Beiträge von Alviano

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    Original von Gurnemanz
    Gegenüber Augsburg die attraktivere Variante? Wenn Du da Näheres weißt...?


    Dazu kann ich aus naheliegendem Grund wenig sagen, da die Augsburger Produktion eine Neuinszneierung ist. Das bessere Orchester dürfte allerdings in Berlin sitzen.

    Lieber Jacques Rideamus,


    vielleicht lässt sich die Aufnahme aus Brno noch irgendwie auftreiben, ich besitze sie auch nicht, sie enthält aber nur etwa 80 Minuten der Musik des Stückes, scheint also gekürzt zu sein.


    Das ganze ist ein intelligenter Scherz und man hat den Eindruck, dass Komponist und Librettist bei ihrer Arbeit viel Spass hatten.


    Heidelberg spielt das Stück noch bis Juni 2009, aber vielleicht wagt sich ein anderes Theater einmal wieder an eine Aufführung der "Drei Wünsche".


    Was allerdings bei Dir quasi "um die Ecke" liegt: die "Komische Oper" in der Behrensstrasse. Wäre da ("Hallo, Jacques" - "Hallo, Zaunpfahl") nicht die "Périchole" im Jahr 2010 was für Dich...?


    :hello:

    „Drei Wünsche“, wer hat sich nicht schon mal vorgestellt, wie es wäre, wenn die legendäre Fee tatsächlich käme und nach diesen „Drei Wünschen“ fragen würde? Vielleicht wäre man so überrascht, dass einem auch nichts anderes einfiele, als „Reichtum, Jugend und Liebe“, so geht es zumindest den Menschen in der 1929 entstandenen Filmoper „Die drei Wünsche“ von Bohuslav Martinu, die soeben am Stadtheater Heidelberg Premiere hatte.


    Die Rahmenhandlung zeigt ein Filmset, bei dem eben jener Film „Drei Wünsche“ gedreht wird, der der Oper den Titel gibt. Und die Figuren dieser Rahmenhandlung und ihrer (Liebes) Verstrickungen sind denen des Films gar nicht so unähnlich. Da ist einmal das Schauspielerehepaar Arthur des St. Barbe und Nina Valencia, die im Film die Rollen des Ehepaars Monsieur Juste und Indolenda übernehmen und dann der Schauspielerkollege Serge Ellacin, der mit Nina flirtet und wohl ein Verhältnis mit ihr hat und der im Film den Cousin Adolphe spielen wird.


    Der Dreh beginnt, 1. Szene: das Ehepaar Juste wacht auf, Monsieur bricht zur Jagd auf, die gelangweilte Ehefrau lässt sich von einer Adelaide Angst vorm Alter einreden und versucht erfolglos ihren hübschen Cousin Adolphe zu verführen. 2. Szene: Auf der Jagd fängt Monsieur Juste die Fee Null (das Zahlwort lässt schon darauf schliessen, dass mit dieser Fee nicht alles gut funktionieren wird) und schleppt sie nach Hause. 3. Szene: zu Hause angekommen schlägt die Fee Null einen Deal vor: Drei Wünsche will die Fee dem Ehepaar erfüllen, dafür soll sie ihre Freiheit wiedererlangen. Indolenda wünscht sich als erstes Reichtum, das Haus verwandelt sich, die grosse Gesellschaft findet sich ein und die Fee Null verkündigt die Hochzeit zwischen Adolphe und Eblouie, sowie eine Schiffsreise zur „goldenen Insel“.


    4. Szene: erst läuft auf der Schiffsreise alles gut, dann sinkt das Schiff – die Reisenden stranden an einer wilden Insel. Dort trifft (5. Szene) Adolphe auf die schwarze Dinah, die den attraktiven Mann sogleich zum Fressen gern hat – und dies ist wörtlich zu verstehen. Zwischenzeitlich hat sich Monsieur Juste von der Fee Null gewünscht, dass seine Frau wieder jung sein möge. Leider funktioniert auch dieser Wunsch nicht wirklich gut: Indolenda nutzt ihre wiedergewonnene Jugend, um Adolphe aus den Händen von Dinah zu retten und ihr Ehemann muss mit ansehen, wie sich Indolenda und Adolphe beim Tango extrem nahe kommen.


    6. Szene: Eblouie tritt als Bettlerin auf und wird ausgelacht, der verzweifelte Ehemann nennt der Fee Null seinen dritten Wunsch: er will geliebt werden. Leider ist nicht seine z. Zt. reichlich untreue Ehefrau jene, die ihn (wieder) lieben wird – es ist die zufällig anwesende Eblouie, der der dritte Wunsch nutzen wird. Sie quält Monsieur Juste reichlich und schlägt ihn sogar. Klappe, Ende, Dankeschön.


    Der Epilog zeigt die Filmpremiere von „Drei Wünsche“ – das Publikum begrüsst die Schauspieler/innen Arthur des St. Barbe, Nina Valencia, Serge Allacin und Lilian Nevermore, die Darstellerin der Fee. Nina flirtet mit Serge, Arthur bleibt allein an der Bar zurück, ein Männervokalquartett singt ein Lied vom „Schiff, das ohne Liebe“ fuhr.


    Den Text zu dieser sehr unterhaltsamen und reichlich skurrilen Oper schrieb der Dadaist George Ribemont-Dessaignes – und so ist das Libretto dann auch: immer wieder tauchen Texte auf, die glänzend blühender Unsinn sind oder die vom Chor (lange vor Phil Glass) reines Zählen verlangen.


    Stark die Musik von Bohuslav Martinu: da tauchen nicht nur Anklänge an Strawinsky oder Weill auf, da erblüht auch noch einmal die gesamte Tanz- und Unterhaltungsmusik der 20er Jahre, oft leicht schräg und angeschärft. Nicht nur der Jazz durchzieht das Stück, auch die „Comedian Harmonists“ haben Eingang in die Partitur gefunden. Und wenn die schwarze Mezzosopranistin Rosemara Ribeiro als Dinah den Blues bekommt und losgroovt, dann kocht der Saal. Grandios das Dirigat von Dietger Holm, da hat jemand sichtlich Freude an dieser Musik und ihrer doch manchmal vertrackten Rhythmik und auch das Orchester gibt alles, vom Solo für Bandoneon, Cello oder Holzbläser bis zur grossen, sinfonischen Form. Dirigent Holm hilft, wo es geht, auch dem Chor, der wortverständlich und für ein kleines Haus sehr sicher agiert.


    Die Inszenierung besorgte Holger Müller-Brandes, unterstützt vom Video-Künstler Chris Kondek und auch sie gehört zu den vielen Pluspunkten dieses Abends. Mit lockerer Hand inszeniert Müller-Brandes und gar nicht so oberflächlich, wie man das aufgrund des Plots vermuten könnte.


    Durch den Zuschauerraum kommt der Schauspieler Arthur des St. Barbe, schon im Kostüm für den Film, das Skript in der Hand. Auf der Szene eine von Leinwänden begrenzte, schräge Spielfläche. Diese Leinwände lassen in der Mitte einen Spalt frei, durch den etwas später dann die Köpfe (und nur diese) der Chorist/innen zu sehen sein werden. Auf der Spielfläche, auf der Positionskreuze zu erkennen sind steht eine Frau im weissen Hosenanzug, die Schauspielerin Lilian Nevermore – oder, weil, genau so sieht sie aus: Marlene Dietrich, auch sie mit dem Skript in der Hand. Die Probe beginnt.


    Kurz danach setzt dann die Musik ein: der Chor singt Satz- und Wortfragmente. Die Bühne wird eingerichtet, die Kamera installiert. Und auf die rückwärtige Leinwand werden die Gesichter der Protagonisten Monsieur Juste und Indolenda (mit einer Ähnlichkeit von Morticia aus der „Addams Family) projiziert.


    Zum Jagd-Bild senken sich weitere Leinwände herab, Stummfilmszenen sind zu erkennen, teilweise auch Naturbilder. Die Fee Null, ganz Chansonniere, bedient sich eines Handmikrophons, bevor sie Huckepack als Jagdbeute abgeschleppt wird.


    Schade, dass Carolyn Frank als Fee das berühmte Chanson „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ von Friedrich Holländer nur rezitiert und nicht singt.


    Weiter im Stück – der Reichtum des ersten Wunsches wird nur angedeutet. Der Chor, in einheitlichen schwarzen Gewändern tritt auf. Auf diesen Gewändern sind Fragen oder kurze Statements in Silberschrift zu lesen, auch die Schiffsfahrt und der Schiffsuntergang wird geschickt angedeutet.


    Im zweiten Teil des Abends wird dann immer öfter auch der Orchestergraben oder der Zuschauerraum bespielt, das gelingt ausgezeichnet und mit viel Ironie, wenn bsplsw. der Dirigent ein altes Grammophon hervorholt, wenn auf der Bühne eine Tango-Melodie erklingt.


    Schön auch, wenn die grossgewachsene Indolenda mit ihrem eher kleinen Liebhaber Adolphe glutvoll Tango tanzt oder die mit üppigen, weiblichen Formen gesegnete Dinah sich über eben jenen Adolphe herzumachen droht.


    Am Ende dann die Filmvorführung der „Drei Wünsche“ – es sind nicht die Bilder, die den Theaterabend bestimmt haben, es sind Aufnahmen aus der Stadt Heidelberg, die dem Publikum die Stationen der Handlung nochmals zeigen: Ehekrach von Monsieur Juste und seiner Indolenda in der Strassenbahn, Jagd in den engen Gassen der Neckar-Stadt, die Fee erscheint als Bild am Himmel oder auf dem Grund eines Glases, das Monsieur Juste umstülpen wird, um die Fee zu fangen - oder Dinah, in Zivilkleidung, die auf dem Bismarckplatz, ein zentraler Platz mit ÖPNV-Umsteigemöglichkeiten in Heidelberg, singt, das sind einige der Bilder dieses Films.


    Ganz zum Schluss folgt die Premierenfeier, Marlene Dietrich, Verzeihung: natürlich Lilian Nevermore ist reichlich betrunken, das „Comedian Harmonists“-Duplikat singt noch einmal sein Stück vom „Schiff ohne Liebe“.


    Die Sängerinnen und Sänger sind beeindruckend – allen voran die Mezzosopranistin Jana Kurucová (ab der neuen Spielzeit wird sie zum Ensemble der Bismarckstrassenoper gehören) als Eblouie, Bettlerin, Adelaide und Verlobte – eine schöne, lyrische, sicher geführte Stimme, die Lust auf mehr macht und der mexikanische Tenor Emilio Pons als Adolphe/Serge. Pons ist ein Tenor, dessen Namen man sich merken sollte. Emilio Pons, dessen Lehrer Francisco Araiza ist, verfügt über eine ausgeglichene, strahlkräftige Stimme, die in der Höhe schon einiges verspricht, was sie noch nicht ganz einzulösen vermag. Wenn dieser Sänger weiter zulegt und die kleinen Probleme in der Bruchlage in den Griff bekommt, wird man ihm gewiss auch an grösseren Häusern wiederbegegenen. Zumal der Tenor über echte Latin-Lover-Qualitäten verfügt, die er in dieser Inszenierung gut unterzubringen versteht.


    Sebastian Geyer als Arthur/Monsieur Juste (ab kommender Saison in Frankfurt engagiert) zeigt einen angenehmen, lyrischen Bariton und Mareile Lichdi als Ehefrau ringt ihrem etwas zur Schärfe neigenden Sopran die Partie nicht immer ganz souverän ab.


    Carolyn Frank, die Fee Null, hat hier nicht so arg viel zu singen – aber dafür ist ihre Bühnenpräsenz erwähnenswert.


    Insgesamt wird sehr wortverständlich gesungen, bei diesem, nicht unbedingt bekannten Stück, ein erfreulicher Umstand. Und was das darstellerische angeht: da steht keiner der Sänger/innen zurück – auch im tänzerischen ist das Heidelberger Ensemble bestens aufgestellt, allein der „Pas des deux“ mit dem Regisseur des Films (ein echter Tänzer, Bertil Nestorius, in der angesprochenen Szene im schwarzen Frack) und der Fee, hat Stil, aber auch die anderen Tanzszenen können sich sehen lassen.


    Uraufgeführt wurde das Stück übrigens erst 1971 in Brno, die deutsche Erstaufführung liegt noch nicht gar so lange zurück, die fand 2002 in Augsburg statt.


    Heidelberg schliesst wegen Umbaus am Ende dieser Spielzeit sein Theater, seine Leistungsfähigkeit hat das kleine Haus mit diesem Martinu eindrücklich unter Beweis gestellt. Grosser Beifall im ausverkauften Haus für alle Beteiligten.

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    Original von Gurnemanz


    Hochinteressant!! Dirigent und Regisseur kenne ich nicht - was darf man denn da erwarten?


    Dirk Kaftan gehört zur jüngeren Dirigentengeneration und hat sich überregional schon einen guten Namen erarbeitet, Nicholas Broadhurst - er hat auch schon in Darmstadt inszeniert - steht für ein flottes, mässig-modernes Musiktheater.

    17.10.09 Verdi "Don Carlo" (D: Kaftan, R: L. Engels)


    25.10.09 Mozart "Il Re pastore" (D: F. Seitzer, R: May)


    05.12.09 Lortzing "Zar und Zimmermann" (D: Edusei, R: Altares)


    21.02.10 Schreker "Der ferne Klang" (D: Kaftan, R: Broadhurst)


    10.04.10 Donizetti "Lucia" (D: Edusei, R: Kim)


    16.05.10 Lang "I hate Mozart" (D: edusei, R: Majer)


    26.06.10 Puccini "Turandot" (D: Kaftan, R: Strassberger)

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    Original von Zwielicht
    Heute abend bin ich endlich zum erstenmal in der Oper...


    Ah, da gehst Du bestimmt in "Notizen aus dem Untergrund", na, das passt ja... :D


    Du wirst berichten? Sandra Leupold... Da bin ich mal gespannt... David Cordier mag ich sehr gerne, auch, wenn er zwischenzeitlich in die Jahre gekommen ist, viel Spass dann, ich bin gespannt auf Deine Eindrücke.


    :hello:

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    Original von Zwielicht
    Gar nicht so übel, allen voran freue ich mich auf Dido and Aeneas mit Junghänel und dem im Forum hochgeschätzten ;) Nigel Lowery


    Nicht zu vergessen, dass auch Junghänel zu den - bei einzelnen Forianern - sehr geschätzen Dirigenten gehört...


    Konrad Junghänel und Nigel Lowery haben schon öfter zusammengearbeitet - ich habe in Basel von beiden die "Poppea" von Monteverdi und "Les Paladins" von Rameau gesehen und gehört - das war beides recht ordentlich, ich hab mir "Dido" mal notiert, also besten Dank für diesen Hinweis.


    Inga Levants "Salomé" in Stuttgart hatte mir ganz gut gefallen und auch Karaman könnte interessant werden - also: so schlecht ist das doch mit Saarbrücken gar nicht :D.

    Lieber Frank, lieber Rapahel,


    ich widerspreche energisch, dass diese Inszenierung "plausibel" sei. Eine Interpretation in irgendeiner Form findet nicht statt. Da wird bestenfalls ziemlich unbeholfen das Stück nachbuchstabiert, die Szene mit diesem weinenden Richter ist reichlich peinlich, so was muss ein gestandener Regisseur sehen. Zumal die Form, in der das geschieht, völlig übertrieben dargestellt wird. Ein anderes Beispiel ist die Erzählung des Gärtners im dritten Akt. Die Frauen benehmen sich so, wie sich Choristinnen halt benehmen, wenn sie von einem Regisseur nicht zu einer sinnvollen, glaubwürdigen Form der Darstellung angehalten werden - das ist Laientheater. Deshalb hat Raphael recht, wenn er feststellt, dass die Inszenierung innerhalb des von ihr eingeschlagenen, konventionellen Rahmens nicht überzeugen kann, weil sie schlecht gemacht ist.


    Eine besser gemachte Inszenierung muss doch nicht, das klingt ein wenig so, gleich nicht mehr "nachvollziehbar" sein. Es ist schade, dass eine Sängerin, wie Takesha Meshé Kizart, die sich zu bewegen versteht, nicht stärker gefordert wurde.


    Wenn sie auf diesem Hinrichtungskarren zusammenbricht, ist das schlechter Film, aber da sieht man, was die Sängerin draufhaben könnte, wenn ein guter Regisseur sie geführt hätte.


    Johannes Schaaf hat mit seiner szenischen Zurichtung die Schwächen des Stückes eher potenziert, als dass er sie abgemildert hätte.


    Gegen Ende hat die Musik effektvollere Momente, als am Anfang, da war auch mein Interesse stärker geweckt, als am zähen Beginn des Abends, was die Repertoiretauglichkeit angeht, bleibe ich skeptisch.


    Schön, dass jetzt doch noch der eine oder andere die Aufführung gesehen und gehört hat.

    10.09.09: Mozart, Nozze di Figaro, D: Mühlbach, R: Kerkhof


    14.11.09: Wagner, Rheingold, D: Bozic, R: Kosky


    30.01.10: Verdi, Macbeth, D: de Veer, R: Hilbrich


    10.04.10: Rossini, Viaggio, D: Bühl, R: Davids


    23.05.10: Wagner, Walküre, D: Bozic, R: Kosky

    2009/2010


    Künneke: Der Vetter aus Dingsda, 03.05.09 (D: Lange, R: Däuper)


    Jost: Hamlet, 21.06.09 (D: St. Clair, R: Homoki)


    Verdi: Rigoletto, 20.09.09 (D: Lange, R: Kosky)


    Reimann: Lear, 22.11.09 (D: St. Clair, R: Neuenfels)


    Donizetti: Don Pasquale, 31.01.10 (D: Barbacini, R: Mijnssen)


    Händel: Orlando, 26.02.10 (D: de Marchi, R: Morle-Eiden)


    Beethoven: Fidelio, 25.04.10 (D: St. Clair, R: von Peter)


    Offenbach: La Périchole, 06.06.10 (D: Poschner, R: Stemann)


    Ob es billiger käme, wenn ich gleich ein Abo nähme...?

    Letzte Spielzeit vor dem Umbau:


    Verdi: Simone Boccanegra, 24.10.09 (D: Barenboim, R: Tiezzi, mit Domingo als Boccanegra :wacky: )


    Strauß: Fledermaus, 21.11.09 (D: Mehta, R: Pade)


    Händel: Agrippina, 04.02.10 (D: Jacobs, R: Boussard)


    Chabrier: Etoile, 16.05.10 (D: Rattle, R: Duesing)


    Bei den Wiederaufnahmen erlaube ich mir ganz subjektiv auf zwei hinzuweisen, die ich mir anschauen möchte:


    Schreker: ferne Klang, 17./21. und 23.01.10 (D: Halffter, R: Mussbach, mit Schwanewilms und Fritz)


    Wagner: Lohengrin, 01./08 und 15.11.09 (D: Barenboim/Salemkour, R: Herheim mit Fritz, Samuil und Polaski)

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    Original von Zwielicht
    Gerade bei Daphne macht mich die eigentümliche Musik auch eher ratlos, aber in der einzigen Inszenierung, die ich vor Jahren gesehen habe, ist Peter Konwitschny in Essen eine wirklich berührende und gewissermaßen faire Auseinandersetzung mit dem Stück gelungen.


    Eine Produktion, die ich gerne noch gesehen hätte - sie wurde vor etwa zwei Jahren nochmals in Amsterdam gezeigt - es hat nicht sollen sein. Aber wer weiss, vielleicht kommt sie in Leipzig erneut zum Zuge, da werden ja so einige Konwitschny-Inszenierungen recycelt.


    Silke Leupold hat in Frankfurt "Ariane" von Dukas relativ belanglos inszeniert und Vera Nemirova blieb dem "Tannhäuser" (Wagner) am gleichen Ort so gut wie alles schuldig.


    "Elisir" in München habe ich mir zumindest mal notiert, aber das Stück schreckt mich schon. Bei mir war es "Romeo und Julia", womit mich Bösch wirklich überzeugt hat. Ich war im Zuschauerraum - gefühlt - 40 Jahre älter, als der Durchschnittsbesucher um mich herum und auch die Darsteller/innen auf der Bühne verbreiteten eine bemerkenswerte Jugendlichkeit. Da gabs wirklich schöne, auch anrührende Szenen - ich bin sehr gespannt, wie Bösch mit der doch strengeren Form des Musiktheaters zurechtkommt. Der "Orlando" könnte ihm aber liegen, so eine Zauberoper bietet doch einiges an Möglichkeiten, was die Bilder angeht.

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    Original von Zwielicht
    Kein übles Programm, nur bei der Auswahl der Regisseure finde ich Loebes "mittlere" Linie auf die Dauer etwas überraschungsarm.


    Lieber Bernd,


    das ging mir ähnlich - wirklich interessanter Spielplan, aber bei den Regisseur/innen wenig Wagemut.


    Für mich besonders schade, dass ausgerechnet Anselm Weber die "tote Stadt" inszenieren wird. Den Paul singt Klaus-Florian Vogt - eine interessante Wiederbegegnung: Vogt habe ich vor Jahren mit der gleichen Partie in einer fast gänzlich leeren Repertoirevorstellung in Bremen gesehen und gehört in einer guten Inszenierung eines Regisseurs, der z. Zt. viel Erwähnung findet, Tilman Knabe.


    Silke Leupold interessiert mich nicht wirklich, das gleiche gilt für Vera Nemirova und beim Premierentermin von "Daphne" könnte ich mir gut vorstellen, das ich in einem gänzlich anderen Opernhaus sitzen werde, wo ein Stück Premiere hat, das mir besser gefällt, als die Strauss-Oper (zumal die Besetzung der Tenorpartien mit Daniel Behle und Lance Ryan :wacky: mich nicht sonderlich anzieht) und dessen Regisseur mehr meiner Linie entspricht, als Claus Guth.


    Harry Kupfer hat tatsächlich wohl länger keine Premieren mehr gemacht, in dieser Saison steht noch sein "Palestrina" in Frankfurt an, mal abwarten, wies wird. Seine Inszenierungen mochte ich immer ganz gerne, aber das ist natürlich auch schon einige Zeit her.


    Auf Nel freue ich mich - ich hatte die Stuttgarter Aufführungen alle versäumt, Keith Warner arbeitet solide, auch kein Aufreger, bleibt David Bösch, da bin ich gespannt.


    So nebenbei: auch in Bamberg gibts jetzt Oper - "La Bohème", wenn ich nicht irre...


    :hello:

    Hartmann: Simplicissimus 06.09 (das ist die Stuttgarter Produktion von Nel, Dirigent: Nielsen)


    Leoni/Puccini: Oracolo/Villi 04.10 (D: Solyom/Keil, R: Leupold)


    Donizetti: Anna Bolena 23.10 (Konzertant in der Alten Oper)


    Korngold: Die tote Stadt 22.11 (D: Weigle, R: A. Weber)


    Adès: The Tempest 10.01 (D: Debus, R: Warner)


    Britten: Owen Wingrave 24.01 im Bockenheimer Depot (D: Zorn, R: Sutcliffe)


    Vivaldi: Orlando furioso 14.02 (D: Marcon, R: D. Bösch, "erstmals mit Oper", behauptet nicht ganz korrekt der Frankfurter Intendant Loebe - David Bösch wird noch in diesem Jahr un München den "Elisir" von Donizetti inszenieren - ich bin durchaus interessiert, aber skeptisch, ob Bösch mit Oper zurechtkommen wird)


    Puccini: La Rondine 06.03 (Konzertant in der Alten Oper, D: Soustrot)


    Strauss: Daphne 28.03 (D: Weigle, R: Guth)


    Wagner: Rheingold 02.05 (D: Weigle, R: Nemirova)


    Almeida: La Giuditta 12.06 im Bockenheimer Depot (D: Venanzoni, R: Bernardi)


    Berlioz: Damnation d. Faust 13.06 (D: Jones, R: Kupfer)


    Weill: Offene Wunden 27.06. im Bockenheimer Depot (D: Keil, R: Wördemann)

    Es ist in der Tat schade, dass Essen nur fünf Neuproduktionen im Musiktheater macht, davon eine Operette und eine konzertante Oper, aber immerhin sind die drei szenischen Opernpremieren alles keine Leichtgewichte.


    Enttäuschend für mich die Forstetzung von Wagners "Ring" mit dem "Siegfried", bei Anselm Weber ist mir nicht nachvollziehbar, warum er unbedingt Musiktheater machen muss - da hätte ich mir einen anderen Regisseur gewünscht. Auch Hilsdorf mit Bergs "Lulu" reizt mich nur bedingt, aber "Elegie für junge Liebende" interessiert mich - das Stück einmal wieder auf der Bühne erleben zu können, freut mich und Noam Zur hat bei mir als Dirigent des "Don Giovanni" von Mozart einen guten Eindruck hinterlassen und Karoline Grubers Inszenierungen mag ich sehr gerne.

    Die Kölner Oper hat tatsächlich die Initiative ergriffen und die Hauptpartien für "Tristan und Isolde" umbesetzt.


    So werden jetzt Robert Gambill als Tristan und Barbara Schneider-Hofstetter als Isolde angekündigt und Michail Schelomianski übernimmt den König Marke - alle drei, sogar Gambill, dürften stärker sein, als die Premierenbesetzung.


    Elena Zhidkova als Brangäne und Thomas J. Mayer als Kurwenal verkomplettieren die Umbesetzungen, Zhidkova würde ich mir nicht anhören wollen, Thomas J. Mayer hingegen schon.

    Liebe Elisabeth,


    aber das will ich doch hoffen, dass Du nach erfolgtem Besuch der Produktion noch was dazu schreibst.


    Gab es denn in Landshut auch noch eine Besprechung in der örtlichen Presse? Ich hatte nur in der Passauer Zeitung eine Rezension gefunden, die mich nicht wirklich überzeugt hat. Ob das "bekannteste Stück der Oper" wirklich das Lied des Fritz ist, würde ich in Frage stellen - das wäre, denke ich, der Hit "Glück, das mir verblieb". Ganz sicher aber heisst dieses Lied nicht, wie in der Passauer Zeitung zu lesen ist: "Ach, mein Sehnen, ach mein Wähnen" sondern: "Mein Sehnen, mein Wähnen", so genau sollte die Rezensentin dann schon sein.


    Schön fand ich, dass die Inszenierung vom Publikum so positiv aufgenommen wurde - zum Premierentermin in Passau war ich verhindert, deshalb bin ich nach Landshut gefahren. Das Stadtheater Landshut gehört zu den kleinsten Häusern, die ich kenne - fand aber, dass dieses Theater Charme hat und dass das Leitungsteam die Beschränkung auch als Herausforderung begreift.


    Ausserdem fand ich Landshut sehenswert - ich hätte nicht gedacht, dass die Isar dort so breit ist, ich mag Städte, durch die Wasser fliesst, und trotz des schlechten Wetters hat es mir gerade an der Isar mit den vielen Gartenwirtschaften gut gefallen, das ist im Sommer bestimmt toll dort.


    Auch die Innenstadt, sehr schön gelöst - und unübersehbar: die sakralen Bauten, nicht nur die Kirchen, auch die wohl kleineren Klöster sehen richtig schick aus.


    Du siehst: ich war gerne in Landshut zu Gast.


    :hello:

    Am 04.12.1920 war der damals 23-jährige Komponist Erich Wolfgang Korngold an der Hamburgischen Staatsoper zu Gast . Er besuchte die umjubelte Uraufführung seiner Oper „Die tote Stadt“, die am selben Tag ebenfalls in Köln erstmals gezeigt wurde. Nach einer Vorlage des belgischen Symbolisten Georges Rodenbach („Bruges-la-Mortes“ und „Le Mirage“) hatte ihm sein Vater, der Wiener Musikkritiker Julius Korngold, unter dem Pseudonym „Paul Schott“ (zusammengesetzt aus dem Namen der männlichen Hauptrolle der Oper „Die tote Stadt“ und dem Musikverlag Korngolds, B. Schott) das Libretto geschrieben.


    Die Oper eroberte sich schnell weitere Bühnen, es war ein echtes Erfolgsstück in den 20-er und frühen 30-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts, ein Erfolg, der jäh abbrach, als Korngolds Musik, der Komponist galt den Nazis aufgrund seiner jüdischen Abstammung als „entartet“, verboten wurde. Korngold, der nach Amerika emigrierte, komponierte zunächst einiges an Filmmusik, versuchte aber später, auch mit klassischen Werken wieder mehr Aufmerksamkeit zu gewinnen, was misslang. Als Korngold im Jahr 1957 in Los Angeles verstab, war ein Grossteil seiner Musik kaum noch bekannt.


    Das „Landestheater Niederbayern“, das die Städte Landshut, Passau und Straubing bespielt, konnte nun am 04.04.2009 die Erstaufführung von Korngolds „toter Stadt“ in Passau vermelden. Premiere in Landshut war am 17.04.2009, diese Aufführung wurde von mir besucht.


    Die Bühne zeigt eine karg eingerichtete, moderne Küche, links ein grosser Kühlschrank, in der Mitte rechts ein Tisch mit Frühstückskaffeeeindeckung, im Hintergrund eine kleine Küchenzeile, darüber drei versetzt angebrachte Fenster.


    An den Wänden und auch am Kühlschrank hängen überall Kohlezeichnungen – Potraits, Rosen, eine Handfessel, z. B.


    Zu den wenigen Einleitungstakten des Stückes lässt Regisseur Stefan Tilch schlaglichtartig Bilder auf der Bühne nachstellen, einer Fotoserie vergleichbar. Paul und Marie am Kaffeetisch sieht man da, aber auch ein Bild, dass die ermordete Marie im Stuhl sitzend zeigt, während der Mörder, ihr Ehemann Paul, hinter ihr stehend auf die Leiche blickt.


    Dieses fotografische Element wird der Regisseur den ganzen Abend über immer wieder einsetzen, es werden oft dieselben Konstellationen zu sehen sein, es sind Erinnerungsbilder des schwer psychotischen Paul, aus dessen Perspektive diese Inszenierung die Geschichte der Oper erzählt.


    Zu Beginn der eigentlichen Handlung stehen Brigitta und Frank in der Küche, sie mit einem Klemmbrett, er mit einem Notizbuch in der Hand, er im schwarzen Anzug, sie im schwarzen Kostüm. Beide, und dies ist eine weitere, durchaus raffinierte, Doppelbödigkeit, die der Regisseur in die Geschichte eingebaut hat, sind nicht jene Haushälterin und jener Freund des Hausherren, die das Libretto benennt, aber Paul hält sie in seinem Wahn für diese beiden Personen, die Auflösung dieser Situation liefert die Regie erst punktgenau und gekonnt im Schlussbild.


    Auftritt Paul: gestreifte Pyjama-Hose, Bademantel darüber, schulterlanges dunkles Haar, unsteter Blick. Er, der seine Frau nicht nur verloren, sondern getötet hat – über die Hintergründe der Tat erfahren wir nichts -, lebt in einer Traumwelt. Er bewahrt das Gedenken an seine tote Frau mit fast religiöser Konnotation, im Falle der Aufbewahrung eines Zopfes im Grenzbereich des Fetischismus.


    Nun hat er in der Stadt eine lebenslustige Tänzerin gesehen, die der Toten gleicht und die ihn besuchen kommt.


    Die Tänzerin Marietta, im hochgeschlossenen, schwarzen, von schmalen Streifen durchzogenen und am Rücken durchbrochenen Kleid, gross, schlank, attraktiv beherrscht sofort die Szene. Paul, scheu, neurotisch, von Zwangshandlungen gequält, bestaunt die Frau, fühlt sich angezogen und doch auch abgestossen von ihrer sexuellen Ausstrahlung.


    Durch die Fenster schauen die Nachbarn gespenstisch herein – über den Köpfen, grosse Masken mit verzerrten Gesichtern. Die Schlaglichter durchbrechen die tatsächlich ablaufende Szene mit dem Erinnerungskino in Pauls Kopf, wo Marie und Marietta zur nicht unterscheidbaren, einen Person werden.


    Alle Requisiten, ob die Rosen oder die Mandoline, später der Schlüssel oder Mariens Zopf, existieren nicht. Es sind die Zeichnungen, die diese Gegenstände zeigen, die die Protagonisten anstelle der Gegenstände in den Händen halten werden.


    Wenn Marietta also Mariens Mandoline in die Hand nimmt, um jenes Lied vom „Glück, das mir verblieb“ anzustimmen, steht die Sängerin mit der Zeichnung der Mandoline auf der Bühne. Die Perspektive wechselt blitzschnell – am Kaffeetisch sitzen Marie und Paul beim Frühstück und singen das Lied, sie schenkt Kaffee ein, beide berühren sich in einer zärtlichen Geste gegenseitig die Nasenspitze. Auch dieses Bild wird die Regie als Zitat immer wieder den Abend über wiederholen lassen.


    Allerdings ist Marietta anders drauf, als die tote Ehefrau. Marietta nimmt sich aus dem Kühlschrank eine Dose „Brugge light“, spritzt sich und die Küche voll und Paul wird fast manisch den ihm heiligen Küchentisch von den Befleckungen reinigen.


    Wenn der zweite Akt beginnt, verändert sich die Szene nicht: die rückwärtige Küchenzeile fährt nach oben – und gibt den Blick auf die völlig identische Küchenzeile dahinter frei.


    Ein Kind (das Kind von Paul und Marie?) hüpft im roten Mantel über die Szene, auch dieses Mädchen scheint nur eine Phantasmagorie zu sein.


    Die Aussenwelt dringt fast nur in Form der gespenstigen Nachbarn in diese Küchenzelle, in der Paul gefangen ist. Stumm und oft streng in der Choreografie ziehen sie anklagend über die Szene. Die Chöre werden über Lautsprecher zugespielt, die jene Nachbarn installieren.


    Die Komödiantengruppe um Marietta klettert durch die Fenster in die Küche. Victorin als Trümmertunte ist mit dem im Army-Look auftretenden Graf Albert liiert, der ihm elegant die Beine rasiert, wendet sich aber auch schon mal dem knackigen, jungen Gaston mit seiner grossen Intellektuellenbrille zu, Fritz, im Zorro-Kostüm, ist der Drogendealer der Gruppe und schiesst Juliette das frisch aufgekochte Heroin in die Vene, Lucienne zeigt sich im Catwoman-Kostüm.


    Zur Auferstehungsszene aus „Robert, le diable“ (jenes Stück von Meyerbeer spielt Marietta zum Zeitpunkt der Handlung an der Oper) kommt Marietta aus dem Kühlschrank, albtraumhafte Horrorclowns begleiten den Showdown zwischen Paul und Marietta, bevor Paul endgültig der schönen Frau verfällt.


    Keine Prozession im dritten Akt, alles spielt sich zwischen Paul und Marietta ab – bis zu jenem Punkt, an dem Paul Marie/Marietta umbringen wird.


    So, wie das Publikum diese Szene schon oft den Abend über als Schnappschuss gesehen hat, hängt jetzt Marie/Marietta im Stuhl und Paul zeichnet wie besessen die Tote. Alle Bilder sind also Zeichnungen von ihm und hier klärt sich auch langsam die Grundsituation des Stückes.


    Im letzten Bild ist der Raum noch immer der gleiche – aber die Küchenzeile ist verschwunden und anstelle des Kühlschranks sieht man die gepolsterte Tür eines Raumes in einer psychiatrischen Anstalt. Wie zu Beginn stehen Frank und Brigitta mit dem Notizbuch und dem Klemmbrett vor Paul – nur tragen sie diesmal über der Zivilkleidung Ärztekittel. Sie beobachten den Patienten. Die Ärztin spricht Paul an, er hört, eine sehr stimmige Bühnensituation, die Stimme Brigittas, die über Lautsprecher zugespielt wird. Ihm wird eine Injektion gesetzt, vielleicht ein Medikament, das sediert. Die Nachbarn in den Fenstern sind nun auch als Ärzte zu erkennen, die ebenfalls den pathologisch anscheinend bemerkenswerten Fall Paul beobachten.


    Nur Paul sieht Marietta zurückkommen, während das „Glück, das mir verblieb“ noch einmal erklingt, die Frühstückskaffeeszene wiederholt sich noch einmal. Zum letzten Mal folgt ganz am Ende ein Schnappschuss: er zeigt Paul am Kaffeetisch in seinem Krankenzimmer – und folgerichtig ist der Stuhl von Marie/Marietta leer.


    Regisseur Stefan Tilch ist über weite Strecken sehr genau, auch in den Details: am Kühlschrank hängt ein Bild von Marie, das für die Szenen mit den Kirchenglocken oder der Prozession mit einem Kreuz überblendet und sich am Ende als Spiegel, in dem sich Marietta betrachtet, zeigen wird, bevor Paul das Portrait von Marie in den Rahmen setzt.


    Oder die Handschellen am Hosenbund eines der Nachbarn, wohl ein Hinweis auf die Verhaftung des Gattinnenmörders Paul.


    Einzig die Komödiantenszene überzeugt nicht wirklich – hier setzt der Regisseur zu sehr aufs plakativ-oberflächliche, was zu der psychologisch ausgefeilten, restlichen Inszenierung im Widerspruch steht.


    Das Landshuter Theater ist sehr klein. Das gilt nicht nur für Bühne und Zuschauerraum, das gilt auch für den Orchestergraben. Ein gross besetztes Stück wie Korngolds „tote Stadt“ lässt sich nur in einer an diese räumlichen Verhältnisse angepassten Fassung spielen.


    Für den Klang erschwerend kommt hinzu, dass etwa die Hälfte des kleinen Orchesters unter der Bühne sitzt – und somit gerade die Blechbläser einen „Deckel“ über sich haben, der den Schall nur nach vorne abstrahlen lässt, was sich für die Streicher insgesamt eher ungünstig auswirkt. Die drei Kontrabassisten – vor allem, der dritte – sitzen ganz rechts aussen, auf Höhe des Publikums, auch das verschiebt die Klangbalance.


    So waren die ersten Takte der Korngold-Oper ein Klangereignis, an das sich der berichtende Zuhörer erst gewöhnen musste. Am besten gelangen dem Orchester dann auch die ruhigeren Passagen, die Tutti-Stellen blieben problematisch, besonders, wenn dann raumsprengend und schlecht ausgesteuert die Orgel zugespielt wurde. Was allerdings ohne viel Aufwand verbessert werden kann: die Orchesterdisziplin. Das Zusammenspiel, die rhythmische Präzision, der Wille zur Gestaltung, das alles hat mit der Orchestergrösse nichts zu tun – die meisten der hörbaren Fehler wären vermeidbar gewesen und wenn man das befeuernde Dirigat des GMD Basil H. E. Coleman, der mit zügigen Tempi an die Partitur herangeht, erlebt hat, wenn man gesehen hat, wie er sich bemüht, Bühne und Orchester zusammenzuhalten, auch Impulse zu geben, dann wünscht man ihm teilweise aufmerksamere Orchestermitglieder und mehr Proben, um die abzuholen, die nur „Dienst nach Vorschrift“ machen.


    Die Sopranistin Sally du Randt in der Doppelrolle Marie/Marietta ist ein echter Gewinn für ein kleineres Theater – in ihren besten Momenten ist die Sängerin richtig gut: strahlkräftig, mit hellem Stimmklang, wortverständlich und höhensicher präsentiert sich Sally du Randt, geschickt auch da, wo sie kleinere Probleme kaschieren muss.


    Dan Chamandy mutet sich die anstrengende Partie des Paul zu. Hörbar kämpft der Sänger mit der Lage seiner Rolle, trotzt aber seinem grobkörnigen, etwas unruhigem und nicht immer sicherem Tenor die Partie ab, ohne dass die Stimme schon echte Schäden hören lassen würde. Auch wenn der Tenor zeitweise an sein Limit gerät ist bemerkenswert, dass er immer zu gestalten versucht und vor allem bei den zurückgenommen Tönen zu punkten versteht.


    Darstellerisch sind beide, vor allem Dan Chamandy, ausgezeichnet, da gibt es keinen Moment an Leerlauf und das Zusehen ist den ganzen Abend über richtig spannend.


    Die anderen Partien sind so besetzt, wie das wohl an einem Theater dieser Grösse unvermeidlich ist, der Bariton Kyung Chun Kim als Frank/Fritz macht da, mit einigen Abstrichen, noch die beste Figur.


    Starker Beifall für diese Produktion, Ovationen für du Randt, Chamandy, Coleman und Tilch, sicher ein Anreiz, solche Aufführungen auch in Zukunft ins Programm zu nehmen.


    In der kommenden Spielzeit gibt’s gleich vier Erstaufführungen am „Niederbayerischen Landestheater“: Bellinis „Sonnambula“, Händels „Il Trionfo del Tempo e del Disinganno“, einen Abend mit Madrigalen von Gesualdo, gekoppelt mit Dallapiccolas „Prigioniero“, sowie Massenets (ganz reizende) Oper „Chérubin“.


    Zu wünschen ist den Landshutern, dass die Stadt Gelder für eine notwendige Renovierung des in die Jahre gekommenen Theaters bewilligen möge – vielleicht lässt sich sogar der Orchestergraben behutsam modernisieren, aber auch der Zuschauerbereich braucht eine Verbesserung. Allein die Toilettensituation geht eigentlich nicht – es gibt eine einzige, winzige Herrentoilette, das ist nicht wirklich zumutbar.

    Der Name des Komponisten Ottorino Respighi (er wurde 1879 in Bologna geboren und starb 1936 in Rom) ist dem breiteren Publikum vor allem wegen seiner symphonischen Dichtungen über römische Brunnen, die Pinien der Stadt Rom und der römischen Feste vertraut geblieben. Auch sein Ballett „La boutique fantasque“ nach Motiven von Gioacchino Rossini oder seine „Antiche Danze ed Arie” dürften noch zu den bekannteren Werken des italienischen Komponisten zählen.


    Bei seinen insgesamt zehn Opern sieht das ganz anders aus. Wer kennt schon die komische Oper „Re Enzo“ aus dem Jahr 1905, die musikalische Tragödie „Semirama“ aus dem Jahr 1910 oder gar das Mysterienspiel „Maria egiziaca“, das 1932 in New York uraufgeführt wurde? Allein die lyrische Komödie „Belfagor“ (1922, eine Geschichte um einen reichlich skurrilen Teufel und eine clevere, junge Frau) und die Oper „La Fiamma“ (1934 in Rom uraufgeführt, eine Dreiecksgeschichte um Kreuzritter und Hexenwahn, die im 7. Jahrhundert in Ravenna spielt) sind durch Einspielungen der ungarischen Produktionsfirma „Hungaroton“ aus den 80er Jahren, prominent mit Ilona Tokody, Péter Kelen, Lajos Miller und Sylvia Sass besetzt, es dirigiert jeweils Lamberto Gardelli, nicht gänzlich unbekannt geblieben.


    Die kurz vor dem ersten Weltkrieg entstandene Respighi-Oper „Marie Victoire“ erlebte allerdings noch nicht einmal zu Lebzeiten des Komponisten ihre Uraufführung. Diese war für 1914 in Rom vorgesehen und wurde dann um ein Jahr verschoben. Aber auch im Jahr 1915 kam es dann nicht mehr zu der vom Komponisten erhofften Uraufführung seiner Oper „Marie Victoire“. Respighi überwarf sich mit seinem Verleger Sonzogno und wechselte zu Ricordi. Der nahm zwar die „Marie Victoire“ in sein Programm auf, bemühte sich aber nicht darum, das Werk bei einer Bühne unter zu bringen. Erst am 27.01.2004 wurde die „Marie Victoire“, der Dirigent Gianluigi Gelmetti, der auch die späte Uraufführung dirigierte, hatte sich für diese Oper stark gemacht, in Rom zum ersten Mal gezeigt.


    Die Oper „Marie Victoire“ beruht auf dem gleichnamigen Schauspiel von Edmond Guiraud, das Respighi in der französischen Originalsprache vertonte – zu einer italienischen Übersetzung kam es nicht.


    Im Mittelpunkt der Handlung, die zur Zeit der französischen Revolution im Jahr 1793 beginnt, stehen Gräfin und Graf de Lanjallay. Ein Jugendfreund der beiden, der Chevalier Clorivière de Limoelan, berichtet davon, wie in der heimatlichen Bretagne der Vater des Grafen vor der Revolution fliehen musste und sorgt damit dafür, dass sich der Graf de Lanjallay sofort auf die Suche nach seinem Vater begibt, um diesem zu helfen. Clorivière wittert eine günstige Gelegenheit, sich der Gräfin in eindeutiger Absicht zu nähern, aber kaum ist der Graf abgereist, werden beide, der Chevalier und die Gräfin, von den Revolutionären gefangen genommen.


    Im Gefängnis landet die Gräfin dann schnell auf der Liste der zu guillotinierenden Personen, in Erwartung des sicheren Todes gibt sie sich dem nicht lockerlassenden Mitgefangenen Clorivière doch noch hin und muss am nächsten Morgen erfahren, dass Robespierre tot und die Gefangenen alle frei sind – die Schande ihres Fehltritts droht die Gräfin um den Verstand zu bringen.


    Sechs Jahre später, es ist der Weihnachtsabend, die Gräfin hat den bürgerlichen Namen Marie Victoire angenommen, betreibt die ehemalige Adlige eine florierende Hutmacherei in Paris. Ein Sohn ist das Ergebnis jener Nacht im Gefängnis mit Clorivière und Marie leidet noch immer unter dieser Geschichte. Ihr Ehemann Maurice, der seine Gattin tot glaubte und nach Amerika geflohen war, betritt das Geschäft, eine für Napoléon bestimmte Bombe explodiert auf der Strasse, der Sohn von Marie und Clorivière wird dabei verletzt und Maurice versteht recht schnell, dass dies nicht sein Kind ist. Marie bringt das Kind hinaus und zum zurückgebliebenen Gatten tritt der fliehende Attentäter – es ist Clorivière, der die Bombe gelegt hat. Maurice und Clorivière erkennen sich, letzterer gibt sich als Vater des Jungen zu erkennen, den Marie gerade hinausgebracht hat und Maurice deckt den ehebrecherischen Freund, indem er behauptet, selbst der Attentäter gewesen zu sein – Maurice wird verhaftet.


    Vor dem eilig einberufenen Gericht schweigt Maurice eisern. Erst als Marie ihm berichtet, was in jener Nacht im Gefängnis vorgefallen war, ist Maurice gerührt. Immer noch will er aber den Namen des wahren Attentäters nicht preisgeben. Da tritt Clorivière aus der Menge, gibt sich als Attentäter zu erkennen und erschiesst sich selbst.


    Ottorino Respighi schafft es nicht, diese reichlich kolportagehafte Geschichte wirklich bühnentauglich umzusetzen. Das Stück verliert sich in zahlreichen Nebenhandlungen, tritt immer wieder auf der Stelle, kommt nicht voran und ist schon von den Proportionen her eher sperrig. Dem versucht die Berliner Aufführung immerhin durch eine geschicktere Gliederung der einzelnen Bilder zu begegnen. Musikalisch zeigt sich die Oper „Marie Victoire“ uneinheitlich. Dabei stört nicht so sehr die rein eklektizistische Musik zwischen Wagner, Strauss, Puccini oder Debussy, sondern der Umstand, dass die Musik erst nach ca. 1 ½ Stunden wirklich für sich zu interessieren vermag. Bis dahin wirkt die musikalische Sprache eher illustrierend, oberflächlich, an Begleitmusik zu einem Film erinnernd, mit kräftig süss-sentimental triefenden Unisono-Streicherklängen, die von sehr vorhersehbaren, dräuenden Blechbläser-Einwürfen konterkariert werden. Lokales Kolorit durch Revolutionsgesänge machen die Sache auch nicht besser.


    Erst das Zwischenspiel zwischen dem ersten und zweiten Akt lässt aufhorchen, hier entfaltet Respighi plötzlich jenes Talent für Klangfarben und Situationen, die seine sinfonischen Dichtungen ausmachen und es drängt sich durchaus der Gedanke auf, ob nicht in der rein instrumentalen Musik die Stärke von Ottorino Respighi liegt. Immerhin hält er weitgehend zumindest im Orchestergraben bis zum Ende das Interesse des Zuhörers an seiner Musik wach.


    Nicht, dass das jetzt einfach gebaute Musik wäre, im Gegenteil, vieles schiebt sich da ineinander und übereinander, wird geschickt verbunden, Akzente werden markant gesetzt, aber der Langatmigkeit und die zeitweilige Nähe zur gefühligen Operette lässt dieser Kompositionsstil viel zu viel Raum.


    Michail Jurowski leitet diesen Abend mit grossem Geschick. Vor allem, wie er mit dem Themenmaterial dynamisch umgeht, wie er versucht, dieser Musik Glaubwürdigkeit zu verleihen, wie er mitatmet, das hat Klasse und das Orchester der Deutschen Oper Berlin folgt ihm hörbar gerne. Das Orchester zeigt sich in guter, wenn auch nicht optimaler Verfassung, eine annehmbare, zufriedenstellende Leistung.


    Die Gesangspartien sind nicht wirklich kompliziert, von der Titelrollensängerin wird allerdings einiges an Stehvermögen erwartet und die Sopranistin Takesha Meshé Kizart wirft sich mit Vehemenz in ihre Aufgabe. Am Anfang zeigt sich die Sängerin lyrisch-verhalten und erzielt um so mehr einen guten Effekt, wenn sie dann, im Gefängnisbild, erstmals ihre Stimme unangestrengt und sicher losstrahlen lässt. Die Durchformung der Partie gelingt Kizart ausgezeichnet. Dass ihre Stimme mitunter etwas unruhig ist und auch die Intonation nicht immer überzeugt, soll zumindest angemerkt werden.


    Der Sänger Markus Brück als Graf versucht hier, mit sehr angenehm klingenden Bariton, vergessen zu machen, dass er eher im lyrischen Stimmfach zu Hause ist. Er kaschiert das mit Überdruck in der Wortgestaltung, im hochfahren der Stimme in Grenzbereiche, was die Lautstärke angeht, und besitzt doch genügend Geschmack, die Gesangslinie nicht allzu deutlich zu verlassen.


    Schwach der Tenor Germán Villar (Clorivière), eine kleine, immer wieder vor sich hin zitternde Stimme, mit gebremster Ausdrucks- und Strahlkraft.


    Unterdurchschnittlich die blechern-scheppernde Mezzosopranistin Nicole Piccolomini in der Nebenrolle der Marquise de Langlade mit ihrem harten, unsinnlichen Organ.


    Das szenische Arrangement übernahm der mittlerweile 76-jährige Johannes Schaaf und scheitert auf ganzer Linie. Opas Schnarchtheater feiert hier fröhliche Urstände – über Standardgesten und gefälliges, szenisches Boulevard kommt Schaaf an keiner Stelle hinaus. Da läuft drei Stunden lang ein Kostümschinken mit Pappkulissen und Funduskostümen am Publikum vorbei, der jeden Versuch unterlässt, den Figuren psychologische Tiefe, Genauigkeit in der Aktion oder dramaturgische Sinnhaftigkeit mitzugeben. Wenn nicht gerade mal wieder länger herumgestanden wird, ist vor allem outriertes Gehabe an der Grenze zur Lächerlichkeit angesagt.


    Das drehbare Einheitsbühnenbild zeigt die Ruine eines Schlosses, wo zu Beginn Bett- oder Tischwäsche aufgehängt wird. Ob es ein Innen- oder Aussenraum ist, ist nicht so ganz klar, die Wäsche und die Blumenrabatten sprechen für Aussen, das Cembalo und der abgehängte Kronleuchter, den eine Dienerschaft ewig poliert, sowie ein Sessel für Innen – aber so richtig wichtig ist das in dieser Nicht-Inszenierung eh nicht.


    Zu Beginn des zweiten Aktes – zu den Klängen einer quasi Trauermusik – wird die Guillotine von Bilderbuchsansculotten poliert, ja, da zittert der Adel und das Publikum. Bunt geht es zu im Gefängnis, man probt den „Divin du Village“ von Rousseau, ein Tanzpaar zeigt belangloses. Ganz schlimm wird’s, wenn Marie und Clorivière zum Beischlaf schreiten: eng umschlungen stehen die beiden rum, nix passiert, wirklich gar nichts, und spätestens, wenn dann der Bühnenhorizont im orange der Morgensonne erglüht, wünscht sich der interessierte Zuschauer nichts sehnlicher, als dass der Regie-Rentner Johannes Schaaf bitte nie wieder seine verdiente Altersruhe unterbricht, um eine derartig peinliche Szene Bühnenrealität werden zu lassen.


    Zu Beginn des dritten Aktes, es ist immerhin Weihnachten, schneit es dann still und leise vom Schnürboden herunter...


    Am Ende, wenn Marie ihre Geschichte ihrem Ehemann im Gericht erzählt, ist nicht nur der gerührt – das Volk ist erschüttert und die Richter zücken die Taschentücher und weinen mit.


    Einer geht noch: der Dichterfreund der Familie trägt, klar, Nickelbrille – kein Klischee ist Johannes Schaaf zu billig, kein Kostüm zu hollywoodesk und keine Aktion zu übertrieben, unglaubwürdig oder schlichtweg zu falsch, um hier, in dieser Produktion keine Verwendung zu finden – das ist wirkliche Provinz mitten in der Hauptstadt, während in der sogenannten Provinz ausgezeichnetes Musiktheater geboten wird.


    Starker Beifall für alle Beteiligten, in den sich teilweise heftige Buhs für Johannes Schaaf mischten.


    Die „Marie Victoire“ von Respighi kennen zulernen, war interessant – eine Bereicherung für das Repertoire wird sie wohl nicht werden, dazu ist die Vorlage und zum Teil auch die Musik doch zu schwach.

    Lieber Raphael,


    ganz dunkel kann ich mich erinnern, den "Golem" von d´Albert vor langer Zeit auf einem Spielplan eines Opernhauses entdeckt zu haben, ich wüsste aber noch nicht mal mehr, wo das war.


    Also sicher eine interessante Rarität, die Bonn da auf den Spielplan setzt, die näheren Informationen werden wohl in den nächsten Wochen folgen. Bleibt zu hoffen, dass das Projekt auch tatsächlich nicht nur geplant ist, sondern auch realisiert wird.


    Für einen Berliner liegt jetzt Bonn natürlich auch nicht gerade um die Ecke... :D

    Als am 12.03.1954 das Fragment der Oper „Moses und Aron“ von Arnold Schönberg konzertant in Hamburg uraufgeführt wurde, war der Komponist schon fast drei Jahre tot. Schönberg starb am 13.07.1951 in Los Angeles, in jenem Exil, in das er 1933 emigrierte, weil die Religion seiner Eltern die falsche war und seine Musik den Nazis als „volksfremd“ und „entartet“ galt.


    Die szenische Uraufführung der zwei vollendeten Akte von „Moses und Aron“ fand am 06.06.1957 am Opernhaus in Zürich statt.


    Schon in den 20er Jahren befasste sich Schönberg mit dem Stoff zu „Moses und Aron“. Ursprünglich plante der Komponist ein Oratorium, entschloss sich dann aber, aus seiner „Moses und Aron“-Idee eine Oper zu machen. Immer wieder arbeitete Schönberg an diesem Werk, ohne es tatsächlich zu vollenden. Zu Lebzeiten des Komponisten wurden nur einzelne Szenen aufgeführt und Schönberg selbst ahnte, dass er den „Moses“ nicht vollenden würde und schlug vor, die wenigen, nicht mehr komponierten Szenen des dritten Aktes gesprochen aufzuführen.


    An unseren Opernhäusern endet die Aufführung heute in aller Regel mit dem zweiten Akt mit den Worten des Moses: „O Wort, du Wort, das mir fehlt,“, so auch in Düsseldorf, wo Christof Nel das gut anderhalbstündige Fragment neu inszeniert hat.


    Einstmals galt „Moses und Aron“ als unaufführbar, aber mittlerweile hat sich dieses Stück an den Opernhäusern und beim Publikum durchsetzen können – in Düsseldorf war der Besuch einer normalen Repertoire-Vorstellung unter der Woche ausgesprochen gut und der Beifall stark und anhaltend.


    Das Einheitsbühnenbild von Roland Aeschlimann zeigt einen nicht klar definierten, weissen Raum mit einer grossen Treppe, in deren Mitte sich eine Wendeltreppe nach oben windet, die Fenster in den Wänden sind winzig und weit oben angebracht, der Orchestergraben ist komplett umbaut, links schafft ein Gitterboden eine weitere Spielfläche, nah am Publikum, rechts sitzt an einem einzelnen Tisch Moses.


    Dieser Raum wird nicht verlassen werden, Menschen in heutiger Kleidung werden hereingeweht – aber sie bleiben in diesem Raum, es gibt keinen Auszug in die Wüste. Das wirkt ein wenig so, wie eine Bunkergemeinschaft, während draussen eine Katastrophe abläuft, Krieg oder ein Atomunfall, z. B.


    Die sechs Solostimmen, also die Stimme aus dem Dornbusch, positionieren sich mit ihren Notenpulten links und rechts zu je drei Damen und Herren neben den ersten Parkettreihen, das ist klanglich nicht ideal, wie auch das Orchester manchmal nicht die richtige Balance findet, manches Detail verschwindet einfach zu schnell.


    Das Volk bedrängt Moses, sie aus ihrer Situation zu retten. Der Mann wird sichtlich verehrt – allein, Moses fürchtet sich vor der Verantwortung, die ihm aufgedrängt wird. Auf dem Laufsteg vor den Zuschauerreihen bricht er zusammen.


    Erst als der weniger introvertierte Bruder von Moses, Aron, sich der Situation annimmt, verändert sich die Lage. Aron suggeriert dem Volk die Möglichkeit auf Rettung, erst sind es wenige, die sich der „neuen“ Lehre anschliessen, misstrauisch vom Rest des Volkes beobachtet, dann aber sind es schliesslich alle Menschen auf der Bühne, mit Ausnahme eines Priesters, der für die alte Ordnung steht.


    Es gibt keine Wunder in dieser Inszenierung, auch keine Taschenspielertricks – Aron löst so etwas wie eine Massenhysterie aus, da bedarf es keines Stabes, der zur Schlange oder einer gesunden Hand, die vom Aussatz befallen wird.


    Am Ende des ersten Teils gruppiert sich das Volk hinter Moses, ohne wirklich aus dem Raum auszuziehen.


    Zu Beginn des zweiten Teils sitzt Moses links am Tisch und schreibt, abgeschirmt vom Volk durch einen Maschendrahtzaun, der über ihm ausgebreitet wird.


    40 Tage, so erzählt es das Stück, ist Moses nun schon weg – das alte Gesetz ist aufgehoben, ein neues gibt es noch nicht – der Druck auf Aron wächst, die Situation droht zu entgleiten. Da setzt Aron die alte Ordnung wieder in Kraft – Opferrituale werden ausgeführt, wenige werden getötet, damit die Masse nicht in anarchischer Gewalt übereinander herfällt.


    Das alles erzählt Nel relativ brav und ohne wirkliche Aufreger. Selbst die Choristen, die messerwetzend in Schlachterschürzen auf Menschenjagd gehen, agieren berechenbar. Die vier Jungfrauen (nicht nackt, wie vorgesehen) werden in Brautkleider auf den Schultern von jungen Männern sitzend hereingetragen, bevor ihnen die Kehlen durchgeschnitten werden. Der Jüngling, auch er nicht nackt, aber immerhin in schicker Unterwäsche, tötet sich selbst, und der Ephraimit hat zuvor einem anderen jungen Mann das Genick gebrochen. Damit dem goldenen Kalb auch Rechnung getragen wird, werden einige Geldscheine herumgestreut.


    Das Ende dann in grosser Ruhe – Blackout.


    Nel findet für den Chor teilweise ansprechende Konstellationen, bleibt aber bei Moses und Aron sehr zurückhaltend. Wenn Aron die Hände des Chores hält, wirkt das wenig spannungsvoll, zumal Nel diese Geste etwas überstrapaziert.


    Der Abend ist grundsolide gemacht, bleibt aber hinter den Möglichkeiten, die dieses Werk bieten kann, zurück.


    Michael Ebbecke, der Moses, agiert oft mit angstvoll geweitetem Blick, das wirkt manchmal etwas aufgesetzt und passt damit zu seiner vor allem anfangs arg pastoral-pathetischen Wortgestaltung, die es an deutlicher Aussprache mangeln lässt. Öfter, als notwendig, verfällt Ebbecke in reines Singen, was sich bei dieser Rolle nachteilig auswirkt.


    Dem Aron von Wolfgang Schmidt gerecht zu werden, ist schwierig. Schon in früheren Jahren zeichnete sich Schmidt nicht durch sonderlich präzises Singen aus, da wurde schon mal relativ munter über die Klippen einer Partie hinweggesungen und das hat sich, jetzt, wo Schmidt älter geworden ist, nicht verbessert. Im Gegenteil, die Stimme weist deutliche Ermüdungserscheinungen auf und schlägt teilweise heftig, dazu kommt, dass die mächtig ausgestellten, hohen Töne, viel zuviel an Kraft erfordern, sodass die Stimme direkt nach einer solchen Attacke heiser auf der Suche nach den nächsten Tönen ist.


    Eine ganze Riege von teilweise jungen Sängerinnen und Sängern vervollständigen das grosse Ensemble. Etwas bemüht die Altistin Cornelia Berger als Kranke, schwach der Priester von Michail Milanov, mit seinem wenig zuverlässigen Bass und eindimensional der hohlstimmige Bariton Stefan Heidemann als Ephraimit. Luxuriös allerdings die Besetzung der Ältesten: da finden sich Namen wie Bodo Brinkmann, Andrzej Saciuk und Peter-Christoph Runge wieder.


    Bemerkenswert der Chor: die machen ihre Sache richtig gut, vor allem auch da, wo klare Diktion, wo chorisches Sprechen, Zischen und Flüstern verlangt wird (Choreinstudierung: Gerhard Michalski), kleine Wackeleien treten hinter der Gesamtleistung zurück.


    Das Orchester spielte unter der Leitung von Wen-Pin Chien, weniger klar strukturiert, als man es bei dieser Musik von Boulez oder Gielen gewohnt ist, dafür packend im Zugriff, eruptiv, an manchen Stellen sehr sinnlich, im Detail aber nicht restlos überzeugend, eine interessante, aber keine überragende Leistung des Düsseldorfer Orchesters und seines Dirigenten.

    Interessant könnte die Januar-Premiere an der Oper Bonn werden: d´Alberts "Golem" soll aufgeführt (und eventuell mitgeschnitten) werden. Die Details fehlen allerdings noch, Dirigent wird wohl GMD Stefan Blunier sein.


    Davor gibts "Tannhäuser" (Wagner), Premiere: 18.09.09, Dirigent: S. Blunier, Regie: K. Weise, Titelpartie: S. MacAllister


    Der weitere Spielplan nennt: "Ezio" von Händel, "Rigoletto" (Verdi), "Elisir" (Donizetti), "Kat´a Kabanowa" (Janacek) und Menottis "Telephone".

    Zitat

    Original von copy
    Aribert Reimann vertont als Auftragswerk Grillparzers "Medea". Die Uraufführung am 28. Februar 2010 in Koproduktion mit der Frankfurter Oper inszeniert Marco Arturo Marelli, es dirigiert Michael Boder.


    Wieso man ausgerechnet Marelli eine UA inszenieren lassen muss, ist mir auch nicht klar - da gäbe es spannendere Regisseure.


    Kyrill Petrenko hat schon an der "Komischen Oper" in Berlin die "Lady" von Shostakovich dirigiert, das ist nicht schlecht - inszenatorisch erwarte ich mir von Hartmann nichts.

    Zitat

    Original von Liebestraum
    Also Vorsicht mit solchen Äußerungen!


    Warum? Kleiner Spassvogel...


    Ruth Berghaus war ja nun viel, aber gewiss nicht regimekritisch, das Beispiel passt nicht, auf sie habe ich auch nicht, was Du, unterstelle ich mal, auch weisst, nicht angespielt. Matthias hat den völlig richtigen Kontext hergestellt.


    Die Städte, die ich benannt habe, sind mit anderen Namen verbunden und diese legen Zeugnis darüber ab, wie ein spiessig-reaktionärer und von der Struktur her totalitärer Staat Kunst- und Meinungsfreiheit mit Füssen getreten hat.


    Zitat

    Nur bin ich schon damals nicht in solche Inszenierungen gegangen, wie ich heutzutage nicht zu Konwitschny, Neuenfels u.ä. gehe. Das liegt auch in meiner freien Entscheidungsfreiheit


    Das habe ich nicht anders erwartet. Genau deshalb finde ich es bemerkenswert, das Du den Besuch einer Aufführung von Inszenierungen von Thalbach, Stölzl und Kriegenburg (sic!) nicht ausschliesst, viel Spass, wünsche ich schon mal...

    Zitat

    Original von pfuetz
    hattest Du Ruth Berghaus in Hamburg gesehen? Mein Besuch dort vor drei Jahren war ja die "Ursache" für meinen Eintritt hier... ;-)


    Lieber Matthias,


    ich erinnere mich - ich habe damals gezögert, mir eine Karte für den Berghaus-"Tristan" zu kaufen. Aber: Simone Young tue ich mir nicht freiwillig an, das geht für mich überhaupt nicht. John Treleaven kenne ich hinreichend, das muss ich auch nicht unbedingt haben, allerdings singt der tatsächlich im dritten Akt einen bemerkenswerten Tristan. Da hat der plötzlich Töne, die er zwei Akte lang nicht präsentieren konnte. Und wenn ich mich nicht irre, war als Isolde ursprünglich Conell vorgesehen - für dieses Gesinge fahre ich auch nicht Hamburg. Tatsächlich hat dann aber wohl J. Baird die Vorstellung gesungen. Ich war wirklich seit der Premiere von "Clemenza di Tito" (Mozart) mit Konwitschny/Metzmacher nicht mehr in der Hamburger Oper.

    Zitat

    Original von Liebestraum
    Aber ich mache mir da mein eigenes Bild.


    Ich weiss schon, Fotos gucken und so... :wacky: Aber sach nicht, Du seisest nicht gewarnt worden, gell, Deine letzten Einlassungen sind mir in schlechtester Erinnerung geblieben.


    Vielleicht mal bei Thalbach einen kleinen Blick auf "Hänsel und Gretel" oder "Salomé" riskieren...?


    Lieber Matthais,


    eigentlich kein wirklich dickes Lob für Stölzl, aber sicher deutliche Kritik an Joel.


    Nein, nein, ich bin sicher, dass ein Ostler, wie Liebestraum, meine Bemerkung völlig richtig einzurodnen versteht. Künstler, die nicht dem DDR-Mainstream entsprachen, wurden in die Provinz geschickt, der Begriff "abgeschoben" verbietet sich an dieser Stelle. Die durften dann in Zittau, Anklam oder Altenburg Inszenierungen machen, die eher der Stasi, als dem Publikum auffielen.

    Zitat

    Original von Liebestraum
    Von den Premieren her muss man erst abwarten, ob man sich die Inszenierungen überhaupt ansehen kann.


    Nein, da musst Du nicht abwarten - dass ist nix für Dich, diese Inszenierungen kann "man" sich ganz bestimmt nicht ansehen, die finden wieder vor leerem Haus statt, weil da keiner reingeht. Sollten Dir Berichte hier im Forum nicht zur Abschreckung genügen, im Netz finden sich bestimmt Bilder von anderen Inszenierungen, die Dir hinreichend Aufschluss geben, was Dich erwarten würde, wenn Du denn hingöngest - Katharina Thalbach (geht gar nicht), Philipp Stölzl (geht gleich zweimal nicht) und Andreas Kriegenburg (der Untergang des europäischen Theaters schlechthin - der Mann hat nicht nur eine Ost-Vergangenheit, der war auch an der "Volksbühne" (sic!) jahrelang Hausregisseur - und da weiss ja jede/r, was das für Inszenierungen sind...).


    Stets hilfreich...