Beiträge von Hosenrolle1

    Der wesentliche Vorwurf lautet, dass Herheim sich "nur" auf die musikalische, und nicht auf die politische bzw. sozialkritische Ebene des Stückes eingelassen hat. Dagegen könnte man einwenden, dass sich auch Mozart und sein Librettist da Ponte insbesondere im Vergleich zu Beaumarchais Theaterkomödie fast ebensowenig auf diese Ebenen begeben haben.


    Zumindest nicht in Worten, aber durchaus in der Musik!


    Schon in der Ouvertüre gibt es einige Motive, die etwa zeigen, wie Untergebene aufbegehren, zum Sturm blasen. Bei Interesse kann ich darauf näher eingehen, inkl. Notenbeispiele.




    LG,
    Hosenrolle1

    @Hosenrolle: Ich kann mich an die Szene während dieser Arie der Susanna nicht wirklich erinnern. Wenn man so will, handelte es sich ja nicht um eine konventionelle Inszenierung, sondern um eine dem Albernen durchaus raumgebenden Beitrag des Regisseurs, aber auf einem höheren Anspruchsniveau. Die sich dem Publikum mitteilende Spielfreude des Ensembles ist wohl auch dieser abgehoben unernsten, aber nicht tiefenlosen Inszenierung zu danken.


    Auch "konventionelle" Inszenierungen können speziell in dieser Arie ziemlich klamaukig sein. In der Partitur bzw. dem Libretto steht nämlich ausdrücklich, dass Cherubino während dieser Arie nicht verkleidet wird. Deswegen hat mich interessiert, wie das gelöst wurde. Wurde er verkleidet, oder hat sich der Regisseur etwas anderes einfallen lassen.
    Ich bin für neue Ideen immer offen, nur langweilig darf es nicht werden :)


    Grundidee des Regisseurs war wohl (so interpretiere ich es, ohne entsprechende mögliche Ausführungen im Programmheft gelesen zu haben), dass die zwischenmenschlichen Beziehungen bei allen an dieser Scharade Beteiligten auf den Prüfstand geraten. Düpiert sind wirklich nur zwei, Amalviva, weil er mit den Neuerungen der Zeit schwer zurechtkommt (und mit seinem Liebesantrag am Ende doch zu einer ganz überzeugenden Einsicht gelangt,


    Dass Almaviva zu irgendeiner Einsicht gelangt ist sehr zu bezweifeln. Das vermeintliche Happy End ist höchstens von kurzer Dauer. Selbst wenn er seine Entschuldigung (oder eher: sein Selbstmitleid) ernst meint (was sollen diese beiden Fermaten am Ende!?), er meint es nur für den Moment ernst, auf Dauer aber wird das nicht gut gehen. (Im dritten Teil der Figaro-Trilogie von Beaumarchais haben sowohl Almaviva als auch die Gräfin uneheliche Kinder, und seine Eifersucht ist nach wie vor da, er macht seine Frau sogar ziemlich fertig)


    EDIT: habe auf YouTube nachgesehen, da gibt´s auch einen Trailer dazu:



    Schaut auf jeden Fall interessant aus, wäre die Musik nicht, würde ich mir das auch ansehen!




    LG,
    hosenrolle1

    Was HIP angeht sprichst Du mir aus der Seele, ich orientiere mich da auch gerade um.
    Mir geht's so, dass mir die "anderen" Aufnahmen im Vergleich dazu jetzt irgendwie total langweilig vorkommen...


    Das kann ich nur zu gut nachvollziehen. Es freut mich, dass ihr beide jetzt auf solche Dinge Wert legt :)



    Und selbstverständlich dankeschön für die Infos! Da kann man schon manchmal den Überblick verlieren, welche Arie jetzt wann, für wen und welche Aufführung komponiert bzw. nachkomponiert wurde!


    Bei Ottavio wurde ja offenbar auch gestrichen, und da ist die Frage, ob sein Charakter dadurch in den unterschiedlichen Versionen sich ändert, oder gleich bleibt.




    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

    Ich habe jetzt das Booklet, und mir das Interview durchgelesen, sowie angesehen, welche Nummern da als Anhang drangehängt wurden.


    APPENDIX / PRAG-FASSUNG


    Recitativo: Dunque quello sei tu
    (Zerlina, Donna Elvira, Don Ottavio, Masetto)


    No. 20 Aria: Ah pietà, sognori miei
    (Leporello)


    Recitativo: Ferma, perfido, ferma
    (Donna Elvira, Masetto, Zerlina, Don Ottavio)


    No. 21 Arie: Il mio Tesoro intanto
    (Don Ottavio)



    Hier sagt er etwas über Don Ottavio:


    Zitat

    Aber Hoffmanns Sicht auf Donna Anna könnte doch stimmen, ihre heimliche Leidenschaft, ihre Liebe für den Unbekannten, der sie vergewaltigen wollte? Wie
    kann man sich nur einen Moment vorstellen, dass eine starke Frau wie sie einen Schwächling wie Don Ottavio lieben kann?


    In da Pontes Libretto und Mozarts Musik können wir nichts finden, was diese “Ideologie” begründet. Zwischen Donna Anna, Don Ottavio und dem Komtur besteht eine “empfindsame Dreierkonstellation, wie sie uns in zahllosen Dramen des späten 18. Jahrhunderts begegnet” (Borchmeyer). Don Ottavio ist kein Schwächling, aber “der typisch zärtliche Bräutigam, dessen maßvolle, in ihrer Verhüllung von Sinnlichkeit und Leidenschaft den empfindsamen Gefühlscode niemals verletzende Liebe mit der Vater-Tochter-Beziehung vollkommen harmoniert”. Seine beiden Arien sind typische “empfindsame” Arien. Mozart wollte, dass Don Ottavio in beiden Fassungen nur eine einzige Arie singt, sozusagen als bliebe er in Donna Annas Schatten. Beide Arien sind von vollkommener Schönheit, aber ohne Zweifel steht die Wiener Arie (“Dalla sua pace”) an einer sinnvolleren Stelle als die Prager (“Il mio tesoro”), die in der zu weit fortgeschrittenen Handlung wie eingeschoben wirkt: Don Ottavio hat sich, nach langem Zweifel endlich von Don Giovannis Schuld überzeugt, entschieden zu handeln, indem er zur Polizei geht.
    Weit entfernt von Hoffmanns Degradierung Don Ottavios („Ein zierliches, geputztes, gelecktes Männlein“) steht die Sicht mehrerer moderner Kommentatoren wie Friedrich Dieckmann, Stefan Kunze, Dieter Borchmeyer oder Julian Rushton auf ein Don Ottavio als „Mann der Zukunft“ in seiner Verbindung von Empfindsamkeit und Rationalität. So interpretiert ist er der „erotische Antipode Don Giovannis“ (Borchmeyer). Gegenüber der absoluten Bedingungslosigkeit des „dissoluto“, repräsentiert Don Ottavio „den vom empfindsamen Diskurs geforderten Altruismus“. Gegenüber der „Okkupationserotik“ Don Giovannis steht bei Don Ottavio die „Disziplinierung des Erotischen“; gegenüber Don Giovannis Gewalttätigkeit steht Don Ottavios Gewaltlosigkeit, der „Clemenza“ des Tito nicht unähnlich: Waffengewalt ist für ihn die ultima ratio – übrigens hat derselbe Prager Sänger in den Uraufführungen beider Opern die Rollen des Don Ottavio und Tito gesungen. Es steckt sicher eine moralisierende Absicht hinter dieser Gegenüberstellung von „feudalaristokratischem Libertin“ und einem neuen „Modellbürger“. Sie erklingt, quasi programmatisch, schon in der ouvertüre: während der langsame d-moll-Teil eine Vorwegnahme der „Geisterstunde“ des Steinernen Gastes am Ende des Stückes sein will, baut Mozart den schnellen D-dur-Teil auf ein Thema auf, das als Zitat von Don Ottavios erster Gesangsphase zu lesen ist, wenn er im Sextett des 2. Aktes mit Donna Anna von der Trauerfeier für ihren Vater zurückkehrt.



