Beiträge von Wolfram

    Hallo, lieber Wolfram
    Und die Dummen, die diese angebliche Ironie nicht erkannt haben, hast Du wieder prächtig hinter´s Licht geführt. Wie auch immer, zumindest hast Du schlitzohrig wieder mal die Kurve gekriegt.


    Lieber Chrissy,


    sieh mal, es ist doch so: Ein Forianer hat sofort verstanden, was ich sagen wollte. Andere nicht.


    Es ist doch gut, dass wir in einem Land leben, in dem man seine Meinung offen sagen darf. Jedenfalls, solange dies die Rechte anderer nicht einschränkt. Dazu gehören insbesondere die Persönlichkeitsrechte. Das heißt, man darf niemanden durch das Verkünden seiner Meinung beleidigen. Wenn jemand sagen würde, „alle Regietheater-Regisseure sind geistig zurückgeblieben“, so wäre dies eine Beleidigung für alle Regisseure, die sich selbst öffentlich zum Regietheater bekennen.


    Da entsprechende Äußerungen hier gefallen sind: Hätte dieses Forum irgendeine Relevanz oberhalb der Messbarkeitsgrenze, so hätte es längst die entsprechenden juristischen Schritte gegeben. Man gehe im Gedanken die Möglichkeit durch, der obige Satz stünde im Feuilleton der FAZ, um dieses Forum in seiner Bedeutung richtig einordnen zu können. Eine Spielwiese, weiter nichts, mit ein paar Erträgen aus jpc- und amazon-Tantiemen. Dennoch: Schön, dass es so etwas gibt!


    (Ich sage nicht, dass irgendein anderes Forum bedeutender wäre – wobei ich allerdings nicht zählen, sondern wiegen würde und dann doch ins Nachdenken käme. Andere Foren erheben aber vielleicht nicht denselben monopolistischen Anspruch.)


    Natürlich wäre der Satz „alle Gegner des Regietheaters sind geistig zurückgeblieben“ genauso juristisch relevant.


    Viel wichtiger als die Frage, welchen Inszenierungsstil man mag, welche Zeitung man liest und ob Karl Böhm ein guter Mozart-Dirigent war oder nicht, ist doch, dass man in unserem Lande seine Meinung dazu sagen kann. Unzensiert. Das ist für mich nicht verhandelbar. Wenn das nicht gegeben ist, ist die Diskussion der drei anderen Fragen völlig sekundär.


    Wenn hier nun in diesem Forum beleidigende Meinungsäußerungen gebilligt werden, bei denen Maßnahmen bis zur Zensur statthaft wären (wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten, siehe oben), aber andere objektiv richtig dargestellte Sachverhalte zensiert werden, dann überlege ich mir, ob ich das unterstützen will.


    Jeder soll seine Spielwiese haben. Bekanntlich ist Wien in vielen Dingen der Zeit hinterher. (Gibt es schon Frauen bei den Philharmonikern?)


    Vielleicht wird es so sein, dass gerade in Wien das Regietheater fröhliche Urständ feiern wird, wenn diese Welle andernorts längst wieder zurückgegangen ist. Die Wiener Variante wird vielleicht so sein, dass Siegmund und Sieglinde von einem echten Zwillingspaar gesungen werden, das den Inzest auf der Bühne unter Austausch von Körperflüssigkeiten vollzieht. „Siegfried“ wird naheliegenderweise erst ca. zwanzig Jahre später gegeben werden können. Wenn alles gut geht. Regie wird Thielemanns Enkel führen, dirigieren wird Bieitos Tochter. Im Orchester der Wiener Staatsoper werden überwiegend lesbische Frauen sitzen, da die österreichische Variante der Gleichberechtigung die seltsame Blüte treiben wird, dass gleichgeschlechtlich lebende Frauen bei der Einstellung bevorzugt werden.


    Das wird der Tag sein, an dem vielleicht jemand mit seinem Rollstuhl die Staatsoper stürmen wird, die Maschinenpistole auf den Knien, und das Feuer eröffnen will, aber nichts passiert – denn die Anleitung war auf Englisch, und der Download der deutschen Version hat irgendwie nicht geklappt, und die Leute werden einander zuraunen.

    Ich meine, wenn Komponist und Librettist wollten, dass Don Giovanni im Sevilla des 16. oder 17. Jhds. in einem Italienisch des 18. Jhds. singen soll, dann ist das zunächst mal zu respektieren.


    Die deutschen Übersetzungen, die ich kenne ("Champagner-Arie"), würden der von Mozart/da Ponte vorgenommenen sprachlichen und musikalischen Verlegung eine weitere hinzufügen.


