Beiträge von Theiresias

    Stutzmann finde ich hier hervorragend, vor allem ihr Umgang mit dem Vibrato. Sie scheint selbiges unter Kontrolle zu haben und es nach belieben weglassen zu können. So singt sie manche Töne vollkommen gerade oder singt sie gerade an, um dann Vibrato hinzuzunehmen. Ein interessanter Effekt. Vibratolose Töne empfinde ich als kalt aber auch sehr rein, was der Winterreise durchaus zuträglich ist. Deswegen ist Stutzmanns Winterreise in meinen Top 10, sie ist allerdings die einzige weibliche Interpretin hier.


    Fassbaenders Winterreise gefaellt, obwohl ich sie als Liedinterpretin schätze (Wolf: Feuerreiter). Als ich gehört habe, dass sie "Schlossen" mit kurzem o singt, hab ich die Aufnahme weggelegt.


    Christa Ludwig gefällt mir hier überhaupt nicht, das kann ich aber schwer begründen.

    Wer sich kostenlos einmal von der Qualität des Sängers Leonard Warren überzeugen will, findet auf cantablie-subito ein Hörbeispiel, von dem der Autor der Seite meint, es sei eine der aufregendsten Bariton Aufnahmen, die er kenne.


    Es lohnt sich auch, den Begleittext zu lesen.



    EDIT: Hab mir das grade nochmal angehört, wirklich unglaublich: Si può? (Tonio in I Pagliacci / Leoncavallo)


    Der Begleittext lautet:


    "In 1940, the New York Post, hoping to beef up its reputation in the cultural community of New York, decided to record a series of operatic excerpts that could be obtained through discount coupons in the tabloid. Pelletier was to conduct in a series that was to become known as the “No Name Records”, since no credits were given... Pelletier saw to it that the young baritone was awarded some plums. Here the arias sung by Leonard Warren (by the time 29 years old!). Si può and Cortigiani, vil razza, dannata belong to the most thrilling baritone records I ever heard."


    Unglaublich.

    Zitat

    im übrigen bin ich heilfroh, über kein absolutes Gehör zu verfügen und mich daher an einer Stimme wie der von Jonas Kaufmann erfreuen zu können Freude , ohne mir den Genuss dran mit "zu dunkel" (was meines Erachtens reine Geschmackssache ist), "zu eng" etc. vergällen zu lassen.


    Tja ;-)


    Manchmal wünsche ich mir auch, dass ich mir unbeschwert fast jeden Sänger anhören könnte. So wie die Dinge stehen, muss ich vor allem bei Männerstimmen auf ältere Aufnahmen von Sängern, die meist nicht mehr leben, zurückgreifen...


    Hab neulich versucht, den Tannhäuser von Seiffert anzuhören, der ja so hoch gelobt wurde - ging nicht. Hab mich immer dabei ertappt, wie ich mich nach Melchiors Stimme gesehnt habe ;-)


    Zitat

    Bei Kaufmann kann ich keine der von Dir genannten Mängel finden


    Die sind eigentlich ziemlich offensichtlich, ich dachte, vllt geht nur mir das so, aber schau dir mal die Rezensionen zu "Romantic Arias" auf Amazon an: ich bin nicht der einzige, der seine Technik problematisch findet.


    Das ist aber gar nicht so wichtig. Jene, die sich an seinem Gesang erfreuen, sollen dies tun, solange er noch singen kann. Wie gesagt, würde er nicht so bolzen, dann würde er auch nicht die Karriere machen, die er macht.

    Ich habe mir noch zu Zeiten, als der Hype noch nicht so groß war, einige Passagen aus der Winterreise von ihm angehört und war nicht sonderlich beeindruckt. Wie er das sang, war angemessen, mehr aber auch nicht.


    Die Stimme hat einen kehligen Klang und klingt künstlich verdunkelt (baritonal).


    Nun habe ich mir neulich die "Romantic Arias" CD angehört ...
    Auch hab ich ein Interview mit ihm gelesen, wo er in etwa sagt, wie er sieht, dass er seinen Weg bis hin zum "Tristan und den wirklich schweren Brocken" weitergehen kann.


    Ich glaube schon, dass die Stimme für solche, die keine jahrelange Hörerfahrung haben, bzw. nicht selber singen toll klingt. Das tut sie auch, wenn man die technischen Mängel überhört. Die hört vermutlich nur jemand der selber singt:


    zuviel Druck in der Höhe; Mittellage wird zu offen gesungen; Höhe wird zu eng gesungen; schwache Tiefe (Tristan!); verliert Fokus in der Höhe (man vergleiche sein Hohes c (auf dolce speranza) mit jenem Wunderlichs (YouTube) in "che gelida manina")


    Allerdings empfehle ich, sein "gelida manina" mal mit der Aufnahme Wunderlichs (auf deutsch) zu vergleichen, die es auf YouTube gibt. Man wird feststellen, dass ein Vergleich mit Wunderlich nicht zieht.


