Beiträge von Armin Diedrich


    Da sieht man, daß sich seit 1905 nichts geändert hat ; schon bei der Uraufführung wurde schwangeren Frauen abgeraten, sich das Stück anzuschauen. Unraufführungssängerin Marie Wittich, Gattin eines hochlöblichen Stadtrats, schimpfte bei den Proben immer "Ich bin eine anständige Frau, so etwas mache ich nicht!" Und das Erlebnis Narraboths erinnert mich an die alte Geschichte des Tenors, der bei seinen Kolleghen sehr unbeliebt war. Eines Abends freute er sich, daß er schon beizeiten Feierabend hatte, weil es zuhause sein Leibgericht gab. Daraufhin ging Herodes zu den Soldaten und sagte zu ihnen: "Wißt ihr was? Laßt ihn liegen!" Als nun der Befehl ertönte "Fort mit ihm", schleppten sie ihr Opfer nicht etwa von der Bühne, sondern ganz nach vorne an die Rampe, wo er liegenbleiben mußte bis zum bitteren Ende. Sein Leibgericht war längst verkocht...


    Um mal ein Beispiel zu nennen, wenn wir hier schon von Wunderlich sprachen: es gibt einen Bamberger Livemitschnitt des "Lieds von der Erde" unter Keilberth. Die Klangqualität ist nicht gerade berauschend, aber gerade deswegen kann man Wunderlichs Leistung besser einschätzen, da er es am Ende des "Trinklieds" schafft, die Stimme derart zu fokussieren und zu verdichten, daß sie ohne weiteres durch das an dieser Stelle ja wirklich massive Orchester durchschlägt. Von seiner Seite aus ist die Aufnahme der bekannten Version mit Klemperer fast noch überlegen. Interessant ist sie auch deswegen, weil sie die Baritonfassung verwendet (mit Fischer-Dieskau)

    Nun ja, dazu kann ich im Endeffekt nichts sagen. Ich habe in meinem Beitrag nur wiedergegeben, was ich dazu im Wagnerforum entdeckt habe ; und wie die Sache aufgezogen ist, erinnert das schon sehr an diverse "Spoof"-Artikel (wie etwa Otto Jägermeier oder P.D.Q. Bach). Aber ein abschließendes Urteil wage ich nicht abzugeben.

    Worauf ich besonders hinweisen möchte, ist seine CD "Sentimiento latino". Sie enthält in erster Linie die klassischen mexikanisch-südamerikanischen Schmonzetten, aber wie! Ein Highlight ist sicher seine Aufnahme von "Granada", die in meiner persönlichen Rangliste den Platz 1 B einnimmt. Er macht das Stück völlig anders als Wunderlich (man kann ja, wenn man unbedingt will, an seiner Aufnahme vielleicht kritisieren, daß sie schon einigermaßen knallig geraten ist), sehr differenziert und mit feinen dynamischen Schattierungen, setzt angemessene Verzierungen ein, aber dennoch mit aufstrahlenden und bombensicheren Spitzentönen da, wo sie sein müssen. Auf der Bühne hörte ich ihn noch nicht, aber wenn ich von den CDs ausgehe, darf man ihn in der Tat als einen der derzeit lohnendsten Sänger seines stimmfachs bezeichnen.

    Hallo!
    aus aktuellem Anlaß sei dieser Thread hervorgeholt und darauf hingewiesen, daß ab kommendem Montag in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste in München eine Prey-Ausstellung gezeigt wird, die von seinem Sohn und einer Musikwissenschaftlerin gestaltet wurde. Am Montag um 19 Uhr gibt es dazu eine Eröffnungsveranstaltung, die auch Bild- und Tondokumente Preys enthält.

    Die gute "Frau" hat sich diesen Spaß schon in mehreren anderen Foren gemacht ; und es sei daher darauf hingewiesen, daß es sich bei der "Sängerin" um einen Mann handelt, der als Musikkabarettist schon diverse Erfolge aufzuweisen hat. Im Wagnerforum ist man einen längeren Zeitraum darauf hereingefallen, ehe jemand den Schleier gelüftet hat...