    Von Nabucco, Salome, Elektra oder Turandot ganz zu schweigen. Nabucco und Turandot können angesichts des klaren historischen Kontextes einzig und alleine auf italienisch, Salome und Elektra natürlich nur auf Deutsch angemessen rezipiert werden. Wie sonst? Alles andere wäre entweder gegen die Absichten von Komponist oder Librettist und/oder wegen des Kontextes völlig unplausibel. Will man denn ernsthaft die Opernbesucher für dumm verkaufen?


    :hello:

    Lieber Alfred,


    eine meisterhafte Antwort! Chapeau!


    Dass Du Deine wahren Gründe für Dein Handeln offenlegen würdest, habe ich natürlich nicht erwartet.


    Deine Verquickung von Wahrheiten, Halbwahrheiten und unbelegten Aussagen in einer sehr geschickten Reihenfolge belegt vor allem, dass Du eine Menge Dinge zu verbergen hast.


    Wenn Du es anders siehst, zeige ich Deine Methode auch gerne am konkreten Beispiel auf.


    Aber vermutlich ist dies die verletzlichere Seite:

    so bin ich doch glücklich über einen der aktivsten Tamino-Sommer seit Jahren - sowohl von Mitleser- Als auch Beitragsschreiber-Seite.
    Ich möchte gar kein Abflauen der Regietheaterthreads


    Verbindlichst
    Wolfram

    nach meinen Feststellungen ist Tamino das bekannteste, bedeutendste Klassik-Forum.


    Ich möchte ergänzend erwähnen, wie die aktuellen Zahlen für das Forum von Good Music Guide am heutigen Abend sind:
    607855 Posts in 10244 Topics by 1109 Members.


    Tamino heute:
    815 Mitglieder - 12 686 Themen - 412 364 Beiträge (142,74 Beiträge pro Tag)




    Nicht nur Zahlen zu betrachten, sondern auch inhaltliches Gewicht und Diskussionskultur zu berücksichtigen, wäre natürlich noch interessanter, würde aber bedeuten, den objektiv feststellbaren Bereich zu verlassen.


    (Auch diese Zahlen sind sozusagen eine "Umfrage".)
    :hello:

    Mit solch klugen Argumenten, oder sollte ich besser sagen "Ausreden", kann man sich natürlich auch vor einem öffentlichen Bekenntnis drücken.
    Nimm´s nicht persönlich, lieber Wolfram, aber so oder ähnlich habe ich das erwartet und es wundert mich nicht.


    Lieber Chrissy,


    es fällt mir schwer, Deine Zeilen nicht als Nachweis von Böswilligkeit zu lesen.


    Habe ich nicht mehrmals gesagt, dass ich für einen Anteil von 10% bis 20% an Regietheater-Inszenierungen bin? Leider gibt es in der sogenannten "Umfrage" keine passende Antwortmöglichkeit. So ein Zufall aber auch.


    Habe ich nicht mehrmals gesagt, dass die für mich einzig entscheidende Grenzlinie nicht zwischen "Regietheater" und "traditionell", sondern zwischen "gut" und "schlecht" verläuft? Leider gibt es in der sogenannten "Umfrage" keine passende Antwortmöglichkeit. So ein Zufall aber auch.


    Ich hoffe, mit diesen beiden Aussagen Deinen Vorwurf des "sich Drückens" hinreichend widerlegt zu haben. Wenn diesbzgl. Deinerseits Wünsche offen bleiben sollten, teile sie mir ruhig mit.


    Es tut mir leid, dass ich nicht in das Schwarz-Weiß-Raster passe, das sich einige von "ihrer" Opernwelt machen.


    Aber daran werde ich nichts zu ändern versuchen. Die Welt ist bunt - und das ist gut so.


    Wie hatte ich schon mal gesagt, Du bist der Typ der Stachelbeeren rasiert und diese nach fünf Minuten reden dem Gegenüber als Weintrauben verkauft.


    Solches "Lob" kannst Du Dir gerne sparen. Es könnte die Chance zu einer fruchtbareren Diskussion bieten, als Du hier versuchst.


    Trotzdem einen schönen Abend.
    :hello:

    Es fällt mir übrigens auf, dass sich gewisse Gegner dieser Umfrage nicht daran beteiligen.


    Werter M.Joho,


    sich an einer Umfrage zu beteiligen, die man als unsinnig gebrandmarkt hat, wäre aber auch unglaubwürdig, oder?