    Ich stimme mit dem oben genannten Agenten teilweise überein. Kaufmann hatte meiner Meinung nach noch nie eine wirklich ausgereifte Technik und täte gut daran nochmal drei bis fünf Jahre in die Lehre zu gehen (hab mal gelesen, dass er keine gute Meinung von Gesangslehrern hat und sich seine Technik selbst zusammengebastelt hat). Tut er das nicht, sollte er jedenfalls keine schweren Wagnerpartien singen.


    Wieder mal ein Tenor, der von der Maschinerie ausgenommen wird. Er wäre alt genug, eine entsprechende Technik aufzuweisen, die er leider nicht hat.

    Zitat

    Original von ClauS
    Er ist einer der beiden größten Tenöre des letzten Jahrhunderts... um so schlimmer, dass es für diese zwei - im Gegensatz zu FiDi und Prey - kaum würdige Nachfolger gibt. (Sollte mich jemand eines Besseren belehren können, wääre ich sehr dankbar)


    Solche "Jahrhundertaussagen" sind sehr gefährlich - das waren immerhin hundert Jahre - und alle Sänger kennst du bestimmt nicht. Da gab es z.b. noch Peter Anders, Aksel Schiotz und Karl Erb um nur einige zu nennen.

    Von den Aufnahmen, die ich kenne (Fischer-Dieskau, Moore; Bostridge; Schiotz; Hüsch; Schreier/Schiff; Lotte Lehmann; Wunderlich) finde ich die Aufnahmen von Hüsch, Schiotz und Schreier/Schiff in dieser Reihenfolge am besten gelungen.


    Hüsch gelingt eine Aufnahme des gesamten Zyklus "wie aus einem Guss", in der dennoch jedes Lied eine eigene markante Persönlichkeit hat. Dies zeichnet Hüsch auch in der Winterreise aus (zusammen mit Hotter/Raucheisen 1943 die beste Aufnahme, die ich kenne (und ich kenne viele)).


    Schiotz singt einfach perfekt, wobei hier der dynamische Umfang geringer ist als bei Hüsch, der insgesamt intensiver singt.


    Schreier singt mit viel Gefühl und interpretiert durchweg glaubhaft und innig.


    Ich muss dazusagen, dass ich kein Fan von Fischer-Dieskau bin, obwohl ich dessen Leistungen auf dem Gebiet des Kunstliedes bewundere.

    Zitat

    Maria Callas habe ein hässliches Timbre, ein dürres und hartes Stimmaterial und neige zum zu starken tremolieren. Hans Hotter sei nie ein Heldenbariton gewesen, habe zu oft deklamatorische Undeutlichkeiten gezeigt.


    Etwas überspitzt, aber IMO wahr. Nichts desto trotz (wie schreibt man das -.-) waren beide absolute Übersänger. Hotter hatte wenig Metall für einen Heldenbariton, dennoch hatte er eine gewaltige gedeckte Stimme, mit der es ihm bestens gelang, den Wotan und anderer Rollen darzustellen.


    Viele haben schon das Timbre der Callas kritisiert. Unbestreitbar bleibt, dass die Callas eine großartige Technik und Ausdruckstärke besaß; weiterhin einen musikalisch nutzbaren Stimmumfang von 3 Oktaven. Von der Anlage her war sie ja eigentlich ein Mezzo-Sopran. Also:
    Contra Callas: keine schöne Stimme
    Pro Callas: alles andere


    Es gibt also offensichtlich die SCHÖNE STIMME und die GUTE STIMME.


    Ob man eine Stimme als schön empfindet hängt teilweise vom persönlichen Geschmack ab, für die "gute Stimme" gibt es jedoch objektive Merkmale. Dazu gehören:
    - tragfähigkeit
    - Tonkonzentration
    - tragfähiges Piano
    - sog. "Einregister"
    - sog. Metall bzw. oberer "Sängerformant" (Obertonkonzentration bei ca.
    3000 Hz)
    - Dynamische Variationsfähigkeit
    - Legato
    (- gute Deklamation)


    Die Liste legt keinen Wert auf Vollständigkeit. IMO sollte ein Sänger anhand dieser Kriterien von der Kritik beurteilt werden. Sein Erfolg hängt jedoch zum großen Teil von vielen weiteren Faktoren ab, dazu gehören auch Körpergröße (Quasthoff hat sich im Opernfach bisher wenig etablieren können!), Ausstrahlung, Vermarktung, Stimmfach etc.