    Eine Sache kommt mir gerade noch in den Sinn: "Parsifal" in Bonn mit Donald McIntyre als Klingsor. Der ehemalige Leichtathlet warf den Speer mit solcher Wucht nach Parsifal, daß dieser ihn nicht erwischte, die Waffe in den Orchestergraben sauste und von dort ein lautstarkes "AUA!!!!!" zu hören war...
    Eine überaus anfällige Oper ist ja auch die "Salome". Anja Silja erzählt in ihren Memoiren von einer Aufführung in Frankfurt, die wahrhaft denkwürdig gewesen sein muß!

    Das war noch die letzte Münchner Ring-Inszenierung von Lehnhoff ; glüclickicherweise merkren die Beteiligten es gleich, und Wotan und ein Feuerwehrmann kamen der Sängerin (ich glaube, es war Gaby Schnaut) zu Hilfe. So finster eritsinne ich mich auch einer Geschichte von einer Wiener "Tosca", bei der Scarpias Perücke Feuer fing...

    Zitat

    Original von MarcCologne


    Hallo Armin,


    sorry - die Geschichte kenne ich nicht - daher meine Bitte um Erläuterung: Was machte Herr Stein denn für Herrn Beirer vom Pult aus ?(


    Beirer war sehr schlecht drauf, patzte mehrfach und Stein (der eine sehr gute Tenorstimme hatte) sang "drei, vier - Trink, Gunther, trink, dein Bruder bringt es dir". Das Publikum johlte, und hinterher gab es offenbar einen Riesenkrach...

    Mir ist noch eine Wiener "Carmen" in Erinnerung, wo die Kastagnetten im zweiten Akt nicht an ihrem Platz waren und Agnes Baltsa sie sich aus den Kulissen nacheichen lassen mußte... In Bayreuth erinnere ich mich noch recht gut an den Herzog-"Lohengrin", bei dem im ersten Akt das Trockeneis um einiges zu großzügig verteilt wurde und den Zuschauerraum einnebelte. Und um ein paar der Klassiker zu zitieren: die Wiener "Götterdämmerung", bei der Horst Stein vom Pult aus für Hans Beirer einsprang oder eine Münchner "Walküre", bei der Brünnhildes Kostüm in Brand geriet.

    Es gibt von Furtwängler auch eine Studioversion des Rings von der RAI, die besser klingt als die in der Tat nicht idealen Mitschnitte aus Mailand. Von letzteren gibt es auch diverse Ausgaben, die sich in der Qualität der Bearbeitung deutlich voneinander unterscheiden (ich habe die Edition von Gebhardt, mit der ich recht zufrieden bin). Einsteigern in die Materie empfehle ich generell erst einmal die Wiener Studioaufnahme der "Walküre". Allgemein muß ich aber sagen, daß bei Livemitschnitten auch viel Gewöhnungssache ist. Wenn man nicht gerade mit den ganz miesen anfängt, ist man ziemlich schnell in der Lage, das Rauschen "auszufiltern" und das wesentliche beurteilen zu können. Daher würde ich zu einem langsamen Vorgenen raten ; das kommt schon mit der Zeit!

    Das Thema von Karajans "doppeltem Parteiintrit" hat Osborne in seiner umfangreichen Biographie anhand der Dokumente ausführlich erörtert und kam zu dem Schluß, daß es offenbar wohl doch nur einer war ; er erfolgte 1934, um die Chancen auf die Anstellung in Aachen zu erhöhen. Die Details der Argumentation sind mir nicht mehr in Erinnerung, aber das Buch ist ja bei 2001 und in Bibliotheken leicht zu beschaffen.


    Hallo!
    Prey hat den Mozart-"Figaro" auf der Bühne lange gesungen, in der Rolle hörte ich ihn selber noch. Grundsätzlich ist es so, daß Mozart bei allen seinen entsprechenden Rollen "basso" vermerkt hat, weil es den Bariton zu seiner Zeit noch gar nicht gab. Der Spitzenton des Mozart-Figaro ist das F, das nur kurz angetippt werden muß ("Se vuol ballare"). Demgegenüber entwickelt sich mit der Romantik der klassische Bariton, für den Rossinis Figaro und die entsprechenden Partien Donizettis (Enrico in "Lucia" etc.) die ersten Beispiele sind und der sich regelmäßig in diesen Regionen bewegen muß. Trotzdem lassen sich eine ganze Reihe von Mozartpartien auch durchaus mit Baritonen besetzen, da die tiefe Lage nicht so explizit ausgenutzt wird (Guglielmo wird eigentlich immer mit einem Bariton besetzt ; und Figaro und Giovanni lasen sich auch von Baritonen singen - den Sonderfall Papageno lassen wir beiseite). Man merkt auch heute noch, daß Mozart eine ganze Reihe erstaunlicher Sänger zur Verfügung gehabt haben muß, da die meisten Rollen ja auf bestimmte Interpreten hin konzippiert wurden.

