Beiträge von Wolfram

    Hallo zusammen,


    nun, der Titel des Threads war schon eine gewollte Provokation. Nun denn. Ein Körnchen Wahrheit ist dran. Viele seiner Aufnahmen geben diejenigen Teile des Repertoires wieder, in denen ein Orchester glänzen, brillieren, funkeln darf und muss. Ich denke vor allem an das französische Repertoire von Berlioz bis weit ins 20. Jhd., insgesamt aber vieles, was um die Jahrhundertwende 19/20 liegt und ein groß besetztes Orchester benötigt. Und Dutoit bleibt bei seinen Interpretationen in puncto Spielkultur und Virtuosität nur selten den Werken etwas schuldig. Mit bösen Willen mag man ihm das negativ anlasten. Ich weiß auch nicht, warum man nicht über seinen Beethoven und Brahms spricht, sondern (fast) immer nur über seinen Ravel und Holst.


    Beim Lesen des Thread-Titels bin ich im Geiste meine Dutoit-Aufnahmen durchgegangen und konnte mich spontan nur an Orchesterwerke von Ravel (3CDs, eine Doppel-CD sowie Daphnis separat) und "Holst, The Planets" erinnern. Beides exemplarische Einspielungen. Die "Planets" mit Dutoit ziehe ich Karajans Digital-Version bei weitem vor. Das Lob dieser Aufnahmen wurde ja schon von anderen in diesem Thread gesungen.


    Vor dem CD-Regal sind mir dann doch noch einige weitere Aufnahmen in die Hände gekommen:


    Bizet, L'Arlésienne Suiten 1+2, Carmen Suiten 1+2
    Respighi, Rom-Trilogie (Pini, Feste, Fontane)
    Ibert, Orchesterwerke
    Honegger, Sinfonien 1-5, Pacific 231, Rugby
    Stravinsky, kleinere Werke auf einer Doppel-CD "Chamber Works and Rarities"


    Die Respighi-Einspielungen und die Ibert-CD sind großartig (trotz Toscanini bei Respighi). Wer seine Anlage testen will oder mal wieder ein Klangbad nehmen möchte - nur zu. Überhaupt war der treibende Gedanke beim Kauf meiner Dutoit-CDs der Wunsch nach opulentem Orchesterspiel gepaart mit einer Top-Aufnahmequalität. Die liegt bei Decca nun mal vor. Meine diesbzgl. Erwartungen wurden bei Dutoit+Decca nie enttäuscht.


    Interpretatorisch kann sein Honegger dem Karajan nicht das Wasser reichen, ist auch eine Erato-Einspielung und weniger spektakulär.


    Ferner noch die Klavierkonzerte von Saint-Saens mit Pascal Rogé, das zweite Violinkonzert von Szymanowski mit Chantal Juillet, von Prokofieff das 1. und 3. Klavierkonzert sowie Bartoks drittes Klavierkonzert mit Martha Argerich. Letzteres bei EMI, für alle drei Konzerte mit Argerich gibt es bessere Aufnahmen. Bei Proko 3 ist Argerich mit Abbado sich selbst scharfe Konkurrenz. Bei Proko 1 halte ich es mit Gavrolov/Rattle und bei Bartok 3 mit Anda/Fricsay.


    Saint-Saens und Szymanowski sind absolut hörenswert, wobei ich hier aber nur wenig Vergleich habe (Ciccolini bei Saint-Saens und Zehetmair/Rattle bei Szymanowski).


    Ein Blender ist er sicher nicht. Ich würde ihn gerne mal mit Beethoven und Brahms hören, auch mit der zweiten Wiener Schule und Richard Strauss. Bei Mahler zögere ich ... weiß nicht, warum.

    Hallo Pius,


    ich habe mir die Box vor etwa zwei Jahren angeschafft. Na ja, es ist so, wie es mit Gesamteinspielungen halt ist - Quantität ist da oft wichtiger als Qualität. Ich war nicht sonderlich begeistert. Ich gebe allerdings zu, dass Regers Musik mehr vom Hörer verlangt als ein einmaliges Durchhören.


    Vielleicht ist es sinnvoller, sich exemplarische Einzeleinspielungen zu besorgen, bevor man 23 CDs im Regal einmal hört und dann nie wieder. Mir fällt da z. B. das Klarinettenquintet und das Streichsextett ein, Sabine Meyer und das Wiener Streichsextett.

    Hallo zusammen,


    ich halte Nikolaus Harnoncourt für einen der wichtigsten Interpreten des 20. Jahrhunderts. Ohne ihn wären wir um viele kostbare Aufnahmen ärmer - nicht nur seine eigenen.


    Ich gestehe, dass ich erst mit Harnoncourt einen Weg zu Mozart gefunden habe (und dankbar bin, mittlerweile auch die herrlichen Aufnahmen mit E. Kleiber - Figaro, Guilini - Don Giovanni u. v. a. m. schätzen zu können).


    In seinem diskographischem Vermächtnis gibt es sicher Referenzaufnahmen wie die Dvorak-Symphonien 7-9 oder zwei Klavierkonzerte von Mozart mit Gulda neben anderem, weniger bezwingendem wie der Matthäuspassion mit dem Concertgebouw Orchestra (seine 2. Einspielung des Werkes). Stets liefert er aber eine interessante Interpretation ab - langweilig ist es nie.


    Noch wichtiger als sein eigenes Wirken als Musikforscher und Interpret ist mir jedoch die historische Aufführungspraxis (bzw. historisch informierte Aufführungspraxis usw.), deren aktuellen Kenntnisstand wir zu großen Teilen Harnoncourt verdanken. Ferner hat seine Tätigkeit, zurück zu den Quellen zu gehen, Schule gemacht, so dass wir heute von historisch informierten Interpreten, der zweiten, ja dritten Generation sprechen können. Ich nenne Gustav Leonhardt und Frans Brüggen als Mitstreiter der ersten Generation, die Kujiken-Familie, René Jacobs, Norrington, Hogwood, Christie, Pinnock, Gardiner, das Quatuor Mosaiques (alles ehem. Mitglieder des Concentus musicus Wien) (u. v. a. m) als Mitglieder einer imaginären zweiten Generation und schließlich solch interessante Interpreten wie Alessandrini oder Garrido als sich abzeichnende Vordenker einer dritten Generation.


