Beiträge von Spradow

    Hallo Holger,


    Du hast Recht, dass man die eine Version nicht zu sehr an der anderen messen sollte; nur kann ich es nicht ganz verhindern: Die Klavierversionen reichen mir nicht, weil alles symphonisch-klangliche auf der Strecke bleibt (der Beginn der Ersten oder der Repriseneintritt der Vierten kann auf Klavier nie so wirken wie mit Orchester), und alle mir bekannten Orchestereinspielungen auch nicht, weil mir die Klarheit (und manchmal auch die Wucht) des Klaviers fehlt...


    Aber mal sehen, was hier im Rahmen dieses (und der anderen) Threads so an Einspielungen zusammenkommt; Mravinsky klingt von den Hörschnipseln her auf jeden Fall schonmal gut.


    Viele Grüße
    Frank

    Seit ich die Brahms-Symphonien in den Fassungen für Klavier vierhändig/zwei Klaviere kenne, bin ich offenbar verloren für jegliche Orchestereinspielung (aber dankbar für jeden guten Tipp, deswegen ist dies eine Diskussion, der ich mit Spannung folge!); es ist gerade auch bei der Dritten erstaunlich, wie viel kontrapunktische und rhythmische Finesse jedesmal auf der Strecke bleibt - sobald dann eine drahtigere Einspielung wie die von Gardiner versucht, dies offenzulegen (ich habe von ihm die CD mit Symphonie #1), klingt es schnell unnatürlich forciert. In den Klavierversionen können Deutlichkeit und Sanglichkeit hingegen auf ganz natürliche Weise nebeneinander stehen.


    Die einzige Symphonie, die da eine Ausnahme bildet, ist die Zweite; da bin ich seit langem zufrieden mit der alten Abbado-Aufnahme aus den 70ern, die zwar nicht ganz den Detailgrad der Klavierversion erreicht, aber eben doch hinreichend dialogisch gedacht ist.


    Ich bin mir nicht ganz sicher, woran das liegt, aber wenn ich zum Beispiel in die oben von Gombert verlinkte Version von Herreweghe hereinhöre - da sind die Bläser zwar präsent, decken dann aber immer wieder den Rest zu -, bin ich versucht zu denken, dass man doch deutlich mehr hören könnte, hätte z.B. Mendelssohn die Werke orchestriert...


    Ich habe die ersten fünf Bände letztes Jahr mit großem Eifer verschlungen. Fantasyliteratur hatte ich zuvor gemieden, aber "A song of ice and fire" hat mich ganz schön in seinen Bann gezogen. Mich beeindruckt vor allem, wie Martin mit den unzähligen Handlungssträngen derart jongliert, dass es fast nie unlogisch wird (das Erscheinen dieses "Cold Rangers", der Sam vor Wildlingen rettet, ist eigentlich der einzige wichtigere unlogische Moment in den fünf Büchern), und wie er durch geschicktes Spiel mit Information und Desinformation alle Handlungsstränge spannend hält.


    Beispielsweise hört man über den "Onion Knight" Davos Seaworth im vierten und fünften Band lange nur Gerüchte, denen man andererseits auch wieder geneigt ist, keinen Glauben zu schenken, weil man Grund hat anzunehmen, dass das damit verknüpfte Adelshaus weiterhin den Starks treu ist.
    Ich fand Band 4 und 5 ebenso stark wie die vorhergehenden und vermeine stilistisch eher eine sukzessive Verbesserung zu erkennen, gerade von Band eins auf die Folgenden (allerdings ist mein Englisch nicht so gut, dass ich da eine wirklich fundierte Einschätzung liefern könnte). Eventuell ist das aber die langsam wechselnde Perspektive, denn die Kinder, aus deren Sicht Martin zu einem guten Teil schreibt, werden langsam erwachsen, und mit ihnen eben auch der Inhalt und evtl. auch Stil ihrer Kapitel (ich bin da sehr gespannt, ob Martin es schafft, dieses erwachsen Werden überzeugend darzustellen).


    Band 4 und 5 retardieren gewaltig, im Prinzip liegt ja schon am Ende von Band 3 fast alles in Scherben. Ich denke, das ist einfach die Funktion, die Martin dem Herbst zugedacht hat. Ich bin sicher, dass, mit Eintritt des Winters, Band 6 die Handlungsstränge sukzessive wieder zusammenführen wird. Das ist ja durchaus schon angelegt (Vorsicht: Ab jetzt wird Handlung verraten! ;) ): Der Onion Knight ist auf der Suche nach Rickon Stark, Jaime trifft auf Brienne und Catelyn, Jon Snow wird sich vermutlich endlich von den Pflichten eines "Black Cloaks" befreien können (weil es bald keine Black Cloaks mehr geben wird ;) ) und hat Zugriff auf eine Armee von einigen tausend Wilden, mit denen er sich z.B. auf die Suche nach Onkel Benjen machen kann, Bran nimmt über Theon Kontakt mit der Welt auf, Daenerys tut endlich das, was ihr geweissagt wurde, dass sie es tun müsse, etc.


    Das, was ich von der TV-Serie gesehen habe, fand ich äußerst enttäuschend. So vieles, was im Buch nur angedeutet wird, wird in der Serie ganz direkt und platt gesagt, und das nimmt für mich einfach einen Hauptreiz der Bücher.

    Zu der Interpretation des ABQ: schroff sind sie höchstens im Scherzo, ansonsten deutlich weniger kantig als das Artemis-Quartett. Der Primarius (Pichler) sticht - wie bereits von Thomas Sternberg erwähnt - schon sehr deutlich heraus mit dem Vibrato. Das war allerdings zu dieser Zeit offensichtlich so üblich (heute und in den 1950ern eher weniger, denke ich). Sicher eine gute Einspielung aber Referenzstatus hat sie für mich keinen. Aus den 1980er Jahren fehlen mir jetzt Vergleichsaufnahmen, um zu eruieren, ob sie damals als Referenz hätten gelten müssen. Meiner Erinnerung nach spielten die Guarnieris recht ähnlich.