    Zuletzt möchte ich noch meine Favoriten bezüglich der Stimmschönheit nennen (wahllos und ohne spezifische Reihenfolge):


    - Rita Streich (Koloratursopran)
    - Ezio Pinza (lyrischer Bass)
    - Jussi Björling (lyrischer Tenor)
    - Kurt Moll (profunder Bass)
    - Fritz Wunderlich (lyrischer Tenor)
    - Lotte Lehmann (dramatischer Sopran)

    Hm, das hört sich eher nach "Jäger-und-Sammler-Perfektionismus" als nach Musikliebhaber an ;-)


    Aber ehrlich gesagt - der Jäger-und-Sammler-Instinkt spielt bei Klassikliebhabern eine große Rolle; dagegen muss man ankämpfen, da man sonst irgendwann mit nichts mehr zufrieden ist. ;-)


    Ich kenne gerade mal eine Bach Kantate, und zwar die BWV 82 - unfassbar geniales Werk! Ich habe auch ehrlich gesagt große Hemmungen mich mit den Bach-Kantaten zu befassen, weil es halt so viele sind.

    Folgende CDs sollten in Kombination IMO deinen Ansprüchen genügen:



    Schumann / Dichterliebe op. 48 + Beethoven / Lieder + Schubert / Lieder
    Fritz Wunderlich; DGG - The Originals



    Schubert / Die schöne Müllerin + 3 Lieder (Forelle ist darunter -.-)
    Fritz Wunderlich; DGG - The Originals


    Ich selbst halte Schumann für zugänglicher als Schubert.

    Klassische Musik ist allgemein das komplexeste und anspruchsvollste Genre in der Musik! Natürlich ist sie elitär - und das ist auch gut so.


    Ich bin an einem Gymnasium, das einen starken Musikzug hat, habe also ziemlich viele Klassik-Kenner um mich. Allerdings habe ich auch Leute um mich, die mit Klassik so gut wie nichts anfangen können und am liebsten Punk oder Metal hören. Die sind interessanterweise nicht weniger intellektuell oder gebildet als.


    Klassik ist IMO das elitärste Genre der Musik, es gibt jedoch auch eine große Elite, die keine Klassik hört.


    Ich bin jedenfalls sehr froh, dass mir diese wundervolle Musik nicht verschlossen bleibt und dass sie mich bereichert - natürlich habe ich Präferenzen innerhalb der Klassik. Ehrlich gesagt muss Musik komplex oder zumindest anspruchsvoll sein bzw. einen künstlerischen Anspruch haben - siehe Beatles, dass sie mir gefällt.


    Ich habe schon versucht, Initiatoren für die Liebe zur Klassik zu finden - es ist mir nicht gelungen. Ich kenne Leute, die kein Instrument spielen und dennoch Klassik mögen; ich kenne Leute, die ein klassisches Instrument spielen, aber keine Klassik hören. Ich kenne sogar Leute, die Klassik nur hören um zur "Elite" zu gehören ;-)


    soweit
    Theiresias

    Tolles Thema.


    Hotter war ja geradezu für den Wotan prädestiniert. Auch seine Bühnenpräsenz spielte da sicher eine Rolle. Die Solti-Aufnahme entstand um 1965, da war Hotters Stimme bereits ziemlich am Ende. Wer ihn in seiner Bestzeit hören will, besorgt sich die live-Aufnahme unter Krauss, 1953.


    Einer der großen Wotan-Darsteller noch vor Hotter war mit Sicherheit Friedrich Schorr.

    Es ist wirklich bedauerlich, dass Fritz Wunderlich nicht dazu gekommen ist, eine Winterreise aufzunehmen. Hat er sie überhaupt jemals einstudiert? Seine Aufnahmen der "Schönen Müllerin" von Schubert und der "Dichterliebe" von Schumann zeichnet IMO eine von Intellektualität gereinigte Natürlichkeit, besser: "Echtheit" aus. Wenn er es auch noch geschafft hätte, diese Echtheit mit Melancholie zu verbinden - es wäre wohl eine großartige Winterreise entstanden.


    Weg von den nicht existierenden Aufnahmen. Ich kannte bereits mehrere Aufnahmen: Fischer-Dieskau/Moore, Fischer-Dieskau/Brendel, Schreier/Richter, Schreier/Schiff, Quasthoff/Spencer. Doch erst vor kurzem ist mir eine Aufnahme in die Hände gefallen, wo mich der Zyklus wahrhaftig berührt hat; ich hatte zum erstenmal den Eindruck, dass ich den Wanderer auf seinem eisigen Weg "begleite".


    Es war die Aufnahme mit Hotter und Raucheisen von 1943. Inzwischen habe ich auch Goerne/Johnson gehört - Goerne kommt wohl Wunderlich am nächsten, hätte dieser den Zyklus eingespielt. Nach Hotter/Raucheisen IMO die beste Aufnahme. Jedoch, ihm fehlt Hotters Bass-Mächtigkeit und die unglaubliche Ruhe und Ausgeglichenheit, selbst wenn Hotter scheinbar ausbricht - die Landschaft die er durchschreitet liegt doch totenstill vor den Augen dessen, der ihm andächtig lauscht.