    Gäbe es ein Concerto Köln, einen Andrew Manze, einen Reinhard Goebel samt Musica Antiqua Köln, einen Thomas Hengelbrock ohne Harnoncourt? Sicher, aber würden sie so mitreißend musizieren?


    Spannender als die Frage "Harnoncourt pro und contra" (hier gibt es m. E. kein echtes contra, nehmt nur Alles in Allem) finde ich die Frage, ob die Originalklangbewegung quasi in der Luft lag (und eines Harnoncourt keinesfalls bedurft hätte) oder ob hier doch das persönliche Verdienst des Mannes überwiegt, der eine gesicherte Stelle als Cellist bei den Wiener Symphonikern aufgab, um es besser zu machen als die Dirigenten, die ihm sagten, wie er zu spielen habe?

    Hallo zusammen,


    an diesem verlängerten Wochenende habe ich mal meine Aufnahmen der 5. Sinfonie von Sibelius durchgehört.


    Karajan/BPO (Feb 1985, DG)
    Barbirolli/Hallé (Juli 1966, EMI)
    Celibidache/Schwedisches RSO (März 1971, DG)
    Ashkenazy/Philharmonia Orchestra (1980-86?, Decca)
    Rattle/CBSO (Feb 1987, EMI)
    Bernstein/WPO (Sep 1987, DG)
    Vänskä/Lahti SO (Jan 1997, BIS)


    Dazu die Urfassung von 1915 mit Vänskä/Lahti SO (Mai 1995, BIS).


    Vorher habe ich auf Karajan und Ashkenazy als "Gewinner" dieses Vergleiches gesetzt.


    Am besten haben mir dann beim ersten Durchhören (in Reihenfolge der Aufnahmedaten) Celibidache und Rattle gefallen, gefolgt von Barbirolli und Karajan. Insbesondere die Gestaltung des Finales fand ich bei Celi unübertroffen.


    Beim zweiten Durchören hat mit die Celibidache-Aufnahme deutlich weniger gefallen,alles kam mir zu langsam vor. Der Stand ist nun: Rattle, gefolgt von Barbirolli, dann Karajan.


    Zwei mögliche Ursachen fallen mir dazu ein:
    - Tagesform bedingt Aufnahmefähigkeit (und Celi verlangt viel davon)
    - Mit der gestiegenen Hörerfahrung bei diesem Werk hat sich die Erwartungshaltung verschoben
    Das wäre mal ein Thema für einen eigenen Thread.


    Die Urfassung ist etwas für alle diejenigen, die dieses Werk lieben und einen Blick in Sibelius' Werkstatt werfen wollen. Überzeugt hat mich diese Fassung nicht, sie ist auch unter Zeitdruck entstanden, da sie zu Sibelius' 50. Geburtstag uraufgeführt werden sollte und wurde. In dieser Urfassung waren Kopfsatz und Scherzo noch eigenständige Sätze. In einer zweiten Fassung von 1916 wurden diese beiden Sätze amalgamiert. Die heute fast immer gespielte Fassung ist die dritte von 1919.

    Was sind Eure liebsten "5. Sibelius"? Hat jemand die Aufnahmen mit Colin Davis?

    Nun sind Furtwängler, Cantelli, Mengelberg und Pletnev (DG) bei mir eingetroffen (bzw. deren Aufnahmen von Tschaikowskys 6. Sinfonie).


    Furtwängler liefert die mit Abstand depressivste Einleitung des Kopfsatzes ab - Wahnsinn. Der ganze Tristan ist dagegen Kindertränen, "weil süße Milch sie verschüttet".


    Ansonsten eine sehr geschlossene Darstellung bei Furtwängler. Mengelberg mit vielen Eigenwilligkeiten - hörenswert, aber eher als Gegenbeispiel denn als Ausgangspunkt. Cantelli ist für mich die bis jetzt beste Einspielung der Sinfonie. Pletnev ist fetzig. Alles sehr schnell, im ersten Satz funktioniert das noch, der zweite ist sehr, sehr hastig und im dritten ist gar nicht mehr alles hörbar. Schade.


    Somit sind meine Favoriten bei diesem Werk: Cantelli, mit etwas Abstand gefolgt von Abbado und Sinopoli.

    Hallo zusammen,


    Bachs Goldberg-Variationen, Beethovens Diabelli-Variationen und Brahms' Händel-Variationen wurden schon hinreichend genannt.


    Ich möchte noch


    - Cornelius, Ach wie flüchtig, ach wie nichtig - Choralvariationen für fünf Männerstimmen
    - Reger, Introduktion, Variationen und Fuge über ein Originalthema fis-moll op. 73
    - Webern, Variationen op. 27 für Klavier
    - Lutoslawski, Paganini-Variationen


    hinzufügen. Alles höchst ergiebige Musik für denjenigen, der sich darauf einzulassen bereit ist.

    Hier nun eine Fortsetzung:


    Es werden nun die Aufnahmen von Toscanini (NBC SO, 1947), Mravinsky (Leningrad PO, 1960), Abbado (WPO, 1974), Karajan (BPO, 1976), Jansons (Oslo PO, 1984), Sinopoli (Philharmonia Orchestra, 1989) und Celibidache (MPO, 1992) betrachtet.


    Zu Celibidache ist zu sagen, dass er 59 Minuten für dieses Werk braucht, die übrigen Dirigenten jedoch nur zwischen 41 und 47 Minuten. Bei der 5.Sinfonie Tschaikowskys fand ich seinen Ansatz sehr überzeugend (siehe auch den entsprechenden Thread), hier überspannt er m. E. des Bogen und ist lediglich als Ausnahmeerscheinung interessant, als Gegensatz, als Alien, nicht als ernsthafter Gegenstand eines Vergleichs und wird darum im folgenden nicht besprochen.


