehend eliminiert wurde. Bei Apollinaire heißt es (in der Übersetzung Wernlis):


    „Der sterben muß heute abend in den Schützengräben …
    Ist ein kleiner Soldat mein Bruder und mein Liebhaber

    „Denn da er sterben muß will ich die Schönste sein
    In Blutschande und Tod diesen beiden Gesten so schön“


    Hingegen heißt es bei Morgener:


    „Er muß heut abend sterben den Tod im Schützengraben …
    mein kleiner Sturmsoldat, mein Bruder du, mein Glück.“

    „In tiefer Sünde wie im Tode will ich schön sein,
    weil er heute abend sterben muß, im Graben dort allein.“


    Das Gedicht ist auf den ersten Blick leicht zu lesen: Eine Frau ahnt seherisch den Tod ihres Bruders voraus, der am selben Tage im Krieg in den Schützengraben muss. Aufgrund dieses subjektiv sicheren Wissens befindet sie sich in einer psychischen Ausnahmesituation. Die schwesterliche, gesunde Liebe wird krankhaft übersteigert. Wahnhaft stellt sich die Schwester vor, die Geliebte des Bruders zu sein. Sie phantasiert, dass ihre Hüften Gräber wären, halluziniert die Schlacht (Brüllen der Kühe = Geschützdonner (man beachte an dieser Stelle im Lied die Massierung des Klanges), Rosen = Mündungsfeuer, blaue Vögel = Pulverdampf, Rauch).


    Eindeutig ist diese Verständnis jedoch nicht. Wichtig ist die Frage, wie das Wissen der Frau vom bevorstehenden Tod ihres Bruders zu verstehen ist. Handelt es sich um objektives Faktenwissen oder um subjektives Wissen, also nur um ein Meinen oder Ahnen? Im vorigen Absatz bin ich von der zweiten Alternative ausgegangen. Möglich ist aber auch die erste. Dann ist zu fragen, woher die Frau dieses Wissen hat. Treten hier nur auktoriale Relikte in Erscheinung, kommt mit anderen Worten der allwissende Erzähler zum Vorschein? Oder ist die Frau gar nicht die Frau, die Schwester, sondern der Tod selbst, der sich nur die Gestalt der Schwester gegeben hat? Für Letzteres spricht die Zeile „Und will dass meine Hüften Gräber sind“ (so Wernli, bei Morgener heißt es: „Und wie ein Band von Gräbern wird mein Gürtel sein“


    Im letztgenannten Sinne wird das im (DDR-)Konzertbuch Orchestermusik (begründet von Schönewolf, Hrsgg. von H. Schäfer) verstanden. Dort heißt es: "Auf Wache schildert die kalte und nach dem Leben trachtende Liebe des Todes zu seinem Opfer auf dem Schlachtfeld ("Er stirbt ja heute noch, so wie die Rosen sterben / mein kleiner Freund Soldat, mein Liebster, Bruder mein")".


    K. Meyer betont demgegenüber das Element der Groteske und sieht sogar starken schwarzen Humor (S. 490): "Als Antwort erklingen vier Tomtoms die der Musik einen selenlosen, mit unheilverkündender Groteske und schwarzem Humor übersättigten Charakter verleihen. Diese Satz stellt einen eigenartigen Höhepunkt in der Darstellung des Bösen und des Fatalismus in dieser Symphonie dar."


    Schostakowitsch selbst hat in einem Brief an Glikman den medizinischen Fachausdruck Neurose für unpassend gehalten und Glikman gebeten, an Stelle dessen etwas wie „Da schlug die Stunde der Liebe. Der Krieg kracht drohend“ zu finden. Angesichts dessen ist zwar beachtenswert, dass sich das vertonte Gedicht anders als die vorherigen nicht mit dem Tod oder den Toten, sondern mit den Folgen des Todes auf Angehörige beschäftigt, doch eine zu starke Gewichtung in Richtung der krankhaften Folgen wohl nicht in Schostakowitschs Sinne.


    Musikalisch wird der Satz durch militärisches Tom-Tom-Getrommele und durch eine mehrfach wiederholte Xylophonmelodie, die an das Klappern von Skeletten denken lässt, geprägt.