    Denk mal drüber nach, in wie weit Du darauf fixiert bist, jedes Verhalten gewisser Forianer von der denkbar schlechtesten Seite her zu betrachten - und ob Du in Deinem Leben dort wärest, wo Du jetzt bist, wenn alle Menschen Dir genauso begegnet wären.


    :hello:

    Lieber Operus,


    vielen Dank für Deine offene Entgegnung! Nur so haben wir die Chance, dieses Missverständnis auszuräumen.


    Ich habe verstanden, dass Du meine Äußerungen als Kritik an Dir verstanden hast. So waren sie nicht gemeint.


    Dass ich die Idee der Umfrage begrüße, sagte ich bereits an anderer Stelle. Noch mehr begrüßte ich, dass Du selbst davon ausgegangen bist, die Fragestellungen gemeinsam zu überarbeiten und dann von kompetenter Seite qualitätszusichern:


    Selbstverständlich war es mir klar, dass die von mir vorgeschlagenen Fragestellungen diskutiert, ergänzt und noch präziser formuliert werden müssen. Ich bin gespannt, zu welchen Ergebnissen hier das Expertenteam kommt.


    (Wenn die Fragen beantwortungsreif vorliegen kann ich anbieten, dass meine Tochter diese mal anschaut und prüft. Als promovierte Psychologin hat sie bei zahlreichen Umfragen mitgewirkt und Fragebögen entwickelt. Es ist immer schwierig, die Fragen so zu formulieren, dass sie eindeutig sind und repräsentative Schlussfolgerungen ermöglichen.)


    Was ich tadele, ist weder Deine Idee noch Deinen Entwurf zu den Fragen, sondern dass Alfred die Fragen (wie sie waren) genommen hat, weil er davon ausging, dass sie ein Ergebnis liefern, das dem einzigen Sinn und Zweck dieses Forums in die Karten spielt.


    Das wollte ich anprangern.


    In meiner Wahrnehmung geht es Alfred nicht um objektive Wahrheit, sondern um Meinungsmache, Einflussnahme, Mobilisierung. Dazu sind ihm alle Mittel Recht - das hat er mehrmals gesagt, und manche seiner Formulierungen bewegen sich hart an der Grenze zu einem öffentlichen Aufruf zur Gewalt. Jeder muss sich überlegen, wen er durch Beiträge unterstützt. - Ich halte die Arbeit "von innen" derzeit für sinnvoller.


    Nochmals sage ich gerne, dass ich Kritik an Deinem Vorschlag, dessen Formulierung (als Entwurf!) oder gar an Deiner Person nicht im Mindesten beabsichtigte. Es tut mir leid, dass Du sie so verstanden hast (was ich allerdings nachvollziehen kann). Es würde mir noch mehr leid tun, wenn dies nach diesem Versuch einer Klarstellung immer noch so wäre.


    Viele Grüße
    Wolfram

    R. Wagner: Rheingold


    Wotan - Ferdinand Frantz
    Fricka - Elisabeth Höngen
    Freia - Walburga Wegener
    Donner/Froh - Angelo Mattielo/Günther Treptow
    Loge - Joachim Sattler
    Fasolt/Fafner - Ludwig Weber/Albert Emmerich
    Alberich - Alois Pernerstorfer
    Mime - Emil Markwort
    Erda - Margret Weth-Falke
    Rheintöchter - Magda Gabory, Margherita Kenney, Sieglinde Wagner


    Orchester der Mailänder Scala
    Wilhelm Furtwängler
    04. März 1950


    Vokal insgesamt nicht so gut wie Furtwänglers 1953er Rheingold. Ludwig Weber, die Rheintöchter und - mit Abstrichen - Ferdinand Frantz ragen aus dem guten, aber nicht hochklassigen Ensemble heraus.



    :hello:

    Das beckmesserische Zerpflücken der genauen Formulierung der Fragen ist doch etwas kindisch.


    Lieber Joseph,


    wenn der Titel der Umfrage lautet "Seid ihr für oder gegen das Regietheater" (eine Schwarz-Weiß-Malerei, die von vielen überhaupt nicht so gesehen wird) und die Antwortmöglichkeiten nicht alles abdecken, vor allem nicht das wichtige "sowohl - als auch", dann ist es m. E. weder beckmesserisch noch kindisch, darauf hinzuweisen.


    Wie würdest Du eine Umfrage bezeichnen, die so gestellt wird:


    Seid ihr für oder gegen Atomkraft?


    (1) Ich bin für Atomkraft in ihrer segensreichen Form, wie sie von denen entworfen wurde, die sie zuerst nutzbar gemacht haben.


