Beiträge von AH.

    Hallo,


    ob eine Transkription für Klavier lohnt, hängt auch vom Charakter des Werkes ab. Beethovens Sinfonien wiedergegeben auf dem Klavier - auch die guten Transkriptionen von Liszt - empfinde ich als Einschränkung, die Musik ist vom Orchester her gedacht, für Klavier wußte Beethoven anders und besser zu schreiben. Ähnliches gilt für Mahler oder Bruckner.


    Brahms-Sinfonien transkribiert für Klavier empfinde ich dagegen als sehr erhellend, die Darbietung auf diesem Instrument trägt mir zum tieferen Verständnis der Werke bei. Ich möchte sagen, sie wirken auf dem Klavier sogar sinnvoller, als in der Orchesterversion.
    Schumanns Prophezeihung "wenn sich sein Zauberstab erst über die Massen senkt" trifft bei Brahms gerade nicht.


    Gruß


    Andreas

    in einem ein wenig "brucknerlastigen" Forum sollte die Motette "Ave Maria" von Bruckner nicht unerwähnt bleiben.
    Sein "Ave Maria" ist sehr inspiriert, stellt eine plausible, durchdachte Musikalisierung dieses Textes dar und ist von einer seltsamen Vollkommeheit. Von der Satztechnik ist es eine glückliche Verbindung aus polyphonen Elementen und Alterationsharmonik.


    Das gilt für alle seine Motetten, die m.E. die mit Abstand qualitätsvollsten Mottenkompositionen sind, die bisher verfaßt wurden. Leider werden sie nicht so oft aufgeführt, da sie aufgrund der großen Intervalle sehr intonationssichere Chöre verlangen - das ist nichts für Laienchöre.


    Zwei zufriedenstellende Tonaufnahmen seien erwähnt, die der Chapelle Royale unter Leitung von Philip Herreweghe (Harmonia Mundi France)
    und die des niederländischen Kammerchores unter Leitung von Uwe Gronostay (Globe), beide sind noch erhältlich.


    Gruß


    Andreas

    Ich möchte auf eine Tonaufnahme dieses Werkes aufmerksam machen, die ich einst bei Dussmann in Berlin (anläßlich eines Mozert-Konzertes von Badura-Skoda war ich dort) entdeckte.
    Leider findet man die Aufnahme nicht bei Amazon o.ä.


    Es handelt sich um die zweite Aufführung dieses Werkes, 1936, quasi die B-Premiere unter Leitung seines Freundes Webern mit dem Widmungsträger Louis Krasner an der Violine.
    Was für eine sprechende, singende Aufführung von expressionistischem Charakter. Für Freunde dieses Werkes dringend empfohlen.


    So sieht die Aufnahme aus, scheint aber leider z.Zt. nicht erhältlich. Auf der deutschen Site von Amazon findet man sie gar nicht.




    Alle anderen mir bekannten Aufnahmen (es sind nicht wenige) wirken gegenüber dieser mehr oder weniger sinnlos.


    Gruß


    Andreas

    vielleicht noch ein Hinweis auf eine bisher nicht genannte Aufnahme, die des Hagen-Quartetts mit Oleg Maisenberg (Lockenhaus-Edition Vol. 6, Philips, einst für 5 DM vom Grabbeltisch).
    Die jungen Leute betonten 1982 das Feurige und Wilde des Werkes, allerdings ohne jede Überhetzung. Ein geglücktes Dokument (ausgezeichnetes, recht direktes, trockenes und natürliches Klangbild) einer geglückten "live"-Darbietung, jeder Takt ist Musik.


    Gruß


    Andreas

    Hallo,


    in der Tat gibt es nur wenige Musik-CD´s mit einer über 60dB hinausgehenden Dynamik. Man mag das bedauern oder praxisgerecht finden, beide Sichtweisen sind verständlich. Ich selbst würde mich zumindest über eine z.B. zusätzliche nicht komprimierte Variante einer Tonaufnahme freuen. Man hat ja bisher keine Wahl.
    Aber als Klassikhörer sollte man hier nicht allzu laut klagen, in anderen Genres wird wesentlich stärker komprimiert. Tonaufnahmen mit einer Dynamik von 1dB (!) gibt es durchaus in den Genres Rock und Pop. Und klägliche 30dB gelten bei Jazz schon als richtig viel.