    Fragen kann man sich, ob und an welcher Stelle Schostakowitsch den Tod schildert. Zwei Stellen kommen in Betracht. Sind es die beiden tiefen Streicherschläge, nachdem von dem Sichelschlag des Todes die Rede war, kurz vor der letztmaligen Wiederholung der Xylophonmelodie? Dazu passt, dass zuvor die Bratschenstimme erstorben ist (sie hat ihre Seele ausgehaucht). Oder ist es der Peitschenschlag ganz am Schluss (siehe oben bereits das Ende von Lied Nr. 2, wo der Tod schon einmmal per Peitsche zugeschlagen hat)?


    Besetzung: Sopran; Streicher, Holzblock, Tom-Toms, Peitsche, Xylophon

    Seltsam, dass sich kaum jemand für diesen Thread zu interessieren scheint. Vielleicht liegt es an dem Sinfonie-Thema. So habe ich z. B. in den letzten zwei Jahren sehr viel mehr Strawinsky gehört als früher, gleichwohl aber nur selten die sinfonischen Werke.


    Aufgrund eines Neukaufs habe ich nun aber mehrfach die Psalmensinfonie gehört. Und siehe da, sie gefällt mir ausgesprochen gut. Maßgeblich dürfte das an Boulez liegen. Denn in Strawinskys eigener Aufnahme - die einzige, die ich außerdem besitze - machte die Musik auf mich viel weniger Eindruck.



    Ausgesprochen gut gefällt mir überdies, was C. Hutz am 16.05.05 im damaligen "Was hört ihr gerade jetzt" zu der Aufnahme geschrieben hat, so dass ich, faul wie ich bin, einfach mal zitiere:


    Zitat

    Das wäre die absolut ideale Aufnahme von Strawinskys nur oberflächlich kühler Sinfonie sein: Das Orchester ist von Boulez treffend auf einen stark gespaltenen, fast unemotionalen Klang eingeschworen, der die Emotion hinter der Musik erst freilegt, der Rundfunkchor Berlin leistet besonders in den langgezogenen, hypnotischen Phrasen des letzten Satzes phänomenales, was die Klangfarben angeht, die rhythmisch vertrackten Passagen sind ebenso klar wie die vielfältige Polyphonie - aber da ist im ersten Satz ein hässlicher Fehler (ein falscher Einsatz im Chor oder ein Schnittfehler in der Aufnahme, das lässt sich nicht sicher sagen) stehengeblieben, der mich jedesmal zusammenzucken lässt. Schade.


    Den hässlichen Fehler habe ich bislang nicht gehört. :untertauch:


    :hello: Thomas

    Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Ist das Schütz-Mißbrauch?
    :hello:


    Lieber KSM,


    ja, es mag sein, dass ich das Werk mit meinem bisherigen Hörkonsum missbrauche. Noch immer habe ich den Text nicht gelesen, noch immer mich mit dem religiösen Hintergrund des Werkes nicht näher befasst.


    Auch ich bin Atheist. Wohl deshalb habe ich keine Neigung, mich auf das Gedankengebäude, das den Exequien zugrundeliegt, einzulassen. Allein bei dem Gedanken, sich den Sarg mit Bibelsprüchen verzieren zu lassen, sträuben sich mir die Nackenhaare. Wir hatten im Forum vor längerer Zeit einen Thread, in dem heiß diskutiert wurde, inwieweit Atheisten geistliche Werke voll erfassen und in ihrer (religiösen) Tiefe erleben, verstehen und genießen können. Mir kann man in diesem Sinne trefflich den Vorwurf machen, weil ich mich nicht auf den religiösen Hintergrund der Exequien einlasse, verstehe ich sie nicht, missbrauche ich daher Schütz.


    Mir gefällt die Musik aber trotzdem. Schauder und Ektase habe ich beim Hören nicht erfahren, sondern das oben genannte ruhige Fließen - meinetwegen auch wohltuende Klangdusche genannt. Resonanz aus dem Inneren spüre ich nicht. Und beim "Jubel, dass Gott "mein Teil" sei", höre ich inhaltlich lieber weg.