    (2) Ich bin für Atomkraft, jedoch sollten die allerneuesten technischen Möglichkeiten eingesetzt werden, um diese segensreiche Form der Energieerzeugung so sicher wie möglich zu machen.


    (3) Ich friere gerne im Winter, sitze gerne im Dunkeln und brauche eigentlich auch nur wenig Strom, darum lehne ich Atomkraft ab.


    (4) Ist mir egal - ich habe sowieso nur noch wenige Wochen zu leben.


    Um eine mögliche Entgegnung gleich zu beantworten: Ich vergleiche traditionelles Theater nicht mit Atomkraft. Ich vergleiche Methoden der tendenziösen Formulierung einer Umfrage.

    Ich mag die Philharmonia-Aufnahmen – das gilt für alle Beethoven-Sinfonien, insbesondere aber für die Pastorale, die eine vor dem Hintergrund älterer Aufnahmen geradlinige Wiedergabe erfährt. Man versteht, was das Neue an Karajan war, und warum er Furtwängler und Toscanini in der Rolle als Pultstar so schnell ablösen konnte. Er hatte einen sehr objektiv wirkenden Ansatz zu bieten. Der Orchesterklang ist schlank und hell, im Tutti strahlend.


    Die 1962er Aufnahme muss als Etappe auf dem Weg zur schönheitstrunkenen Einspielung von 1977 gelten. In Ansätzen ist der spätere „Sound“ der Berliner schon zu erkennen (Flöte, Bässe, dichtes Legato).


    1977 entstand die vielleicht schönste Pastorale aller Zeiten. Ob man dies als Lob oder als Tadel versteht, kommt darauf an, wie wichtig man die Partiturtreue nimmt. Die Schönheit wurde nämlich um den Preis etlicher nichtbeachteter Vortragsbezeichnungen erkauft. Es ist ein wenig wie bei auf Polarisierung bedachten Haltungen zum Regietheater: Wer die Werktreue hochhält und die Pastorale im Geiste Beethovens gespielt wissen will, wird hier „Stopp!“ sagen. Wer das künstlerische Ergebnis höher bewertet und auf verschwenderisch ausgegossener Schönheit steht, wird hier bestens bedient. Keimfreier Beethoven für die Wellness-Lounge.


    Die goldene Karajan-Regel („Unter mehreren Aufnahmen ist die älteste die beste“) gilt hier meines Erachtens nicht: 1982 hat er die beste seiner Studio-Pastoralen abgeliefert. Das Orchester spielt wieder mit Ecken und Kanten, der farbenreiche Klang ist wunderbar transparent, die tektonischen Schichten des Werkes werden leicht nachvollziehbar gemacht. Eine große Aufnahme, die ich gerne empfehle!

    Herbert von Karajan, Berliner Philharmoniker, November 1982
    Spielzeiten: 9:04/10:19/3:08/3:23/8:25 - 34:19
    Keine Wiederholungen.


    Ich bin dankbar, dass Karajan in dieser Aufnahme den Kopfsatz wieder profilierter und mit al-dente-Gefühl spielen lässt. Die Spielzeit ist auf die Sekunde gleich wie 1977, aber wie viel reicher klingt hier die Musik: Da gibt es Vordergrund und Hintergrund, ja selbst Hintergründiges (etwa die Stelle bei 0:37-0:40 mit den vielen Klangebenen: Klarinetten und Fagotte spielen das Thema, die Oboe fügt pochende Töne hinzu, die ersten Violinen figurieren, die übrigen Streicher grundieren, die Hörner akzentuieren gegen den Takt, das alles ist anstrengungsfrei hörbar– herrlich!). Die Holzbläser spielen wieder charakteristischer und ohne das zarte Vibrato wie 1977. Die Transparenz ist auch in den Tuttistellen hoch, vieles scheint optimal eingefangen. – Ein toller Kopfsatz! Wer hätte das gedacht?


    Überraschung auch im zweiten Satz – das Tempo liegt zwischen 54 und 56 punktierten Vierteln pro Minute höher als Beethovens Angabe (50), wirkt aber nicht hektisch. Auch hier ist die Mehrschichtigkeit der Musik wunderbar herausgearbeitet und nachvollziehbar, man achte auf Vorder- und Hintergrund und stelle dann erfreut fest, was es dazwischen alles gibt! Wenn man das Tempo akzeptiert, ist der Satz wunderbar anzuhören, vielfältig Musik, hochdifferenziert gespielt.


