Beiträge von Hosenrolle1

    Lieber Amfortas08,


    bei „vertonte Kabelbrand auf Lettisch“ musste ich sehr schmunzeln


    Gunkl ist sprachlich hervorragend, der hat viele solche Sachen auf Lager :)


    Aber mir gefiel seine Einstellung bzw. seine Aussage, dass ihm imponiert, dass der Komponist so komponiert wie ER es für richtig hält, und nicht irgendeiner Zielgruppe nachhechelt, damit es denen nur bloß gut gefällt. (Jetzt regen sich ja wieder ein paar Hardcore-Star Wars-Fans auf, dass der Tod einer beliebten Figur im letzten Film nicht genügend gewürdigt wird. Und in den 60ern gab es ja schon massenweise Hass- und Drohbriefe gegen die Filmemacher, weil Winnetou im 3. Teil gestorben ist. Manche glauben echt, dass Kunst ein Wunschkonzert ist. Wenn dem so wäre, dann würde sich Kunst nie weiterentwickeln, wäre anbiedernd und stinklangweilig und auch keine Kunst mehr; "Kunst ist die Tochter der Freiheit" meinte Schiller einmal richtig)




    LG,
    Hosenrolle1

    Faust:
    Gretchen fühlt sich so zu Mefistofeles hingezogen, wird von diesem gerettet und entführt. Faust bleibt begnügt sich mit Frau Marthe und ist froh, das Teufelsweib Margarete los zu sein.


    Boah, das würde ich mir SOFORT anschauen und mit Freuden Geld dafür bezahlen! Von Goethes Faust halte ich nämlich in etwa so viel wie Böhmermann, der das Stück einmal satirisch auseinander genommen hat.



    Auf weitere Ideen bin ich gespannt! :jubel:




    LG,
    Hosenrolle1

    Lieber Amfortas08,


    deine Ausführungen hier lese ich sehr gerne!


    Zeffirelli verstand es m.E.gut, Erwartungen eines Teils der Besucher (auch in seinen Verfilmungen) entgegenzukommen.....


    Hier musste ich an diesen 1:34 langen Clip des österr. Kabarettisten Gunkl denken - mich würde sehr interessieren, was du davon hältst! (Falls du es nicht kennst, Ö1 ist ein österr. Radiosender der hauptsächlich Klassik, Jazz und neue Klassik spielt)





    LG,
    Hosenrolle1

    Angeregt durch "thdeck"s neuen Telemann-Thread, in dem es um eine Oper dieses Komponisten geht, habe ich auf YouTube nach period instruments-Interpretationen von Telemann gesucht, und bin auf dieses Werk gestoßen. Ich habe da mal schnell durchgehört, und war doch fasziniert: nicht nur von den Klängen (etwa die Echo-Stelle, wo Oboen und Hörner sich abwechseln!), sondern auch wie vielseitig und lebendig das alles klingt. Kein harmlos-liebliches Geklimper oder so, sondern manchmal durchaus "harte" Musik, mit wühlenden Bassläufen, "krachenden" Hörnern etc. Mal hohe, leise Hornklänge, dann wieder prächtiger, voller, lauter Hornklang. Und wenn es ruhiger und besinnlicher ist, dann nicht kitschig oder schmalzig, sondern einfach klangschön.


    Nur kenne ich Telemann und sein Werk überhaupt nicht, habe mich nie damit beschäftigt, deswegen weiß ich auch nichts über eventuelle alternative Titel oder ähnliches.


    Ich habe gehofft, dass es die Partitur irgendwo im Internet gibt, oder bei Amazon, weil ich mich sehr ungerne wegen einer einzigen Partitur extra wo registrieren möchte, und die auch keine Leseprobe oder weitere Informationen anbieten (etwa, ob es einen kritischen Bericht oder so gibt, was mir schon wichtig wäre). Auf jeden Fall danke dir für´s raussuchen :)




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich interessiere mich für die Partitur von Telemanns "Alster-Ouvertüre" (TWV 55:F11). Bei Henle, die einige Sachen haben und auch kritische Urtextausgaben anbieten, bin ich leider nicht fündig geworden, auch imslp.com bietet "nur" Manuskripte und ähnliches.


    Weiß vielleicht jemand von einer guten Partitur dieses Werkes?




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich kenne Haydns Werk nicht, und diese Oper schon gar nicht, möchte mich aber dennoch für diese tolle Einleitung bedanken, die es einerseits vermeidet, zur reinen Amazon-Coverbild-Galerie zu werden, andererseits auf zuviel theoretische Analyse verzichtet. Du konzentrierst dich nur auf das Werk, deswegen habe ich das gerne gelesen!


    Schön auch, dass du die Tonartencharakteristik ins Spiel bringst; man sieht hier, dass Haydn auffällig oft Es-Dur (sowie die Mollparallele c-Moll) verwendet, aber darüber nicht hinausgeht (As-Dur etc.). Meine Frage: wie instrumentiert Haydn in den Es-Dur Stücken? Lässt er da die Flöten und Oboen eher weg?




    LG,
    Hosenrolle1

    Gerade ein ganz neues Video einer kompletten Figaro-Aufführung gesehen, aus der "University Mozarteum Salzburg".


    https://www.youtube.com/watch?v=xApQLCKgbJo


    Wenn du auf 58:30 gehst hast du die Cherubino-Szene mit Voi che sapete.


    Als ich das gesehen habe dachte ich ich träume! Aber kein schöner Traum, eher ein Alptraum. Hier passt doch überhaupt nichts. Erstens einmal die Verlegung in die heutige Zeit - ich war immer dafür, dass man Figaro entweder in seiner Zeit oder zeitlos und eher abstrakt inszeniert. Aber noch schlimmer wird es, weil der Regisseur meint, er muss Cherubino hier während seiner Arie wie Michael Jackson tanzen lassen - nicht nur, dass das völlig lächerlich ist und die Figur nicht ernst nimmt, ist das auch ein ziemliches Klischee ... wie übrigens auch der ganze Rest dieser Szene, wenn Susanna und die Gräfin ihn da pseudo-erotisch entkleiden. Schaut ziemlich nach einer billigen Kopie der Guth-Inszenierung von 2006 aus, nur eben billig und gewollt lustig. Der Regisseur hatte hier keine eigenen Einfälle, sondern bedient sich munter an anderen Inszenierungen, lässt Cherubino und die Gräfin Kopf an Kopf sitzen und sich ansingen, etc. Alles schon 100x gesehen.