    Eine dringende Nominierung möchte ich für Laurent Pelly abgeben, dessen Arbeiten sich durch ein hohes Maß an Witz und Musikalität auszeichnen. Seine "Belle Héléne" mit Felicity Lott liebe ich heiß und innig, weil sie mit größter Sorgfalt auf die Sänger zugeschnitten ist und ihre Stärken und Schwächen ganz gezielt benutzt - ein würdiger Nachfolger Ponnelles!

    Üblicherweise kommt ein solcher Interpretationsvergleich auf Bayern 4 einmal monatlich samstags um 21 Uhr, meistens am letzten Samstag des Monats (was sich durch Liveübertragungen etc. ändern kann). Sehr lohnend ist auch der Opernstammtisch auf S 2 Kultur, der drei- oder viermal im Jahr am Sonntagabend ausgestrahlt wird und zahlreiche Interpretationen eines Werks miteinander vergleicht. Vorletzte Woche war etwa die "Zauberflöte" dran, früher im Jahr gab es "Meistersinger".

    Hallo!
    Ich habe in die Diskographie die Titel aufgenommen, die irgendwann einmal auf kommerziellen Tonträgern erschienen sind, also auch den "grauen Markt". Wegen der ständigen Veränderungen, der oft nicht einfachen Zugänglichkeit (die ganzen japanischen Kleinlabels...) und um rechtlichen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, gab ich in diesem Fall aber nur die Existenz des Mitschnitts an ; Labels nenne ich nur bei den offiziellen Veröffentlichungen. Nicht enthalten sind indessen Einspielungen, die bislang nur in Sammlerkreisen kursieren und nicht in diesem Sinn veröffentlicht wurden, der "Wozzeck" also nicht, obwohl ich natürlich von ihm weiß (auch wenn ich ihn noch nicht gehört habe - ein Kollege hat ihn, und den wollte ich mir schon lange mal borgen).

    Ich möchte mir erlauben, auf ein soeben erschienenes (bzw. erscheinendes) Büchlein hinzuweisen: Fischer, Jens Malte: Carlos Kleiber - der skrupulöse Exzentriker. - Göttingen: Wallstein, 2007. - (Kleine Bibliothek der Bayerischen Akademie der schönen Künste ; 1). - Der Band basiert auf einem Vortrag, den Fischer voriges Jahr zur Erinnerung an das Akademiemitglied Kleiber gehalten hat, wurde für die Druckfassung erweitert und um unveröffentlichte Bilder sowie eine von mir bearbeitete Diskographie ergänzt.


    Ein gewisses Problem sehe ich allerdings darin, daß man die Arbeiten der genannten Namen heute nur noch mit Einschränkungen beurteilen kann. Die Zeit des "Schuhhaus Sawallisch" lag vor der Phase der Fernseh- und Filmaufzeichnung, und von Wieland Wagners Arbeiten ist auch nur sehr wenig audiovisuell dokumentiert und zugänglich (ich halte immer noch Ausschau nach der Aufzeichnung der Schusterstube von 1963 und der "Lulu"... - kann mir da jemand weiterhelfen???) Den "Tristan" und die "Walküre" habe ich zwar, aber die schlechte Qualität der Aufzeichnung und die Tatsache, daß es Schwarz-Weiß-Sendungen sind (womit die ganze Licht- und Farbregie verlorengeht) bieten lediglich einen vagen Eindruck ; die Personenführung läßt sich zwar beobachten, ist aber für heutige Maßstäbe ausgesprochen bieder (als ich Dr. Friedrich, dem Leiter des Wahnfriedarchivs, die Walküre zukommen ließ, meinte er sinngemäß: das erinnere aus der heutigen Perspektive doch eher an das Stadttheater Soest). Bei Ponnelle und Friedrich ist die Lage besser, und beide schätze ich sehr. Allerdings muß man bei Ponnelle halt immer im Auge behalten, daß es sich meist um explizite Filme handelt, die zwar oft auf Bühnenaufführungen basieren, aber die Anforderungen des anderen Mediums mit einbeziehen (Ausnahmen sind Cardillac und Lear, die vom Fernsehen während einer Vorstellung live aufgezeichnet wurden).. Wie eine solche Produktion dann im Haus gewirkt hat, ist eine andere Frage. Und von Friedrich gibt es ja auch Bühnenaufzeichnungen UND Filme, was zwei Paar Stiefel sind.