    Überraschung auch im „Lustigen Zusammensein der Landleute“ … das Tempokonzept ist das von Furtwängler 1947: Unisono in 100, Legato-Thema in 92, Tutti dann wieder schneller. Karajan gönnt seinen Bläsern in der Musikantenstelle sogar einen Schuss Rustikalität. – Peng! Das Gewitter! Her klingt es wirklich wie eine Naturgewalt, beängstigend! – Im letzten Satz ist es eine Freude, zu hören, wie gut die Partitur umgesetzt wurde – Dynamik, Artikulation, Phrasierung, das passt!


    Eine hervorragende Pastorale, bei der Herbert von Karajan erfreulicherweise wieder von seinen 1977er Ästhetisierungsmaßnahmen Abstand nahm. Das Orchesterspiel hat Biss, die Holzbläser haben Individualität. Ausgezeichnete Klangtechnik, sehr transparenter Orchesterklang. Wo mehrere musikalische Ebenen übereinander geschichtet sind, ist dies wunderbar leicht zu hören. Alles entwickelt sich organisch. – Das ist eine derjenigen Aufnahmen, bei denen man Herbert von Karajan Abbitte leisten muss für das, was man andernorts über ihn gelästert haben mag!

    Herbert von Karajan, Berliner Philharmoniker, 1977
    Spielzeiten: 9:04/11:22/5:40/3:30/8:34 - 38:10
    Keine Wiederholung im Kopfsatz, im dritten Satz wird die Wiederholung gespielt.


    Die mit der 1962er Aufnahme fast identischen Spielzeiten lassen weitere große Ähnlichkeiten beider Aufnahmen vermuten. – Sehr flott, geradezu nebensächlich werden die ersten vier Takte genommen. Bei wiederum ca. 60 Halben pro Minute hat das erste Thema mehr Charme und scheint mir durchgestalteter zu sein als 1962. Dies sowohl in dynamischer als auch in artikulatorischer Hinsicht, insbes. ab der Stelle mit der Solo-Oboe. Dabei lässt sich keine einheitliche Tendenz ausmachen, mal wird differenzierter artikuliert, mal werden Staccati sehr breit genommen. Wenn überhaupt, dann könnte eine Tendenz in Richtung größerer Ästhetisierung, weg von Beethoven, hin zu Karajan festgestellt werden. Legt man die Partitur weg, die überall kleine Vergehen der Wiedergabe anzeigt, so klingt es aber ganz wunderbar. Welch schöner Sound! Welch harmonisches Orchesterspiel! Klingt zunächst widersprüchlich: die größere Differenzierung verstärkt eher den Eindruck des „an sich vorbeibrausen lassen“. Denn bei stärkerer Artikulation wirkt dasselbe Tempo schneller. Die Limousine hat Ledersitze und einen agileren Motor bekommen. – Keine Wiederholung.


    Wie 1962 nimmt Karajan den zweiten Satz mit den vorgeschriebenen 50 punktierten Vierteln pro Minute. Sehr schön das Murmeln des Baches in den Sechzehnteln. 1962 kamen die Bläser besser heraus, hier sind sie eher in den Gesamtklang integriert. Wobei der Bläserklang ausgezeichnet ist, was damals vor allem in der ersten Flöte gefiel – ein zartes Vibrato – ist nun im gesamten Holz zu hören. Wunderschön.


    Mit ca. 92 Takten p. m. ist der dritte Satz ein gutes Stück langsamer als 1953 und 1962. Die Schönheit der Legatobögen ist allerdings frappierend. – Bei aller orchestralen Kraft hat das Gewitter etwas Regelmäßiges, Geordnetes, geradezu Gesittetes. – Der letzte Satz ist dann der 1962er Interpretation recht ähnlich in seiner Tempowahl, in seiner Großbogigkeit, in seinem Verzicht auf Überschwang.


    Wer eine wunderschöne Pastorale hören will, macht mit dieser Aufnahme keinen Fehlgriff. Wer sonst als Karajan konnte ein Orchester so sinnlich-schön spielen lassen? Sogar das Gewitter kommt geradezu geometrisch geordnet daher. Einzigartig. Ich sage aber dazu, dass die übergroße Schönheit auf Kosten der Umsetzung vieler Details der Partitur entsteht. Wollte man ähnlich partiturwidrig in der Oper verfahren, so könnte man beispielsweise den Siegmund am Beginn der Walküre einen vielfarbbunten Papierdrachen im lauen Frühlingswind spielerisch steigen lassen, und Sieglinde schaut ihm von der Ledercouch mit einem Cocktail in der Hand durchs raumhohe Fenster zu.