    Und dann noch die Auswahl der Rollen für die Gräfin und Susanna ... dazu will ich lieber nichts sagen.


    Absolut fürchterlich, gewollt lustig, gewollt erotisch, gewollt modern, klischeehaft und innovationslos, mit seltsamer Auswahl der Sängerinnen.




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich würde es Cherubino ehrlich gönnen, wenn da endlich einmal Ruhe einkehren würde, aber leider hat er offenbar innerhalb kürzester Zeit ein neues, diesmal korrekt gesiegeltes Patent in der Tasche, denn als Antonio ihm kurz vor dem Auftritt der Blumenmädchen berichtet, der "kleine Page" sei noch immer im Schloss, antwortet der Graf wütend "Zu dieser Stunde sollte er längst in Sevilla sein!"
    Als er ihn zwischen den Blumenmädchen erwischt, bekommt er auch gleich wieder eins auf den Deckel, weil er immer noch nicht abgereist ist...


    Du hast Recht, ich habe mich da in der Reihenfolge geirrt. Am Ende des 2. Akts zerreißt er das Patent ohne Siegel, und im 3. Akt dann redet Antonio davon, dass der Page noch nicht abgereist ist.



    Und dass er Cherubino und Barbarina tatsächlich vom Fleck weg verheiratet hat, kann ich mir nicht vorstellen! Die sind beide noch minderjährig, Antonio war von Barbarinas Aktion, den Grafen zu brüskieren nicht wirklich begeistert, bei Cherubino müssten wohl auch Eltern oder wer auch immer zustimmen...
    Und würde der sich überhaupt so mir nichts dir nichts verheiraten lassen?


    Ich glaube nicht, ich denke nur, dass das nur eine schnelle Notlösung war, damit sich alles beruhigt. Dass Barbarina sagt "Gib ihn mir zum Mann", verbunden mit dem Ausplaudern, was der Graf mit ihr macht, und vom Grafen habe ich zumindest keine Ablehnung gehört, nach dem Motto "Nein, nichts da, Cherubino reist ab". Deswegen glaube ich, dass er ab diesem Zeitpunkt zumindest geduldet ist, weil der Graf zum einen denkt, dass die beiden wohl heiraten werden, zum anderen bekommt er kurz darauf den vermeintlichen Brief von Susanna und freut sich so, dass er vielleicht an andere Dinge denkt. Das wäre jetzt meine Interpretation :)



    Dann ist diese, manchmal schon überdreht wirkende Fröhlichkeit, vielleicht wirklich nur Fassade, weil Barbarina im Grunde innerlich kaputt ist? Weil sie von den Männern da im Schloss ausgenutzt wird und sich nicht wehren kann?
    Ähnlich wie Cherubino, der ja von den Erwachsenen auch hin und her geschubst wird, wie' s gerade so passt?
    Das würde die zwei dann irgendwie verbinden...


    Vielleicht wäre das ein Teil der in der Musik versteckten Sozialkritik. Ich las, dass Da Ponte in seinem Text natürlich solche Dinge wie den langen Monolog von Figaro am Ende des Theaterstücks natürlich nicht übernehmen konnte, und auch andere kritischen Dinge wegbleiben mussten, wegen der Zensur. Nur, die Zensur verstand nicht wirklich, was in der Musik "gesagt" wird, und vielleicht gehört das dazu. Barbarina singt in ihrer Arie ja nichts anderes als "Wo ist die Nadel, ich habe sie verloren, was werden Susanna und mein Herr sagen?". Das ist jetzt kein wirklich tragischer Text, aber die Musik zeigt vielleicht, dass diese Gesellschaft nicht in Ordnung ist, so wie auch die Tonarten im Rezitativ zw. Barbarina und Cherubino immer unschöner werden, wenn vom Grafen und der Gräfin die Rede ist.


    Aber was anderes: ich habe gerade den Dialog zwischen Barbarina und Figaro direkt nach dieser Arie von ihr gelesen. Da ist sie ganz schön schnoddrig zu ihm, und meint "Das geht dich auch nichts an" etc. Weiß sie, dass es da um ein Treffen zwischen dem Grafen und Susanna geht? Und wieso kümmert sie, die offenbar unter dem Grafen leidet, sich um dessen Dinge, und meint "das geht dich nichts an", als ob sie eine Sprecherin des Grafen wäre?




    LG,
    Hosenrolle1

    Also in dem Rezitativ, wo Cherubino meint "Lies mein Stück Barbarina, Marcellina, lies sie allen Frauen im Palast vor", passiert harmonisch nichts außergewöhnliches, finde ich. Er wechselt hier von F-Dur zu F7, von F7 nach B-Dur. Keine unschönen, düsteren Tonarten, und auch die Modulation ist "ordnungsgemäß" einen Schritt weiter.


    Zuvor sagt er zu Susanna, dass der Graf ihn bei Barbarina erwischt hat, hier wechselt er von C-Dur nach C7, von C7 nach F-Dur, also gleiches Muster, keine unschönen Tonarten, normales Modulieren. Aber hier kommt Barbarina auch noch ganz flüchtig vor, es wird nicht weiter über sie geredet. Wenn sie allerdings selbst auftaucht, dann verdüstert sich der Ton merklich, eben diese immer weiter in die unschöne Tiefe absteigenden Modulationen, und ihre Arie in f-Moll.




    LG,
    Hosenrolle1

    Ah ok, jetzt kenne ich mich aus :)


    Dann habe ich dich eh richtig verstanden; ich habe nur vorher schon mal geschaut, wo sie von anderen erwähnt wird (2x Cherubino, 1x Graf). Wobei, der Graf erwähnt sie nicht in einem Rezitativ, sondern in dem Terzett. Aber ich schaue mal, was harmonisch passiert wenn Cherubino von ihr redet :)




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich muss mich entschuldigen, aber ich verstehe gerade nicht, was du genau meinst. Meinst du ein bestimmtes Rezitativ? Was meinst du mit "wenn von Barbarina die Rede ist"? Dass von ihr geredet ist, oder dass sie selbst redet?