    Und hier über die von ihm gewählte Fassung:


    Zitat

    Sie haben “Don Giovanni” hier in der Prager Fassung eingespielt und als Anhang die Wiener Nummern hinzugefügt. Weshalb haben Sie sich nicht für die übliche Mischfassung entschieden?



    Beide Fassungen sind absolut gleichwertig. Es ist möglich, dass Mozart die zusätzlichen Wiener Nummern an erster Stelle komponiert hat, um die besonderen Qualitäten der neuen Sänger besser hervorzuheben. So war Caterina Cavalieri, für die Mozart die zusätzliche Arie “Mi tradi” im 2. Akt schrieb, mehr eine typische opera seria-Sängerin, während ihre Prager Kollegin Caterina Micelli eine typische Sängerin von mezzo carattere-Rollen war (halb seria, halb buffa), die wahrscheinlich eine weniger schöne Stimme hatte, aber eine bessere Schauspielerin war. Die farcenhafte Duettszene zwischen Zerlina und Leporello, ebenfalls im 2. Akt, ein Ersatz für Leporellos Arie “Ah pietà”, war wohl besonders abgestimmt auf die schauspielerischen Qualitäten der beiden Wiener Sänger Luisa Mombelli, die erste Gräfin, die eigentlich für die Rolle Donna Annas vorgesehen, aber im 7. Monat schwanger war und deswegen umbesetzt wurde, weil sie die Rolle weniger anstrengend fand, und Francesco Benucci, dem ersten Figaro. Es stimmt nicht, dass die derbe Komik dieser Szene nicht zu dem Werk passt, wie viele Kommentatoren immer noch behaupten, weil sie die äußersten Konsequenzen des dramma giocoso nicht akzeptieren können: die Szene im reinsten commedia dell´ arte-Stil mit viel Rezitativ und einem Duett, das ein musikalisches Juwel und keineswegs „schwach“ ist, wie die Kommentatoren voneinander abschreiben, kommt nämlich direkt vor Donna Elviras Lamento „Mi tradi“ und der so „tragischen“, in Wirklichkeit aber im komischen Stil komponierten Friedhofszene. Sowohl in der Prager als auch in der Wiener Fassung zeigt Mozart sein sicheres Gespür für die richtige Balance zwischen Rezitativen, Arien und Ensembles. Ohne seine zweifellos dramaturgisch begründete Wiener Entscheidung, Don Ottavios einzige Arie, das als „empfindsame“ Antwort auf Donna Annas „Or sei chi l´onore“ neukomponierte „Dalla sua pace“ im 1. Akt zu platzieren und nicht wie seine Prager Arie „Il mio tesoro“ im 2. Akt, wäre der 2. Akt bestimmt zu lang geworden. Es ist diese richtige Balance, die in der Mischfassung (Don Ottavios beide Arien, dazu Elviras „Mi tradi“, aber nicht das „unwürdige“, komischie Duett zwischen Zerlina und Leporello) fehlt: der 2. Akt wird durch einen richtigen „Arienstau“ ohne jegliche komische Zwischenszenen ganz das Gegenteil von giocoso -, sodass der Akt länger und weniger abwechslungsreich wird als Mozart es sich gewünscht hätte. Dazu kommt, dass das „Mi tradi“ in der Wiener Fassung durch das vorangehende Rezitativ dramaturgisch begründet wird, während die Arie in der Mischfassung wie eine eingeschobene Konzertarie wirkt.



    Zitat

    „Don Giovanni“ wurde seit der Uraufführung bis heute ununterbrochen gespielt. Es gibt in der Aufführungstradition dieser Oper eine seltsame Kontinuität – wie konnten sich die „authentischen“ Tempo manchmal so grundlegend ändern, wie an den CD-Einspielungen von Mozartopern bis heute zu hören ist?


    Es gibt mehrere Gründe. Erstens hat die für das 18. Jahrhundert typische Katalogisierung der Opernrollen im 19. Jahrhundert völlig ausgedient.
    Diese Katalogisierung unterteilte die Rollen in parti serie, parti buffe und die mezzo carattere. Die parti serie wie Donna Anna und Don Ottavio, bei denen es vor allem auf die hohe Gesangskunst ankommt mit flexiblen Stimmen, leicht, aber reich an Farben, waren für das damalige bel canto mit ihren improvisierten Verzierungen geeignet, bei den parti buffe, wie zum Beispiel Zerlina, Leporello und Masetto, kommt es hauptsächlich auf die Schauspielkunst an; sie müssen Stimmen haben, die entweder leicht und spritzig sind, wie die der Zerlina, die halbschwer, wie die des Masetto, oder noch schwerer sind, wie die des Leporello, der allerdings auch ein Virtuose des so typischen schnellen Buffo-Geplappers sein muss. Schließlich sind da die parti di mezzo carattere, wie Donna Elvira und Don Giovanni, die in beiden Welten zuhause sind. Auch weil die Opernhäuser und Orchester immer größer wurden, konnte es im 19. Jahrhundert eine so reiche Abwechslung an Stimmen – so unterschiedliche, wie die Menschen eben unterschiedlich sind – nicht mehr geben, und es dominierten größere, schwerere und dadurch langsamere Stimmen. Zweitens der psychologische Faktor, dass, wenn dassselbe Stück immer wieder aufgeführt wird, die Musik so bekannt ist und geliebt wird, dass man den Genuss des Bekannten so lang wie möglich dauern lassen will. Drittens trägt im Falle des „Don Giovanni“ die romantische Deutung wohl die Hauptschuld an sowohl zu langsamen als auch zu schnellen Tempi.




    LG,
    Hosenrolle1

    Heute werden ja für gewöhnlich beide gesungen. Merkwürdig, dass die zweite bei der Jacobs- Version fehlt!