    Der Kopfsatz ist formal eine Sonatensatzform, bei der Durchführung und Reprise in intelligenter Weise miteinander verzahnt sind. (Dies widerlegt zum Teil den Vorwurf formaler Beliebigkeit.) Einer Analyse von Thomas Kohlhase in der Goldmann-Schott-Taschenpartitur im wesentlichen folgend, finden wir folgende Abschnitte:


    T. 1-18 Einleitung in drei Abschnitten zu 6 Takten


    T. 19-160 Exposition
    T. 19-88 Hauptsatz
    T. 19-42 1. Thema (mit Entwicklung)
    T. 43-88 Episode
    T. 89-142 Seitensatz
    T. 89-100 2. Thema
    T. 101-129 Episode
    T. 130-142 2. Thema wiederholt
    T. 143-160 Schlussgruppe


    T. 161-304 Durchführung
    T. 161-170 Einleitung
    T. 171-201 1. Teil, beginnend mit Fugato, gesteigert bis ins fff
    T. 202-229 2. Teil, beginnend mit Zitat aus der russischen Totenmesse in den Posaunen, innerer Höhepunkt
    T. 230-276 3. Teil, gleichzeitig Reprise des 1. Themas, äußerer Höhepunkt
    T. 277-304 Ausklang


    T. 305-335 Reprise
    T. 305-317 Reprise des 2. Themas
    T. 318-335 neue Schlussgruppe


    Alle Dirigenten nehmen die Einleitung langsamer als notiert (adagio, Viertel = 54), Toscanini, Mravinsky, Karajan und Sinopoli fast ohne rubato, Abbado und Jansons verweilen ein wenig auf den Spitzentönen.


    Das erste Thema (Allegro non troppo, Viertel = 116) nimmt Toscanini schneller als notiert. Bei ihm macht es am den Eindruck von atemlosen, gehetzten Dahinhuschen. Bei piu animando (Blechbläserfanfaren T. 19ff.) hat er allerdings keine Temporeserven mehr. – Mravinsky ist hier deutlich langsamer, lässt aber das erste Motiv des Themas stets mit Nachdruck spielen. Überhaupt ist Deutlichkeit auch in Nebenstimmen sein Anliegen. – Abbado hat sogar bei der Wiederholung des ersten Themas in der Flöte Zeit für ein Minirubato, fast noch langsamer als Mravinsky, sehr behutsam und detailbeachtend. Auch die Blechbläserfanfaren am Höhepunkt der Episode lässt er nicht voll ausspielen, hebt sich die Dramatik für später auf. Trotzdem klingt es bei ihm geradezu sportlich und schlank. – Karajan ist deutlich drängender, legt den Vortrag auf Steigerung und Nachlassen hin an. Die absteigenden Holzbläser-Tonleitern zu Beginn der Episode werden kaum phrasiert. Karajan lässt den Höhepunkt deutlich kräftiger ausspielen als Abbado. – Jansons spielt rhythmisch sehr exakt, allerdings um ein Haar zu penibel, als dass das Stück wirklich atmen würde. – Bei Sinopoli hört man sofort, was Jansons fehlt: Eine gewisse Weichheit, Biegsamkeit des Vortrages, die bei allem Tempo, aller Ereignisdichte die Noten mit einem zärtlichen Trauerflor umgibt.


    Das zweite Thema, Andante (Viertel = 69), con sordini, teneramente, molto cantabile, con espanzione ( = Streicher mit Dämpfern, zart, sehr gesanglich, mit Ausdehnung). - Toscanini ist als einziger im Tempo, gönnt sich aber – wie allen anderen – Dehnungen der langen Melodietöne. Deutliches Anziehen des Tempos zu Beginn der Episode (vorgeschrieben sind nun Viertel = 100). Bei Wiederholung des zweiten Themas (ohne Dämpfer) ist er genau im Tempo. Sentimentalität kann man ihm sicher nicht vorwerfen. – Mravinsky nimmt das zweite Thema langsamer, zurückhaltender, aber mit stärkeren Akzente da, wo der Komponist sie vorgeschrieben hat und auch an anderen Stellen. Das macht einen süßlicheren Eindruck als bei Toscanini, ohne deswegen sentimental zu sein, es hat etwas schwärmerisches. Mravinsky zieht in der Episode bei der Steigerung der Lautstärke auch das Tempo an. – Abbado macht alles, was in der Partitur steht (Tempo mal ausgenommen), aber er sucht keine Extreme. Das zweite Thema wirkt sehr ausgeglichen, quasi gemäßigte Tschaikowsky-Breiten. Es fällt die Natürlichkeit des Abbadoschen Vortrages auf. – Karajan lässt die Crescendi und Decrescendi des 2. Themas stärker ausspielen als Abbado. Er lässt die vorgeschriebene Beschleunigung zu Beginn der Episode nicht spielen, sondern bleibt quasi im Tempo des zweiten Themas. Am Ende der Episode scheint er dann aufholen zu wollen. Das steht anders in der Partitur. Bei der Wiederholung des zweiten Themas mögen Karajanverächter mit dem Finger auf den Breitwandsound zeigen, aber es klingt hinreißend. – Jansons ist da zurückhaltender mit der espanzione, das zweite Thema hat bei ihm etwas wehmütiges, was aber auch daran liegt, dass er die vorgeschriebenen Akzente kaum beachtet. Das gilt auch für die Wiederholung – Blech und Holz haben eben nur p bis mf, allen ff der Streicher zum Trotz. Karajan war da pauschaler – auch wenn’s bei ihm noch so schön klingt, es steht so nicht da und ist so nicht gewollt. – Auch Sinopoli sagt beim zweiten Thema dem Klangbad ab und bevorzugt eine verschattete Darstellung des Materials. Zügig, drängend geht es dann durch die Episode. Bei der Wiederholung mag man zunächst gar nicht glauben, dass die Dämpfer weg sind.


    Zeit für ein Zwischenfazit: Karajan klingt toll, aber eben nach Karajan und nicht unbedingt nach Tschaikowsky. Jansons ist im ersten Thema zu pedantisch und im zweiten zu nachlässig. Bei den anderen muss man noch sehen, wo die Reise hingeht. Abbado und Sinopoli gefallen mir bis jetzt am besten.


    Die Durchführung. Hier sind die Unterschiede interessanterweise marginal und eher in der Klangtechnik und in der Virtuosität des Orchesters zu suchen. Einzige Stelle zur Unterscheidung ist der (äußere) Höhepunkt der Durchführung (T. 285), wo der Dirigent entscheiden muss, ob und wie viel er im Tempo nachgibt. – Toscanini hat ein sehr angemessenes Tempo, ist keinesfalls zu schnell. Bei T. 285ff gibt er kaum im Tempo nach. – Mravinsky lässt zu Beginn der Durchführung sehr schroff spielen (wieder das gewöhnungsbedürftige Vibrato der russichen Trompeter beim Höhepunkt des 1. Teils). Etwas deutlicheres Nachgeben im Tempo bei T. 285ff als bei Toscanini. – Bei Abbado finden wir hervorragendes Orchesterspiel in allen Gruppen, deutlich besser als New York oder Leningrad. Bei der Reprise des 1. Themas nimmt er ein wenig Fahrt weg. Beim Anlaufen zum Höhepunkt wird es dann immer breiter, schließlich quasi halbes Tempo – steht so nicht in der Partitur (largamente steht nur in der Streicherstimmen und bezieht sich wohl auf die Bogenführung), auch wenn es seine Berechtigung im dramatischen Kontext haben mag. Überzeugend ist es aber allemal. – Die Berliner Philharmoniker stehen ihren Wiener Kollegen sicher nicht nach. Kaum Tempoverbreiterung am Höhepunkt! – Jansons wird beim Anlaufen zum Höhepunkt abrupt langsamer (T. 277ff.) und verschenkt somit vieles von der möglichen Wirkung dieser Stelle. – Sinopoli beginnt die Durchführung geradezu explosiv, die Nebenstimmen in Holz und Hörnern während des Fugatos sind deutlicher zu hören als bei anderen. Sinopoli behält den Drive unterschwellig beim Choral aus der Totenmesse bei, es kocht quasi bei geschlossenem Deckel weiter (Celli/Bässe) und beruhigt sich erst bei Beginn der Durchführung des 1. Themas, um dann sofort wieder in Fahrt zu kommen. Das ist bis jetzt eine absolut stimmige Tempodramaturgie. Ab T. 277 wird allerdings auch er deutlich langsamer (quasi halbes Tempo) – schade. Bis jetzt der einzige eventuelle Schwachpunkt einer ausgezeichneten Interpretation.


    In der Reprise des zweiten Themas sind die Charakteristika aus der Exposition wiederzuerkennen: Toscanini der schnellste, hier für meinen Geschmack zu schnell. Etwas zu buchstabiert die Coda. – Mravinsky expansiver als Toscanini mit einem fetten letzten Höhepunkt. Die Coda ähnlich wie Toscanini, jedoch deutlicher artikuliert. – Abbado ist auch in der Reprise wieder introvertierter als Mravinski. Recht legato in der Coda. – Karajan dreht bei der zweiten incalzando-Stelle noch mal auf. Sehr weihevoll wird die Coda vorgetragen. Das ist dramaturgisch sehr stimmig, ist allerdings meilenweit vom in der Partitur angegebenen Tempo entfernt (Viertel = 80). - Bei Jansons geht es recht sachlich nach Hause. Unaufgeregt auch die Coda bzw. Schlussgruppe, ohne einen Hauch von Verklärung. Es wirkt etwas buchstabiert. – Auch bei Sinopoli haben sich nach der Durchführung die Wogen zunächst geglättet, er macht allerdings noch zwei kräftige Tempowellen (in der Partitur so vorgeschrieben: incalzando = drängend), betont sachlich auch die Coda.


    (Leider habe ich nicht die Einspielungen von Furtwängler, Mengelberg, Fricsay, Cantelli, Bernstein und Solti. Mal sehen.)


    Bei Interesse wird die Besprechung fortgesetzt ...

    Hallo zusammen,


    ich möchte versuchen, diesen Thread wieder zum Leben zu erwecken.


    Die Beurteilung der Sinfonien Tschaikowskys im allgemeinen und dieses Werkes im besonderen war und ist starken Schwankungen unterworfen. Hans von Bülow, Dirigent der Berliner Philharmoniker ab 1887, zog Bach, Beethoven, Brahms, dazu Haydn und Mozart bei weitem vor und mied Tschaikowsky. Artur Nikisch, sein Nachfolger in diesem Amt, setzte die Werke des Russen gerne auf seine Programme.


    Ein wesentlicher Grund, der manche Musikfreunde dazu bringt, diese Musik qualitativ geringer zu schätzen als z. B. die Sinfonien von Beethoven und Brahms ist ihre oft unverhohlen zur Schau gestellte Emotionalität, die in manchen Interpretationen die Grenze zur oberflächlichen Gefühligkeit nicht nur streift. Es wird ferner beklagt, dass Tschaikowskys Sinfonien die Folgerichtigkeit des Ablaufs vermissen lassen, die mancher beim Hören etwa einer Beethoven-Sinfonie empfindet. Der Vorwurf besteht im Kern also darin, dass es in diesen Werken um die ungebrochene Darstellung von nicht unbedingt hohen Gefühlen geht sowie dass diesen Werken ein (scheinbar?) geringer Grad innerer Logik eigen ist. Dazu kommen weitere Detaileinwände wie eine z. T. überladende Instrumentierung, eine unangemessen extreme Dynamik, scheinbar willkürliche Tempomodifikationen innerhalb der Sätze usw.


    Die Pathétique ist ein hervorragendes Beispiel, um diese Vorwürfe zu hinterfragen und anhand prominenter Interpretationen, die hier schon genannt wurden, zu beleuchten.


    Dieser Sinfonie wird der Charakter eines Requiems nachgesagt. Dies hat zum einen den äußeren Anlass, dass Tschaikowsky wenige Tage nach der Uraufführung starb. An inneren Belegen sind die folgenden zu nennen: In der Durchführung des ersten Satzes findet man ein Zitat aus der russischen Totenmesse, gespielt von drei Posaunen. Für diejenigen, die dieses Zitat in seinem liturgischen Kontext kennen, ist dies sicher der innere Höhepunkt des Satzes. Im letzten Satz – bezeichnenderweise ein langsamer Satz – setzt Tschaikowsky schließlich das Tamtam ein, welches als Symbol des Todes auch von anderen Komponisten verwendet wurde. (Z. B. Richard Strauss, Tod und Verklärung op. 24; Gustav Mahler, 9. Sinfonie, 1. Satz)


    Viele Hörer beschreiben weite Abschnitte der Ecksätze dieser Sinfonie als depressiv. Diese Abschnitte werden zumeist von Motiven bestritten, die auf schrittweise fallenden Tonfolgen aufbauen und Vorhaltsharmonik – oft über Orgelpunkten – einsetzen. (Die beiden erstgenannten Stilmittel bedingen natürlich einander zu einem gewissen Grad.) Dies findet man z. B. am äußeren Höhepunkt der Kopfsatzdurchführung, d. h. kurz vor der Reprise des zweiten Themas, ferner zu Beginn des letzten Satzes und im zweiten Thema des letzten Satzes.