    Zitat

    Original von Melot1967
    Ich finde es schade, dass es Wagners Ring von Götz Friedrich / Hans Schavernoch nicht auf DVD gibt (geschweige denn auf einem anderen Medium).


    Er entstand in den späten Achtzigerjahren an der Deutschen Oper Berlin und später am Royal Opera House Covent Garden (unter Haitink), wo es im Herbst 1988 schon Das Rheingold gegeben hatte, inszeniert von Yuri Lyubimov, der wegen künstlerischer Differenzen rausgeworfen wurde.


    Wer den Ring in Berlin dirigierte, weiß ich nicht. Jedenfalls handelt es sich um das berüchtigte Bühnenbild mit dem "U-Bahn-Tunnel". Mein erster Kontakt mit Wagner war die Live-Übertragung der Londoner Walküre-Premiere im Ö1-Radio, später habe ich Die Walküre, Siegfried und Götterdämmerung in London gesehen und war (damals) recht begeistert: Gabriele Schnaut (Sieglinde), René Kollo (Siegmund und Siegfried), Gwyneth Jones (Brünnhilde), Hanna Schwarz (Fricka und Waltraute), die Walküren sind im schwarzen Leder-Outfit herumgeschwirrt ...


    Zur Vervollständigung: beim Japangastspiel der Deutschen Oper wurde der Ring in NHK ausgestrahlt und aufgezeichnet, hat es aber nicht nach Europa geschafft. Meines Wissens kursieren die Bänder in Japan. Premierendirigent war López Cobos.
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    Zitat


    Bei der Gelegenheit:
    Ich finde es schade, dass beim Tristan-Video (Bayreuth 1983, Kollo, Barenboim) nicht der Premieren-Dirigent dirigiert (Carlos Kleiber, wenn ich nicht irre), .


    Kleiber hat die vorangehende Tristaninszenierung von 1974 dirigiert, die Ponnelle-Produktion stand von Anfang an unter Barenboims Leitung.

    Immerhin kann man froh sein, daß es Labels wie Walhall gibt, die recht systematisch die Rundfunkarchive plündern und da allerhand zum Vorschein bringen - sei es zum Staunen, sei es zum Kopfschütteln (mal ehrlich: wer braucht einen "Benvenuto Cellini" mit Fritz Uhl?)... Was für mich so eine Wunschtraumaufnahme wäre, ist eine "Cosi fan tutte" mit Wunderlich ; neben dem Ernesto im "Don Pasquale" ist dies ja die einzige seiner bedeutenden Opernrollen, von der es keinen Mitschnitt gibt. Und den Troubadour-Mitschnitt aus Chicago mit Callas und Jussi Björling hätte ich natürlich auch gerne!

    Wie ich erst vor ein paar Taghen auf der Website der "Opernwelt" entdeckte, starb am 18. Oktober die große Anna Russell im Alter von 94 Jahren. Auf ihre Weise hat sie den Opernfreunden immenses Vergnügen bereitet, und eine ihrer Platten sollte eigentlich in jedem gut sortierten Regal gleich neben Gerard Hoffnung und Florence Foster Jenkins stehen. Ihre legendäre halbstündige Version des "Rings" spukt einem bei jeder Aufführung irgendwann einmal im Kopf herum, wenn sie etwa von den Rheintüchtern als "a kind of aquatic Andrews-Sisters" spricht oder von "Mr. Gunther and Gutrune Gibitch" berichtet. Auf nach Walhalla!