    Dazu kann ich natürlich nichts sagen, aber ich werde schauen, dass ich das Booklet von Jacobs´ DG-Einspielung auftreibe, und nachsehen, ob er etwas dazu sagt, warum er welche Sachen spielt oder nicht spielt. Aber vielleicht hat jemand diese Einspielung und kann was dazu sagen?


    Ich habe in Mozarts "Verzeichnüß aller meiner Werke" den Eintrag, von dem die Rede war, gefunden, und einen Screenshot davon gemacht:






    Ach ja, dafür gibt's in beiden Versionen das Duett zwischen Zerlina und Leporello, das Mozart für die Wiener Premiere damals nachkomponiert hat und das in der Regel immer weggelassen wird!


    Dazu schreibt die NMA auch etwas:



    Zitat

    Leporellos Arie „Ah pietà, signori miei“ (No. 20) wurde durch das neukomponierte Rezitativ “Ah pietà … compassion“ ersetzt (…): Mozart komponierte dann für Zerlina/Leporello das Duett „Per queste tue manine“ KV 540b, das zwar im Autograph nicht erhalten ist, jedoch im eigenhändigen Werkverzeichnis Aufnahme fand: Den 28: detto 1788 / Ein Duetto zur Oper: Don Giovanni, für Mad:me Mombelli und Sig. Benucci / in C Dur. – Per quelle [!]
    Tue Manine etc: / 2 Violini, viole, 2 flauti, 2 oboe, 2 fagotti, 2 Clarini, e Bassi.


    Zusammen mit dem ebenfalls nachkomponierten Rezitativ “Restati qua” wurde das Duett im zweiten Akt nach dem Rezitativ der Scena X eingeschaltet.



    Was ich überhaupt nicht verstehe (mangels Kenntnis der Oper), für Don Giovanni-Freunde aber sicher besser verständlich ist, ist das hier:


    Zitat

    In den musikalischen Quellen erscheint die Scena X unverändert in der „Prager Fassung“, mit dem Unterschied natürlich, dass die Arie des Ottavio (No. 21) wegfällt. Im Wiener Libretto erfährt sie jedoch eine leichte Umarbeitung, indem Zerlina und Masetto vorzeitig abgehen (Don Ottavio also dann nur noch Donna Elvira anspricht), wodurch der Wiederauftritt Zerlinas mit Leporello in Szene X a besser motiviert wird. Es bleibt dramaturgisch unverständlich, warum die musikalischen Quellen diese Version nicht übernehmen. – Mag nun Scena X inhaltlich ihren Sinn haben – Don Ottavio muss ja doch spätestens jetzt sagen, dass auch er nunmehr von der Schuld Don Giovannis überzeugt sei -, so wirkt sie in der Wiener Szenenfolge zumindest musikalisch um so unwahrscheinlicher: Mozart hat den Beginn der Scena X a (Auftritt Zerlinas, die Leporello an den Haaren hinter sich herzieht) doch offensichtlich so komponiert, als solle er sich unmittelbar oder nach nur kurzer Pause an Scene IX (Leporello flieht) anschließen.
    In der Handlungsfolge also etwa zu denken: Flucht: Zerlina (die am nächsten steht) hinter Leporello her; Verwirrung: alle übrigen ab. Pause, bis die Szene leer ist, dann nimmt der Continuo das vorhin jäh abgebrochene „schaukelnde“ Dreiklang-Ostinato wieder auf, und Zerlina zerrt Leporello auf die bühne zurück usw. Dieser logische (und äußerst witzig komponierte) Szenenzusammenhang wird durch die „dazwischengesetzte“ Scena X sehr empfindlich gestört.




    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

    Lieber Hosenrolle1, nein, deshalb finde ich Erläuterungen, wie Du sie in den verlinkten Beiträgen gegeben hast, so hilfreich.


    Es lohnt sich auf jeden Fall, Noten zu lernen und sich zumindest musiktheoretische Grundkenntnisse anzueignen, etwa die Namen der Intervalle (Prim, Sekund, Terz, Quart, Quint, etc.), natürlich die Namen der Noten (Tonhöhe und Notenwert), und solche Sachen wie Dur-Tonarten und ihre dazugehörigen Moll-Tonarten sowie die Dominante, Subdominante etc.


    Wenn man diese Dinge kennt, dann wird man schon viele Dinge entdecken, die man vorher nur vom Zuhören nicht erkannt hat.


    Nicht in jedem Fall äußert man sich dann direkt im Thread, weil dieser sonst wohl zerfasern würde.


    Naja, wenn es zum Threadthema gehört, sehe ich das nicht so schwierig - in diesem Fall geht es ja darum, Don Ottavio besser zu verstehen, bzw. generell um seine Figur, und wenn man sich da nur auf die reinen Worte verlässt, oder darauf, wie die Musik (womöglich auch noch auf modernen Instrumenten gespielt, die sie zusätzlich verfälschen und unkenntlich machen) vom Gefühl her klingt, dann ist das einfach zu wenig. In der barocken Musik gab es fixe musikalische Figuren, die eine fixe Bedeutung hatten. In Büchern wie der musikalischen Figurenlehre werden Beispiele dafür gezeigt. Und auch Mozarts Musik ist noch rhetorisch; manche Figuren sind noch von den barocken Figuren beeinflusst, viele andere hat er sich praktisch selbst ausgedacht und konsequent in seinen Werken verwendet.
    Leopold Mozart schrieb seinem Sohn noch:


    Zitat

    Ich empfehle dir Bey deiner Arbeit nicht einzig und allein für das musikalische, sondern auch für das ohnmusikalische Publikum zu denken, - du weist es sind 100 Ohnwissende gegen 10 wahre Kenner



    Harnoncourt hat in seinem Werk "Musik als Klangrede" auch noch etwas zum Thema "Gefühlsmusik" geschrieben, das ich gerne zitieren möchte, wobei ich die wichtigsten Passagen fett markiert habe:



    Zitat

    Es gibt in dieser Entwicklung einige interessante Bruchstellen, die das Verhältnis von Meister und Lehrling in Frage stellen und verändern. Eine dieser Bruchstellen ist die Französische Revolution. In der großen Wende, die durch sie bewirkt wurde, kann man erkennen, wie die gesamte Musikausbildung und auch das Musikleben eine grundsätzlich neue Funktion bekamen. Das Verhältnis Meister-Lehrling wurde nun durch ein System, eine Institution ersetzt: das Conservatoire. Das System dieses Conservatoire könnte man als eine politische Musikerziehung bezeichnen. Die Französische Revolution hatte fast alle Musiker auf ihrer Seite, und man war sich bewusst, dass mit Hilfe der Kunst, und ganz besonders der Musik, die nicht mit Worten arbeitet, sondern mit geheimnisvoll wirkenden „Giften“, Menschen beeinflusst werden können. Die politische Nutzung der Kunst zur offensichtlichen oder unmerklichen Indoktrinierung der Staatsbürger oder der Untertanten war natürlich von alters her bekannt; sie wurde nur in der Musik nie vorher so planmäßig eingesetzt.
    Bei der französischen Methode, eine bis in die letzten Einzelheiten durch konstruierte Vereinheitlichung des musikalischen Stils zu erzielen, ging es darum, die Musik in das politische Gesamtkonzept zu integrieren. Das theoretische Prinzip: die Musik muss so einfach sein, dass sie von jedem verstanden werden kann (wobei das Wort „verstanden“ eigentlich nicht mehr zutrifft), sie muss jeden rühren, aufputschen, einschläfern … ob er nun gebildet ist oder nicht; sie muss eine „Sprache“ sein, die jeder versteht, ohne sie lernen zu müssen.
    Diese Forderungen waren nur nötig und möglich, weil die Musik der Zeit davor sich primär an die „Gebildeten“ wendet, also an Menschen, die die musikalische Sprache gelernt haben. Die Musikerziehung hat im Abendland von jeher zu den wesentlichen Teilen der Erziehung gehört. Wenn nun die traditionelle Musikerziehung eingestellt wird, hört die elitäre Gemeinschaft von Musikern und gebildeten Hörern auf. Wenn jedermann angesprochen werden soll, ja der Hörer gar nichts mehr von Musik zu verstehen braucht, muss alles Sprechende – das Verstehen erfordert – aus der Musik eliminiert werden; der Komponist muss Musik schreiben, die auf einfachste und eingängigste Weise direkt das Gefühl anspricht. (Philosophen sagen in diesem Zusammenhang: Wenn die Kunst nur noch gefällt, ist sie auch nur für Ignoranten gut.)
    Unter dieser Voraussetzung also hat Cherubini das alte Meister-Lehrling Verhältnis im Conservatoire aufgehoben. Er ließ von den größten Autoritäten der Zeit Schulwerke schreiben, die das neue Ideal der Egalité (der Gleichmäßigkeit) in der Musik verwirklichen sollten. In diesem Sinne hat Baillot seine Violinschule, hat Kreutzer seine Etüden geschrieben. Die bedeutendsten Musikpädagogen Frankreichs mussten die neuen Ideen der Musik in einem festen System niederlegen. Technisch ging es darum, das Sprechende durch das Malende zu ersetzen. (…) Diese Revolution in der Musikerausbildung hat man derart radikal durchgeführt, dass innerhalb weniger Jahrzehnte überall in Europa die Musiker nach dem Conservatoire-System ausgebildet werden. Geradezu grotesk aber erscheint mir, dass dieses System heute noch die Basis unserer Musikerziehung ist! Alles, was vorher wichtig war, wurde dadurch ausgelöscht!
    Es ist interessant, dass einer der ersten großen Bewunderer der neuen Art, Musik zu machen, Richard Wagner war. Er dirigierte das Orchester des Conservatoire und war begeistert, wie nahtlos Auf- und Abstrich der Geigen ineinander übergingen, wie großflächig ihre Melodien waren, dass nunmehr mit der Musik gemalt werden könnte. Er erklärte später immer wieder, er habe ein derartiges Legato mit deutschen Orchestern nie wieder erreicht. Ich bin der Meinung, dass diese Methode optimal ist für die Musik Wagners, aber dass sie geradezu tödlich ist für die Musik von Mozart. Genaugenommen erhält der heutige Musiker eine Ausbildung, deren Methode sein Lehrer so wenig durchschaut wie er selbst. Er lernt die Systeme von Baillot und Kreutzer, die für die Musiker von deren Zeitgenossen konstruiert wurden, und wendet sie auf die Musik völlig anderer Zeiten und Stile an. Offensichtlich ohne sie neu durchzudenken, werden sämtliche theoretischen Grundlagen, die vor hundertachtzig Jahren sehr sinnvoll waren, noch immer in die heutige Musikerausbildung übernommen, aber nicht mehr verstanden. (…) Brahms sagte einmal, man müsse ebensoviel Zeit dafür aufwenden, zu lesen wie Klavier zu üben, um ein guter Musiker zu werden. Damit ist eigentlich auch für heute alles gesagt. Da wir nun einmal Musik aus etwa vier Jahrhunderten aufführen, müssen wir, anders als die Musiker früherer Zeiten, die optimalen Aufführungsbedingungen jeder Art von Musik studieren. Ein Geiger mit der perfektesten Kreutzer/Paganini-Technik möge nicht glauben, damit das Rüstzeug für Bach oder Mozart erworben zu haben. Dafür müsste er die technischen Voraussetzungen und den Sinn der „sprechenden“ Musik des 18. Jahrhunderts wieder zu verstehen und zu erlernen trachten.
    Es handelt sich hier nur um die eine Seite des Problems, denn auch der Hörer müsste zu einem viel umfassenderen Verständnis herangeführt werden. Derzeit leidet er noch immer unter der Entmündigung in der Folge der Französischen Revolution, ohne es zu wissen. Schönheit und Gefühl sind bei ihm, wie bei den meisten Musikern, die einzigen Komponenten, auf die das Musikerleben und –verstehen reduziert ist. (…)


    Ich zitiere das deswegen, weil ich zeigen möchte, dass diese Musik keine reine Gefühlsdusche ist, und eben "spricht", und ich bei der Analyse einer Opernfigur auch wissen möchte, was die Musik da sagt.




    LG,
    Hosenrolle1

    Okay, habe gerade nachgesehen, das "Il mio tesoro" ist auch bei der Live- Aufnahme nicht dabei.
    Aber ich glaube, mich zu erinnern, dass das auch so ein Stück ist, das Mozart im Nachhinein erst komponiert hat...


    In der NMA habe ich dazu folgendes im Vorwort gefunden:



    Zitat

    Es gibt, streng genommen, nur eine einzige Fassung des Don Giovanni, die unbedingten Anspruch auf Authentizität erheben darf: Das ist die Oper, wie sie für Prag komponiert und dort am 29. Oktober 1787 mit beispiellosem Erfolg aufgeführt worden war. Zugleich ist dies auch die einzige Fassung, die sich genau definieren lässt. Denn die sogenannte „Wiener Fassung“ ist nach all dem, was aus dem bis jetzt vorliegenden Quellenmaterial geschlossen werden darf, nichts weniger als eindeutig zu nennen; vielmehr hat sie den Charakter des Variablen, des Experimentierens, des Nicht-Endgültigen – bis hin zu der letzten Aufführung, die zu Mozarts Lebzeiten in Wien stattgefunden hat (15. Dezember 1788). Weit davon entfernt, eine Fassung „letzter Hand“ zu sein, lässt sie noch nicht einmal Mozarts künstlerische Absichten hinreichend klar erkennen. Wenn sich darum – entsprechend den Grundsätzen einer kritischen Ausgabe – die vorliegende Edition in ihrem Hauptteil auf die Wiedergabe der Prager Originalfassung beschränkt und die für Wien vorgenommenen Zusätze und Änderungen in den Anhang verweist, so sind sich die Bandbearbeiter nur zu sehr dessen bewusst, dass sie damit in erklärtem Widerspruch zur traditionellen Bühnenpraxis stehen: Der Don Giovanni der heutigen wie auch der früheren Bühnen ist ein weder logisch noch ästhetisch noch gar historisch befriedigendes Sowohl-als-auch, das keineswegs dem entspricht, was Mozart gewollt und beabsichtigt hat.
    Es ist ratsam, im Folgenden zwischen sicheren Fakten und offenen Problemen der „Wiener Fassung“ zu unterscheiden, wobei an dieser Stelle nur die wichtigsten Einzelheiten erörtert werden können.