    Liebe, leider sehr graue Grüße,
    Hosenrolle1

    Lieber Thomas,


    Grimm hat durchaus auch Zeitgeiste einfließen lassen -wie etwa das Knusperhaus, auch das religiöse Sprüchlein, das Gretel in den Mund gelegt wird.


    Was mir auffällt ist, dass bei Grimm Hänsel derjenige ist, der ein "Wenn die Not aufs Höchste steigt, Gott der Herr die Hand euch reicht"-Pendant bringt:


    Zitat

    Dann ging er wieder zurück, sprach zu Gretel: »Sei getrost, liebes Schwesterchen, und schlaf nur ruhig ein, Gott wird uns nicht verlassen«, und legte sich wieder in sein Bett.


    Aber er tröstete sein Schwesterchen und sprach: »Weine nicht, Gretel, und schlaf nur ruhig, der liebe Gott wird uns schon helfen.«


    »Lieber Gott, hilf uns doch«, rief sie aus, »hätten uns nur die wilden Tiere im Wald gefressen, so wären wir doch zusammen gestorben!«


    In der Oper ist es wiederum Gretel, die das sagt, und Hänsel antwortet mit "Jawohl, das klingt recht schön und glatt, aber leider wird man davon nicht satt". Meintest du das letzte Zitat mit dem religiösen Sprüchlein?


    Nebenbei, ich habe mich auch immer gefragt, wann die Oper eigentlich spielt. Teilweise (etwa im Tanzduett) klingt sie schon fast "mittelalterlich", dann wiederum ist von "Böllergeknall" die Rede. Da ist die Frage, was mit "Böllern" gemeint ist, und seit wann es die gibt.




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich kenne sowohl ältere als auch neuere Aufnahmen und kann nur wiederholen: Ich habe dieses Rezitativ nie vollständig gesehen oder gehört!
    Diese wirklich liebe Geste, dass sie Cherubino etwas zu essen bringt ( ob das nun ein Freundschaftsdienst ist oder mehr...) wird durch die Bank gestrichen!


    Dass sie ihm was zu essen bringt habe ich so noch gar nicht gesehen, ich dachte, dass sie einfach nur eine Art Picknick machen wollen. Ich weiß nicht genau, wie die Verhältnisse im 4. Akt sind, aber ich meine, dass der Graf Cherubinos Patent zerrissen hat, und das Thema damit einmal erledigt ist, und dass er Cherubino Barbarina zum Mann gegeben hat, der Junge für ihn daher quasi auch kein Konkurrent mehr ist. Der Graf beobachtet ja die verkleidete Gräfin, die er für Susanna hält, und den Pagen, und sagt für sich "Wenn der freche Kerl noch lange bleibt verdirbt er die Geschichte.". Das klingt mir irgendwie sehr zurückhaltend, er hätte ja auch so aufbrausend sein können. Als er Cherubino ohrfeigen will, sagt er "Damit ihr das nicht nochmal tut, nehmt das!".


    Für mich wirkt das irgendwie so, als sei der Graf zwar nach wie vor nicht gut zu sprechen auf den Pagen, aber er duldet ihn und sieht ihn nicht mehr als Konkurrenten wie vorher.


    Aber unabhängig davon finde ich es ziemlich mies, dieses Rezitativ zu kürzen, vor allem, weil man dann auch das mit den Küssen erfährt - was vermutlich nicht so gut in das Bild einer lustigen Komödie passt.



    Wobei Cherubino ja mehr als deutlich von "Liebe" redet, und soviel älter ist der ja nun nicht... Oder meinst Du, es macht einen Unterschied, dass er ein Junge ist? Zumindest fürs damalige Publikum?


    Hmm, ich glaube, dass die Umstände andere sind. Cherubino redet vor anderen von der Liebe, Barbarina aber ist alleine und ungehört, redet nur zu sich selber, und möchte niemanden beeindrucken oder so.



    Oje, das macht schon Sinn... Erinnert unangenehm an mißbrauchte Kinder, die irgendwann auf Körperkontakt völlig gleichgültig reagieren. Aber könnte sie sich dann auf Cherubinos Küsse überhaupt noch freuen? Gerade, wenn da vielleicht auch nicht großartig Gefühl dahintersteckt, weil er ja im Grunde die Gräfin anhimmelt?
    Oder reicht ihr das Gefühl aus, dass er sie vielleicht einfach nur "freundschaftlich" mag? Das wäre zumindest schon mehr, als man vom Grafen behaupten kann oder von den Kerlen, die sich von ihr mit Küssen bezahlen lassen...


    Vielleicht klammert sie sich an jeden, der ungefähr in ihrem Alter ist und nicht so gemein oder gehässig wie andere Erwachsene im Schloss, und nichit so notgeil wie der Graf.
    Salome ist auch noch sehr jung und verehrt Jochanaan, weil der ganz anders ist als die Leute, die sie aus ihrer Umgebung kennt.



    Ob es vielleicht hilfreich wäre, sich einmal anzusehen, was musikalisch passiert, wenn von Barbarina die Rede ist?


    Ich habe gerade nachgesehen, Cherubino erwähnt Barbarina zwei oder dreimal kurz, und einmal tut es der Graf, als er davon berichtet, wie er Cherubino unter der Decke fand. Danach taucht Barbarinas Name erst auf, als sie selbst auftaucht. Wäre das brauchbar?




    Liebe, sehr stürmische Grüße,
    Hosenrolle1

    bei Mozart hat allerdings eine mitteltönige Stimmung nun nichts verloren,


    Möglich. Es gab ja nicht nur eine überall verbreitete Stimmung im 18. Jahrhundert, vielleicht spielte er Werckmeister I oder Kirnberger III?


    Wiki: "Unter mitteltönigen Stimmungen versteht man eine Reihe von temperierten Stimmungen, die in der Renaissance, im Barock und vielfach auch in späterer Zeit (bis in das 19. Jahrhundert) hauptsächlich für Tasteninstrumente gebräuchlich waren."