    Herbert von Karajan, Berliner Philharmoniker, Februar 1962
    Spielzeiten: 8:57/11:32/3:02/3:25/8:46 - 35:42
    Keine Wiederholungen.



    Bei einem Tempo von ca. 60 Halben pro Minute (und darüber) ist die gefühlte Tempodifferenz im Kopfsatz zwischen dieser Aufnahme und derjenigen mit dem Philharmonia Orchestra viel größer als es die Zahlen vermuten lassen. Irgendjemand sagte, Karajans Pastoralen klingen so, als ob er die Landschaft von der vollklimatisierten Limousine aus an sich vorbeibrausen sieht. Diese Einspielung liefert kaum Substanzielles, was man einem solchen Bonmot entgegen halten könne. Es wirkt im ersten Satz sportlich-frisch und beschwingt. Das Legato im Orchester ist generell dichter als 1953, die Artikulation weniger profiliert, die Holzbläser klingen in den Tuttistellen aber deutlicher, was ein Plus für diese Aufnahme ist. Herrlich die erste Flöte! Dieses zarte Vibrato! Erstaunlich sind auch die fantastischen Kontrabässe mit ihrem satten, fülligen Klang – das ist Sound! Das Klangbild ist wohlig-gerundet.


    Ca. 50 punktierte Viertel p. m. treffen im zweiten Satz genau die Partiturangabe. Wieder kann der Orchesterklang mit herrlichem Holz punkten. Erstaunlich ist auch, wie metrisch frei Karajan die erste Klarinette anfangs gewähren lässt. Die ersten Violinen müssen, wenn sie entsprechende Stellen spielen, im Metrum bleiben. Karajan lässt etliche Male über Phrasierungsbögen hinweg spielen, was zwar einen dichten ununterbrochenen Klangstrom erzeugt, aber gegen die Partitur ist und außerdem als Stilmittel aus späteren Zeiten stammt (Wagners „unendliche Melodie“ und orchestrales Sostenuto-Spiel). Das klang 1953 profilierter.


    Der dritte Satz ist der Philharmonia-Einspielung am ähnlichsten. Nicht nur die auf die Sekunde gleiche Spieldauer belegt dies. Hohe Tempokonstanz, klanglich-räumliche Terrassierung des Geschehens und ein eher stilisierter Ansatz sind die gemeinsamen charakteristischen Eigenschaften. – Ähnliches gilt auch für das Gewitter, das wie 1953 angelegt ist, mit vielleicht bei den „Blitzen“ noch schneidigeren ersten Violinen. Kaum zu glauben, dass die Piccolo in T. 93 (1:57) fast ein Viertel zu spät einsetzt. – Im letzten Satz lässt Karajan seinen Berlinern mehr Raum zur klanglichen Expansion als seinerzeit dem Philharmonia Orchestra. Die Tutti-Stellen sind kräftiger, Töne werden breiter gespielt, der Klang ist längst nicht so schlank wie dort, was den Satz doch stärker in die Nähe des Überschwangs rückt als 1953.


    Ein spannender Vergleich zu 1953! In den ersten beiden Sätzen sind die Tempi spürbar höher. Der Eindruck vom ersten Satz ist geradezu sportlich-flott, im zweiten Satz dominiert Wohlklang unter Missachtung der Phrasierungsbögen der Partitur. Der dritte und der vierte Satz sind der 1953er Aufnahme sehr ähnlich. Im Finale lässt Karajan in Berlin deutlich stärker aufdrehen als in London. Der Orchesterklang ist nicht so leicht, schlank und transparent wie seinerzeit. Aufgefallen sind mir vor allem die erste Flöte mit einem herrlich zarten Vibrato und die ungemein satten und homogenen Kontrabässe. Doch geht die Wiedergabe schon stark in Richtung von „wohltönenden Klangwolken“. Nichts gegen wohltönend – doch ich vermisse das in der Partitur gezeichnete Profil der Musik.

    Herbert von Karajan, Philharmonia Orchestra, Juli 1953
    Spielzeiten: 9:22/12:11/3:02/3:33/9:21 - 37:29
    Keine Wiederholungen.


