Nicht verschwiegen sei Schrekers eigenes "Charakterbild":
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Ich bin Impressionist, Expressionist, Internationalist, Futurist, musikalischer Verist; Jude und durch die Macht des Judentums emporgekommen, Christ und von einer katholischen Clique unter Patronanz einer erzkatholischen Wiener Fürstin »gemacht« worden.
Ich bin Klangkünstler, Klangphantast, Klangzauberer, Klangästhet und habe keine Spur von Melodie (abgesehen von so genannten kurzatmigen Floskeln, neuestens »Melodielein« genannt). Ich bin Melodiker von reinstem Geblüt, als Harmoniker aber anämisch, pervers, trotzdem ein Vollblutmusiker! Ich bin (leider) Erotomane und wirke verderblich auf das deutsche Publikum (die Erotik ist augenscheinlich meine ureigenste Erfindung trotz Figaro, Don Juan, Carmen, Tannhäuser, Tristan, Walküre, Salome, Elektra, Rosenkavalier u.s.f.).
Ich bin aber auch Idealist (Gott sei Dank!), Symboliker, stehe auf dem linkesten Flügel der Moderne (Schönberg, Debussy), stehe nicht ganz links, bin in meiner Musik harmlos, verwende Dreiklänge, ja sogar noch den ganz »trivialen« verminderten Septakkord, lehne mich an Verdi, Puccini, Halévy und Meyerbeer an; bin absolut eigenartig, ein Spekulant auf die Instinkte der Masse; Kinodramatiker; ein Mensch, »der aus Sehnsucht und Morbidezza seine Kräfte zieht«; schreibe ausschließlich homophon, meine Partituren sind gleichzeitig kontrapunktische Meisterwerke, auch »Künsteleien«, meine Musik ist rein und echt, erklügelt, ergrübelt, gesucht, ein Meer voll Wohllaut, eine gräuliche Häufung von Kakophonien, ich bin im Gegensatz zu anderen ein Reklameheld ärgster Sorte, bin »des süßen Weines voll«, »ein grandioses Dokument des Unterganges unserer Kultur«, verrückt, ein klarer berechnender Kopf, ein miserabler Dirigent, auch als Dirigent eine Persönlichkeit, ein glänzender Techniker, vermag nicht einmal meine Werke zu dirigieren (und dirigiere sie immerzu); ich bin auf jeden Fall ein »Fall« (einige werden behaupten ein böser, andere, ein »Reinfall«), ferner bin ich ein schlechter Dichter, aber ein guter Musiker, meine dichterische Begabung ist allerdings weitaus bedeutender als meine musikalische, meine Musik erwächst aus der Dichtung, meine Dichtung aus der Musik, ich bin ein Antipode Pfitzners, der einzige Nachfolger Wagners, ein Konkurrent von Strauss und Puccini, schmeichle dem Publikum, schreibe nur, um alle Leute zu ärgern und trug mich kürzlich tatsächlich mit dem Gedanken, nach - Peru auszuwandern.
Was aber - um Himmels Willen - bin ich nicht? Ich bin (noch) nicht übergeschnappt, nicht größenwahnsinnig, nicht verbittert, ich bin kein Asket, kein Stümper oder Dilettant, und ich habe noch nie eine Kritik geschrieben."