    Ganz ausschließen würde ich die mitteltönige nicht, es sei denn, ich weiß etwas genaues dazu.


    abgesehen davon, daß diese ohnehin nur Angelegenheit der Tasteninstrumente ist


    Eben, und genau die werden in Secco-Rezitativen auch gespielt.

    Ich habe jetzt auf Wiki einen - wenn auch künstlich, also nicht auf echten Instrumenten erzeugten - Vergleich zweiter Tonarten in mitteltöniger Stimmung gefunden.



    https://upload.wikimedia.org/w…9/Viertelmitteltoenig.ogg


    Hier hörst du zwei Kadenzen, beide jeweils in mitteltöniger Stimmung; zuerst eine Kadenz in F-Dur, und dann die gleiche Kadenz, diesmal in As-Dur, das wegen der Wolfsquinte und auch so in dieser Stimmung sehr unschön klingt und "unspielbar" ist. Das F-Dur zu Beginn klingt hingegen reiner und "schöner".


    Wenn also Mozart Cherubino oder auch Barbarina in so eine Tonart abgleiten lässt, ist das schon ziemlich auffällig!


    (Ideal wäre natürlich ein Vergleich von As-Dur in der modernen, gleichtönigen Stimmung, und der mitteltönigen, aber ich bin schon froh, dass es diesen Vergleich hier gibt. Auf einem modern gestimmten Instrument würden diese beiden Tonarten genau gleich klingen, nur die Tonhöhe würde sich unterscheiden, aber beide klängen vom Charakter her gleich)




    LG,
    Hosenrolle1

    Die habe ich übrigens nie im ganzen gesehen! In der Regel betritt Barbarina den Park, verkündet, dass sie in der Laube warten wird und weg ist sie!


    Wie, da wird einfach vom Rezitativ was weggekürzt? Auch in neueren Aufnahmen und Aufführungen, oder hauptsächlich bei älteren, wo mich sowieso nichts mehr wundert? (Ich werde mir die Tonarten dieses Rezitativs auch noch ansehen!)



    Was mir hier auffällt:
    " Der Herr hasst ihn , und ich mag ihn!"
    Sie sagt nicht, "Ich liebe ihn", was stilistisch eigentlich passender wäre. Wenn von "Hass" redet, im nächsten Halbsatz von "Liebe" zu reden...


    Hmm ... vielleicht wollte man ein Kind nicht sagen lassen, dass es jemanden liebt, weil das Publikum dann eventuell gedacht hätte "Geh bitte, so ein junges Mädel, das wie die Erwachsenen von Liebe redet". Wenn sie aber sagt, dass sie ihn mag, dann klingt das für mich irgendwie ernster und altersgemäßer.



    "Mich kostet's einen Kuss, und was macht das schon?"
    Ich kann mir nicht helfen, das klingt mir wieder so nach dieser barbarina- typischen Kaltschnäuzigkeit! Wen ich abknutsche, ist mir im Grunde egal!


    Da bin ich mir nicht so sicher, auch wenn das eine gute Interpretation ist. Ich habe es eher so verstanden, dass sie schon hauptsächlich an Cherubino interessiert ist, und durch die Zudringlichkeiten des Grafen etc. desensibilisiert ist, dass ein Kuss für sie schon zum Alltag gehört, und nichts besonderes mehr ist.



    Vielleicht?!? Wieso"vielleicht", wenn sie da gleich ein Date hat?!?
    Ist Cherubino eventuell doch etwas weniger offenherzig als sie und hat sie nur gebeten, ihm etwas zu essen vorbei zu bringen, weil.er sich ja nach der letzten "Wir verkleiden den Pagen als Mädchen"- Aktion im Schloss nirgendwo mehr sehen lassen kann?


    Das wiederum habe ich so verstanden, dass sie sich erhofft, dass sie von Cherubino einen Kuss bekommt. "Vielleicht küsst er mich, das wäre schön".



    Zum Abstieg in die Unterwelt es Quintenzirkels würde mir spontan einfallen:
    Cherubino geht es im Augenblick stimmungsmäßig nicht gut, weil er einfach Angst hat vor dem Grafen!
    Aber Barbarina...? Hat sie generell weder zum Grafen noch zur Gräfin das beste Verhältnis?
    Auch Angst vor dem Grafen und Verachtung gegenüber der Gräfin, die ihren Mann nicht "im Griff" hat?


    Das kann sehr leicht sein, weil sie vom "fröhlichen" C-Dur, kaum, dass sie von der Gräfin spricht, wieder ins "hässliche" f-Moll geht, um gleich danach wieder ins fröhliche zu wechseln.
    Schubart schreibt über As-Dur und f-Moll:


    Zitat

    As dur, der Gräberton. Tod, Grab, Verwesung, Gericht, Ewigkeit liegen in seinem Umfange.


    F moll, tiefe Schwermut, Leichenklage, Jammergeächz, und grabverlangende Sehnsucht.


    Johann Mattheson schreibt 1713 über f-Moll:


    Zitat

    friedlich, aber mit tiefer tödlicher Herzensangst, äußerst labil; schwarze hilflose Melancholie, die beim Hörer Schrecken und Schaudern weckt


    Marc-Antoine Charpentier (der Komponist der Eurovisions-Hymne) beschrieb f-Moll 1690 als "düster und klagend".


    Warum aber wandert sie schon zu Beginn, wo noch gar nicht vom Grafen die Rede ist, immer weiter nach unten? Sie redet nur davon, dass er der Schönste sein wird, und sie ihn irgendwohin mitnimmt. Sicher, die Tonarten werden erst beim Grafen und der Gräfin "hässlich", aber trotzdem geht es hier immer weiter runter.


    Ich habe mir jetzt gerade angesehen, in welcher Tonart ihre einzige Arie steht: f-Moll!


    Kaiser schreibt in seinem Buch: "Er fügt dem Bild jener Barbarina, die bisher wie ein bunter Schmetterling durch die Oper getaumelt war, eine dunkle Dimension hinzu. Wir ahnen etwas von animalischer Trauer, von der Melancholie auf dem Grund des naiven Tribes, von der Reinheit solchen Unglücklichseins".