    Gesichertes:


    1. Francesco Morella, der Wiener Don Ottavio, scheint die Koloraturen der Arie No. 21 „Il mio tesoro intando“ gefürchtet zu haben, so dass sich Mozart entschloss, die Nummer ersatzlos zu streichen und eine dem Gesangsstil Morellas besser entsprechende neue Arie zu komponieren (KV 540a), die – dramaturgisch unverständlich – nach dem Rezitativ „Come mai creder deggio“ aus der Scena XIV des ersten Aktes eingeschoben wurde. Mozart trägt sie am 24. April 1788 in sein eigenhändiges Werkverzeichnis mit folgenden Worten ein: Eine Aria zur Oper: Don Giovanni in g dur. Für M:r Morella. Dalla sua pace etc: / 2 Violini, Viole, 1 flauto, 2 oboe, 2 Corni, 2 fagotti, e Bassi.
    Diese neue Ottavio-Arie ist in Mozarts Handschrift überliefert.




    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

    Au warte, stimmt, der Satz hat ja mit dem Original wirklich gar nichts mehr zu tun!


    Soviel zum Thema "Deutsche Übersetzungen helfen beim Verständnis der Oper" *gg*


    Aber das ist auch eine andere Szene- in der Ottavio Verhalten allerdings auch nicht wirklich für ihn spricht. Er drängt da erneut auf Heirat, und sie bittet ihn, noch zu warten, weil ja gerade erst ihr Vater ermordet wurde ( Kann ich irgendwie verstehen..).
    Er allerdings nicht! Er wirft ihr daraufhin knallhart vor "durch neues Verzögern mein Leid zu mehren" und setzt noch einen drauf, indem er sie "Grausame" nennt. Spricht nicht unbedingt für emotionalen Tiefgang...


    Klingt auch wirklich unsympathisch, da hast du Recht. Wer da herumjammert und meint, dass er "leidet", weil er keinen Ring am Finger hat, ist sowieso lächerlich in meinen Augen. Kein Wundert, dass Don Giovanni da interessanter wirkt, weil der nicht so am altmodischen Heiraten interessiert ist ;)


    P.S. @ Hosenrolle 1: Du hattest doch mal in einem anderen Thread diese komplette Aufnahme des Don Giovanni in HIP gepostet.
    Vielleicht magst Du die hier ja noch einmal einstellen, damit andere auch mal 'reinhören, ich war total begeistert davon!


    Das freut mich, dass es dir gefallen hat. Die alten Instrumente, besonders das Blech, sind dann doch interessanter, oder? Was mich bei Jacob´s Aufnahmen zum Figaro und zur Entführung stört sind die übertrieben häufigen Verzierungen und die SängerInnen, da bin ich ganz offen. Hoffentlich ist das beim Don Giovanni nicht so arg.


    Hier der Don Giovanni unter Jacobs:



    Und hier noch eine Live-Aufnahme, ebenfalls unter Jacobs und dem Freiburger Barockorchester. Leider nur in lächerlichen 360p.



    (Auf Spotify gibt´s noch einen anderen Don Giovanni on period instruments, unter Currentzis: https://open.spotify.com/album/7BMtI9WtHL5vtBGhDEbhPA)




    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

    Vielleicht findest Du ja da noch etwas heraus? Daran, wie er auf Annas Schilderung reagiert? Da lässt sich ja vielleicht noch etwas über seinen Charakter herausfinden...


    Da bin ich leider doch der Falsche, weil ich die Oper zu wenig kenne. Ich kann mir zwar vielleicht einzelne Motive raussuchen, oder die Modulationen ansehen, jedoch wird es dann schwer mit der Interpretation, weil ich keine Zusammenhänge kenne, und weil ich noch nicht mal eine wörtliche dt. Übersetzung habe. Bei den Modulationen in den Gräfin-Susanna-Cherubino-Szenen war das einfacher: Cherubino erzählt von dem Band, und die Tonarten springen wie verrückt herum. Hier wusste ich aber schon einiges von der Handlung, wusste, dass Cherubino das Band vorher geklaut hat.


    In dem Buch steht leider recht wenig über Don Ottavio, die Analysen widmen sich in erster Linie Donna Anna. Über Don Ottavio meint der Autor, dass er für Donna Anna nicht mehr sein kann als der verlängerte Arm für ihre Rache. Als sie meint "Führe nicht in Versuchung die Standhaftigkeit meines empfindsamen Herzens: Genug für dich spricht die Liebe in mir", soll Mozarts Musik offenbar ausdrücken, wie der Komponist den Satz auslegt:


    Zitat

    "Annas gedrückte Stimmung findet nicht aus dem engen Bereich der nahe verwandten B-Tonarten g, B, F und d heraus. Der Gedanke an das, "was ihre Herzen schon lange ersehnen", kann sie nicht aufheitern. Aus B-Dur (die ersten beiden Takte) wird sie durch ihr "sensibile core" sogleich wieder nach g-moll zurückgeholt."


    Außerdem gibt der Autor den Hinweis, dass jede Übersetzung dieses Satzes anders lautet, und am weitesten in die falsche Richtung die Übersetzung von Georg Schünemann in Soldans verbreitetem Klavierauszug (Peters-Verlag) geht, wenn aus "Genug für dich spricht die Liebe in mir" ein "Denn auf ewig bleib ich dir nur ergeben." wird. Also eine ordentliche wörtliche Übersetzung gehört auf jeden Fall zur Grundausstattung!




    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

    Auch glaube ich mich zu erinnern, dass der Komtur nicht von Don Giovannis Degen getötet wurde, sondern rückwärts in ein Messer oder einen Degen von Anna oder Ottavio stürzte und durch diesen Unfall starb. Interessante Ideen, die aber auch nicht weiter vertieft wurden.


    Die Idee finde ich angesichts der Musik merkwürdig, denn Mozarts Musik beim Fechtduell zeigt ja nicht nur, dass hier gefechtet wird, sondern auch, dass Don Giovanni auf den bereits getroffenen und zusammensackenden Komtur noch ein paar Mal einsticht. Daraus jetzt einen Unfall zu machen würde Don Giovannis Charakter ziemlich verharmlosen und abmildern. (Obwohl es natürlich auch Fechtduelle gibt, wo die Degen noch munter weiterklappern, obwohl die Musik schon längst geschildert hat, dass der Komtur zu Boden geht)




    Gruß
    Hosenrolle1

    Hab mir den Fledermaus Trailer angeschaut und bin enttäuscht. Ich hätte wenigstens eine nackte Adele oder Rosalinde erwartet :) .