    Nun ist es ein altbekanntes Phänomen, dass das Erlebnis von Musik sehr davon abhängt, welche Musik man davor und danach hört. Du hast Musik von Komponisten gehört, gegenüber denen Schütz´ Exequien aufregend klingen. Ich habe zuletzt z. B. viel die 14. Sinfonie von Schostakowitsch gehört. Gegenüber dieser aber sind die Exequien - du ahnst es bereits - ein wohliges Fließen.


    :hello:
    Thomas

    Liebe Fairy,


    es freut mich, dass dir die Musik gefällt.


    Es ist eine Besonderheit der Aufnahme von Griffith, dass Loreley auf Deutsch gesungen wird. Normalerweise ist das bei der internationalen Fassung nicht der Fall. Grifftih begründet seine Wahl der deutschen Fassung so: "Wir haben allerdings auch für Loreley den deutschen Text gewählt, weil er auf ein Gedicht von Brentano zurückgeht."


    Die deutschen Texte findest du auf der oben verlinkten Homepage, die ich hier gern noch einmal in Erinnerung rufe:


    "http://home.pages.at/tobiashock/musiklk/schostakowitsch.html"


    :hello:
    Thomas


    Dem schließe ich mich ausdrücklich an. Es gab Zeiten, da konnte ich mch an dieser Aufnahme gar nicht satt hören. Eine unbedingte Kaufempfehlung daher auch von mir:



    :hello:
    Thomas

    Zitat

    Original von flotan
    Auch nicht immer die besten Kritiken erhielt diese Aufnahme, die ich aber sowohl beim Tschaikowski- als auch Schostakowitsch- Trio für DIE Referenz halte:



    :jubel: :jubel:


    Ja, diese CD hat tatsächlich ganz überwiegend schlechte Kritiken erhalten, siehe nur: "http://www.dschjournal.com/reviews/rvs13op8.htm"


    Obwohl sie derzeit bei 2001 für einen günstigen Preis angeboten wird, habe ich von einem Kauf abgesehen.


    Ehrlich gesagt, kann ich mir nicht vorstellen, dass Argerich, Kremer, Maisky besser spielen als z. B. Richter, Kagan, Gutman. Darf ich fragen, welche Vergleichsaufnahmen du besitzt?


    Klarstellend: Ich beziehe mich nur auf das Schostakowitsch-Trio.


    :hello:
    Thomas

    Lieber Harald,


    ich habe mir die Oper bis 20:15 Uhr angesehen (seitdem gibt es die Trojaner von Berlioz auf Permiere-Classica).


    Das Wichtigste, was ich zu der Inszenierung zu sagen habe: Mit schwarzen Haaren gefällt mir Angela Gheorghiu besser.


    Im Ernst: Wenn eine Inszenierung wie diese über eine bloße Bebilderung nicht hinausgeht, habe ich keine Freude daran.


    Frau Gheroghiu singt großartig. In der Tiefe vielleicht nicht ganz so ausdrucksstark, aber ansonsten ein Genuss!


    Leider, eine alte Klage, gibt es Frau Gheorghiu nicht allein, sondern ist Herr Alagna immer dabei. Wenn ich ihn höre, denke ich immer wieder, er sollte in seinen Vertrag aufnehmen, dass er die hohen Töne transponieren darf.


    Nun ja, das Stück gefällt mir ohnehin nicht sonderlich.


    Viele Grüße
    Thomas

    Zitat

    Original von maticus
    Was mir nicht klar ist: Beziehen sich einige Anspielungen ("Wunde", "Blut übergossen", "Gram", "aus meinem Herzen, das so leidet", "verflucht ist mein Leben") auf das (leidvolle) Leben der Person, oder auf den Zustand des Todes und sind sogar Anspielungen auf die Folgen der Selbsttötung? Rein "chronologisch" liest es sich ja so, als wenn letzteres der Fall ist. Aber kann man die Aussagen nicht auch auf das Leben der Person beziehen? So das also doch mehr -- wenn auch nur andeutungsweise -- die Beweggründe für den Suizid dargestellt werden? (Übrigens würde das auch zur Loreley passen.)


    Du zeigst sehr schön eine der zentralen Verständnisfragen auf. Ich habe keine abschließende Antwort auf sie, neige jedoch wie oben geschildert zur zweiten von dir genannten Lesemöglichkeit. Meines Erachtens handelt es sich um Bilder für das Verflucht-Sein. Aber, da gebe ich dir Recht, der Rückbezug zum Leben der toten Person ist sicherlich möglich.


    Übrigens: Die erste Lilie bezieht ihr Blut offenbar aus der Wunde. Mir stellt sich die Frage: Können Tote bluten? Wohl nicht, allerdings dürfte im toten Körper noch eine Zeitlang Blut vorhanden sein, von dem die Lilie trinken kann.


    Zitat

    Der Geliebte? Du meinst sicherlich Katerina. (In manchen neueren Inszenierungen (z. B. von Kusej) sieht man von einem "zu idealisierenden" (Kusej) Suizid Katerinas ab und lässt sie "lieber" gelyncht werden.)


    Viele Grüße, maticus


    Du hast natürlich Recht! Ich bin nicht von selbst darauf gekommen, dass in der Oper ein Suizid enthalten ist, sondern erst aufgrund einer Seite im Internet darauf gestoßen. Von dort habe ich den Fehler, ohne ihn zu bemerken, falsch übernommen. Vielen Dank für die Korrektur.


    Viele Grüße
    Thomas


    Oh je! Gut zehn Jahre ist das schon her? Mir ist, als wäre die CD gerade erst rausgekommen...


    Ich habe gerade Debussys Cellosonate gehört:



    Ich kann mir nicht helfen, ichbin ich enttäuscht. Es fehlt mir Lebendigkeit.


    :hello:
    Thomas

    Lieber Maticus,


    wenn ich deinen Satz aufschlüssele, nennst du drei Punkte, die für dich bei dem Gedicht im Vordergrund stehen und zu denen ich einige Anmerkungen machen möchte:


    - die Klage über die Verhältnisse,
    - die Verzweiflung, die zum Suizid geführt hat und
    - die Anklage gegen die unehrenhafte Behandlung, durch die moralisierenden, herrschenden, verdammenden Instanzen.


    Die „Klage über die Verhältnisse“ ist sehr allgemein formuliert, da Verhältnisse sowohl die gesellschaftlichen als auch die privaten – von wem: von der Figur Loreley oder von Schostakowitsch? – sein können. „Klage“ trifft es meines Erachtens ebenfalls nicht. Achte ich nicht auf den Text, sondern auf die Musik höre ich weniger eine Klage im Sinne eines anklagenden Verhaltens, sondern tiefe, verzweifelte Trauer.


    „Verzweiflung, die zum Suizid geführt hat“, hilft mir ebenfalls nicht viel weiter. Ja, Verzweiflung im Sinne von verzweifelter Trauer ist, wie eben gesagt, auch nach meinem Höreindruck die vorherrschende Gefühlslage. Allerdings schreibst du, dass die Verzweiflung
    Beweggrund für den Suizid gewesen sei. Damit versetzt du die nach meinem Eindruck zeitlich nach dem Suizid – im vierten Satz - herrschende Verzweiflung zeitlich vor den Suizid Loreleys, also in den dritten Satz. Der Beweggrund Loreleys, sich zu töten, wird im Gedicht benannt: Der infolge des Verlustes des Geliebten eingetretene Verlust des Lebensmutes ist es. So heißt es in der Rückübersetzung Morgeners: „Fort von hier zog mein Liebster, nun ist alles so leer, sinnlos ist diese Welt, Nacht ist rings um mich her.“


    Als dritten Punkt nennst du „die Anklage gegen die unehrenhafte Behandlung, durch die moralisierenden, herrschenden, verdammenden Instanzen“. Ja, da gebe ich dir Recht. In Apollinaires Lilien-Gedicht wird das Los des Selbstmörders beschrieben: Er wird alleingelassen. Niemand kümmert sich um ihn, niemand trauert um ihn. Oben habe ich, haben wir aber bereits übereinstimmen festgestellt, dass Schostakowitschs Musik tiefe Trauer zum Ausdruck bringt. Indem Schostakowitsch zu diesem Text traurige Musik schreibt, gibt er einen Kommentar zum Gedichtinhalt ab, der verbalisiert lautet: „Ich trauere um dich.“ Indem Schostakowitsch somit zum Ausdruck bringt, dass er darüber trauert, dass niemand um den Selbstmörder trauert, kritisiert er – klagt er an –, dass der Selbstmörder derart behandelt wird.


    Für beachtenswert halte ich in diesem Zusammenhang jedoch, dass der Schwerpunkt des Leidens des Selbstmörders nicht in dem Nichtkümmern, in dem Fehlen des Kreuzes liegt, sondern in den Plagen der Lilien, die aus Wunde, Herz und Mund wachsen. Versteht man die Lilien nur als Symbol für das Verfluchtsein, als Ausfluss der Verdammung durch die Umwelt, bleibt die Interpretation konsistent. Gibt man dem Bild der Lilien darüber hinaus allerdings eine eigenständige Bedeutung, ist sie es nicht mehr. Für die eigenständige Bedeutung spricht, dass es nicht in der Macht der Kirche oder sonstiger gesellschaftlicher Gruppen liegt, die Lilien wie beschrieben wachsen – und bluten – zu lassen.


    Zitat

    Im Internet finde ich, dass weiße Lilien "seit der Antike ein Symbol der Reinheit und der Schönheit, aber auch Symbol des Todes" sind (Wikipedia). Auch oft als Mariensymbol. Gibt das irgendeinen Hinweis?


    Mir waren weiße Lilien bisher nur als Totenblumen oder besser Beerdigungsblumen bekannt, nicht als Symbol für Reinheit, Schönheit und Maria. Weitere Hinweise zu diesem Thema kann ich somit leider nicht geben. Das Verständnis der Lilien als Mariensymbol lässt mich assoziieren, dass sowohl Maria nach katholischem Verständnis als auch Loreley (nach Heines Gedicht, s. o.) Jungfrauen waren, dass folglich ein weiterer Bezug zwischen den Sätzen drei und vier besteht. Ob diese Verbindung allerdings von Schostakowitsch gewollt war, möchte ich bezweifeln, hat er doch nicht das Heinegedicht, sondern das Apollinaire-Gedicht vertont (vermutlich hat er allerdings das Heine-Gedicht gekannt).


    Anlässlich deiner Bemerkungen zu meinem vorangegangenen Beitrag, insbesondere zu dem in der Tat nicht hundertprozentig passenden Zitat, habe ich mich erinnert, irgendwo mal etwas über Schostakowitschs Einstellung zum Selbstmord gelesen zu haben. Ich habe mich auf die Suche gemacht und Folgendes gefunden, das hier bei allem Vorbehalt zur Verallgemeinerung dieser Aussagen und ihrer Übertragbarkeit auf die 14. Sinfonie wiedergegeben werden soll:


    In den Wolkow-Memoiren heißt es (S. 202 f.):


    „Der Kranke beginnt zu agieren. Und bei analoger Entwicklung der Krankheit hängt alles davon ab, wie kräftig die Psyche des Patienten ist und wie stark die Krankheit. Wenn die Ängste sich verschlimmern, kann die Krankheit zum völligen Zusammenbruch der Person führen. Der Mensch versucht, den angsterregenden Phänomenen zu entfliehen, und denkt schließlich an Selbstmord. Was Selbstmord ist, hat Soschtschenko mir erklärt. Er hat mir erklärt, warum der Tod als Retter erscheinen kann: Ein Kind begreift nicht, was der Tod ist. Es seiht nur, Tod ist Abwesenheit. Es sieht, dass man vor Gefahren fliehen, weggehen kann. Dieses „Nicht-da.Sein“ nennt das Kind Tod. So hat der Tod für ein Kind nichts Schreckliches.


    Wenn ein Mensch krank ist, sind seine Gefühle die eines Kindes, sie befinden sich auf niedrigstem psychischem Niveau. Ein Kind fürchtet Gefahren mehr als den Tod, Selbstmord ist Flucht vor Gefahr. Er ist die Handlung eines Kindes, das vom Leben zu sehr erschreckt wurde.