    Herbert von Karajan lässt nach der ersten Fermate nicht absetzen, schließt die Fortsetzung dicht an, vermeidet jede Allusion an eine langsame Einleitung. Die Tempi liegen einheitlich zwischen 56 und 60 Halben pro Minute (Partitur 66), wobei auffällt, dass Abschnitte (nach einem kleinen Ritardando am Ende des vorgegangenen) gerne ein Tick langsamer begonnen werden und dann gegen Ende die 60 erreichen. Das ist mir nur mit dem Metronom in der Hand aufgefallen. Frappierend, kaum bemerkbar - das Stück wirkt schneller als es objektiv gespielt wird. Besonders auffällig ist dies beim zweiten Thema. Keine Wiederholung der Exposition. – Die große Repetitionsstelle wirkt sehr entspannt, am Ende der Steigerung geradezu überwältigend affirmativ (punktierte Rhythmen!), aber ohne Gewalt. Der Orchesterklang ist leicht, schlank und höhenbetont. Es wird weder besonders legato noch besonders abgesetzt artikuliert, aber viele Töne werden weich angesetzt. Insgesamt ist diese Darstellung der Musik derjenigen von Arturo Toscanini eng verwandt.


    Der zweite Satz ist fast durchgehend in 45 punktierten Vierteln pro Minute, insbesondere sehr tempokonstant. Wieder ist leichtes Spiel in den Streichern zu hören. Die synkopisch spielenden Bläser (nach der Hornquintenstelle, ab 1:46) habe ich in den vorgenannten Aufnahmen nicht so deutlich gehört. Sie bleiben zwar angemessen im Hintergrund, aber die rhythmische Bereicherung ist präsent und belebt den Satz. Transparenz ist angesagt. Diese wird durch die leuchtenden Bläserfarben befördert.


    Hohe Tempokonstanz auch im dritten Satz, um 96 Takte p. m., etwas zurückgenommen in der „Dorfmusikantenstelle“. Der Anfang erklingt sehr entfernt, klanglich sehr ausgeglichen in den Streichern. Straff und rhythmisch klar konturiert wird die Musik wiedergegeben, aber auch stilisiert – kein Krümelchen Erde scheint die Szene zu beschmutzen. Auch nicht im Trio, das zwar kräftig und saftig, aber auch sehr reinlich klingt. – Das Gewitter beginnt mit 90 Halben p. m. schon etwas über Beethovens Vorgabe. Schneller wird es dann aber nicht mehr. Die Lautstärkekontraste werden deutlich ausgespielt, Akzente knallen, das Blech darf drauflos tuten. In den Pianissimo-Abschnitten gibt es wieder leuchtende Farben im Holz. – Zartestes Neuansetzen im letzten Satz, punktierte Viertel nur ganz knapp unter der Partiturvorgabe von 60, keine Beschleunigung in den klanglich opulenteren Abschnitten, die dennoch nicht weniger groß wirken, aber gelassen. Damit kommt die Wiedergabe dem Titel „Frohe, dankbare Gefühle nach dem Sturm“ näher als der ausgelassene Überschwang manch älterer Einspielung.


    Hier ist eine neue Dirigentengeneration am Werk. Der 45jährige Karajan untersagt es sich weitgehend, Tempoänderungen als Mittel des Ausdrucks einzusetzen. Das Werk erklingt geradlinig. Nach den Rubato-Orgien eines Mengelberg oder Furtwängler wirkt dies geradezu objektiv. Der letzte Satz zeigt Größe und Gelassenheit und ist frei von Überschwang. Die Aufnahme macht gut verständlich, warum selbst Musikfreunde, die mit Karajan überkreuz stehen, diese alten Interpretationen gelten lassen: Das Spiel ist rhythmisch hochpräzise, der Orchesterklang ist hell, schlank und transparent mit leuchtenden Holzbläsern, die Stimmungen werden ausgezeichnet getroffen, klangliche Glättungsbemühungen stehen nicht im Vordergrund der Wiedergabe. Allenfalls mag das „lustige Zusammensein der Landleute“ etwas zu stilisiert und keimfrei daherkommen.

    Karajan, die vierte:


    L. v. Beethoven: Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ("Pastorale")


    Berliner Philharmoniker
    Herbert von Karajan
    November 1982


    Eine hervorragende Pastorale, bei der Herbert von Karajan erfreulicherweise wieder von seinen 1977er Ästhetisierungsmaßnahmen Abstand nahm. Das Orchesterspiel hat Biss, die Holzbläser haben Individualität. Ausgezeichnete Klangtechnik, sehr transparenter Orchesterklang. Wo mehrere musikalische Ebenen übereinander geschichtet sind, ist dies wunderbar leicht zu hören. Alles entwickelt sich organisch. Was für ein Gewitter! – Das ist eine der Aufnahmen, bei denen man Herbert von Karajan Abbitte leisten muss für das, was man andernorts über ihn gelästert haben mag.