    Ich auch, das wäre mal was Sehenswertes, aber wenn mir mal eine unterkommt in einem Trailer oder einer Aufführung, dann melde ich mich :)


    Von Drahdiwabel habe ich nie was gehört, solche sogenannten "Konzerte" gehören für mich nicht zur Kultur!


    Weiß ich doch, lieber m.joho, weiß ich doch. ;)


    Schade nur, dass der Wiener Kulturstadtrat, der dem Bandgründer 2005 das silberne Verdienstzeichen verliehen hat, sowie Falco, der bei Drahdiwaberl Bassist war, da anderer Ansicht waren! Hätten die nur auf dich gehört! :hail:



    LG,
    Hosenrolle1

    Danke, ich sehe ja schon, welche Arbeit diese Beiträge gemacht haben. Ich lese erstmal dort.


    Ich dachte zuerst, dass deine Replik eher sarkastisch gemeint war. Da dem offenbar doch nicht so ist, bin ich jetzt doch gespannt, was du zu den Beiträgen sagst. In einem der beiden verlinkten Beiträge geht es auch um die Schilderung Donna Annas über Don Giovannis nächtlichen Besuch. Aber wie gesagt, diese Beiträge sind keine Tatsachen behauptungen von mir, sondern nur Versuche, mit dem anzunähern, soweit es mir mit meinem momentanen Wissen möglich ist.
    Kannst du Noten lesen?



    Gruß
    Hosenrolle1

    Bitte lieber Hosenrolle1, gib doch ein paar Anhaltspunkte zur musikalischen Analyse!


    Wie schon gesagt, mit Don Giovanni im Speziellen habe ich mich bislang noch nicht beschäftigt, dafür aber umso mehr mit dem Figaro.


    Und in meinem Thread "Mozarts Musiksprache" sowie diversen Beiträgen im Thread "Sinn und Unsinn von Hosenrollen" (z.B. hier und hier)habe ich schon Versuche in diese Richtung unternommen, die aber, bis auf die Beiträge von "Dritte Dame" keine Resonanz gefunden haben. Das bitte nicht als Jammern verstehen, dass keiner was dazu sagt - das liegt in der Natur der Sache. Nur kosten solche Beiträge einiges an Recherche- und Schreibarbeit, und ich möchte ja selbst dazu lernen und die Ergebnisse der Recherche anderer Mitglieder lesen. Wenn das aber ausbleibt, dann nützt so ein Thread ziemlich wenig, weder anderen noch mir.




    Gruß
    Hosenrolle1

    Ich habe mir den besagten Fledermaus-Trailer jetzt komplett angesehen, und war neugierig auf die "Schweinereien" - aber irgendwie kamen da keine :(


    Wer RICHTIGE Schweinereien sehen will, der sollte mal ein Drahdiwaberl-Konzert besucht haben, dann werden ihn ein paar schöne Frauen mit halterlosen Strumpfhosen nicht mehr die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen :hail:



    Widerlich auch Shakespears König Lear; nicht nur die Blendung Glosters..


    Und erst die vielen sexuellen Anspielungen, die in seinen Werken enthalten sind, aber heute nicht mehr verstanden oder durch die dt. Übersetzung zerstört werden. Da empfehle ich das 3-bändige Werk "A Dictionary of Sexual Language and Imagery in Shakespearean and Stuart Literature" von Gordon E. Williams, das man auch auf Google Books lesen kann. Wenn man sich da mal durchliest, wird man überrascht sein, dass es bei Shakespeare (und seinen Zeitgenossen) vor Sexpraktiken und anderen Schweinereien nur so wimmelt.



    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass wir uns diese Hannover-Fledermaus 2 x reingezogen haben :untertauch: .


    Darum beneide ich dich!



    Ich werde aus diesem Grund einen Therapeuten konsultieren, der mich in den Pfad des "Guten, Wahren und Schönen" zurechtbiegt. Aber voher werden wir uns zum 2. Mal die Verkaufte Braut gönnen:
    https://www.youtube.com/watch?v=FejkLBkMRnM


    Viel Spaß! :)



    Gruß
    Hosenrolle1

    Liebe Dritte Dame,



    diese Antwort richte ich in erster Linie an dich, weil ich durch deine Antworten in unserem Versuch, anhand Mozarts Rezitativ-Modulationen etwas über die Charaktere herauszufinden, gemerkt habe, dass dich sowas auch interessiert.


    Zu Don Giovanni selbst kann ich natürlich wenig sagen, weil ich mich mit dieser Oper nie beschäftigt habe, aber hier fragt jemand im Eröffnungsbeitrag nach einem bestimmten Operncharakter, was ich generell sehr interessant finde und befürworte, weil solche Fragen m.E. viel zu wenig gestellt werden.
    Einräumen muss ich allerdings, dass immer nur von der "Musik" geredet wird, die aber bei der Betrachtung eines Charakters gerne außen vor gelassen wird, und man sich auf die bloßen Worte der Figur konzentriert.


    Aber gerade auch bei Mozart halte ich das für grundfalsch, weil die Musik hier viel zu sagen hat - und das meine ich im wörtlichen Sinne. Mit "diese Stelle klingt traurig, diese fröhlich" ist es bei Mozart nicht getan; um wirklich etwas über einen Charakter zu erfahren, darf man Mozarts Musik voller rhetorischer Formeln nicht als bloße Gefühlsdusche über sich ergehen lassen.


    Solange niemand ein Interesse daran zeigt, diese rhetorischen Figuren zu lernen und sich Partituren anzusehen, wird so eine Diskussion um Operncharaktere zwangsläufig nur an der Oberfläche kratzen und nie weiterkommen.


    So schreibt der User "Ulli" etwa:


    Don Giovanni flieht, nichts weiter: Es war ganz offensichtlich ein missglückter Versuch Don Giovannis, Donna Anna zu bekommen, welche – entrüstet – quasi mit dem Regenschirm dreinschlagend den „Ruchlosen“ :D verscheucht. Lustige Szene.


    Noch deutlicher dokumentiert in Donna Annas Arie „Or sai chi l’onore rapire a me volse…“ – Er wollte mir die Ehre rauben…


    Also dieser Punkt sollte damit eindeutig geklärt sein.


    Hier wird auch bloß auf die Worte der Figuren vertraut. Sie sagt etwas, also muss es ja eigentlich stimmen - zumindest verstehe ich dieses Zitat so. Wie während solcher Aussagen moduliert wird, oder welche Figuren Mozart hier verwendet, die vielleicht darauf hindeuten könnten, dass D.A. hier nicht die Wahrheit sagt, wird gar nicht untersucht.


    Ich habe meine diesbezüglichen Versuche bereits aufgegeben und diskutiere nicht mehr über solche Dinge, zumindest nicht öffentlich. Natürlich wird man nie vollständig dahinterkommen, was alle seine musikalischen Figuren bedeuten, schon weil das Wissen darum verloren gegangen ist und man im Musikunterricht auch nichts darüber lernt (wie auch, wenn es keiner weiß?), aber es wird ja nicht mal der Versuch gemacht, sich dem anzunähern, außer vielleicht in Sekundärliteratur, aber das sind Bücher, keine Diskussionspartner.