    Die Guarneris spielen mit viel Vibrato und teilweise starken Rubati, klar - insbesondere bei Opus 18 muss man das natürlich mögen. Andererseits sind sie fast genauso glasklar durchhörbar wie das Artemis-Quartett - eine Überpräsenz der ersten Violine gibt es überhaupt nicht -, wohingegen man die Mittelstimmen beim ABQ häufig eher erahnen muss (ich habe mit dem ABQ von Beethoven nur op. 133 und einige auf youtube gehörte Einzelsätze, und da ist mir genau das Klangbild aufgefallen, das Ihr hier geschildert habt - ich vermute, bei op. 18 ist es dann das gleiche). Die Reprisenüberleitung im ersten Satz von op. 18,1 hat beim Guarneri-Quartett meine Kinnlade herunterklappen lassen, als ich sie das erste Mal gehört habe, so viel genauer war sie ausmodelliert als beim Gewandhaus-Quartett, meiner einzigen Aufnahme bis dahin...


    Die Guarneri-Box ist auf jeden Fall eine sehr interessante Alternative, wenn einem Artemis zu kühl ist (teuer ist sie ja nicht gerade). Ich würde sie nach dem, was ich vom ABQ kenne, deutlich vor jenes setzen, aber das ist sicherlich eine Frage der Präferenzen - und da steht gute Durchhörbarkeit bei mir ganz oben.

    Da sind wir eben nicht einer Meinung. Ich halte Järvis Dirigat keineswegs für seelenlos, sondern für sehr engagiert und glutvoll, und es besteht m. E. eine sehr enge Bindung zwischen Järvi und seinen Musikern, was wiederum zu einem sehr seelenvollen Spiel führt.


    Järvi stellt - in den Ecksätzen! - einfach eine Facette in den Vordergrund, die im Werk angelegt ist, und ja, er isoliert sie auch ein Stück weit. Das ist natürlich kein allgemeingültiger Ansatz, aber eine gültiger und interessanter ist es. Ob's einem so gefällt, muss man natürlich für sich selbst entscheiden.
    (Übrigens wird da m.E. in Anbetracht des dargebotenen Parforceritts erstaunlich detailliert gespielt; da gibt es eine ganze Menge ruhigerer Darbietungen, die deutlich mehr Details verschlucken).


    Das Menuett finde ich bei Järvi übrigens großartig ausgespielt, gerade das Trio mit seinem witzig-genialen Dialog zwischen den Bläsern und dem schrammelnden Cello im Hintergrund finde ich hier hinreißend.

    Meine beiden Lieblingsfugen sind weder streng noch (im Sinne von Bekanntheit) hoch hängende Früchte:



    und



    (ab ca. 34:50)


    :D


    (Bei Albinoni habe ich ebenfalls nicht nur in die Fugen hineingehört - die Concerti sprechen auch mich sehr an!)

    Volkmanns d-Moll-Symphonie gewinne ich immer lieber, je häufiger ich sie höre! Sie mag nicht ganz so konzise sein wie eine Brahms-Symphonie (der Kopfsatz hat eventuell ein paar Längen, z.B. die Passage nach dem Hauptthema in der Exposition), aber es ist äußerst wirkungsvolle Musik, und nie billig: Die Wirkung der Musik beruht immer auf konzentrierter thematischer Arbeit, gepaart mit überraschenden harmonischen Wendungen und überaus reicher Kontrapunktik. Um einfach mal ein paar Lieblingsstellen zu nennen:


    - Die Durchführung des Kopfsatzes mit ihrer langen kontrapunktischen Steigerung; der energische, ebenfalls kontrapunktische Beginn der Coda; oder wie dieses strahlende Fanfarenmotiv in Exposition/Reprise dann bei der Wiederholung in zwielichtiges Moll wegbricht;


    - Im langsamen Satz die Passage nach dem Mollausbruch, die Streicher steigen langsam über Tonrepetitionen der Hörner und später Pauken/Trompeten ab; und dann die Durwendung in die Reprise!


    - Im Scherzo, wie die Musik manchmal kurz harmonisch entgleist und dann von Tutti-Akkorden wieder eingenordet werden muss (das ist eine Idee, die mir sehr Beethovensch vorkommt!); auch im Trio gibt es immer mal wieder solche Tendenzen.


    Das ist nur eine kleine Auswahl, die Symphonie ist wirklich voller großartiger Momente!


    Vorläufiges Fazit: Dies ist eine sehr lohnende Anschaffung gewesen, danke, Felix, für Dein Engagement für diese Werke!
    Oder: Die fehlende Beliebtheit dieses Stückes kann ich nicht nachvollziehen... :P

    Was schmissige Melodien und virtuoses Feuerwerk betrifft hat das Konzert eigentlich keine Chance gegen Tschaikowsky oder Bruch u.v.a. Was melodischen Charme betrifft, könnte es von Mozart und Mendelssohn ausgestochen werden und das sinfonische Gewicht (und die entsprechende Länge) wären m.E. der Beliebtheit eher hinderlich. Vielleicht spricht die Beliebtheit doch für den guten Geschmack eines großen Teil des Publikums... :)


    Ähnliches gilt ja auch für die Popularität des Brahms-Konzerts (und da fällt es mir mehr auf, weil ich es im Gegensatz zum Beethoven-Konzert selbst erst lieben lernen musste); da liegt die Schönheit vor allem im ebenfalls sehr langen ersten Satz auch nicht auf der Hand bzw. lässt sich durch Begriffe wie Melodik oder virtuoses Feuerwerk beschreiben; stattdessen gibt es eleganten Kontrapunkt und thematische Arbeit.

    Ja, schon die Orchesterexposition und die Orchesterritornelle sind natürlich keine simple Musik oder so, sondern auch für sich schon sehr mitreißend; ich finde auch zum Beispiel die Mollwendung des zweiten Themas seit jeher faszinierend, umso mehr später mit den zusätzlichen Figurationen der Violine.
    Andererseits spielt das Orchester auch viele einfache Skalen, und die permanenten Paukenrhythmen haben m.E. einen "normierenden" Charakter, dem sich die Violine entzieht.


    Ich höre gerade eine andere Kadenz in der Furtwängler-/Menuhin-Aufnahme (ist das die Joachim-Kadenz?), da findet die Violine immer wieder zum Paukenrhythmus zurück, insbesondere auch ganz kurz vor Ende der Kadenz ganz fahl und fragend - das finde ich großartig im Zusammenhang mit dem vorsichtigen Annähern von Solist und Orchester danach!

    3. L. van Beethoven - Violinkonzert in D-Dur, Op. 61. Die Originalität halte ich für unbestritten, aber der erste Satz ist mir viiiieeeel zu lang und zu sehr auf geigerische Effekte ausgerichtet. Am wenigsten mag ich die Kadenz dieses Satzes. Insgesamt aber natürlich ein schönes Werk aber nicht so schön wie viele andere Violinkonzerte.