    Ärgerlich dann aber auch solche Aussagen: "Allzu brennend interessiert uns diese Kleine, von der drei Akte lang gelegentlich die Rede ist und die ein paar Rezitativworte vorbringt, ohnehin kaum".
    Hätte sich Kaiser angesehen, wie Mozart bei ihren "paar Rezitativworten" moduliert, in welche Tonarten er da hinabsteigt, wie die Stimmung immer kühler und dunkler wird, hätte er ihre Rezitative sicher nicht so abgetan, und auch nicht behauptet, dass Mozart nur in dieser Arie dieser Figur eine "dunkle Dimension" hinzufügt.


    Vielleicht wollte Mozart hier NICHT das Bild der fröhlich-munteren Barbarina entstehen lassen, die eine lustige Nebenfigur ist, und die einen nicht weiter interessiert, die man nicht ernst nimmt, sonden mit solchen Tonarten und Modulationen zeigen, dass das Fröhliche offenbar nur Fassade ist.




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich habe mir jetzt mal schnell das Rezitativ zwischen Cherubino und Barbarina angesehen, weil ich gespannt war, was sich da tonartmäßig tut, und war ziemlich überrascht ... hier wieder wie üblich von mir eingezeichnet:


    BARBARINA
    (C-Dur) Andiamo, andiam, bel paggio: in casa mia
    tutte ritrove (C7) rai
    le più belle ragazza del cas (F-Dur) tello.
    di tutte sarai tu certo il più (B-Dur) bello.


    CHERUBINO
    Ah! Se il Conte mi trova,
    misero me! Tu (B7) sai
    che partito ei mi crede per Si (Es-Dur) viglia.


    BARBARINA
    Oh, ve'che meraviglia! E se vi trova,
    non sarà cosa (As-Dur) nuova.
    Odi, vogliam vestirti come (C-Dur) noi:
    tutte insieme andrem (C7) poi
    a presentar de' fiori a Mada (f-Moll) mina.
    Fidati, o Cheru (G7) bin, di Barbarina. (G-Dur) (C-Dur)



    BARBARINA
    (C-Dur) Gehen wir, gehen wir, schöner Page, bei mir zu Hause
    wirst du alle (C7) finden,
    die schönsten Mädchen des (F-Dur) Schlosses,
    und von allen wirst du gewiß die (B-Dur) schönste sein.


    CHERUBINO
    Ach, wenn der Graf mich findet,
    ist´s um mich geschehn, du (B7) weißt,
    daß er glaubt, ich sei nach Sevilla (Es-Dur) abgereist.


    BARBARINA
    Und wenn schon, was ist dabei! Wenn er dich findet,
    ist das nichts (As-Dur) Neues.
    Hör zu … wir wollen dich so anziehen (C-Dur) wie uns selbst;
    zusammen gehen wir dann (C7) alle
    und überreichen (f-Moll) Madame die Blumen;
    Laß nur (G7) Barbarina machen, lieber Cherubin. (G-Dur) (C-Dur)


    Moduliert wird ständig und ohne Sprünge oder Umwege immer tiefer nach unten, bis ins "hässliche" As-Dur hinunter. Barbarina beginnt das Rezitativ, steigt den Quintenzirkel hinab, Cherubino übernimmt und steigt weiter hinab, dann übernimmt Barbarina wieder und geht noch weiter; wenn sie vom Grafen redet, der Cherubino finden könnte, wird As-Dur erreicht.
    Doch plötzlich springt sie von dort aus mit einem großen Sprung nach C-Dur zurück, und meint, dass sie ihn verkleiden wird.




    Und dann wieder etwas Seltsames: als sie kurz von der Gräfin redet, wechselt die Tonart nach f-Moll, was die Mollparallele von As-Dur ist - anders gesagt, als sie von der Gräfin redet, wird die Tonart wieder "hässlich", um kurz darauf in die "frölicheren" Tonarten G-Dur und C-Dur zu wechseln.


    Da frage ich mich schon, wieso Barbarina stimmungsmäßig immer tiefer sinkt, obwohl sie Cherubino hier eigentlich Mut machen will, und wieso sie die Tonart so abrupt ins unschöne f-Moll wechselt, als sie die Gräfin erwähnt. Eifersucht auf die Mädchen und die Gräfin?




    LG,
    Hosenrolle1

    Zu der Diskussion fällt mir ein Zitat aus Joachim Kaisers Buch "Wie ich sie sah ... und wie sie waren" ein, wo es um einen Streit zw. Knappertsbusch und Wieland Wagner ging. (fett von mir)


    Zitat

    Natürlich hatte Wielands Symbolismus etwas mit seinen Jugend-Erfahrungen, Jugend-Erlebnissen in Bayreuth zu tun. Er hat mir einmal geschildert, wie lächerlich ihm die verkitschten Pompbilder der „Meistersinger“ seiner Jugend-Zeit erschienen waren; wie verrückt es ihm immer vorkam, wenn im letzten Akt der „Götterdämmerung“ kleine Götterpuppen stoisch verbrannten. Richard Wagner selbst habe sich ja in der ersten Ring-Inszenierung des Jahres 1876 nicht an seine Bühnenbild-Tagträume halten können: die Regenbogen-Brücke sei ein klappriges Holzgerüst gewesen und kein herrliches Phantasie-Bild, die Rheintöchter oder der Lindwurm Fafner wären einfach komisch gewesen – und keines Denkmalschutzes wert, weil sie von Anfang an anders ausfielen, als es sich Richard Wagners schöpferische Phantasie einst ausgemalt hatte …
    Das waren natürlich hörenswerte Argumente eines engagierten Regisseurs, der nachgedacht hatte und zu extremen Schlüssen gekommen war. Und als der alte Dirigent Knappertsbusch klagte, man solle sich doch mehr an den heiligen Richard Wagner halten, antwortete Wieland schlau, geschickt und liebenswert: Gut, Knappertsbusch solle ihm einen Regisseur seiner Wahl empfehlen, er würde den Mann nach Bayreuth engagieren. Nur wenn schon historisch und werktreu, dann aber auch richtig. Dann nicht die Stahlsaiten im Orchester, die viel stärker klingen, sondern Darmsaiten. Dann nicht das elektrische Licht, das ganz andere Schatten wirft, sondern Gasbeleuchtung.