    G. Born schreibt dazu auch noch etwas Passendes:


    Zitat

    Über das Auffassungsvermögen des durchschnittlichen Operngastes gab der Komponist sich keinen Illusionen hin. Seine Schwiegermutter rechnete er dazu. „Bei der Mama wird´s wohl heißen, die schaut die Oper, aber nicht die hört die Oper“, schrieb er 1791. Musikalische Informationen, die sich in den Noten kompliziert ausnehmen mögen, selbst Musikworte für abstrakte Begriffe wie den Zweifel oder die Lüge lassen sich durch eine entsprechende Personenregie recht einfach optisch darstellen. Dass sie auch richtig dargestellt wurden, war durch die Kommunikation zwischen dem Verfasser des Werkes und den Ausführenden gewährleistet. Dann brauchte die Handlung nicht in den Rillen fertiger Klischees abzulaufen, um verständlich zu sein, ja sie durfte es nicht einmal. (…)
    Spätestens während der Napoleonischen Kriege wurde das Wissen um Mozarts Kunstwerke endgültig verschüttet. Die Katastrophe war so vollständig, weil zugleich mit dem Umbruch in der Musik auch die Aufführungstradition der Bühnen abriss. Die Bilder der Uraufführungen waren schnell vergessen, und damit war der Weg frei für die Theaterdirektoren und Dirigenten, einander mit immer neuen Fehldispositionen zu übertreffen. Rasch rutschten die Vorstellungen über Musik- und Szeneninhalt auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner ab, auf dem sie sich bis heute gegenseitig gefesselt halten: Was man nicht aus den Noten herauszulesen vermag, darf acuh auf der bühne nicht stattfinden; was man andererseits nicht von den stark haftenden Bildeindrücken her gewohnt ist, danach soll in der Musik gar nicht erst gesucht werden dürfen.
    Was auffiel, war, dass manches in diesen Dramen nicht stimmen konnte. Doch da mit der alten Opernkunst auch das Wissen um den Abbruch alter Traditionen verlorengegangen war, wusste man sich nicht anders zu helfen, als eben Brüche in den Kunstwerken zu konstatieren (und auch gleich wieder halbherzig zu kaschieren). So ist Donna Anna seither dazu verdammt, als „göttliches Weib“ (Hoffmann), „fragil“ (Csampai) wie eine „Elektra“ (Jacob) durch die Szene zu rasen (…)
    Von den Bildern der Musikdramen, die sich heute [1985, Anm. v. mir] dem Vorstellungsvermögen des Mozartsfreundes eingeprägt haben, ist fast nichts authentisch. Verlass ist nur auf einige dürftige Szenenanweisungen, vor allem aber auf Mozarts Klangrede, mit der er sich damals schon ausschließlich den Kennern verständlich machte.




    Liebe Grüße,
    Hosenrolle1

    Meine Recherche ergibt, dass der User "Dieter Johannes" vier Beiträge verfasst hat, was immehrin doppelt so viel ist wie vom User "Hosenrolle1" recherchiert, aber immer noch sehr wenig.


    Das stimmt, danke für die Richtigstellung!


    Als ich die Suchfunktion bemüht habe, war ich nicht eingeloggt, deswegen wurden mir nur zwei Beiträge angezeigt. Tatsächlich sind es aber 4. Auf die anderen beiden (aufgrund völlig fehlender Absätze zumindest für mich anstrengend zu lesender) Beiträge wurde auch geantwortet, vier User haben ihn im Forum willkommen geheißen, auch wenn sie, wie von "DieterJohannes" in einem Beitrag formuliert, keine "ermunternden Parolen" für ihn parat hatten.



    Gruß
    Hosenrolle1

    Allerdings dürften wir das Mieglied DieterJohannes verloren haben, Er hat sich beklagt, weil so gar keine Resonanz auf seine Beiträge kam.


    Um es mit den Worten von Herodes in Strauss´ Salome zu sagen: "Das scheint mir seltsam".


    Die Suchfunktion offenbart, dass das Mitglied "DieterJohannes" gerade mal zwei Beiträge geschrieben hat, nämlich HIER und HIER.


    In einem davon bedankt er sich bei einem anderen Mitglied für dessen Beitrag, im anderen schreibt er, wieviel Schellackplatten Anfang der 50er Jahre gekostet haben, und dass ihn beim Hören einer Caruso-Aufnahme eine "Wehmut" befällt.
    Sich nach gerade mal zwei Beiträgen, die praktisch nur aus Feststellungen bestehen (was selbstverständlich ihren Wert nicht mindert!), darüber zu beklagen, dass niemand geantwortet hat, ist schon sehr verfrüht, finde ich.


    Nachvollziehbarer wäre es für mich, wenn das Mitglied beispielsweise längere Werkanalysen verfasst hätte, und darauf niemand antwortet, oder höchstens Sätze kommen wie "Interessantes Thema, leider kann ich dazu nichts sagen".




    Gruß
    Hosenrolle1

    Mein Beitrag weiter oben enthält ein unvollständiges Zitat, so dass sich meine Antwort darauf auf etwas bezieht, was gar nicht zitiert wurde. Aus Versehen habe ich einen Teil davon gelöscht. Deswegen hier ergänzend meine obige Antwort nocheinmal, diesmal mit korrektem Zitat!
    _________
    _________


    Im 2. Akt stellt Figaro seiner Susanna und der Gräfin ja den Plan vor, wie man den Graf ablenken und somit Zeit gewinnen könnte. (...) Die beiden Damen willigen in den Plan ein und beginnen damit, Cherubino zu verkleiden (Voi che sapete).


    Nein, er wird definitiv und nachweisbar nicht verkleidet, schon gar nicht während seiner Arie Voi che sapete. Zwar wird die Arie Venite inginocchiatevi tatsächlich sehr häufig auf diversen Opernbühnen als „Verkleidungsarie“ inszeniert, bei der Analyse und Beurteilung des Werkes sollte man jedoch lieber das Libretto und/oder die Partitur als Grundlage nehmen.
    Mich wundert, dass diese (natürlich nicht böse gemeinte, aber dennoch falsche) Aussage hier 5 Jahre lang unwidersprochen stehen geblieben ist, zumal in einem "Le Nozze di Figaro"-Thread. Auch die in Beitrag 65 verlinkte Inhaltsangabe ist diesbezüglich falsch und irreführend, dennoch wurde das trotz meines Einwandes bis heute nicht korrigiert!





    Ist irgendwo dazwischen von der Änderung des Plans die Rede? Warum ist Cherubino nicht mehr Teil des Plans?


