Hallo Herbert, hallo Rita, hallo Fides,
alles Große ist einfach?! Weiß nicht ... ich finde Goethes Faust, Einsteins Relativitätstheorie und Elisabeth Schwarzkopfs Interpretation der Straussschen "Vier letzten Lieder" (mit Otto Ackermann) groß, alle drei finde ich auf den ersten Blick nicht einfach.
Zu Herbert und Rita:
ich glaube zu verstehen, was Ihr meint. Dieses "Ja!"-Gefühl, das sich in (seltenen) Fällen einstellt. Dann, wenn man keine Differenz zwischen Rolle und Interpret bemerkt. Dann, wenn man vergisst, dass es sich um eine Sängerin, einen Sänger mit anderem Alter und anderer Lebensgeschichte als die Opernfigur handelt. Dann, wenn gesangstechnische Fragen auf einmal keine Rolle spielen, sondern man von der Figur und ihrem Drama gefesselt ist.
Leider ist mein Eindruck, dass sich diese gefühlte Kongruenz zwischen Interpret und Rolle nur in Ausnahmefällen einstellt. Boris Christoff als Boris Godunow unter Dobrowen, Maria Callas als Medea (und andere), Victoria de los Angeles als Madama Butterfly, George London als Walküre-Wotan unter Leinsdorf, Mario del Monaco als Otello, Gobbi als Simone Boccanegra, Martti Talvela als König Marke und als Großinquisitor, Fritz Wunderlich als Tamino, ... da hat jede(r) so seine Schätze im CD-Regal.
Habt Ihr so einen Hunding? Falls ja, wäre es doch interessant zu erfahren, warum Mäxchen bei Sänger X eine vollkommene Kongruenz fühlt, Lisa aber bei Sänger Y. Das könnte etwas aussagen über die Rolle, könnte aber auch etwas über Mäxchen und Lisa aussagen.
Falls Ihr so einen Hunding nicht habt, so komme ich zur Frage im Thread-Titel zurück: Wer war der beste Hunding - wenn es keinen mit dieser gefühlten Kongruenz geben sollte? Und dann meine ich, dass es vergnüglicher ist, die Diskussion nicht an der Stelle "Mäxchen sagt: Sänger X ist es, Lisa sagt: Sänger Y ist es, Pumuckl sagt: Sänger Z ist es" zu beenden, sondern weiter zu diskutieren: "Mäxchen sagt: Sänger X ist es, weil er die Partie technisch perfekt abliefert; Lisa sagt: Sänger Y ist es, weil mich seine Stimme am meisten betört; Pumuckl sagt: Sänger Z ist es, weil er im Live-Mitschnitt aus dem Jahre 19xx am meisten mitreißt". Und dann entfaltet sich die Mehrdimensionalität unseres wunderbaren Zeitvertreibes ganz von alleine.
Letztlich bleibt die Leistung eines Sängers erst dann über das Niveau "Sänger X ist der beste" hinaus kommunizierbar, wenn dieses "der beste" etwas differenzierter dargelegt wird. Ich finde es so viel schöner. "Zu viel Wissen zerstört den Zauber"? Definitiv nein. Sondern: "Je größer das Wissen, desto größer das Staunen." (Alfred Brendel)