    An diesen Stellen wird dem Interpreten die Entscheidung auferlegt, in wie weit er einer depressiven Stimmung Raum gibt, etwa durch Tempoverbreiterung oder durch Hervorheben der Vorhalte. Und: Wo ist Resignation gemeint – sei es in Bitterkeit (1. Thema 4. Satz?) oder in altersweiser Annahme eines unabwendbaren Schicksals (2. Thema 4. Satz?) -, und wo ist Trotz die vorherrschende Stimmung?


    Andere Stellen, namentlich diejenigen, die freundlichen, lieblichen, in jedem Fall aber verbindlicheren Charakters sind, fordern eine Entscheidung dahingehend, ob man die Emotionalität dieser Stellen hervorhebt – z. B. durch Agogik – oder eher nüchtern den Notentext wiedergibt. Dies gilt etwa für die zweiten Themen des Kopfsatzes und des Schlusssatzes.


    Eine besondere Rolle nehmen die Binnensätze ein. Wenn nun die Symphonie Requiem-artige Züge trägt, welche Rolle kommen dann dem 5/4-Walzer und dem zwar putzig beginnenden, doch im fff endenden dritten Satz zu, der sowohl scherzo- als auch marschartige Züge hat? Ist der zweite Satz nun hier-und-jetzt-Erleben einer wie auch immer gearteten Seligkeit oder nur noch 5/4-gebrochen-verklärte Reminiszenz besserer Zeiten? Ist der Schluss des dritten Satzes triumphal oder hat er eine niederwalzende Brutalität – in dieser Brechung verwandt dem Finale aus Schostakowitschs 5. Sinfonie? Der Interpret muss hier Antworten geben.


    (Fortsetzung folgt)

    Hallo zusammen,


    I. Herr Hurwitz hat - wie jeder andere auch - das Recht auf eine eigene Meinung, einen eigenen Standpunkt, wie immer man das auch nennen möchte.


    II. Es ist allerdings auch wahr, dass die Verantwortung für das Veröffentlichen einer Meinung mindestens linear mit dem Grad der Öffentlichkeit wächst.


    III. In der Kommunikationstheorie lernt man, dass jede Aussage (1) eine Sachaussage enthält, (2) eine Selbstaussage enthält, (3) eine Beziehungsaussage bzw. Aussage über den Angesprochenen enthält, (4) einen Appell enthält. Dies jeweils verschiedenen Graden (bis zu Null).


    Das klassische Beispiel ist eine Frau am Lenkrad eines Autos, ein Mann auf dem Beifahrersitz, das Ganze im Stand vor einer Ampel. Der Mann sagt: "Es ist grün." Das kann nun sein: (1) Sachaussage (die Ampel ist wirklich grün), (2) Selbstaussage (z. B. "wenn ich nicht immer aufpassen würde ..."), (3) Beziehungsaussage ("du hast keine Ahnung vom Autofahren") oder (4) Appell ("fahr endlich los!").


    Bei den Statements von Herrn Hurwitz scheinen mir überwiegend Selbstaussagen vorzuliegen. Folgende Übersetzungsversuche mögen diese Vermutung untermauern:


    1. Bei Mozart klingt wirklich immer alles gleich = Ich bin zu blöd, um bei Mozart das Dies irae vom Finale der Jupitersymphonie zu unterscheiden.


    2. Beethovens "Grosse Fuge" ist potthässlich = Ich habe immer noch nicht verstanden, dass Schönheit nicht unbedingt eine zentrale Kategorie in Beethovens Spätwerk ist.


    3. Wagners Opern sind viel besser mit Schnitten = Mir gelingt es nicht, mich länger als eine Fußballhalbzeit auf ein- und dieselbe Sache zu konzentrieren.


    4. Niemanden interessieren die ersten drei Sätze von Berlioz' Symphonie Fantastique = Spätestens mit Berlioz hat die Komplexität in der Musik mein geistiges Fassungsvermögen überschritten.


    5. Schönbergs Musik klingt nie attraktiver, egal wie oft man sie hört = Mit Musik gehe ich um wie mit Frauen. Nur Schönheit zählt und Hauptsache ist, sie hält ansonsten die Klappe und versucht nicht, schlauer zu sein als ich.


    6. Schumanns Orchestrierung hat wirklich Besserung nötig = Wenn ich nur genügend Zeit hätte, würde ich mich zu solch niederen Tätigkeiten wie der Verbesserung drittklassiger Komponisten wie Schumann usw. herablassen.


    7. Bruckner konnte kein symphonisches Allegro schreiben, um sein Leben zu retten = Bruckner war halt nicht so klug wie ich.


    8. Liszt ist Müll = Ich wäre so froh, wenn ich endlich die Consolations spielen könnte ... von der h-moll-Sonate ganz zu schweigen ...(=Fuchs und Trauben)


    9. Das so genannte "fröhliche" Ende von Schostakowitschs Fünfter Symphonie ist sehr ernst = Seht, Leute, ich habe eben DOCH Verständnis für Hintergründe von Musik!


    10. Es ist eine gute Sache, dass "nur" etwa 200 Bach Kantaten überlebt haben = ... sonst müsste ich den Rest auch noch rezensieren.