    Der erste Satz müsste eigentlich doppelt so lang sein - das finde ich zumindest immer, wenn er zuende ist. ;)


    Zur Betonung geigerischer Effekte: Ist dies nicht ein wesentliches Prinzip dieses Konzerts? Die Virtuosität wird in Kontrast zu einer betonten Einfachheit des Orchestermaterials gestellt (diatonische Themen, alles wird von dem anfänglichen einfachen Paukenrhythmus durchzogen), und die beiden "Kontrahenten" spielen das aus: Die Violine steht immer irgendwie in Spannung zum Orchester - trillert zum Beispiel dem Orchester das zweite Thema nieder, nur um es dann selbst zu spielen -, und auf der anderen Seite werden die Orchesterritornelle immer schärfer, militärischer; in der Durchführung steht am Anfang und am Ende die Violine gegen den Paukenrhythmus im Orchester (tolle Stellen!). Und dagegen dann das auftrumpfende Orchester zu Repriseneintritt!
    Die Kreisler-Kadenz löst den Konflikt sozusagen auf, finde ich: Zum Beispiel spielt die Violine da zum ersten Mal den Paukenrhythmus, in Doppelgriffen mit gleichzeitigem Triller, also wie unter größter Überwindung - geht also ein Stück weit auf das Orchester zu. Und wie dann Orchester und Solist am Ende der Kadenz endlich zusammenfinden, finde ich magisch. Plötzlich ist dann auch echter Dialog da, das Orchester spielt ein Thema an, die Violine antwortet.


    Und das Großartigste: Es ist auch dann Musik größter Schönheit, wenn man über alles dies nicht nachdenkt! Ohne dass das eine Nominierung im Sinne dieses Threads sein soll: Ich würde vermutlich Beethovens sämtliche Klavierkonzerte für diesen einen Satz weggeben... Gut, das hilft Dir jetzt eventuell weniger, aber eventuell eine Aufnahme, die im ersten Satz die Kontraste schärft:



    Die Violine lyrisch und zart - geradezu beklemmend die Violinfiguren über den drohenden Viertonrhythmen am Ende der Durchführung -, die Orchesterritornelle wuchtig und militärisch, mit präsenten Pauken und Trompeten.

    Ich würde sagen, die Betonung ist da mitentscheidend; wenn Du zum Beispiel immer ein C auf schweren Taktteilen hast, dann ist es C-Dur, wenn Du ein A auf schweren Taktteilen hast, wird es als a-moll wahrgenommen, so ungefähr zumindest. Die anderen Töne des jeweiligen Akkords haben auch einstimmig eine Bedeutung, man muss die ja nicht gleichzeitig spielen, sondern kann das auch hintereinander tun. Vermutlich gibt es eine ganze Menge von Möglichkeiten, wie man dann tatsächlich eine Tonart festigen kann, wenn man nur eine Stimme hat.

    Das ist witzig, denn ich habe auch an Borodin gedacht, als ich die Symphonie das erste Mal anhörte. Die Volkmann-Symphonie war übrigens ein Riesenerfolg in Moskau, weshalb die Orchestermusiker spontan 500 Rubel(?) für ihn sammelten und übergaben.


    Das ist interessant - dann ist es ja tatsächlich nicht so unwahrscheinlich, dass Borodin die Symphonie kannte, seine h-moll entstand ein paar Jahre nach Volkmanns Erster. Die Ähnlichkeit der Themen finde ich frappierend!

    Ich bin froh, dass hier eine Art Volkmann-Renaissance ausgebrochen ist! Die Richard III Ouvertüre und die beiden Symphonien finde ich toll!


    Ich höre Youtube sei Dank auch gerade Volkmann - zunächst seine erste Symphonie (ob Borodin die wohl kannte, als ihm das Hauptthema seiner h-moll-Symphonie einfiel? ;) ) - das Youtube-Video ist ausgerechnet an einer ziemlich eindrucksvollen Stelle des langsamen Satzes (Tonrepetitionen der Bläser über langsam chromatisch absteigenden Streichern) defekt und lässt sich auch danach nicht weiterhören.


    Jetzt folgt die zweite Symphonie.


    Ersteindruck: M.E. deutlich interessanter als das, was ich von Ries kenne! Und: Volkmann mag Fugati - das gefällt mir! ;-)


    Edit: Grrr, auch im zweiten Satz defekt. Na gut, der Ersteindruck genügt mir, dass ich die CDs haben will. :)

    Das Verdiquartett habe ich auch und finde ich ebenfalls sehr gelungen, viel besser als die oft gelobten Quartette von Cherubini, die mir gar nicht zusagen. Ich habe es nicht besprochen, da Verdi nun mal kein Mitteleuropäer ist :D . Aber ich finde den Input dennoch wichtig, denn vielleicht könnte man wieder neuen Wind in den Thread bringen, wenn man einige Kammermusikwerke von "Nichtkammermusiker" bespricht. Wok hat ja schon das Quartett von Hugo Wolf angeführt. Ich werde mich demnächst mal auf Strauss und Bruckner werfen.

    Das Quintett von Bruckner habe ich neulich kennengelernt (und spontan zu meinem Lieblingswerk dieses Komponisten erkoren ;) ) - auch hier ist m.E., bis auf vielleicht das Finale, nicht viel von Bruckners symphonischem Stil zu spüren, sondern es ist ein echtes Kammermusikwerk. Vor allem der langsame Satz hat mich beeindruckt! Allerdings fehlt mir das Werk noch auf CD.


    Ein echter "Hit" und hier ebenfalls noch nicht genannt: Das Klavierquartettfragment von Mahler. Ich habe es mal im Konzert kennengelernt, mir fehlt aber auch für dieses Werk noch eine Aufnahme.



    Zitat

    Für mich sind Brahms und Dvorák in der Kammermusik gleichwertig, denn was Brahms an Dichte voraushat, macht Dvorák wieder durch Musikantentum wett. Im Amerikanischen gelingt ihm das mMn ganz hervorragend (mit den Einfällen und der Spielfreude könnte man 5 Brahmswerke füllen :stumm: ), wo ich aber Probleme bekomme ist z.B. im langsamen Satz des Klavierquintetts. Hier wird für mich die kritische Grenze der kompositorischen Dichte zugunsten der Melodik unterschritten.