    In meinem nicht sehr heitern Leben gab es viele traurige Ereignisse. Und es gab Perioden, in denen sich die Gefahr besonders verdichtete, mich besonders hart bedrängte. Dann verstärkte sich auch die Angst besonders. In der Periode, von der ich schon erzählte, war ich dem Selbstmord nahe. Die Gefahr schreckte mich und ich sah keinen Ausweg. Ich war ganz und gar von Furcht beherrscht, war nicht mehr Herr meines eigenen Lebens. Meine Vergangenheit war ausgestrichen. Meine Arbeit, meine Fähigkeiten - sie wurden nicht mehr gebraucht. Und die Zukunft bot keinen Hoffnungsschimmer. Ich wollte einfach verschwinden. Das war der einzig mögliche Ausweg. Ich dachte mit Erleichterung daran. In dieser kritischen Zeit halfen mir Soschtschenkos Gedanken. Er hielt Selbstmord nicht für eine Geistesverwirrung, sondern für einen im höchsten Grade infantilen Akt, für die Meuterei der niederen Kräfte über die höheren, den vollständigen und endgültigen negativen Sieg.“


    Diese Ausführungen zu Grunde legend (die Authentizität Wolkows Memoiren ist umstritten) sehen wir, dass Schostakowitsch den Selbstmord negativ sah. Die verklärte Betrachtungsweise des künstlerischen Freitods lag ihm fern.


    Zu den Ausführungen passend ist der doch eher negative Kommentar, den Schostakowitsch im Brief vom 10. Juli 1969 an Glikman zum Selbstmord Nina Jefimowna Basners (Glikman, S . 278, Glikman erklärt, dass es sich um die Ehefrau des Komponisten W. E. Basners gehandelt habe, die ihrem Leben im Zustand der Depression durch Selbstmord ein Ende setzte):


    “Der Tod Nina Jefimowna Basners hat mich erschüttert. Sie war ein sehr guter Mensch. Die Krankheit hat ihren Willen gebrochen: Sie hat Familie, Haus und Kinder verlassen.“


    Andererseits hat Schostakowitsch durchaus zu Ehren der Lyrikerin Marina Zwetajea, die 1941 Selbstmord begangen hat, einen Liederzyklus komponiert (op. 143: Sechs Romanzen nach Gedichten von Marina Zwetajewa).


    Darüber, wie Schostakowitsch sich zu dem Selbstmord Majakowskis im Jahre 1930 verhalten hat, zu dem er über Meyerhold in den Zwanzigern nähere Verbindungen geknüpft hatte (s. „Die Wanze“), ist mir nichts bekannt.


    Erwähnenswert ist überdies die Oper „Lady Macbeth von Mzensk“, in dem der Geliebte am Ende auf dem Weg in die Verbannung Selbstmord begeht.


    ---


    Bei einer Suche im Internet nach Zusammenhängen zwischen Schostakowitsch und Selbstmord bin ich auf eine Seite zur 14. Sinfonie gestoßen, die neben den Lied-Texten weitere lesenswerte Erkenntnisse zu bieten hat und die ich euch daher hier empfehlen möchte:


    "http://home.pages.at/tobiashock/musiklk/schostakowitsch.html"


    Viele Grüße
    Thomas

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Eine ganz dumme Frage: was ist "Salut d'amour?" Ist das ein Stück auf eienr dieser Cds? Wenn ja von wem? Klingt so als könnte ic hdas auch lieben! :yes:


    F.Q.


    Hallo Fairy,


    Salut d´amour ist das op. 12 von Elgar. Das Original ist für Klavier, glaube ich. Es gibt aber diverse Bearbeitungen, z. B. für Violine und Klavier, Cello und Klavier usw. Die Bearbeitung für Cello und Klavier spielt Vogler auf "My Tunes". Das Stück ist mit knapp drei Minuten nur kurz, aber aufgrund der wunderschönen Melodie ungemein eingängig.


    Gib einfach "Salut d´amour" bei youtube ein, dann kannst du das Stück hören.


    Viele Grüße
    Thomas