    LG,
    Hosenrolle1

    Hallo, Hosenrolle 1, Du weißt ja inzwischen, dass ich eher die dunkler timbrierten Cherubinos mag... Aber hier kann ich Dir nur zustimmen, diese Stimme ist ein einziger Wohlklang!


    Das freut mich, dass es dir auch gefällt :)
    Vor allem, weil ich den Eindruck habe, dass die helle Stimme dennoch nicht dünn oder unsicher klingt, und in der Mittellage durchaus auch warm klingt. Es gibt ja manchmal helle Stimmen, die etwa die Koloratur auf "provo" hell und rein singen, und in der Mittellage dann plötzlich sehr dick und sehr dunkel, als ob das eine ganz andere Stimme wäre. Hier aber ist der Übergang irgendwie fließend, nach unten wird es wärmer, ohne dass es "anders" klingt. Wenn du mal am Anfang auf das "O" in "provo" und "nuovo" achtest, dann klingt da schon dieser wärmere, weiblichere Klang durch, ohne dass der Klang der Stimme plötzlich umkippt.
    Ich dachte, vielleicht wirst du sie doch zu hell finden. Aber ich muss jetzt auch immer dazu sagen, dass ich auch an den dunkler timbrierten Cherubinos Freude haben kann, dass sie mir - wenn alles passt - ebenfalls gefallen, sozusagen als wohlklingende Alternative zu meiner Idealvorstellung.
    Ich finde, dass man durchaus eine Idealvorstellung haben kann, aber dennoch Freude an abweichenden Versionen hat, die dieser Vorstellung nicht entsprechen, aber trotzdem sehr schön klingen. Und dass eine Idealvorstellung andere Versionen, die einem gefallen, nicht abwertet. Das könnte ja so rüberkommen, als würde man sagen "Für mich gibt´s nur eine Idealvorstellung, und andere Versionen klingen vielleicht gut, sind aber im Grund falsch und schlecht", was aber nicht stimmt.



    ...und da Du bei der Version von Maite Beaumont explizit das rasende Tempo erwähnst: Ich fand das hier in dieser Version schon schlimm, aber schlimmer geht's immer, und wo wir schon dabei sind, Cherubino durchs "Voi che sapete" im Eiltempo hindurchzuprügeln, darf diese Version hier nicht fehlen!


    Das ist wirklich nicht mehr schön :(
    Ich finde den Gesang hier aber auch nicht so gut, mir wirkt die Stimme zu gepresst, zu scharf, das dunkle Timbre klingt für mich nicht wirklich warm wegen der Schärfe.




    LG,
    Hosenrolle1

    Jessica Tivens



    Wow!!
    Gleich vorneweg: diese Version landet bei mir ganz weit oben, auf jeden Fall unter den Top 3, hier passt für mich praktisch alles.


    Ich fange mit der Stimme, mit dem Timbre an: das ist hier relativ ähnlich wie bei meinem Lieblings-Hänsel, sehr hell und leicht, allerdings mit einem leichten Hang ins Dunklere, und diese Abstufungen finde ich auch sehr passend: der jüngere Hänsel klingt – auch in der Mittellage - noch heller, der etwas ältere Cherubino schon ein ganz klein wenig voller, und in der Mittellage schon wärmer. (Konsequenterweise hätte ein Octavian, der nochmal 4 Jahre älter ist, dann eine noch wärmere, dunklere Stimme, die allerdings immer noch leicht und jugendlich klingt, keineswegs „divenhaft“ und ausgesungen) Die Mittellage hat hier auch diese Mischung aus burschikos und weiblich, die mir so gefällt.


    Diese ebenfalls junge Sängerin hat nun Patricia Janečková von den oberen Plätzen bei mir verdrängt, denn auch wenn mir deren Vortrag immer noch gefällt, diese Sängerin hier klingt für mich erfahrener, professioneller, während bei Janečková (sicher bedingt durch das damals niedrigere Alter) der Vortrag schwachbrüstiger und wackliger war.
    Positiv finde ich bei dieser Sängerin auch ihr Vibrato, das sehr dezent ist und an manchen Stellen wiederum betörend schön. Man achte bitte einmal gleich zu Beginn darauf, wie sie die (hier von mir zum Mitlesen fett markierte) Silbe „Do“ mit einem leichten Vibrato versieht, das klingt für mich einfach nur herrlich!


    Voi che sapete
    Che cosa è amor
    Donne vedete
    S'io l'ho nel cor
    Donne vedete
    S'io l'ho nel cor


    Leider ist die Tonqualität der Aufnahme nicht die Allerbeste, und das Orchester ist an den beiden tieferen Stellen („avvampar“ und „di me“) recht laut, so dass man die Stimme nicht perfekt hört, aber das was ich da hören konnte klang auch gut. Ein fließender Übergang in die tiefe Lage, keine Kurzatmigkeit, und ein immer noch schöner Klang.


    Ich muss nochmal betonen, dass ich mittlerweile auch an schön klingenden Mezzostimmen, die dunkler timbriert sind, Gefallen finde, und mir auch solche Cherubinos zusagen, aber mein idealer Cherubino klingt ziemlich so wie hier, wobei nach oben immer Luft ist und wenn ich eine Sängerin finde, die mir noch besser gefällt, dann landet die wiederum weit oben.





    LG,
    Hosenrolle1

    Erst einmal zu den beiden Cherubinos in Bundeswehr- Uniform: Was Susanna angeht, ist mir da gar kein so großer Unterschied aufgefallen, außer, dass sie sich wesentlich mehr über sein Hüftgewackel amüsiert und in Version eins am Ende beinahe einen Lachkrampf deswegen bekommt während sie in Nummer zwei an dieser Stelle bereits damit beschäftigt ist, die Kassette wieder aus dem Rekorder zu holen...
    Habe ich da etwas übersehen? Bitte um Abhilfe!


    Überhaupt nicht, dem und deinen anderen Beobachtungen kann und möchte ich völlig zustimmen. Susanna macht jetzt nicht völlig andere Dinge, aber das Timing ist ein anderes, und auch ihre Mimik, aus der man ganz andere Dinge herauslesen könnte.