    In der besagten Arie Venite inginocchiatevi nimmt Susanna Cherubino den Mantel ab, kämmt ihm die Haare und setzt ihm ein Häubchen auf. Nach der Arie weist die Gräfin Susanna an, ihr Kleid zu holen („Un altro nastro prendi insiem col mio vestito.“), um den Pagen zu verkleiden – doch während Susanna gerade weg ist, klopft schon der Graf an die Tür. Die Gräfin, vom aufgebrachten Grafen bedrängt, meint dann, dass sich in dem versperrten Kabinett Cherubino befindet, der zum Scherz von den beiden Frauen als Frau verkleidet werden sollte.
    Dadurch funktioniert Figaros Plan nicht mehr wirklich, denn es wäre nicht besonders klug, Cherubino trotzdem verkleidet in den Garten zu setzen, wenn die Gräfin ihm vorher schon gesagt hat, dass man Cherubino verkleiden wollte; es wäre zu befürchten, dass der Graf sich denkt „Ah, das ist vielleicht ein verkleideter Cherubino, die Gräfin hat ja was davon gesagt“.
    Hätte die Gräfin nicht gesagt, dass sich der Page in dem Kabinett befindet und man ihm Frauenkleider anziehen wollte, hätte der Plan sicher noch funktioniert.

    Im 2. Akt stellt Figaro seiner Susanna und der Gräfin ja den Plan vor, wie man den Graf ablenken und somit Zeit gewinnen könnte


    Nein, er wird definitiv und nachweisbar nicht verkleidet, schon gar nicht während seiner Arie Voi che sapete. Zwar wird die Arie Venite inginocchiatevi tatsächlich sehr häufig auf diversen Opernbühnen als „Verkleidungsarie“ inszeniert, bei der Analyse und Beurteilung des Werkes sollte man jedoch lieber das Libretto und/oder die Partitur als Grundlage nehmen.
    Mich wundert, dass diese (natürlich nicht böse gemeinte, aber dennoch falsche) Aussage hier 5 Jahre lang unwidersprochen stehen geblieben ist, zumal in einem "Le Nozze di Figaro"-Thread. Auch die in Beitrag 65 verlinkte Inhaltsangabe ist diesbezüglich falsch und irreführend, dennoch wurde das trotz meines Einwandes bis heute nicht korrigiert!




    Ist irgendwo dazwischen von der Änderung des Plans die Rede? Warum ist Cherubino nicht mehr Teil des Plans?


    In der besagten Arie Venite inginocchiatevi nimmt Susanna Cherubino den Mantel ab, kämmt ihm die Haare und setzt ihm ein Häubchen auf. Nach der Arie weist die Gräfin Susanna an, ihr Kleid zu holen („Un altro nastro prendi insiem col mio vestito.“), um den Pagen zu verkleiden – doch während Susanna gerade weg ist, klopft schon der Graf an die Tür. Die Gräfin, vom aufgebrachten Grafen bedrängt, meint dann, dass sich in dem versperrten Kabinett Cherubino befindet, der zum Scherz von den beiden Frauen als Frau verkleidet werden sollte.
    Dadurch funktioniert Figaros Plan nicht mehr wirklich, denn es wäre nicht besonders klug, Cherubino trotzdem verkleidet in den Garten zu setzen, wenn die Gräfin ihm vorher schon gesagt hat, dass man Cherubino verkleiden wollte; es wäre zu befürchten, dass der Graf sich denkt „Ah, das ist vielleicht ein verkleideter Cherubino, die Gräfin hat ja was davon gesagt“.
    Hätte die Gräfin nicht gesagt, dass sich der Page in dem Kabinett befindet und man ihm Frauenkleider anziehen wollte, hätte der Plan sicher noch funktioniert.




    Gruß
    Hosenrolle1

    Wir dürfen uns fragen, auf welche Instrumente Mozart und sein Vater auf den Stationen ihrer Konzertreisen wohl getroffen sind. Bestimmt waren die Konzertsäle in Mannheim und Schwetzingen mit einigermassen ordentlichen Instrumenten versehen. In welchen Stimmungen ? Und wurden die zeitgerecht unterhalten, d.h. erhielten die regelmässigen TÜV ;) ? Und wie war das an anderen Höfen, wo man weniger Geld hatte ? Und in den reichen Reichsstädten ? Darauf habe ich allerdings keine Antwort.


    Die Vielfalt an unterschiedlichen Instrumenten (und Stimmungen sowie Stimmtonhöhen) war damals ziemlich groß, was es teilweise auch schwerer macht, nachzuforschen, welche Komponisten welche Instrumente kannten, bevorzugten, welche Stimmhöhe etc. sie benutzten. Für den interessierten Hörer, der dazulernen möchte, ist es überhaupt schwer. Selbst die Räumlichkeit spielt keine unwichtige Rolle; manche Komponisten schrieben die Musik eher für hallige Bauten, wo schnelle Läufe verschwammen, andere eher für eine trockene, deutlichere Akustik.



    gruß
    hosenrolle1

    Du hast vielleicht eine "irgendwie" (soll nicht abwertend sein) historische oder auf ein Instrument bezogene Hör- und/oder Spielpraxis ?


    Ich sehe das keineswegs als abwertend! :)


    Ich spiele nicht selbst, sondern höre nur, allerdings habe ich, was historische Stimmungen betrifft, praktisch kaum Hörerfahrung, weil selbst bei Aufnahmen mit historischen Instrumenten wird im besten Fall dazu geschrieben, von wem das Instrument stammt, aber nicht, welche Stimmung da verwendet wurde. Von praktischen Videos, die einem eine Stimmung genauer vorstellen mit Erklärungen und Klangbeispielen einmal ganz zu schweigen.


    Würde ich Klavier spielen (egal ob moderner Flügel oder Fortepiano oder Cembalo), ich würde das Instrument sofort historisch korrekt stimmen (lassen) und mich gleich einmal an die Mozart-Rezitative machen, um zu hören, wie Mozart da moduliert, und wie die unterschiedlichen Tonarten klingen, wie sich das verändert, etwa wenn der Komponist immer weiter runter in die b-reichen Tonarten geht. Ich fände das unglaublich spannend!


    Aber bei dem Thema gibt es vielleicht ein paar theoretische Erläuterungen, jedoch, wie du schon richtig sagst, die Praxis wäre das eigentlich Interessante hier!




    gruß
    hosenrolle1

    Auf den Instrumenten, die Harmonien erzeugen können, z.B. Klavier.


    Moderne Klaviere höre ich mir eigentlich prinzipell keine an, weil ich deren Klang nicht aushalte, besonders im Equal Tuning.
    Aber generell klingen die Tonarten natürlich höher oder tiefer.


    Aber damit da keine Missverständnisse aufkommen, ich habe gegen das Equal Tuning an sich nichts, es ist eine Stimmung unter vielen, die wie andere Stimmungen Vor- und Nachteile bietet. Ich habe nur was dagegen, wenn "Pianisten" in der falschen Stimmung spielen, man also beispielsweise eine vom Komponisten bewusst als Farbe eingesetzte Wolfsquinte glättet, indem man sie sauber intoniert.




    gruß
    hosenrolle1