    Der "geringe" Maximalpegel bei 1% THD des Mitteltöners um 1,5kHz kommt daher, daß hier der Realteil des Strahlungswiderstandes gegen Eins geht (Anpassungsfrequenz, ka = 1, Wellenlänge = Strahlerumfang). Unterhalb dieser Frequenz erhöht die Hornschallführung den Realteil des Strahlungswiderstands und somit den Kennschalldruckpegel.
    Normalerweise (ohne Horn) gleicht sich unterhalb ka = 1 die sinkende Membranamplitude (massegehemmt) und der steigende Realteil des Strahlungswiderstandes aus, so daß sich ein linearer Amplitudenfrequenzgang ergibt. Das Horn erhöht jedoch den Realteil des Strahlungswiderstandes unterhalb ka = 1, so daß die Empfindlichkeit bzw. der Kennschalldruckpegel (ohne Entzerrung) zum unteren Ende des Übertragungsbereichs des MT zunimmt.


    Die Maximalpelgekurve bei 1% THD folgt nun weitgehend der Kurve des Kennschalldruckpegels (vor elektrischer Entzerrung) als Funktion der Frequenz.
    Die Frage bleibt, warum der Maximalpegel oberhalb 2kHz dann wieder ansteigt, die Erklärung dafür liegt sicher im Mitteltonstrahler selbst.


    Gruß


    Andreas

    Hallo,


    Hélène Grimaud ist - immer noch - eine junge Pianistin. Das sollte nicht vergessen werden.


    Welchen Fortschritt sie erzielt hat, kann man am Vergleich der ersten Rachmaninoff-Aufnahmen (Denon) mit den aktuellen (Teldec) erkennen, wo teils dieselben Werke aufgenommen wurden. Bei der späteren Aufnahme von "keiner Interpretation" zu sprechen, trifft den Kern der Sache nicht.
    Die Qualität der Nachschöpfung (ich mag den Begriff "Interpretation" nicht besonders), insbesondere die Phrasierung hat sich bei Grimaud jedenfalls deutlich verändert, zum positiven wie ich meine.


    Eine Darbietung des 4. Klavierkonzerts von Beethoven neulich in Hamburg verlieft keineswegs enttäuschend. Die Vermarktung über das Aussehen ist bei Grimaud m.E. nicht erforderlich, aber immerhin möglich ;)


    Da sie ungefähr meine Generation ist, freue ich mich, ihre weitere Entwicklung vielleicht über viele Jahre verfolgen zu können.


    Gruß


    Andreas

    Zitat

    um es kurz zu machen. Ich habe einen Kollegen, der erklärte mir, Gustav Mahler müsse man live hören. Diese Dynamik liese sich nicht auf eine CD pressen. Die Anlage, welche das von ihm im Konzertsaal in punkto Mahler erlebte wiedergeben könnte, müßte erst noch gebaut werden.


    Hallo Gallo,


    das ist nicht richtig. Ein großes Orchester erreicht maximal ca. 110dB/SPL, die leisesten Stellen liegen kaum unter 40dB/SPL, so daß 70dB Dynamik ausreichend sind, was die CD praktisch ermöglicht.


    Auch die Lautsprechertechnik ermöglicht problemlos unverzerrte Schalldruckpegel in der Größeordnung um 110dB/SPL. Hier der Maximalpgel des Klein+Hummel O500C als Funktion der Frequenz bei 1% Klirrfaktor:



    Sehr wichtig für die Wiedergabe hoher Lautstärken (und überhaupt sehr wichtig für Klangfarbe und Phantomschallquellenbildung) ist eine ausreichende Bedämpfung des Hörraumes. Ein unzureichend bedämpfter Raum hat ein zu starkes Diffusfeld, was die Dynamik komprimiert und hohe Wiedergabelautstärken unangenehm macht. Zusätzlich "vermatschen" starke Einzelrückwürfe (diskrete Reflexionen) das Klangbild.
    Wichtig ist weiterhin eine frequenzlineare Betriebsschallpegelkurve. Aus vielerlei Gründen, u.a. der frequenzabhängigen Nachhallzeit des Raumes und eines unstetigen Bündelungsmaß des Lautsprechres liegt am Hörplatz meist kein ausgewogener Amplitudenfrequenzgang vor, sondern ein zu tiefen Frequenzen ansteigender, was (Fletcher-Munson-Kurven) zu einer unangenehmen Wiedergabe bei hoher Lautstärke führt. Ein zu tiefen Frequenzen steigender Betriebsschallpegel ist quasi eine fest eingebaute Loudnessfunktion und zwingt zum leisen Hören. Wer hohe Dynamik hören möchte benötigt also:


    (1) einen stark bedämpften Hörraum
    (2) einen linearen Amplitudenfrequenzgang am Hörplatz (frequenzlineare Betriebsschallpegelkurve)
    (3) einen pegelfesten Lautsprecher (empfehlenswert: Größere Hauptregielautsprecher, die bei mittleren Frequenzen 112dB/SPL @ 1m liefern können, wie in IRT b115/90d vorgeschrieben)
    (4) eine Tonaufnahme mit nicht komprimierter Dynamik


    Gruß


    Andreas

    Hallo Ben,


    im Zuge der Diskussion um das Finale der Sinfonie stellt sich für mich noch eine andere Frage, die Frage bezüglich der Satzfolge.


    Die Mittelsätze der neunten Sinfonie sind ja (gegenüber der Konvention) "vertauscht", wie dies z.B. auch bei der Achten oder bei Beethovens Neunter der Fall ist. Gibt es eindeutige Hinweise vom Komponisten bezüglich dieser "vertauschten" Satzfolge? Oder hat sich diese Satzfolge nur eingebürgert, weil das Finale fehlt?
    Der langsame Satz hat zugegebenermaßen eine großartige Schlußwirkung, nur stimmt diese Schlußwirkung vielleicht nicht mit dem Gedanken hinter dem Werk überein. Die Aufführung eines Torsos Kopfsatz-Adagio-Scherzo würde aber keinen Sinn ergeben, während sich bei vertauschter Satzfolge so etwas wie ein Sinn zu ergeben vermag.


    Es gibt bekanntlich die Äußerung von Bruckner (gegenüber seinem Arzt, also unter nicht optimalen gesundheitlichen Bedingungen), daß er im Finale das Halleluja des 2. Satzes (!) mit aller Macht wiederbringen wolle. Im Scherzo ist es aber so gut wie unmöglich, ein "Halleluja" zu finden, während sich im Adagio ganz bequem ein wichtiges, den Satz beherrschendes Viertonmotiv findet, wo "Halleluja" bestens paßt. Dieses Viertonmotiv eignet sich auch sehr gut, um kontrapunktisch mit dem Viertonmotiv aus dem Te Deum verbunden zu werden. Demnach wäre womöglich das Adagio der 2. Satz, wie es nach der Konvention zu erwarten ist.


    Die Sinfonie ist fraglos positiv gedacht, wenn das Te Deum als Finale vom Komponisten vorgeschlagen werden kann. Sie sollte daher nicht negativ enden, wie es heute meist der Fall ist. Auch unter diesem Aspekt begrüße ich alle Bemühungen, eine spielbare Fassung des Finales herzustellen. Von Tonaufnahmem her kenne ich nur die Samale/Mazucca/Philips-Version in einer Darbietung unter Leitung von Kurt Eichhorn, die mich mit Ausnahme der ganz verfehlt wirkenden Coda zu überzeugen vermag. Ich bedauere sehr, daß es Eichhorn nicht vergönnt war, alle Sinfonien aufzunehmen, sein Musizieren kommt meiner Vorstellung von diesen Sinfonien sehr nah.


    Gruß


    Andreas