    Aber generell zeigt mir dieses Beispiel, dass man eigentlich schwer über eine Inszenierung anhand eines Beispiels reden kann, wenn es innerhalb von vielleicht 2 oder 3 Jahren solche Unterschiede gibt. Es ist ja nicht so, dass eine Version 20 oder gar 30 Jahre älter ist, und sich das im Laufe der Zeit durch diverse Regieassistenten "verspielt". Da versucht man zu analysieren, wie die Figuren agieren und reagieren, wie sie dreinschauen, welche Gesten es gibt, und in der nächsten Aufführung können ganz neue Charaktere auf der Bühne stehen, die vielleicht verspielter, ernster, genervter, gelangweilter sind, und dann funktioniert die eigene Analyse nicht mehr.



    Zur Version mit Pamela Helen Stephen: Altersmäßig ist dieser Cherubino wirklich schwer einzuordnen, ich könnte da jetzt auch kaum einen Tip abgeben. Aber "er" sieht auch wirklich sehr nach erwachsener Frau aus, finde ich, das könnte daran liegen.


    Von den Bewegungen her wirkt er auf mich schon irgendwie reifer, es gibt da kein verspieltes Herumgehüpfe oder ähnliches. Die Mimik allerdings ist manchmal wieder eher kindlich, wie "er" da beispielsweise in der Reprise vorsichtig zur Gräfin hinschaut, das wirkt mir nicht sehr jugendlich.


    Du hast mir ja vor kurzem eine andere Version gezeigt, wo Cherubino "nur" neben der Gräfin stand und sang (vielleicht die mit G. Sima?), und da habe ich gemeint, dass es irgendwie langweilig ist. Nicht schlecht oder mies, aber auch nicht wirklich aufregend. In dieser Version nun passiert eigentlich auch nicht allzuviel, es gibt keine komischen Einfälle (mit der Gitarre schubsen, Gräfin lässt die Noten in der Hand immer weiter sinken so dass Susanna sich weit nach vorne beugen muss um sie zu lesen etc.). Cherubino geht hin und her, aber auch da passiert nicht viel. Und trotzdem finde ich die Szene sehr spannend, eben allein wegen der Mimik und der Gestik. Solche Szenen zeigen mir, dass "actionmäßig" gar nicht so viel passieren muss, und es dennoch spannend sein kann.



    Susanna ist in dieser ganzen Szene aber schon vom Text her ein wenig "Kupplerin". Sie drängt ihn gleich zu Beginn dazu, ihr zuzustimmen, wie schön die Gräfin ist, sie drängt ihn letztendlich auch zum Singen!


    Meinst du diese Szene hier?



    Ich habe das eher so verstanden, dass Susanna das mit "und eine so schöne!" nur sagt, um Cherubino aufzuziehen. Denn als er ihr zustimmt, macht sie ihn nach und nennt ihn einen Heuchler.
    Warum sie ihn aber tatsächlich drängt zu singen verstehe ich auch nicht ...


    Zitat

    CHERUBINO
    Ich zittre am ganzen Körper, aber wenn Madame es will ...


    SUSANNA
    Sie will es, ja, sie will es. Kein Wort mehr.


    Und bevor er ins Zimmer kommt heißt es:


    Zitat

    GRÄFIN
    Wie schmerzt es mich, Susanna, daß dieser Junge die närrischen Äußerungen des Grafen mit angehört hat! Ach, du weißt nicht ... Aber aus welchem Grund nur ist er nie zu mir selbst gekommen? Wo ist das Liedchen?


    SUSANNA
    Hier ist es; sogleich soll er es uns vorsingen.


    Wieso fragt die Gräfin nach dem Lied, und was will sie damit? Hat Susanna ihr davon erzählt? Falls ja, dann hat sie nicht dazu gesagt, WER es geschrieben hat, denn kurz darauf fragt die Gräfin, von wem es stammt. Sehr seltsam, das!



    Darstellerisch beschränkt sie sich zwar meist aufs neugierige Beobachten, ab und zu wird sie da aber auch übergriffig, indem sie ihn beispielsweise näher zur Gräfin drängt o.ä.
    Du hattest da auch eine Version in Deinem "Voi che sapete"- Thread, wo sie ihn mit Hilfe der Gitarre näher zur Gräfin schiebt...


    Jetzt habe ich diese Version aus Madrid gesehen, und da geht Cherubino zur Gräfin und streckt nur leicht seine Hand nach ihr aus, und Susanna, die etwas entfernt auf dem Bett sitzt, räuspert sich sofort streng, als wollte sie sagen "Hallo hallo, Finger weg".
    Also Susanna reagiert da sehr unterschiedlich ...


    Ich habe jetzt im Libretto eine neue Szene gefunden, eigentlich nur ein kurzes Rezitativ zwischen Barbarina und dem Pagen (Akt 3, Szene 7).


    Zitat

    BARBARINA
    Gehn wir, gehn wir, schöner Page, bei mir zu Hause wirst du alle finden, die schönsten Mädchen des Schlosses, und von allen wirst du gewiß die schönste sein.


    CHERUBINO
    Ach, wenn der Graf mich findet, ist´s um mich geschehn, du weißt, daß er glaubt, ich sei nach Sevilla abgereist.


    BARBARINA
    Und wenn schon, was ist dabei! Wenn er dich findet, ist das nichts Neues. Hör zu ... wir wollen dich so anziehen wie uns selbst; zusammen gehn wir dann alle und überreichen Madame die Blumen; laß nur Barbarina machen, lieber Cherubin.


    Den ersten Satz verstehe ich schon mal nicht: wieso sagt sie ihm, dass er dort die schönsten Mädchen findet? Weil sie weiß, dass ihm das gefällt? Und falls ja, dann fände ich komisch, dass sie gar nicht eifersüchtig ist. Die Bemerkung, dass sie von allen sicher die schönste sein wird scheint mir aber fast wieder ein weiterer kleiner Hinweis darauf zu sein, dass Cherubino eine Hosenrolle ist.


    Der letzte Satz, glaube ich, wurde nicht ganz korrekt übersetzt; aus "Fidati, oh Cherubin, di Barbarina" hat der Übersetzer "lieber Cherubin" gemacht. Ich glaube nicht, dass "oh" "lieber" heißt. Aber davon abgesehen nennt sie ihn hier beim Namen.