    Hallo zusammen,


    habe mich in den vergangenen Tagen meinen Aufnahmen der Symphonie Nr. 5 c-moll, op. 67, von Ludwig van Beethoven gewidmet. Zum Abspiel standen bereit:


    Furtwängler/BPO (Juni 1943)
    Toscanini/NBC SO (März 1952)
    Furtwängler/WPO (Februar/März 1954)
    Klemperer/Philh. Orch. (Dezember 1955)
    Bernstein/NYPO (September 1961)
    Karajan/BPO (März 1962)
    Jochum/Royal Concertgebouw Orch. (1969)
    Kleiber/WPO (1975)
    Bernstein/WPO (September 1977)
    Wand/NDR SO (Februar 1987)
    Harnoncourt/COE (Juni 1990)
    Celibidache/MPO (Mai 1992)
    Gardiner/ORR (März 1994)
    sowie eine weitere, leider undatierbare Aufnahme mit Bernstein und NYPO.


    Am meisten haben mich überzeugt: Furtwängler/BPO, Karajan, Kleiber und Harnoncourt.


    Furtwängler hatte 1943 eine Art, Phrasenenden zu beschleunigen(z. B. 3. Satz, Schluss der fugierten Abschnitte in C-Dur), das es eine Wonne ist. Bei Karajan versteht man (zumal auf dem Hintergrund der älteren Aufnahmen) sofort, warum diese Aufnahme Anfang der 60er Jahre Furore machte: Drahtiges (im Sinne von sportlich), spritziges Spiel, ohne Verlust an Dramatik. Entschlackt im besten Sinne. Aufbruch nach der Nachkriegszeit. Bei Kleiber stimmt (scheinbar?) einfach alles. Harnoncourt lehrt hier mal wieder neues Hören.


    Interessant sind ferner Celi (auch hier scheint alles richtig, wenn man die Tempi erträgt, das liegt jedoch oft auch an mir selbst, ob das klappt oder nicht. Natürlich ist Celi nicht zur Überbrückung der Zeit zwischen Autowaschen und Sportschau geeignet ... ) und Gardiner (obwohl, es ist einfach zu schnell. Man höre z. B. den Beginn der bei Furtwängler bereits genannten Fugati im 3. Satz. Arme Bässe. Revolutionär will er sein. Das ist Beethoven sicherlich AUCH, aber nicht nur. Außerdem kann auch Stille revolutionär sein.)


    Die "vier besten" höre ich mir nochmal an.

    Hallo zusammen,


    ich habe im oben genannten Preisbereich einiges im Vergleich gehört (Elektronik: Accuphase, Burmester, Naim, Linn, Krell; Boxen: B&W, Dynaudio, AudioPhysic, Linn) und war nirgends so überzeugt wie von Linn. Unbedingt probehören! Unglaublich viel Platz zwischen den Tönen - selber hören, wer's nicht glaubt.


    Ohne Rücksicht auf die Kosten wäre: Linn Unidisc 1.1, Vorstufe Linn Klimax Control, Linn Artikulat Aktivboxen. Na ja, im nächsten Leben vielleicht ... Linn hat übrigens auch im bezahlbaren Bereich ausgezeichnete Komponenten zu bieten. Bei Lautsprechern war die Audio Physic Virgo III mein Favorit von a capella Chören bis Mahlers 8. Sinfonie.


    (Nein, ich bin mit Linn weder verwandt noch verschwägert usw.)

    Hallo zusammen,


    sicher kann man alte Instrumente und alte Spielpraktiken sehr weitgehend rekonstruieren.


    Was man nicht rekonstruieren kann, ist der Hörer des 16., 17., 18., 19. Jahrhunderts. Wir alle haben Beethoven, Schubert, Bruckner, Brahms, Tschaikowsky, Schönberg, Strawinsky, Bartok u. v. a. m. im Ohr.


    Selbst, wenn JSB uns persönlich sein Wohltemperiertes Klavier vorspielte: Würden wir es so hören wie seine Zeitgenossen? Würde es in uns vergleichbare Affekte, Gedanken, Strukturerkennungsmechanismen usw. auslösen? Ich behaupte: Nein.


    Es spielt keine Rolle, ob jemand HIP spielt oder nicht - die einzige Frage ist, was sein Vortrag in mir hier und heute auslöst. Und Harnoncourt hat erfolgreich gezeigt - und das war sein Ziel! - das man mit HIP eine Interpretation abliefern kann, die den modernen Hörer u. U. stärker berührt als eine konventionelle. Man lese dazu auch seine Bücher. Nicht HIP um HIP willen wollte er, sondern den modernen Hörer erreichen.


    Im übrigen warte ich noch darauf, dass die HIPler Mahlers 6. spielen - ich will endlich mal wissen, wie der originale Hammer klang. :-)

    Hallo zusammen,


    ich möchte insbesondere BigBerlinBear beipflichten. Buxtehude hatte ein Publikum reicher Kaufleute zu unterhalten, die sich vor und nach der Börse zur Gemütsergötzung etwas auf der Orgel vorspielen ließen (das waren noch Zeiten, so ohne iPod ...). Dafür gab's Geld! Daher der oft weltliche Charakter seiner Orgelwerke - sie waren wahrscheinlich nicht für den Gottesdienst bestimmt.


    Auf den Generationenunterschied Bach/Buxtehude hat ja schon BigBerlinBear hingewiesen. J. S. Bach war sich klar darüber, dass er seiner Zeit rettungslos hinterher war. Bach war zu seiner eigenen Zeit (spätestens ab 1730) völlig veraltet und geradezu hinterwäldlerisch - bitte, natürlich nur aus der Sicht seiner Zeitgenossen gesehen. Das Ansehen, das er als Orgellehrer, als Orgelvirtuose und als Orgelsachverständiger hatte, hatte er als Komponist nur sehr bedingt. Wer, bitte schön, hätte gegen 1750 den III. Teil der Klavierübung spielen wollen? Man vergleiche mit anderer Musik dieser Zeit - nicht nur Orgelmusik.


    (In dem Zusammenhang muss man auch nochmal sagen, dass Bach nach seinem Tode als Komponist keineswegs vergessen wurde. Für das Vergessen fehlt nämlich eine logische Voraussetzung: Das Kennen! Das ist bei Bach nicht in dieser Breite der Fall. Diejenigen, die ihn vorher kannten - nämlich die Experten - die kannten ihn auch nach seinem Tod. Haydn, Mozart, Beethoven - sie alle haben Bachsche Fugen studiert. Diejenigen, die ihn nicht kannten - die breite Masse - die kannten ihn auch später nicht. Jedenfalls bis Mendelssohn-Bartholdy.)


    Bach hat seine Orgelwerke entweder für den Gottesdienst geschrieben oder für pädagogische Zwecke (sechs Sonaten, Orgelbüchlein) oder zur Demonstration kontrapunktischer Künste (kanonische Variationen über 'Vom Himmel hoch'). Das legt den Charakter dieser Musik weitgehend fest.


    Buxtehude wollte unterhalten und tat genau das. Bei Bach habe ich den Eindruck, nach drei Takten zu wissen, wie die Musik weitergeht (insbes. in den Fugen, aber auch in den späten Präludien), bei Buxtehude ist man vor nichts sicher.


    Toccata und Fuge d-moll BWV 565 ist sicher nicht von Bach. So eine armselige Fuge.

    Hallo Pius,


    es freut mich außerordentlich, dass Du die Fano-Ebene mit ihrer Automorphismengruppe der Ordnung 168 erkannt hast!!


    In der Tat habe ich mich einige Jahre meines Lebens mit symmetrischen Designs beschäftigt, insbesondere mit solchen mit Parametern (176,50,14), von denen ich auch ein paar neue gefunden habe.


    Woher kennst Du die Fano-Ebene?

    Hallo zusammen,


    ich verstehe den Begriff "Tiefe" eher als Gegensatz zu "Oberflächlichkeit". Musik ist also dann tief, wenn sie mich nicht nur äußerlich als akustische Wahrnehmung erreicht. Es geht für mich dabei nicht um Vielfalt oder Komplexität. Dafür würde ich eben diese Wörter verwenden.


    Tiefe ist sicher ein Resonanzphänomen. Ob ich etwas als tief empfinde, hängt davon ab, ob ich das Stück an mich heranlasse. Es gibt sicher Menschen, denen Beethovens op. 131 gar nichts sagt. Mein Tonsatzlehrer sagte mal: Musik bringt in den besten Fällen eine Saite in uns zum klingen, die ansonsten stumm geblieben wäre. Da haben wir die Resonanz.


    Tiefe Musik
    - bringt in mir Saiten zum Klingen, die mich an meine eigene Identität erinnern (Wer bin ich? Welche Möglichkeiten habe ich in mir, von denen ich bisher nichts wusste?)
    - führt mich weg von oberflächlichem Alltagsgeschehen
    - wirft mich zurück auf mich selbst
    - führt mir vor Augen, dass es Dinge gibt, die größer sind als wir.

    Hallo zusammen,


    meine Favoriten wurden schon erwähnt:


    - Celibidache, MPO
    - HvK, BPO
    - Wand, BPO


    Wer mit Celi Probleme hat, möge mal in seine Aufnahme mit einem schwedischen Orchester reinhören, die von DG in deren Celi-Edition erschien. Tempi längst nicht so breit wie in seinen Müchner Jahren, aber das Finale ist sehr, sehr schlüssig aufgebaut.

    Hallo zusammen,


    habe von Blomstedt die bereits genannten Aufnahmen
    - Weber, Klarinettenkonzerte
    - Bruckner, 6. Sinfonie + Wagner, Siegfried-Idyll
    - Mahler, 2. Sinfonie
    - Nielsen, Sinfonien 1 - 6 - besser als der in FF hochgelobte Schoenwandt
    - Orff, Carmina burana
    - Hindemith, Metamorphosen + Reger, Mozart-Variationen


    und finde sie alle hervorragend. Im Weber hat er natürlich weniger zu tun und ist sicher nicht die Hauptperson der Aufnahme. Bruckner 6. und Nielsen 4. finde ich außerordentlich, da muss ich meinen Vorrednern z. T. widersprechen. Das sind aufregende Aufnahmen, die jeden Vergleich aushalten.

    Hallo zusammen,


    1. HvK, BPO
    2. HvK, BPO
    3. Celibidache, MPO - alternativ HvK, BPO
    4. Celibidache, MPO - alternativ HvK, BPO
    5. Barenboim, BPO - alternativ Chailly, Royal Concertgebouw Orchestra
    6. Klemperer, Philharmonia Orchestra - alternativ Blomstedt, San Francisco SO
    7. HvK, WPO - alternativ Böhm, WPO
    8. Celibidache, MPO - alternativ HvK, WPO
    9. Celibidache, MPO

    Hallo zusammen,


    das ist doch ein ganz normaler Effekt. Als Kind mochte ich keinen Käse, heute könnte ich mich eine ganze Zeit lang nur von Käse ernähren (na gut, noch ein paar Brotsorten und Weine dazu ...). Alle sieben bis zehn Jahre ändert ein Mensch seine Maßstäbe und Wertvorstellungen.


    Meine erste Matthäus-Passion war die mit Peter Schreier am Pult und als Evangelist; ich fand es grandios. Klar gefallen mir heute die Aufnahmen mit Gardiner, Harnoncourt (3. Aufnahme) und Herreweghe (2. Aufnahme) besser, und Schreier reißt mich nicht mehr vom Hocker.


    Die Brandenburgischen Konzerte habe ich mich H. v. Karajan kennengelernt und fand auch das toll. Eine Zeit lang habe ich für Bernstein geschwärmt, heute bin ich in vielen Fällen (Brahms, Sibelius [DG]) bei diesem Musiker etwas distanzierter.


    Dito Brendel mit Beethoven-Sonaten (es gibt halt auch Gulda und Solomon), Gardiner mit Mozart-Opern (es gibt auch Jacobs), Tschaikowsky mit H. v. Karajan (es gibt auch Mrawinsky und Celibidache) usw. usw.


    Umgekehrt hatte ich jahrelang die Sibelius-Sinfonien mit Ashkenazy im Regal stehen, ohne sie wirklich zu mögen, bis irgendwann ... na ja. Tolle Musik ...


    Genauso Mahlers 9. mit Barbirolli, Schumann-Sinfonien mit Bernstein (DG), Verdi-Opern, Beethoven Streichquartette u. v. a. m. - alles Liebe auf den zweiten, dritten, vierten Lausch.


    Ich finde es toll, dass es so ist, und ich freue mich schon auf die CDs, die ich demnächst als die wahren Perlen meiner Sammlung erkennen werde. Dafür nehme ich hin, dass im Gegenzug die Begeisterung für andere CDs - mitunter recht deutlich - abnehmen wird.

    Hallo zusammen,


    dieser Thread ist zwar schon älter, ich habe ihn dennoch zum Anlass genommen, meine Aufnahmen der 5. Symphonie Tschaikowskys durchzuhören. Diese sind:


    Mrawinsky, Leningrad PO, DG (stereo)
    Karajan, Berliner Philharmoniker, DG
    Jansons, Oslo Philharmonic Orchestra, Chandos
    Celibidache, Münchner Philharmoniker (live), EMI
    Gergiev, Wiener Philharmoniker (live), Philips


    Meine Favoriten sind Mrawinsky und Celibidache. Bei Mrawinsky kommt das symphonische Drama am besten zu seinem Recht, er verliert sich nicht in "schönen Stellen". Nie war so klar, dass Tschaikowsky eben keinen musikalischen Kitsch fabriziert hat, sondern ein genuiner Symphoniker war. Mrawinskys Steigerungen sind im Rahmen dieses Vergleichs die packendsten. Der einzige Negativpunkt ist das für mich kaum erträgliche Vibrato der russischen Trompeter (was übrigens in der Einleitung der 4. Symphonie mit diesem Dirigenten und Orchester noch schlimmer ist). Trotzdem: Eine mitreißende Aufnahme, die das Gefühl von der Größe des Musik und der Größe des Interpreten vermittelt.


    Celi ist natürlich "something else". Wie so oft bei diesem Dirigenten, so hört man auch diese Aufnahme am besten mit Kopfhörer und mit geschlossenen Augen, quasi als musikgeführte Meditation. Bezwingend ist die Kombination von Natürlichkeit und Strigenz, alles klingt so, als könne es gar nicht anders sein, als hätte der Dirigent gar nichts "gemacht", dennoch erschließt sich diese Musik als ein Werk von großer innerer Logik und Folgerichtigkeit. Natürlich ist Celi langsamer als der Rest der Welt. Na und? Celi bezwingt schlichtweg, aber nicht durch äußeren Pomp und Schönklang um des Schönklangs willen, sondern mit der völlig entspannten Entfaltung der inneren Struktur der Musik. Gewaltlose Gewalt. Das hat etwas mit dem Unterschied von Schönheit und Wahrheit zu tun. Celi hat, wie so oft, ein unglaublich Timing bei der Höhepunkten und Phrasenenden.


    Gergiev kam in der Hörfolge nach Celi. O-Ton meiner Lebensgefährtin: "Das ist ja nur hektisch". Ich habe die euphorische Beschreibung im Penguin-Guide zum Anlass genommen, mir diese Aufnahme zu kaufen. Beim ersten Hören nach der Anschaffung war ich mitgerissen. Nach Celi fällt allerdings sofort auf, wie unruhig Gergiev sein Orchester durch das Werk führt. Ihm scheint nicht daran gelegen zu sein, die Logik der Architektur des Werkes vorzuführen, sondern er benutzt das Werk zur Erzielung emotionaler Extreme. Nicht, dass diese Musik solche nicht enthielte - bei Gergiev klingt die Emotion jedoch wie von außen an die Musik herangetragen, nicht von innen aus der Musik kommend. Im Konzertsaal mag das funktionieren, im direkten Vergleich wird der auf spontanen Erfolg angelegte Effekt als aufgesetzt entlarvt.


    Karajan, Berliner Philharmoniker. Das beste Orchesterspiel in dieser Folge. Unglaubliche Homogenität der Streicher, herrliche Blechbläserchöre. Leider gibt Karajan bei den schönen Stellen zu sehr nach, rückt die Musik in die Nähe von Edelkitsch. Wunderschön, aber Tschaikowsky wird hier unter Wert verkauft. Als ob sich eine hochintelligente Dame grell aufbrezelt, um einem ihr intellektuell unterlegenem Personalchef beim Bewerbungsgespräch zu gefallen. Nach Mrawinsky kann das nicht mehr erste Wahl sein. Karajanfans wird das nicht stören. (Ich mag Karajan bei mancherlei Musik - Sibelius, Zweite Wiener Schule, Brahms, viele Opern -, aber hier haben seine Gegner zumindest nicht unrecht.)


    Mariss Jansons spielt diese Musik sehr, sehr gut. Wer seinen Tschaikowsky in hervorragender Klangqualität möchte, sollte der Gesamtaufnahme mit Jansons nähertreten. Leider fehlt etwas, um Begeisterung in mir auszulösen, wie dies Mrawinski und Celi gelungen ist.


    So weit meine Hörerlebnisse bei Tschaikowskys 5. Symphonie.


    Viele Grüße,
    Wolfram

    Hallo zusammen,


    dies ist mein erster Beitrag in diesem wunderbaren Forum.


    Mein sieben musikalischen Weltwunder zusammen mit meinen favorisierten Einspielungen sind:


    J. S. Bach: Messe h-moll (Gardiner)
    W. A. Mozart: Le nozze de figaro (E. Kleiber oder R. Jacobs)
    L. v. Beethoven: Klaviersonate Nr. 29 B-Dur op. 106 "Für das Hammerklavier"(Solomon oder Pollini)
    F. Schubert: Streichquintett C-Dur D956 (Alban Berg Quartett oder Petersen Quartett)
    R. Wagner: Tristan und Isolde (C. Kleiber oder K. Böhm - Bayreuth 1966)
    G. Mahler: Symphonie Nr. 6 a-moll "Tragische" (H. v. Karajan)
    A. Schönberg: Pierrot lunaire (C. Schäfer/P. Boulez)


    Bei einem Weltwunder erwarte ich, dass es mit etwas grundsätzlich Neuem aufwartet, was so vorher noch nicht erdacht und geschaffen wurde. Ferner erwarte ich, dass dessen Erschaffung im Kontext der jeweiligen Zeit einen staunen macht. Es geht also insbesondere nicht um Lieblingsstücke.


    Es hätten noch G. de Machaut Messe de Notre Dame, Monteverdi Marienvesper, Haydn 7 letzte Worte, Mozart Don Giovanni, Beethoven Streichquartette, Bruckner 4., 5., 8., 9., Mahler 9., Messiaen La nativité du seigneur u. v. a. m folgen können ....


    Viele Grüße aus Bingen,
    Wolfram