    Wie gesagt, dem Amerikanischen konnte ich nicht so viel abgewinnen, vermutlich brauche ich ein Mindestmaß an trockenem Kontrapunkt, um zufrieden zu sein. ;) Der langsame Satz des Quintetts ist ein bisschen lang, ja; hat mich aber noch nicht so sehr gestört. Und wenn ich dann die Schumann-Hommage im Finale höre, ist das sowieso vergessen. ;)



    Zitat

    Bei Volkmann empfehle ich unbedingt die Klaviertrios und die Quartettaufnahme mit dem fünften Quartett in f-Moll.

    Ja, diese beiden CDs hatte ich nach Deinen früheren Bemerkungen schon ins Auge gefasst!



    Viele Grüße
    Frank

    Bezüglich Dvorákquartette: ja, ich mag die letzten beiden daher auch viel weniger als das Amerikanische. Bisweilen klingen sie für mich akademisch, vor allem das As-Dur. Dieses mag ich eigentlich überhaupt nicht. Das G-Dur hat einen fantastischen langsamen Satz und ein sehr gutes Scherzo. Generell finde ich aber Dvoráks Streichquartette lang nicht so gut wie seine Kammermusikwerke mit Klavier (mit eben der Ausnahme des Amerikanischen).

    Echte Melodien enthalten sie vielleicht nicht viele, aber - typisch für Dvorak - viele eingängige Motive; auf mich wirken sie doch ein gutes Stück weniger angestrengt als zum Beispiel die Quartette von Brahms mit ihren betont chromatischen Hauptthemen, und dabei sind sie eben trotzdem sehr dicht gearbeitet - eben genau das, was m.E. dem Amerikanischen abgeht (das ich allerdings bisher nur einmal im Konzert gehört habe). Das G-Dur-Quartett ist mein Lieblingswerk von Dvorak, und ich war eigentlich bisher überzeugt, dass dieses Werk eine herausragend gelungene Synthese von Eingängigkeit und Anspruch darstellt!


    Um tatsächlich auch noch was zum eigentlichen Thema beizutragen: Ich werde demnächst auf jeden Fall mal 1-2 CDs mit Volkmann anschaffen; bisher sind meine Erfahrungen mit Werken von Außenseiter-Komponisten, die ich mir aufgrund von Empfehlungen im Forum zugelegt habe, aber eher mäßig (Symphonien von Ries und Krauss, beide habe ich bisher nicht ganz oft gehört).


    Ich weiß nicht, ob der hier reingehört (vermutlich nicht ;) ), aber zu seinem Jubiläumsjahr habe ich mir eine Verdi-CD gekauft - sie enthält das Streichquartett :D , welches ein sehr hörenswertes, eher von Haydn als von späteren Quartettkomponisten inspiriertes Werk ist; den Stil seiner Opern finde ich eigentlich nur im Trio des Menuetts wieder (weil es nicht so sehr einem italienischen Stil verpflichtet ist, stelle ich das Quartett trotzdem hier zur Diskussion), ansonsten ist es ein kompaktes, dicht gearbeitetes und auch witziges Werk. Die Tonart e-moll impliziert, wie häufig auch bei Haydn, keine Aufladung eines Dur-Moll-Gegensatzes, sondern verflüchtigt sich im Kopfsatz recht schnell nach Dur. Das Finale (Scherzo-Fuga) steht formell vermutlich auch in Moll, es handelt sich aber eher um eine witzige Fugen-Parodie. Insgesamt kommt mir auch dieses Werk erheblich entspannter vor als die gleichzeitig veröffentlichten ersten beiden Brahms-Quartette.



    Viele Grüße
    Frank

    Schön, dass bei den Beethoven-Symphonien ein bisschen Leben in die Bude kommt! :)



    Die ewig verkannte Achte: Klein, aber oho!

    Ja, sehr oho! Diese Symphonie ist so weit von harmlos entfernt, wie eine Symphonie das nur sein kann.


    Das "manierliche Menuett" zum Beispiel ist die reinste Persiflage, andauernd verpassen Instrumentengruppen ihre Einsätze, spielen dann einen Takt später aber trotzdem munter drauflos. Getoppt wird das Ganze noch vom Trio, wo selbst die wenigen beteiligten Stimmen einfach nicht zueinander finden, und das alles über dem merkwürdigen Cello-"Geschrammel"... Genialerweise klingt das alles zusammen dann trotzdem großartig!


    Der Finalsatz erscheint mir dann völlig bizarr; schon formell ist das ein merkwürdiger Satz, eigentlich wohl ein Sonatensatz, aber vor der Wiederholung der Exposition ist ein eigener Durchführungsabschnitt eingefügt, so danach auch genausogut schon die Reprise starten könnte; vermutlich könnte man das als eine Art Sonatenrondo auffassen.
    Das Hauptthema wird erst standesgemäß im pp vorgestellt, aber dann fährt das Orchester im ff drein, nur um das zierliche Thema in der Folge im Fortissimo-Tutti herauszubrüllen. Das geht so weiter, ein Satz extremer Kontraste, und immer scheint Gewalt vor Eleganz zu gehen; und immer wieder toppt Beethoven das bisher Gewesene durch noch mehr Brutalität, zum Beispiel zu Beginn der Reprise, wo das Thema immer wieder im pp ansetzt und schließlich durch einen dreifachen Tutti-ff-Schlag niedergebrüllt wird (eine meiner Lieblingsstellen übrigens :D ).
    Die konsequente thematische Arbeit treibt ziemlich muntere Blüten und gewinnt dem Material die seltsamsten Figuren ab, zum Beispiel die störrischen "Verneinungen" zu Beginn der "zweiten Durchführung". Völlig absurd erscheint mir dann die Coda mit ihren durch die Bläser wanderndenden Einzeltönen und einem Schluss, der all die kunstvollen Mittel sorgsam vermeidet, mit denen Beethoven sonst die Sogwirkungen am Ende erzeugt, und stattdessen nur nackte, lärmende Tuttiakkorde präsentiert.


    Ich halte hier mal ein, aber natürlich sind auch die ersten beiden Sätze sehr weit von harmlos entfernt (zu den harmonischen Besonderheiten zu Beginn des Kopfsatzes hatte sich z.B. mal Kurzstueckmeister geäußert, und auch der Kopfsatz hat etwas von der Brutalität des Finales, zum Beispiel wenn sich die Durchführung seitenlang auf Offbeats festrennt). Insgesamt eine großartige Symphonie, voll von Beethovenscher Wildheit!

    Man erwirbt sich durch Erfahrung und wiederholtes Hören schon auch ein besseres "Auflösungsvermögen" und erkennt eher Motive, Melodien usw. Ich fand noch recht lange, nachdem ich andere Werke Chopins schon lange mochte, zB die vierte Ballade und die Polonaise-Fantaise schwierig. Heute halte ich sie für zwei der beeindruckendsten, veritable "sinfonische Dichtungen" auf dem Klavier (natürlich ohne "Programm"). Das Gute bei Chopin gegenüber Mahler oder Wagner ist die relative Kürze der Werke, so dass man sie zum Kennenlernen problemlos häufig wiederholt hören kann. ;)


    Ja, meist reicht das, um sich einen Komponisten nach und nach zu erschließen, den einen schneller, den anderen langsamer; und selbst, wenn man die von mir propagierte mehr analytische Herangehensweise pflegt, ist sie vermutlich doch nur zu einem kleinen Teil verantwortlich für das Erschließen der Musik, es ist mehr ein erster Schritt, und der Rest erfolgt dann automatisch und unterbewusst beim Hören. Wie oben geschrieben finde ich den bewussten Ansatz aber unerlässlich, um Vorurteile zu brechen, oder um Stücken, die man schon kennt, noch näher zu kommen als das durch einfaches Hören möglich ist (deswegen formuliere ich übrigens meine Vorurteile gegen Musik X gerne hier im Forum, weil mir dann garantiert jemand fundiert widerspricht und mir damit Ansatzpunkte zum anders Auffassen gibt, z.B. zuletzt bei den frühen Beethovensonaten).


    Die Polonaise-Fantaisie habe ich auch lange überhaupt nicht verstanden - dabei habe ich sie als eins der ersten Werke von Chopin kennengelernt, weit vor den Balladen und Etüden -, aber inzwischen gehört sie zu meinen liebsten Soloklavierwerken überhaupt, und mir ist überhaupt nicht mehr klar, wie ich an den ganzen Schönheiten mal komplett vorbeihören konnte...

    Ich selbst fand Chopin als Anfänger auch ein wenig belanglos. Aber Mangel an Melodien kann man ihm kaum vorwerfen, es gibt ja eine ganze Reihe Stücke, die in beinahe jeder "Klassik-Hitparade" auftauchen. Am wenigsten "belanglos" dürften vermutlich die beiden Sonaten erscheinen, für jemanden, der sonst eher Sinfonien hört. Aber die für mich vielleicht faszinierendsten Werke Chopins sind die Preludes und die Etüden op.25.

    Ich hatte ja lange Zeit eben dieses Problem, und der "zündende Funke" kam tatsächlich zuerst bei den beiden Etüdensammlungen (und der ersten Ballade). Vielleicht ist Chopin auch deshalb ein relativ schwieriger Komponist, weil er nicht das liefert, was man erwartet: Landläufig wird ihm vielleicht eher virtuoser Glanz, Melodienreichtum zugesprochen, und wenn man die Klavierkonzerte schon kennt, dann unterstreicht das diese Erwartung; wenn man mit der Erwartung, das zu hören, dann aber an die Klaviermusik herangeht, wird man vermutlich von den meisten Stücken erst einmal enttäuscht sein - gerade von den längeren, Polonaisen, Balladen, etc.


    Meine Erfahrung ist, dass man tatsächlich erst einmal herausfinden muss, was denn der "Punkt" bei einer bestimmten Musik ist, also was das Besondere ist, was diese Musik ausmacht, und wenn man das verinnerlicht hat, erschließen sich dann eigentlich alle Werke mehr oder weniger von selbst. Dabei können Vorurteile extrem hinderlich sein, weil sie den Blick auf die wirklichen Eigenarten der Musik verstellen. Manche Komponisten (Beethoven!) sind so vielfältig, dass eventuell jede Werkgruppe und Schaffensperiode von neuem angeeignet werden muss - wer die Symphonien mag und versteht, hat das für die Streichquartette noch lange nicht erreicht, und wer von denen sich die mittleren erschlossen hat, kann an den frühen oder späten trotzdem noch zu knabbern haben.


    Bei Chopin sind es zum Beispiel die kleinen rhythmischen Widerhaken, die ich irgendwann angefangen habe bewusst wahrzunehmen und die mich ungemein gereizt haben; wie die Melodielinie immer wieder elegant gebrochen wird; nicht zuletzt auch die tollen, strahlenden Apotheosen, die er seinen Themen zukommen lässt (zum Beispiel in der ersten Ballade). Vor allem bei den ersten beiden Eigenschaften war das zunächst ein explizites bewusst Werden und danach ein Verinnerlichen, so dass ich jetzt nicht mehr jede rhythmische Finesse explizit wahrnehmen muss, um sie zu genießen. Sicherlich klappt es häufig auch ohne das explizite bewusst Werden, aber das kann m.E. schon sehr helfen, wenn man durch einfaches, naives Hören bei einem Komponisten nicht weiter kommt, und es ist m.E. quasi unerlässlich, wenn man zunächst übermächtige Vorurteile brechen muss.
    Der Lernprozess ist bei mir für Chopin auch noch gar nicht abgeschlossen: Ein kleines Problem habe ich manchmal noch mit seiner Wildheit, zum Beispiel in der fis-moll-Polonaise diese Stelle, wo die Musik "ewig lange" hämmernd auf der Tonika beharrt. In der Struktur der längeren Werke verirre ich mich zuweilen noch.



    Viele Grüße
    Frank

    ch habe diesen Thread erst gestern entdeckt (wahrscheinlich weil er - noch - so kurz ist ) und höre das Werk seither soeben zum 3. Mal. ich habe hier länger gebraucht um mich "einzuhören, denn das Werk unterscheidet sich in seiner Wirkung, bei aller "Freundlichkeit" doch ein wenig von denen aus Op 1, die doch eingängiger - oder "ohrwurmfreudiger" daherkommen als das hier vorgestellte, wobei ich die Interpretation des Stuttgarter Klaviertrios für einschmeichelnder empfinde als jene des Haydn Trios Eisenstadt, was nicht immer ein Vorteil sein muß. (Die Aufnahme mit dem Florestan Trio ist bereits bestellt aber noch nicht eingetroffen)
    Aber auch das trifft es nicht ganz - jetzt weiss ich was mir persönlich (noch?) fehlt: Das ist der Wiedererkennungswert


    Ich habe das Trio auch erst jetzt kennengelernt, mit der Aufnahme des Florestan-Trios (die mir sehr gefällt). Obwohl das Trio mir sofort sehr gefallen hat -- ein tolles Gefühl, mal wieder ein großes Beethoven-Werk neu kennenzulernen --, kann ich Deine Einschätzung nachvollziehen, es scheint mir ein teilweise ziemlich bizarres Werk zu sein; zum Beispiel die merkwürdigen Tonrepetitionen im Finale. Ich mag das, das ist Beethovenscher Übermut und Beethovensche Wildheit in Reinform! Auch der Kopfsatz erscheint mir noch ein bisschen unübersichtlich, vermutlich durch die Wiederkehr der langsamen Einleitung; ich muss das Werk sicherlich noch ein paarmal hören, bevor ich Sinnvolles darüber sagen kann.



    Viele Grüße
    Frank

    Vom Format und Ausdrucksspektrum halte ich einige der "großen" frühen Sonaten für weit beeindruckender als späten Haydn oder gar Mozart. Wo gäbe es dort ein solch brillant-konzertantes Stück wie op.2/3 oder langsame Sätze wie in op.7 oder op.10/3. Auch kleinere Werke finde ich eher origineller und eigenständiger als andere frühe Werke. Sie sind vielleicht nicht so balanciert und ausgefeilt wie Haydn und Mozart, manchmal sehr breitflächig, aber doch sehr schwungvoll und ausdrucksstark.


    Wo gibt es bei Beethovens frühen Sonaten einen so geistreich-witzigen Satz wie den ersten von Haydns C-Dur-Sonate (trotz so manchen Satzes, der das versucht), wo bekommt Beethoven einen Kontrapunkt hin wie im Kopfsatz von Mozarts F-Dur? ;) Ich denke, das ist alles eine Frage der Präferenz, und ich verstehe Felix und Dich auf jeden Fall, wenn Ihr Beethovens frühe Sonaten sehr hoch schätzt! Ich werde sie mir demnächst mal wieder aufmerksam anhören, gut möglich, dass ich sie unterschätze.


    Die langsamen Sätze von op. 2,2 und die von Dir genannten aus op. 7 und 10,3 finde ich am "beethovenschsten" ;) in diesen Werken, m.E. sind das die Sätze, die am deutlichsten auf Beethovens mittlere Werke vorausweisen, während er m.E. den Stil seiner lyrischen mittleren Werke (F-Dur-Quartett, Pastorale, Violinkonzert...) insbesondere in den Kopfsätzen noch nicht entwickelt hat.

    Gegen die späten Klaviersonaten ist beileibe nichts einzuwenden! Fast so gerne wie die Pastorale habe ich Op. 101, 109 und 110. Aber das "Poetische, Gute und Milde" finde ich eben in der Pastorale auf unübertroffene Weise verwirklicht. Allerdings habe ich bereits bei den frühen Sonaten den Eindruck, dass Beethoven einen ganz anderen Weg als Haydn einschlägt, z.B. in der Pathetique aber auch in Op. 10/3. Zu meinen absoluten Lieblingen gehört auch die Mondscheinsonate, allen Unkenrufen zum Trotz. Wie Beethoven es schafft, einen so berührenden, atmosphärischen Einleitungssatz zu komponieren, den selbst Leute spielen können, die nie Klavierunterricht hatten (so leicht ist der!!), grenzt an ein Wunder.


    Ja, auf jeden Fall ist zu der Zeit schon eine Menge von dem da, was die späten Sonaten so großartig macht! (Die Mondscheinsonate und Pathetique mag ich auch ganz gerne, die Pastorale gehört zu meinen Favoriten vonr op. 33.)


    Die Gegensätze allerdings in diesem Kontrast innerhalb eines einzelnen Werks, eines einzelnen Satzes aufeinander prallen zu lassen -- und das, ohne dass jemals der Eindruck entstehen würde, das Werk falle auseinander --, das ist neu in den Spätwerken; nicht nur in den Klaviersonaten, sondern auch im f-moll-Quartett und den beiden späten Cellosonaten, alles Werke, die ich ungemein mag.


    Mit den ganz frühen Sonaten meine ich die vor der Pathetique. Da sind auf jeden Fall auch sehr, sehr hörenswerte Werke dabei, aber ich finde, dass da Haydns C-Dur-Sonate nie in Bezug auf ihren Witz und ihre Energie und die Es-Dur-Sonate nie in Bezug auf ihre lyrische Weitläufigkeit erreicht wird, was zwei Eigenschaften sind, nach denen Beethoven in diesen Sonaten offensichtlich häufig strebt (auch Mozarts großartige F-Dur-Sonate KV 533 erreicht er m.E. noch nicht).

    Bei mir ist es op. 106: Der Schwung des Kopfsatzes, die tiefe, verinnerlichte Trauer des Adagios und die Wucht der Fuge suchen ihresgleichen.
    Generell liegen mir die späten Sonaten weit mehr als die mittleren und frühen, weil sie überraschend und wild sind, andererseits aber dann auch wieder überaus poetisch, gütig und mild; in einem Moment unglaublich kompakt, teils lakonisch, im anderen dann wieder weitläufig und jeden schönen Moment bis zur Neige auskostend.


    Die einzigen früheren Sonaten, die ich nahezu ebenso schätze wie op. 101 und die Folgenden, sind "Sturm" und "Waldstein", und bei den ganz frühen habe ich immer den Eindruck, dass Haydn in seinen beiden großen, späten Sonaten das doch schon besser konnte.

    Hallo Holger!


    Danke für die Antwort! Ich denke, Du hast in allen fünf Punkten Recht.


    In einer früheren Diskussion in diesem Thread hat Johannes den Gedanken eingebracht, dass man den Text der "Ode an die Freude" nicht zu konkret deuten solle, ich erlaube mir mal, das nochmal zu zitieren:


    Vielleicht trivial, aber: Ein textloser Chor gehört nicht zu den künstlerischen Mitteln, die Beethoven zur Verfügung hatte. Sicher ist das alles strittig, aber aus Skizzen und Notizen scheint hervorzugehen, daß bei der Planung der (zuerst noch zwei Sinfonien) ein Choreinsatz wohl unabhängig von der Ode angedacht wird. Beethoven schreibt 1818 in einer Notiz: "... Frommer Gesang in einer Sinfonie in den alten Tonarten... wo im letzten Stück oder schon im Adagio die Singstimmen eintreten... im Adagio Text griechischer Mythos Cantique Ecclesiastique - im Allegro Feier des Bacchus." (nach Riezler, Beethoven, Zürich 1961, 233). Hier scheint der Text jedenfalls sekundär zu sein; es eher um den Chor und ein allgemeineres Programm zu gehen.


    Das hat mir sehr geholfen, das Finale viel mehr zu schätzen. Was äußerst konkret bleibt ist die Einleitung zum Finale; das ist natürlich schon geschickt gemacht, in dem Sinne, dass dieses Vorführen und rezitativische Ablehnen der Hauptthemen nebst dem späteren Kommentar, dies seien keine genügend angenehmen und freudenvollen Töne, auch den ersten drei Sätzen rückwirkend ein Stück ihrer Abstraktheit nimmt und sie so dem Finale näherbringt. Trotzdem, diese Einleitung fühlt sich für mich immer ein Stück weit unbefriedigend an; aber das ist persönliche Empfindung, und ich werde wohl kaum Beethoven dafür kritisieren, dass ich hier seine nicht ganz teile. ;)



    Viele Grüße
    Frank

    Musikgeschichtlich war das Chorfinale ein Novum, Beethoven selbst zögerte ja lange, ob er nicht doch besser ein rein instrumentales Finale schreiben sollte. Und auch zu Beethovens Lebzeiten gab es schon Kritik daran. Das versteht sich eigentlich von selbst, denn das ist bei Pioniertaten, die mit Konventionen brechen, immer so. Diese ganze Diskussion ist aber letztlich reichlich akademisch. Es gibt Werke, die sind umstritten. Beethovens 9. ist es nun mal eindeutig nicht, das ist Fakt. Es gibt allerdings einige Sektierer, die in die allgemeine Begeisterung nicht einstimmen wollen. Die fallen aber schlicht nicht ins Gewicht und stören niemanden, weil sie sowieso niemand wirklich Ernst nimmt.


    Ist es eine Pioniertat oder ein Scheitern? Oder beides? Immerhin verweigert Beethoven durch den Text den Abschluss des Werks auf der abstrakten Ebene, der eigentlich durch die Gattung vorgeschrieben ist. Es mag ja sein, dass es zu diesem musikgeschichtlichen Zeitpunkt nicht möglich war, eine so große, ambitionierte Symphonie so abzuschließen, dass das Abstraktionsniveau gewahrt bleibt oder sogar seinen Höhepunkt im Finale findet; aber m.E. ist es dann völlig verständlich, dass es Hörer gibt, die die Stelle des ersten Singstimmeneinsatzes enttäuscht, weil sie -- möglicherweise ganz unterbewusst -- diesen Moment als unbefriedigend empfinden; nicht verstehen, warum das Finale denn nun die Antwort auf die ersten drei Sätze geben soll, wo es doch deren Abstraktionsebene ausweicht. Ich bin in dem Punkt selber unschlüssig.


    Mal als Vergleich: Mozart beginnt das Jupiterfinale so abstrakt wie nur irgend möglich, nämlich mit dem nackten Viertonmotiv, das in verschiedenen konkreten Ausprägungen schon die ersten drei Sätze, wenn nicht "im Untergrund" sogar die ganze Werktrias mitbestimmt hatte (siehe Peter Gülkes Buch über die drei Symphonien); und er beendet es ebenfalls abstrakt, mit einer Fuge. Ich habe noch nie von irgendjemandem gehört, das Jupiterfinale sei schwach.


    Beethoven selbst verweigert sich dem Abstrakten in den Finali seiner anderen großen Spätwerken nicht, ganz im Gegenteil. Auch bei diesen Werken habe ich noch nie gehört, dass die Finali enttäuschend seien. Bei der Neunten habe ich es dagegen schon häufig gehört, von Hörern ganz unterschiedlicher Erfahrung; selbst von unerfahrenen Hörern beim "naiven" Erstkontakt. Deswegen glaube ich auch nicht, dass die Diskussion über das Finale eine rein akademische ist, und verstehe nicht, warum man die, die Vorbehalte äußern, nicht ernst nehmen könne. Immerhin kann man besseres Verständnis doch nur erlangen, wenn man seine Vorbehalte äußert und sie dann eventuell widerlegt werden.



    Viele Grüße
    Frank

    Danke für den Tipp, Felix, ich habe das Quintett erst jetzt kennen gelernt - gefällt mir ausgezeichnet! Da ist wie bei den beiden frühen Quartetten auch diese Lust an Chromatik und dissonanten Reibungen und vor allem am Fugenschreiben, aber trotzdem klingt das alles eingängig und melodisch - ich kann verstehen, dass Mendelssohn seine Mittel später etwas dosierter einsetzt - er muss später ja niemandem mehr beweisen, was er alles kann -, aber ich finde diese frühe Kammermusik für Streicher großartig!


    Das zweite Quintett finde ich übrigens auch sehr hörenswert, vor allem den langsamen Satz, der eine Hommage an Schuberts D887 zu sein scheint mit seinen bohrenden Tonrepetitionen im Cello und den Tremoli, auch dem Charakter des Hauptthemas nach.


    Viele Grüße
    Frank

    Na ja, wenn jemand sagte, die Beethovensymphonien möchte er schon nicht missen, aber weshalb diese besser sein sollten als die von Schumann oder Mendelssohn könne er nicht nachvollziehen, würdest Du diesen jemand für einen Beethovenskeptiker halten oder nicht?
    Aber du hast nicht ganz unrecht, wir gleiten langsam ins off - allerdings nur fast, denn es steht doch wirklich fest, dass beispielsweise Schubert beliebter ist als Schumann. Das muss Gründe haben. Und der plausibelste Grund ist der, dass Schubert den Menschen im Durchschnitt einfach mehr zusagt. Das kann man auch an Einzelstücken festmachen, nicht? Ob das ein objektivierbarer Grund ist, bleibt natürlich zu bezweifeln.


    Mir erscheint es ein wenig unfair, solche Argumente gegen Schumann vorzubringen, da wir doch gerade erst erörtert haben, dass und warum es sich bei seiner um relativ schwierig zu rezipierende Musik handelt - ich denke, dass in diesen Punkten auch im Wesentlichen Einigkeit bestand?! Dazu kommt ja noch, dass, wie Du selbst in die Diskussion eingebracht hast, Schumann bei Musikern ein äußerst beliebter Komponist ist. Ich denke deswegen, dass Argumentationen über den "Durchschnitt der Menschen" hier stark hinken (stärker als sie es wegen der für uns mangelhaften Nachprüfbarkeit sowieso tun; der "Durchschnitt der Menschen" kennt von beiden überhaupt sowieso überhaupt nix).


    Allerdings ist die Diskussion nach der empfundenen Tiefe sowieso eine über persönliche Empfindungen und eine Vertiefung (zumindest ohne sehr konkrete Benennung des Warum, z.B. durch einzelne Stellen, mit dem Ziel, das Empfundene den "Ungläubigen" :P nahezubringen) m.E. eher müßig. ;)

    Da es leider kein Echolot für langsame Sätze gibt, müssen wir uns in der Tiefenempfindung ganz auf unser Gefühl verlassen. Die Adagios aus Beethoven 59/1 und 59/2 und einigen späten Quartetten finde ich auch fantstisch, aber Schuberts Adagio "strikes a deeper chord", um es einmal auf Englisch auszudrücken.
    Ich denke, damit stehe ich auch nicht allein. Wenn wir, sagen wir mal, 100 Menschen diese 4 Adagios vorspielen würden: Beethoven 59/1, Schubert D956, Schumann Op. 44, Brahms Op. 115 - welches glaubst Du, würde die Mehrheit zu ihrem Liebling küren?


    Das dramatische op. 44 hätte gute Karten, denke ich. Mein Favorit aus der Aufzählung (auch in Punkto Tiefenempfindung ;)) ist recht klar Beethovens op. 59,1, und das Schlusslicht ebenso deutlich der Brahms - dessen späte Klarinettenwerke stehen mir emotional ziemlich fern.


    (Meine Äußerungen oben bezogen sich natürlich nicht speziell auf langsame Sätze.)

    Den Satz kann ich nur dann akzeptieren, wenn implizit angenommen wird, dass alle genannten (inkl. Schumann) in punkto Ausdruckstiefe die ersten Verfolger von Franz Schubert darstellen!


    ;)


    Das mit dem Tiefenempfinden ist ja immer so eine Sache... zumindest in Punkto Breite ist Schuberts Spitzenstellung in dieser Gesellschaft aber unangefochten! ;) :P


    Das ist übrigens etwas, das ich an Schumann und auch Chopin sehr mag: Beide neigen nicht dazu, ihre Formen ins Endlose auszudehnen, wie es insbesondere spätere Komponisten tun; ihre Musik ist meist höchst ereignisreich, mit wenig Leerlauf.


    Viele Grüße
    Frank

    Da sind auch einige meiner Favoriten dabei (langsame Sätze aus dem Klavierquartett, der zweiten Symphonie und dem zweiten Trio). Eines meiner Lieblingsadagios von Schumann ist noch das aus dem dritten Streichquartett - besonders in der Interpretation des Petersen Quartetts.
    Was ich am Adagio des Klavierquartetts so brilliant finde, ist bereits der Anfang, der so klingt als hätte man mittendrin eine Türe geöffnet und würde plötzlich Musik hören. Das ist so ein typischer, genialer schumannscher Einfall.


    Ja, finde ich auch! Und auch die Wiederkehr der Melodie, einerseits voller Schmelz, aber gleichzeitig führen die Figurationen der Violine und später des Klaviers zu harschen Dissonanzen. Großartig!

    Zitiert von hier:

    ausgerechnet die Kreisleriana "fad"? Dann ist daran nicht Schumann schuld, sondern der Interpret. Der Kapellmeister Kreisler aus E.T.A. Hoffmanns "Lebensansichten des Kater Murr" wird ja als das totale Gegenteil des Faden und Gewöhnlichen charakterisiert, nämlich als eine höchst bizarre und fantastische Gestalt - und seine Musik klingt genau so: Akkorde schlägt er "stark und wild" an, es finden sich bei ihm "die seltsamsten Übergänge durch die fremdartigste Akkordenfolge" - überhaupt der abrupte Wechsel von extremen Gegensätzen, der "Todessprung von einem Extrem zum anderen" dominiert. Was ihn auszeichnet ist "phantastische Überspanntheit" und "völlige Dissonanz aller konventionellen Verhältnisse", Ironie, die "Unruhe" und "Verwirrung" stiftet. Interpreten, die meinen, ausgerechnet die Kreisleriana "gediegen" spielen zu müssen, gehen also am Geist von Schumanns Kreisleriana völlig vorbei. Da ist ein Vladimir Horowitz mit seiner Exzentrik einfach ein kongenialer Interpret. Ich würde Dir da die Konzertaufnahme aus Berlin 1986 empfehlen. Welcher Interpret diese kreislerianische Verrücktheit auch trifft, ist Walter Gieseking. (Seine "Davidsbündlertänze" - ich liebe dieses Stück besonders - sind wahrlich genialisch intepretiert.).


    Hinzu kommt bei der "Kreisleriana" die Polyphonie. In dieser Hinsicht lohnt es sich, die Gesamteinspielung des Klavierwerks von Jörg Demus anzuschaffen. (Wirklich sehr lohnend!) Da entdeckt man die enge Beziehung von Schumann zu J. S. Bach - Schumann hat nämlich etliche Fugen komponiert, die nur kaum jemand spielt. Artur Rubinstein ist sicherlich ein Antipode zu Horowitz. Seine "Kreisleriana" hat zwar nicht diese Verrücktheit von Horowitz, aber beeindruckt dafür durch ihren subtilen Sinn für die polyphonen Satzstrukturen. Den Schluß der "Kreisleriana" finde ich ja immer wieder aufregend - dieser linkisch-asymmetrische Baß - einfach göttlich!

    Hallo Holger,


    Vielen Dank für Deine Ausführungen und Einspielungsempfehlungen! Ja, die großen Gegensätze höre ich in der Kreisleriana kaum, und ich bezweifle, dass das nur am Interpreten liegen kann (sondern auch an mir). Ich vermute aber, dass ich trotzdem noch eine weitere Aufnahme brauche, eine klare, transparente, die die rhythmischen Details schön herausspielt; ich habe mir zwar erst vor kurzem die Pollini-Box angeschafft, unter anderem in der Hoffnung, dass die Aufnahmen genauso klar und durchhörbar sind wie z.B. sein später Beethoven oder sein Chopin, aber zumindest für die Kreisleriana gilt das leider nicht. Horowitz könnte tatsächlich ein guter Tipp für mich sein, den Hörschnipseln bei Amazon nach zu urteilen!


    Viele Grüße
    Frank