    LG,
    Hosenrolle1

    Einen Aspekt sollte man nicht unterschlagen: Die Engel sieht keine der handelnden Figuren auf der Bühne - die Kinder schlafen. Das ist also alles nur für den Zuschauer inszeniert. D.h. die Engel haben gar keinen Einfluss auf die Märchenhandlung, was zeigt, dass hier wirklich ein märchenfremdes Element eingefügt wird. Der Zuschauer soll glauben: Die Kinder sind von Gott behütet. Davon merken die Kinder aber nichts, denn die helfen sich selbst.


    Das Sandmännchen taucht auf, und wird von den Kindern gesehen, und es kündigt die Engel an. Und am nächsten Tag berichten Hänsel und Gretel davon, dass sie Engel gesehen haben im Traum, und beide haben das geträumt, nicht nur einer. Also indirekt haben sie sie gesehen.


    Bitte, kauf dir die Partitur und schau sie mal genauer durch, sonst hat das alles wenig Sinn. :)




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich sehe in dieser Oper auch absolut keine Komödie, auch wenn ich zugeben muss, dass mir die Grimm-Version doch besser gefällt. Leider ist es wirklich so, dass Inszenierungen - selbst die mit naturalistischem Wald und "echtem" Lebkuchenhaus - viel Slapstick einbauen, den ich für völlig fehl am Platz halte. (Es gibt da diesen großartigen Hänsel und Gretel-film von 1987, mit Cloris Leachman als Hexe, den ich auch einmal besprochen habe. In dem Film werden die Titelfiguren von echten Kindern gespielt, und trotzdem ist er wesentlich ernster als so manche Operninszenierung. Der Film zeigt, wie die Familie hungert, wie hart der Alltag dort ist, dann zeigt er die Waldszenen ziemlich gruselig und fast schon horrormäßig, und die Hexe ist keine lustige Alte, sondern durch und durch böse und furchterregend. Dieses Herumgehampel, das viele Regisseure offenbar mit "kindlich sein" verwechseln, finde ich echt furchtbar).


    Armut und Hunger, und ab dem zweiten Akt noch Terror gegen zwei schwache Kinder bestimmen dieses Werk - schon deswegen sehe ich auch als nicht-religiöser Mensch die Engelszene keineswegs als "peinlich" oder "sentimental", weil sie innerhalb des Stückes etwas Tröstliches hat, quasi eine überraschende Ausflucht aus dieser harten Realität darstellt. Kitschig und peinlich wird es für mich erst, wenn man es entsprechend inszeniert. Laut Partitur tun die Engel nichts anderes, als auf die Bühne zu steigen und sich, gemäß dem Text des Abendsegens, aufzustellen und einen schützenden Kreis zu bilden.




    LG,
    Hosenrolle1

    Ob wir einen solchen Abend positiv oder negativ erfahren und wie wir so ein Werk aufnehmen, liegt an dem Gesamteindruck, den es vermittelt und weniger an den Details, bzw. wie die Einzelheiten den Eindruck des Ganzen bestimmen.


    Wenn man sich nicht mit einer Partitur beschäftigen will (oder kann), dann ist man natürlich auf den Gesamteindruck angewiesen.
    Wenn man darauf achtet, wie ein Dirigent bestimmte Stellen umsetzt, dann kann man das durchaus in die Bewertung einfließen lassen, weil man dann merkt, ob er einfach nur "drüberdirigiert", oder eben nicht.


    Ein Beispiel: die einen Zuhörer sagen "Boah, das war richtig laut, das hat geknallt, das war toll!". Die anderen sagen "Die Instrumente x, y und z haben ihre Motive gespielt, aber von den gleichzeitig ertönenden Motiven in den Holzbläsern hat man nichts gehört, obwohl gerade das wichtig gewesen wäre, weil erst beide Motive gemeinsam an dieser Stelle einen Sinn ergeben."


    Es ist ja nicht so, dass man in der Oper oder vor einer Aufnahme sitzt und eine Art Checkliste abarbeitet. Wenn man ein Werk richtig gut kennt, dann nimmt man diese Dinge quasi automatisch wahr, weil man sich vorher schon intensiv damit beschäftigt hat.


    Aber selbst Zuhörer, die das Werk ausschließlich von Aufnahmen her kennen merken natürlich, wenn eine Aufführung gekürzt ist, das ist kein Detail, keine Einzelheit mehr, genausowenig wie eine korrekt ausgeführte Echoszene, die, wenn alles stimmt, den Eindruck von räumlicher Tiefe erzeugt. Wenn es nicht passt, hört man halt irgendwelche Stimmen.


    Ich kann die Kritik an deinem Eröffnungsbeitrag auch gut verstehen. Der Titel suggeriert, dass es sich um eine Rezension einer bestimmten Aufführung handelt, tatsächlich aber erfährt man lediglich, wie die Engelszene gelöst wurde, und ein bisschen was über die Kulissen. Kein Wort über den Gesang, kein Wort über das Dirigat, kein Wort darüber, ob gekürzt wurde, kein weiteres Wort über die Inszenierung.




    LG,
    Hosenrolle1

    Ich glaube, dass wir vor längerer Zeit mal über diese Version hier gesprochen haben, vielleicht auch im "voi che sapete"-Thread.



    Das Schauspiel hier ist für mich großartig, und vor allem zeigt diese ganze Szene auch, dass es keine große, permanente "Action" braucht, um spannend und interessant zum Zuschauen zu sein. In anderen Versionen passiert auch relativ wenig, dort ist es aber langweiliger, weil da auch mimisch nicht viel passiert.


    Was ich mir nur frage: wie alt soll der hier dargestellt Cherubino eigentlich sein? Ich kann ihn irgendwie nicht einordnen. Manche sind ja deutlich älter, jugendlich, halbe Erwachsene, andere wiederum sehr kindlich. Aber dieser hier?


    Und wieso geht Susanna hier weg und lehnt sich an die Wand? Interessant wäre es ja mal bei dieser Arie nur auf Susanna zu achten. In manchen Inszenierungen steht sie permanent neben der Gräfin, und hält den Pagen auch mal zurück, wenn er zu nahe kommt - hier aber geht sie weg, als wollte sie für Cherubino "den Weg freimachen". Susanna als Kupplerin?




    LG,
    Hosenrolle1