    :hello:

    Karajans dritte Studio-Pastorale:


    L. v. Beethoven: Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ("Pastorale")


    Berliner Philharmoniker
    Herbert von Karajan
    1977


    Wer eine wunderschöne Pastorale hören will, macht mit dieser Aufnahme keinen Fehlgriff. Wer sonst als Karajan konnte ein Orchester so sinnlich-schön spielen lassen? Sogar das Gewitter kommt geradezu geometrisch geordnet daher. Einzigartig.


    Ich sage aber dazu, dass die übergroße Schönheit auf Kosten der Umsetzung vieler Details der Partitur geschieht. Wollte man ähnlich partiturwidrig in der Oper verfahren, so könnte man beispielsweise den Siegmund am Beginn der Walküre einen vielfarbbunten Papierdrachen im lauen Frühlingswind spielerisch steigen lassen, und Sieglinde schaut ihm von der Ledercouch aus mit einem Cocktail in der Hand durchs raumhohe Fenster zu.


    :hello:

    Mein lieber Zweiterbass, Bach-Sonaten und -Partiten für Violine solo mit Milstein - das wäre mal wieder was! Seine DG-Aufnahme ist mir eine der liebsten dieser Werke, übertrifft sogar seine EMI-Einspielung. Da wäre höchstens Szeryngs DG-Version eine Konkurrenz ...


    Bei mir zum Frühstück:


    R. Strauss: Hornkonzert Nr. 1 Es-Dur op. 11
    Dennis Brain, Horn
    Philharmonia Orchestra
    Wolfgang Sawallisch


    Noch so eine von den legendären Aufnahmen, die auf dem Erstmarkt vergriffen sind!


    L. v. Beethoven: Sinfonie Nr. 5 c-moll op. 67
    Berliner Philharmoniker
    Herbert von Karajan


    ... die digitale Version.



    :hello:

    Man kann sich in diesen Fällen das Bild von amazon herunterladen (mit rechter Maustaste anklicken -> speichern unter ... ), dann dieses Bild auf irgendeinen kostenlosen Webplatz für Bilder hochladen und dann bei Tamino den Link zu diesem Bild einstellen.


    :hello:


    Warum so umständlich? Cover, die nicht mit dem AM-BBCode sichtbar werden, können direkt mit dem IMG-BBCode angezeigt werden.

    Und noch eine:


    L. v. Beethoven: Sinfonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ("Pastorale")


    Berliner Philharmoniker
    Herbert von Karajan
    Februar 1962



    Ein spannender Vergleich zu 1953! In den ersten beiden Sätzen sind die Tempi spürbar höher. Der Eindruck vom ersten Satz ist geradezu sportlich-flott, im zweiten Satz dominiert Wohlklang unter Missachtung der Phrasierungsbögen der Partitur. Dritter und vierter Satz sind der 1953er Aufnahme sehr ähnlich. Im Finale lässt Karajan in Berlin deutlich stärker aufdrehen als in London. Der Orchesterklang ist nicht so leicht, schlank und transparent wie seinerzeit. Aufgefallen sind mir vor allem die erste Flöte mit einem herrlich zarten Vibrato und die ungemein satten und homogenen Kontrabässe. Es geht schon stark in Richtung von „wohltönenden Klangwolken“. Nichts gegen wohltönend – doch ich vermisse das in der Partitur gezeichnete Profil der Musik.


    :hello:

    Lieber Wolfram,


    sollten wir uns einmal treffen, würde ich mit Dir ein Alt, ein Pils, ein Export und dann noch ein Bock trinken. Und damit es nicht zu trocken wird, dazu einen Weinbrand.


    Das können wir gerne tun! Das Rhein-Nahe-Eck ist eine wunderbare Landschaft. Japaner geben viel Geld aus, um das einmal im Leben zu sehen ... aber vielleicht bin ich ja früher in Deinen Gefilden als Du zwischen Mainz und Koblenz.


    schon wieder Strauß, ich glaube, der hat auch gerne ein Bier getrunken und dazu Skat gespielt


    Aber sicher! Der war überhaupt erfrischend normal.


    :hello:

    Lieber La Roche,


    ich danke Dir für Deine Worte und Deinen freundlichen Hinweis!


    Ein Tamino hatte oder hat in seiner Signatur den Satz stehen "Begib dich in Gesellschaft guter Menschen, und du wirst einer von ihnen" (oder so ähnlich). Vielleicht gilt das ja auch mit umgekehrten Vorzeichen. Man muss jedenfalls aufpassen.


    Wie gesagt: Ich werde mich zurückziehen.


    Danke nochmals für Deinen Hinweis!


    :hello: