Beiträge von Alviano

    Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Alle sind auf die Verwendung des Wortes "jüdisch" angesprungen und keiner sieht offenbar den von mir beabsichtigenden Zweck.


    Das von Dir verwendete Mittel war untauglich - und öffnet Missverständnissen Tür und Tor.


    Es ist auch nicht in Ordnung, Edwin zu unterstellen, er wäre für ein Diskutierverbot oder er wolle die Eröffnung eines solchen Threads verhindern. Das Gegenteil ist der Fall, Edwin hat sich immer wieder dafür stark gemacht, solche Themen zu behandeln, es ist auch in diesem Thread zu lesen.


    Mir wäre es manchmal lieber, wenn es den einen oder anderen Thread nicht gäbe - aber auch ich denke dann, dass es besser ist, ein Thema zu behandeln, als es zu beschweigen, wenn es denn nun schon mal auf dem Tisch ist.

    Zitat

    Original von Robert Stuhr
    „Wenn ein Künstler aber praktisch bedeutungslos ist und es nur durch sein Judentum zu einer kleinen, wenngleich wenig liebenswürdigen Privatkarriere brachte: Wieso wird er dann durch einen Thread geehrt? Oder anders gesagt: Wieviel jüdische Krepüle verträgt dieses Forum noch? „


    Ist da keiner erschrocken?


    Doch, Robert, da bin ich schon erschrocken - aber vielleicht anders, als Du es eventuell erwartet hast. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Du wirklich nicht siehst, wie völlig unmöglich das ist, was Du hier geschrieben hast und ich will auch nicht glauben, dass das, was hier zu lesen ist, Deiner Meinung entspricht. Edwins Text so zu verwenden, wie Du das tust, ist ein Tiefschlag. Vielleicht wählst Du ein anderes Beispiel, um Deine Auffassung zu verdeutlichen.

    Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Als bloße Kehrseite der Medaille und mindestens ebenso verächtlich finde ich allerdings die flammende Empörung, die hier so wohlfeil geäußert wird. Natürlich ausschließlich von Personen, die nie unter einer Diktatur gelebt haben, die nie aus politischen Gründen um ihren Job bangen mußten, die ihrem Tagwerk von einem Schreibtisch aus und in einem bequemen Ledersessel nachgehen, und die vor allem felsenfest und von jedem Zweifel ungetrübt der Überzeugung sind, daß sie selbst niemals einmal nicht so etwas machen würden....


    Vielleich wird "soetwas" auch von Leuten geäussert, die ahnen, dass sie noch so laut hätten "Heil" schreien können und dass der Versuch, sich durch Parteimitgliedschaft anzubiedern, nicht zum gewünschten Erfolg geführt hätte, sondern dass sie möglicherweise trotz aller Bemühungen, sich den Verhältnissen anzupassen, entweder durch Arbeit vernichtet worden oder gleich ins Gas gegangen wären. Vielleicht sind das Leute, die auch in ihrer Jugend Ausgrenzung erfahren haben und die wissen, dass sie auf eine starke Mehrheitsgesellschaft angewiesen sind, die die Minderheit schützen muss, damit all das nie wieder passieren kann.

    Lieber operus,


    ich kann Dir versichern, dass ich Deine Beiträge nicht nur mit Interesse, sondern auch gerne lese. Du versuchst nämlich, zu differenzieren - und dazu gehört für Dich wohl auch, keinen Zweifel daran zu lassen, wie Du über solche Leute wie Rode und Co. denkst. In Deinen Texten wird deutlich, dass es Dir wohl auch wehtut, wie von solchen Gestalten die Musik, die Oper, das Theater beschädigt oder missbraucht wurde.


    Ich unterhalte mich auch über die sängerischen oder musikalischen Qualitäten von Künstlern, die in Nazi-Deutschland gewirkt haben, oder eben selbst Nazis waren. Aber für mich gehört untrennbar zum Künstler seine politische Haltung dazu. Ich will bei von Manowarda oder Strienz nicht nur über die stimmliche Qualität reden (bei beiden gäbe es zumindest im Vergleich zu Rode etwas, dass des Mitteilens Wert wäre). Das sind wir Nachgeborenen doch irgendwie auch Künstler/innen wie Herbert Janssen, Henriette Gottlieb oder Ottilie Metzger schuldig.

    Zitat von Diabolus in Opera


    Da will ich aber vehement widersprechen: Sein Rocco unter Blomstedt gehört für mich nach dem unerreichten Gottlob Frick zu den besten auf Tonträger.


    Da reden wir über zwei verschiedene Sachen - ich sprach von "Live-Auftritten".


    Es mag sein, dass Ridderbusch dieses hier angesprochenen Spielbasspartien besser lagen. Aber gute Rollengestaltungen sind das auch nicht - Ridderbusch verfügte über ein eher schmales Ausdruckssprektrum, das er in jeder Partie einsetzte. Seine gesanglich besten Aufnahmen stammen sicher vom Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre.


    Die hier angesprochene "Capriccio"- Einspielung zeigt einen stimmlich gut aufgelegten Ridderbusch, der gegenüber Hotter zu Punkten vermag. Letztere ist aber als Typ für mich der interessantere Sänger.


    Die "Meistersinger" von 1974 würde ich einem Einsteiger immer empfehlen. Die Aufnahme ist in vielen Punkten nicht ideal, strahlt aber eine gewisse Spielfreude aus. Und Ridderbusch ist hier besser, als in allen mir bekannten, späteren Aufführungen.

    Zitat

    Original von Joseph II.
    Hier noch einige Nachträge, um der Kritik an meiner "unzureichenden Beschäftigung mit der Materie" entgegenzukommen


    Es wäre halt nur schön gewesen, wenn diese Beschäftigung vor Thread-Eröffnung stattgefunden hätte - aber, ganz klar, lieber spät, als gar nicht.


    Der beschriebene "Meistersinger"-Ausschnitt ist tatsächlich ein abschreckendes Beispiel, der allein schon ausreicht, um die Feststellung zu treffen, dass wir es hier mit keinem grossen Sänger zu tun haben.

    Zitat

    Original von Joseph II.
    (...) ist auch ein Wilhelm Rode eines (objektiven) Threads hier würdig.


    Hast Du Dich mit Rode irgendwie beschäftigt? Mal was nachgelesen? Prieberg, Nowak, Kater vielleicht? Zu einer umfassenden Betrachtung gehört mehr als ein


    Zitat

    die Quellenlage ist überaus dürftig


    oder die schwammige Formulierung


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    was an seiner wenig rühmlichen Rolle im Dritten Reich liegt.


    Ich habe mit grosser Sympathie den Beitrag von Jacques Rideamus unter "Was tut ein Moderator" gelesen, vielleicht regt Dich dieser Text von Jacques R. zum nachdenken an.


    Auch bei Peter Brixius findet sich einiges, was Dich nachdenklich stimmen sollte. Vielleicht verstehst Du z. B. meine Betroffenheit dann besser.


    Wenn das Thema Rode dem Ansehen des Forums nicht schadet, dann liegt das zumindest nicht an Deiner sorglosen Thread-Eröffnung.


    Eine Anmerkung zu Peter (Wien):


    Der Fall der Schwestern Konetzni - und insbesondere bei Anny - liegt etwas anders, obwohl diese alles andere als Gegnerinnen der Nazis waren. Immerhin hast Du jetzt hier doch noch auf diesen Umstand hingewiesen, gut so.

    Lieber Herbert,


    falsch: ich möchte bei einem solchen Thema wenigstens Position beziehen, damit auf keinen Fall der Eindruck entstehen kann, ich würde diesen Thread einfach hinnehmen oder gar ebenfalls der Meinung sein, ein Rode liesse sich unter Ausblendung seiner Rolle in Nazi-Deutschland auf seine sängerischen Darbietungen beschränken.


    Ich fände es nämlich reichlich peinlich, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck entstünde, dass unser Forum ein Hort ewig gestriger Musikfreund/innen sei, wo selbst über Rode (den wieder Auszugraben ein bemerkenswerter Tiefpunkt ist) unverbindlich nett geplaudert werden kann.

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Oder anders gesagt: Wieviel braune Krepüle verträgt dieses Forum noch?


    Diese Frage habe ich mir in leicht abgewandelter Form gestern abend auch gestellt, nachdem ich diesen Thread hier gesehen hatte.


    Und ich möchte erweitern: muss wirklich beisplsw. ich, dem das Frühstück bei solchen Figuren wie Rode oder Ney hochkommt, soviel Toleranz aufbringen, diese Themen hier aushalten zu müssen?


    Für mich ist das sehr persönlich besetzt - die Empfindungen, die jemand wie Rode bei mir auslöst, möchte ich nicht wiedergeben (müssen). Aber ich möchte darum bitten, doch mal drüber nachzudenken, ob wirklich ein solcher Thread sein muss, der Mitglieder und vor allem Mitleser (tief) treffen kann.

    „Aus einem Totenhaus“, Janaceks letzte Oper, erlebte ihre Uraufführung am 12.04.1930 in Brünn. Der tschechische Komponist was damals bereits über ein Jahr tot und hatte das Manuskript der Partitur, das er vom Kopisten zur Durchsicht erhalten hatte, nicht mehr zu Ende redigieren können. So bleibt offen, was Janacek noch geändert und wie „Aus einem Totenhaus“ geklungen hätte, wenn Janacek die Komposition bis zum Ende hätte betreuen können.


    Lange Zeit war eine Bearbeitung Rafael Kubeliks gängig – heute versucht man dem Original so nahe, wie möglich zu kommen und benutzt die Fassung von Charles Mackeras und John Tyrell und in dieser Form ist das Werk auch in Hannover zu hören.


    „Aus einem Totenhaus“ schildert den Alltag in einem Strafgefangenenlager in Sibirien, die Vorlage stammt von Fyodor M. Dostoyewski, dessen „Aufzeichnungen (oder Tagebücher – im russischen sind beide Übersetzungen möglich) aus einem toten Hause“ im Jahr 1860 erschienen sind.


    Es gibt eigentlich keine richtige Handlung, die Szenen sind eher locker aneinandergefügt und werden durch die Aufnahme des politischen Gefangenen Goryantchikoff in das Gefangenenlager und seiner Entlassung am Ende des dritten Aktes zusammengehalten.


    In jedem Akt gibt es eine Erzählung eines der Gefangenen, die über ihr Schicksal berichten.


    Janaceks Musik ist von grandioser Ausdruckskraft, oft schneidend kalt, extrem im Schwierigkeitsgrad, was die Spielbarkeit angeht, immer wieder klar durchhörbar bis zum Einsatz von Soloinstrumenten und rhythmisch packend. Janaceks Kompositionsstil hat hier noch einmal einen Höhepunkt erreicht.


    Die Bühne in Hannover zeigt einen angeschrägten, betonierten Platz, auf dem die Häftlinge sitzen. Alle haben sie Blue-Jeans und graue Sweatshirts an, die sie sich über den Kopf gezogen haben, sodass dem Publikum keine Gesichter, sondern das Rund des Kragenausschnittes der Sweatshirts gezeigt werden.


    Alle sind Gefangene, auch die Aufseher gehören dazu – nur ziehen sich diese Handschuhe an und setzen sich verspiegelte Pilotensonnenbrillen auf, wenn sie in ihre Kapo-Rolle wechseln.


    Barrie Kosky schenkt den Zuschauerinnen und Zuschauern nichts. Im ersten Bild sieht man, wie mit Fäkalien gefüllte Eimer in einer Sickergruppe entsorgt werden – die Reinigungsarbeiten werden mit den blossen Händen vorgenommen. Als Goryantchikoff, der neue Gefangene (der tatsächlich schon unter den Gefangenen im Hintergrund von Anfang an dabei war), seiner Kleidung entledigt und in die Jeans und das Sweatshirt des Lagers gesteckt wird, kippt einer der Kapos einen solchen Fäkalieneimer über Goryantchikoff aus, bevor er ihm zwischen die Beine langt und kräftig zudrückt.


    Bei Janacek quälen die Gefangenen einen lahmen Adler. Dieser Adler ist bei Kosky ein alter Gefangener, der, ausgezogen bis auf die Unterhose und mit einer Feder im Haar, von den Gefangenen im Kreis herumgezerrt und misshandelt wird.


    Der junge Aleya, sitzt dabei völlig verängstigt im Bühnenvordergrund und hält sich die Ohren zu.


    Es sind solche Bilder, die sich einprägen, und die tief berühren.


    Immer wieder wird Kosky Gewalt, oftmals auch sexuelle Gewalt, zeigen, drastisch und brutal.


    Wenn im zweiten Akt die Gefangenen ein Theaterstück aufführen, ziehen sie sich dazu Frauenkleider über – ein Surrogat für das andere Geschlecht, das es in der Gefangenschaft nicht gibt.


    Kosky inszeniert Beschädigte, bei den einen sieht man es offen, bei den anderen ist die Psyche kaputt und wer überleben will, passt sich an.


    Ausgerechnet der Junge, Aleya, wird brutal zusammengeschlagen, blutüberströmt steht er da und wird von Goryantchikoff in einer unglaublich anrührenden Szene gepflegt – ein Bild der Menschlichkeit in einer unmenschlichen Umgebung.


    Wenn im dritten Akt bunte Blumen aus dem Beton hervorwachsen, ist dieses Bild zweifelsfrei kitschig – aber am Ende sitzen die Gefangenen wieder so auf der Bühne, wie am Anfang: die Beine angezogen, die grauen Sweatshirts über dem Kopf. Goryantchikoff verlässt das Lager nicht, er bleibt – es gibt keine Freiheit für diese Menschen, es sei denn, durch den Tod.


    Das Bild bleibt stehen, auch nachdem die Musik verklungen ist – der Applaus setzt erst nach einer guten halben Minute ein.


    Die Ensembleleistung ist enorm und das schliesst die Solisten, den Chor und die Statisterie ein. Manchem der Darsteller ist noch beim Schlussapplaus die Anspannung anzusehen.


    Erwähnt werden sollen Robert Künzli als Luka, Brian Davis als Siskov, Ivan Tursic als Skuratov, Frank Schneiders als Platzkommandant, aber auch besonders Janos Ocsovai als Aleya (darstellerisch erstklassig) und Stefan Zenkl als junger Sträfling.


    Wolfgang Bozic lässt insgesamt zu laut spielen, da wirkt gerade am Anfang manches zu kompakt – der satte Streicherklang könnte viel klirrender und kalter daherkommen. Dafür gibt es im Verlauf des Abends manch gelungenes Detail, gerade, aber nicht nur, bei den Instrumentalsoli zu hören. Der Zusammenhalt war am Anfang nicht ideal, auch das wurde im Laufe des Abends besser. Insgesamt bot Bozic eine spannende Jancacek-Aufführung und setzte sich sehr für diese enorme Partitur ein.


    Starker Beifall für alle Beteiligten, einige vernachlässigbare Buhs für die Regie.

    Lieber Gurnemanz,


    vor dem Hintergrund, dass man zum einen "Paradies und die Peri" von Schumann eh nicht sonderlich oft live erleben kann - und das dann auch noch zum anderen in einer szenischen Version, würde ich die Aufführung schon empfehlen wollen.


    Schlömer hat sehr schön versucht, Schumann auch als Person in seine Inszenierung mit einzubeziehen, was das Stück auch ganz gut erträglich macht. Es ist eben nicht ganz unproblematisch von der Stückaussage her, dass, nach dem der männliche Heldentod und das weibliche Liebesopfer nicht zum Ziel geführt hat, soewtas wie die Hinwendung zur Familie, zur naiven Kindlichkeit die Pforte zum Paradies öffnen wird.


    Das ist alles sehr assoziationsreich und gut anzuschauen inszeniert worden.


    Musikalisch war ich vor allem deshalb nicht wirklich zufrieden, weil ich Mannheim noch als eines der grossen Opernhäuser in Erinnerung behalten habe - ich war wirklich seit Jahrzehnten nicht mehr dort - und von diesem früheren Glanz ist nichts mehr übrig, ein Glanz, der mit Namen wie Mazura, Schirmer, Pick-Hieronimi, Cox oder Reynolds verbunden ist.


    Was allerdings wirklich nicht geht, ist die Titelrollensopranistin - das war zumindest jetzt in der Premiere ganz schlimm.


    Also: vielleicht magst Du Dir die Aufführung ja doch noch anschauen und anhören.


    :hello:

    Zitat

    Original von Norbert
    Naja, Edwin, "Tagesform" eben...


    Mit dem Sachs habe ich Ridderbusch gegen Ende der 70er Jahre öfter gehört - und es war enttäuschend, schon beim ersten Mal. Der Mitschnitt von 1974 zeigt tatsächlich eine zumindest akzeptable Leistung des Bassisten - aber danach ging es dann doch schnell bergab. Vor allem der dritte Akt, da Edwin völlig recht, zeigte einen matten, angestrengten und brüllenden Sänger an der Grenze seiner Möglichkeiten.

    Zitat

    Original von GiselherHH
    In Karajans Dresdner Studioaufnahme wäre mir dieser "Fehler" allerdings ganz recht gewesen. Mit einem ordentlichen Korrepetitor an der Seite hätte das durchaus etwas werden können.


    Naja, das sagt aber doch eher etwas über den Sachs von Theo Adam aus...


    Ist schon richtig: Anfang der 70er war Ridderbusch auf der Höhe seiner Möglichkeiten - aber wenn ich den weiteren Verlauf seiner Karriere betrachte, halte ich die Übernahme der Sachs-Partie in sein Repertoire für keine gute Idee.

    Am 04.12.1843 wurde das weltliche Oratorium „Das Paradies und die Peri“ von Robert Schumann in Leipzig uraufgeführt. Für den wenig erfolgsverwöhnten Komponisten Schumann war dieser Abend ein persönlicher Erfolg. Das Publikum war begeistert, es gab ebenfalls positiv aufgenommene Folgeaufführungen – Schumann hoffte, dass sich hier für ihn ein Weg hin zur Oper öffnen würde. Wie bekannt, verlief die Lebensgeschichte Schumanns anders.


    Das Werk ist ungewöhnlich, sowohl vom Aufbau, von der Umsetzung und der musikalischen Seite her. Es ist kein Oratorium im üblichen Sinne, Schumann selbst spricht von einer „Dichtung aus „Lalla Rookh“ (1817) von Thomas Moore (1779 – 1852)“, es gibt keine Einteilung in Akte oder Teile, es gibt 3 Bilder, die mit einer Art Zwischenspiel vor der Himmelspforte verbunden werden, es gibt zwar eine Handlung, aber das Werk ist weitgehend undramatisch, die Musik bewegt sich in lyrischen und meistens sehr ruhigen Bahnen, bei den Gesangsstimmen verbinden sich geschickt rezitativische mit ariosen Momenten, manchmal hört man auch liedhafte Anklänge und zwei grosse Chöre, jeweils am Ende des ersten und des letzten Bildes, wovon jener am Ende des ersten Bildes das vielleicht konventionellste Element der Partitur ist.


    Die Dichtung erscheint heute sentimental-naiv, aber zu Lebzeiten Schumanns gehörte Thomas Moore zu den vielgelesenen und beliebten Autoren in Europa. Der Ire begründete mit seinem Vers-Epos „Lalla Rookh“ die Orient-Welle, deren bekanntestes Werk vielleicht Goethes „West-östlicher Divan“ ist. Lalla Rookh ist eine Prinzessin, die auf der Reise nach Kashmir ist. Dort soll sie mit dem Prinzen von Buchara verheiratet werden. Mit ihr auf dieser Reise ist der junge Dichter Feramorz, der der Prinzessin die Zeit mit seinen Dichtungen vertreibt. Die Prinzessin verliebt sich in den jungen Dichter – glücklicherweise kein Problem, ist der Dichter doch in Wahrheit niemand anderes als ihr zukünftiger Ehemann, der Prinz von Buchara.


    Eine der Geschichten, die Feramorz der Prinzessin erzählt, ist also jene von der Peri. Peris sind flugfähige Wesen, halb Mensch, halb Engel, allerdings sind sie zur Sünde fähig – und wegen einer solchen sind sie des Paradieses verwiesen worden.


    An der Himmelspforte steht eine Peri einem Engel gegenüber. Die Peri möchte ins Paradies zurückkehren. Der Engel verspricht ihr, sie hineinzulassen, wenn die Peri des „Himmels liebste Gabe“ beschaffen würde. Die Peri begibt sich auf die Suche nach dieser Gabe.


    Ihre Reise führt die Peri nach Indien, das vom Tyrannen Gazna beherrscht wird. Ein junger Mann stellt sich dem Tyrannen entgegen. Seinen letzten Pfeil richtet er gegen Gazna und wird daraufhin getötet. Das Volk feiert den Helden und die Peri bringt das Blut des Jünglings zum Engel an die Himmelspforte, hoffend, dass dieses Blut des „Himmels liebste Gabe“ ist.


    Leider ist der Engel nicht zufrieden mit der mitgebrachten Gabe, die Peri muss erneut auf die Suche gehen.


    In Ägypten findet die Peri in einem Wald an einem See einen Jüngling, der im Sterben liegt – er ist das Opfer einer tödlichen Seuche geworden. Seine Freundin kommt dazu und der Jüngling fleht das Mädchen an, ihn nicht zu berühren, damit sie sich nicht ansteckt und damit nicht auch sie sterben muss. Das Mädchen küsst den Sterbenden und bald darauf sind beide tot. Die Peri nimmt den „Seufzer der Liebe“ mit und bringt ihn zur Himmelspforte.


    Wieder wird die Gabe vom Engel als nicht hinreichend zurückgewiesen und die Peri muss zum dritten Mal versuchen, des „Himmels liebste Gabe“ zu finden.


    Diesmal sucht die Peri die Gabe in Syrien. Dort trifft sie auf ein spielendes Kind, dem sich ein wild und brutal aussehender Mann nähert. Das Kind hat keine Angst vor dem Mann – es beginnt zu beten. Der Mann ist davon so gerührt, dass er weinend mit in das Gebet des Kindes einstimmt. In den Tränen des Mannes glaubt die Peri, ihren Engel von der Himmelspforte sehen zu können – da weiss die Peri, dass sie gefunden hat, wonach sie gesucht hatte – des „Himmels liebste Gabe“. Die Pforte des Himmels öffnet sich und die Peri wird im Paradies begrüsst.


    Schumann hat dort, wo es ihm geboten erschien, die Textvorlage um eigene Stücke ergänzt, er hat der Peri über die gut 1 ½ Stunden Spieldauer eine Entwicklung ermöglicht, aber die oratorische Grundform ist zuerst einmal eine Herausforderung für eine szenische Realisation.


    Musikalisch fällt das erste Bild mit seinem „Heldenopfer“, der sein eigenes Blut für die Gemeinschaft vergiesst, relativ konventionell aus. Geradezu unorganisch wirkt der fugierte Schlusschor dieses Bildes „Denn heilig ist das Blut, für die Freiheit verspritzt vom Heldenmut“, mit seinen religiösen und nationalistischen Anklängen. Gänzlich anders dann das Ende: wenn der Chor die Peri im Paradies begrüsst und die jubelnde Sopranstimme dem Chor antwortet. „Das Paradies und die Peri“ macht es den Hörerinnen und Hörern beim Erstkontakt nicht ganz leicht, aber musikalisch lohnt es sich, das Werk kennen zulernen, das nicht nur eine symbolträchtige Handlung transportiert, sondern uns auch etwas über Schumann selbst zu erzählen vermag, einen Aspekt, den Joachim Schlömer in seiner Inszenierung von Schumanns Oratorium mit aufzugreifen versucht.


    Die Bühne des Mannheimer Nationaltheaters ist von Anfang an offen. Ein etwa ein Meter hoher Drahtzaun umfasst die Bühne und den Orchestergraben, davor ein Laufsteg, rechts ein Stellpult für die Videotechnik, auf der Bühne eine halbhohe Holzwand als Begrenzung, im Hintergrund eine Lattenwand, auf der ein Wolkenpanorama zu sehen ist, weit oben ist in diese Wand ein kleiner, weisser Raum eingelassen, links ein Flügel, in der Mitte ein fahrbarer Kasten mit einer Plexiglasfront.


    Die Sängerinnen und Sänger treten in Kleidern der Schumann-Zeit auf, am Flügel nimmt ein Pianist Platz, es ertönt Klaviermusik des Komponisten. Vom Schnürboden schwebt die Peri herunter, ein androgynes Wesen im schwarzen Gehrock, und landet im Flügel.


    Ganz oben, in dem hellen Raum in der Lattenwand erkennt man einen burschikosen Engel, der sich artistisch furios über die Himmelswand zur Bühne hinunter begibt.


    Den Sängerinnen und Sängern sind zwei Tänzerinnen und ein Tänzer zugeordnet. Sie ermöglichen das Transportieren der Handlung, das Umsetzen von Musik in Bewegung und Schlömer schafft es einmal mehr, seine Sängerinnen und Sänger perfekt in die Choreographie einzubinden.


    Die Geschichte von der Peri wird bei Schlömer nicht nur zu einer Spiegelung der Lebenssituation des Robert Schumann, es wird auch eine Art „Coming of age“-Geschichte erzählt, spannend und vielschichtig, wie man das bei diesem Oratorium vielleicht so nicht erwartet hätte.


    Für die Szenen vor der Himmelspforte lässt der Regisseur eine Scheinwerferbatterie vom Schnürboden herunterfahren, über der eine Leinwand montiert ist. Auf diese Leinwand werden verfünffacht mittels einer Videokamera im Negativ-Bild Aufnahmen der handelnden Figuren projiziert, die eine Frau im Arbeitskittel aufnimmt. Sie beobachtet von aussen den Weg der Peri wie in einer Versuchsanordnung, ohne wirklich in die Handlung einzugreifen.


    Im ersten Bild steht der Chor um die eigentliche Bühne herumgruppiert, die Sängerinnen und Sänger des Chores kleiden sich in blutrote Roben. Die Peri transportiert stilisiert den Pfeil zwischen dem Tyrannen und dem Helden hin und her. Aus Kanistern wird Blut auf die Bühne geschüttet und der Tänzer, der den jungen Mann tanzt, wird fast nackt in diesen Blutsee geworfen. Während der Chor sein „Heilig ist das Blut“ anstimmt, steht der Tänzer zitternd und blutüberströmt in diesem See.


    Das Ägypten-Bild zeigt den jungen Kranken in der fahrbaren Kiste. Sein „Alter Ego“ ausserhalb der Kiste beschreibt die Holzwand der Bühne mit Textfragmenten. Der Kranke wird später ebenfalls seinen „Käfig“ mit warnenden Texten beschreiben. Am stärksten in diesem Bild die tänzerische Umsetzung der Annährung der beiden Liebenden in dieser Kiste, bis zum tödlichen Ausgang der Szene.


    Im dritten Bild sitzt der Junge im Flügel, es ist kein Spiel das er da spielt, die Erde, in der er wühlt, könnte auch Asche sein, die zerstörte Puppe, die er findet, eine Leiche, die liebevoll versorgt wird. Der wilde Mann gleicht dem Knaben und es ist vielleicht mehr die Erinnerung an glückliche Kindertage, was den Wilden zu rühren vermag, als die Hinwendung zum Gebet.


    Am Ende sitzt der Chor im Zuschauerraum, der burschikose Engel jubiliert mit dem ganzen Körper in artistischer Perfektion die Himmelswand hinauf und hinunter und die Peri entschwebt in den Himmel.


    Die Bilder von Joachim Schlömer haben eine wunderbar poetische Kraft und sie strahlen zur Musik passend oft eine gewisse Strenge aus.


    Die rein musikalische Seite ist für ein Haus dieser Grösse schwach. Das liegt einmal am bestenfalls bemühten Dirigat Friedemann Layers, der an kaum einer Stelle die Partitur wirklich zum Klingen bringt, das Orchester folgt nicht immer konzentriert, das liegt auch am wenig ambitioniert singenden Chor – das wirkt alles routiniert, und ohne Begeisterung vorgetragen und es liegt an der Titelrollensängerin der Peri, Eteri Gvazava. Die Stimme der Sopranistin ist zu klein für das Haus, mehr als einmal geht sie im Orchester völlig unter. Dazu kommt, dass die Stimme sehr hart ist, nicht optimal sitzt und heftig schlägt, sodass oftmals ein ganzes Tonspektrum zu hören ist und die Sängerin fast ausnahmslos die Töne von unten ansingt, die intonatorischen Probleme liegen auf der Hand. Mehrmals muss die Sängerin forcieren, was dazu fürhrt, dass ihr Töne am Ende in Schreie wegkippen. Als einzige musste Eteri Gvazava „Buh“-Rufe hinnehmen.


    Allerdings bieten auch die Mezzosopranistin Anne-Theresa Albrecht, die Sopranistin Katharina Göres und der Bass Radu Cojocariu zwar bessere, aber keine wirklich herausragenden Leistungen. Allenfalls der Sänger Maximillian Schmitt zeigte an einigen Stellen einen schönen und gekonnt eingesetzten lyrischen Tenor, dem der letzte Schliff noch fehlt. Die Wortverständlichkeit war ausgesprochen schlecht, das sollte an einem Haus, wie dem Nationaltheater Mannheim auch deutlich besser sein.


    Freundlicher Beifall, auch für die Regie, im nicht ausverkauften Opernhaus in Mannheim.


    Dass das Mannheimer Haus die Vorstellung auf Video aufzeichnet, ist völlig in Ordnung – unmöglich allerdings, dass die Kameras den Kassettenwechsel mit lautem Piepsen ankündigen und begleiten, das geht einfach nicht.

    Zitat

    Original von Armin Diedrich
    Von Ridderbusch gibt es die Gesamtaufnahme unter Silvio Varviso von 1974


    Der Mitschnitt von 1974 zeigt allerdings bereits, wo die Probleme von Ridderbusch als Hans Sachs liegen. Das, was sich hier andeutet, machen seine späteren Auftritte in dieser Partie so schwer erträglich. Eigentlich war der Wechsel vom Pogner zum Sachs ein Fehler.

    Zitat

    Original von Herbert Henn
    Karl Ridderbusch hatte eine tiefe Abneigung gegen das s.g. Regie-Theater,das weiß ich von ihm selber und weil er diese Abneigung hatte, fand er in Bayreuth keine bleibende Statt.


    :hello:Herbert.


    Lieber Herbert,


    ganz so war es nicht. Ridderbusch äusserte sich öffentlich abwertend über Chéreaus Regiearbeit - was von reaktionären Wagner-Kreisen dankbar aufgegriffen wurde. Ich bin mir nur unsicher, ob er von sich aus gegangen ist oder ob er tatsächlich rausgeschmissen wurde.


    Seine schauspielerischen Möglichkeiten, seine Möglichkeiten des Ausdrucks waren beschränkt - aber Chéreau hatte dieses kleinbürgerlich-verklemmte, was in so eine gefährliche Denunzianten- oder Blockwartmentalität kippen kann, richtig gut auf den Typ zugeschnitten. Fritz Hübner, der die Rolle dann übernahm, war ein etwas anderer Typ Hagen.


    Auch in dieser "Gezeichneten"-Inszenierung von Krämer passte das schauspielerische Untalent von Ridderbusch richtig gut, das wirkte authentisch.


    So betrachtet wird klar, wieso Ridderbusch mit einem Musiktheater nicht gut zurecht kam, das mehr verlangt als Standardgesten, das hatte er nicht drauf.

    Lieber Edwin, lieber Herbert,


    auch ich kann mich daran erinnern, dass Ridderbusch sich 1976 über Chéreau wenig freundlich geäussert hat und sein Verhalten zu den bekannten Kosequenzen geführt hat. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob er nicht von sich aus die weitere Mitwirkung am Chéreau-Ring abgelehnt hatte.


    Er war tatsächlich in diesem abgewetzten Kleinbürgeranzug als Hagen ideal besetzt, allerdings natürlich kein Sympathieträger.


    Auch ich habe Ridderbusch öfter Live erlebt und kann Edwins Beschreibung nur bestätigen - sein Sachs war im dritten Akt schwer erträglich, gerade in späteren Jahren, als die Stimme schon reichlich mitgenommen war, blieb nur heiseres Gebrüll, allerdings war sein Rocco auch nicht besser.

    Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Stimmt es eigentlich, daß Ridderbusch Waffen der deutschen Wehrmacht aus der NS-Zeit sammelte und seinen Swimming-Pool mit Hakenkreuz-Kacheln ausgelegt hatte, oder war das nur ein böses Gerücht, was da seinerzeit in Bayreuth von Mund zu Mund ging?
    :hello:


    Ob die Details stimmen, weiss ich nicht - aber Ridderbusch war Sammler von Militaria aus der NS-Zeit und erklärte selbst, dass er dies ausschliesslich aus Spass an der Freude tat.


    In der Düsseldorfer Inszenierung der "Gezeichneten" von Franz Schreker (Inszenierung: G. Krämer) sang Ridderbusch den Bürgermeister und musste im dritten Akt mit dem Ausstelungsheft "Entartete Kunst" in der Hand durchs Elysium laufen, "Ich bin verwirrt und geblendet" singend - das hat mir gut gefallen...

    Zitat

    Original von Fairy Queen
    Wo hat je ein Komponist ein Rezept für die Rezeption folgender Generationen und damit die Inszenierung seiner Opern geschrieben?


    Bleiben wir kurz beim rein musikalischen: zwischen den Einspielungen von Bachs "Matthäus-Passion" von Otto Klemperer und Hermann Max liegen Welten. Es handelt sich um gänzlich unterschiedliche Interpretationen des gleichen Werkes. Dazu kommt, dass sich die Aufführungspraxis innerhalb der rund 40 Jahre, die beide Aufnahmen trennen, weiterentwickelt und verändert hat. Dennoch sind beide Ansätze diskutierbar und nicht zuletzt wird auch der persönliche Geschmack eine gewisse Rolle bei der Entscheidung spielen, welche Aufnahme der einzelne Hörer, die einzelne Hörerin bevorzugen wird.


    Das ist bei Musiktheaterwerken nicht anders. Die sind für die Bühne geschrieben worden und unterliegen somit den Gesetzmässigkeiten des Theaters. Das Theater verändert seine Bildsprache, passt sich der aktuellen Zeit an, versucht sich orchestral, altbekannten Stücken neu zu nähern. Auch Sängerinnen und Sänger interpretieren ihre Partien heute anders, als noch vor hundert Jahren.


    Dass Theater immer dynamisch war, lässt sich problemlos belegen, das ist keine Entwicklung der letzten 50 Jahre.


    Zitat

    Zu Alvianos These, dass sich ein Opernbescuher unbedingt vorher informieren sollte: da bin ich ich eher skeptisch. Ich finde es für Anfänger und Ersthörer oft gerade gut, sich nicht zu informieren und sich von einem Werk und dessen Interpretation erstmal überraschen, anregen und bewegen (oder eben nicht) zu lassen.


    "Unbedingt" würde ich gar nicht sagen. Ich selbst ermuntere oft genug dazu, doch erstmal das anzuschauen und auf sich wirken zu lassen, was man denn da auf der Bühne sieht. Das setzt aber voraus, dass man in der Lage ist, sich zu öffnen und quasi vorurteilslos in eine Aufführung zu gehen.


    Wenn jetzt aber der Theaterbesucher gewissen Restriktionen unterliegt und Gefahr läuft, sinnlose Prozesse anzustreben, weil er genau dazu nicht in Lage ist, wäre eine Vorabinformation empfehlenswert. Das muss keine umfassende "Einführung" sein, kurzer Blick in die jeweilige Theaterzeitung genügt, ein Nachlesen einer Kritik reicht aus, um erkennen zu können, ob die Aufführung konvenieren könnte.


    Anders verhält es sich, wenn das Stück zur Gänze unbekannt ist. Da würde ich, unabhängig von der szenischen Präsentation, einen Blick in einen Opern- oder Konzertführer empfehlen.


    Aber natürlich schadet es auch nicht, wenn sich jemand mit einem Werk oder einer Aufführung intensiver auseinandersetzt, der persönliche Zugewinn kann beträchtlich sein.

    Lieber Ulli,


    Zitat

    Original von Ulli
    Er hat das ja m. E. nicht zu erwarten, denn die Opern, um die es im allgemeinen ja geht (das Thema ist so platt, daß eine Flunder fett dagegen ist...), sind eben konventionell.


    Sind sie das wirklich? In dieser verallgemeinernden Form ist das wohl kaum zutreffend und eine recht ernüchternde Aussage für einen intelligenten Menschen.


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    aber mir fehlt es eben heute an der notwendigen Ehrerbietung gegenüber den originären Autoren


    Die intensive Auseinandersetzung mit einem Musiktheaterstück, die Beschäftigung mit den Lebensumständen des Komponisten, mit den gesellschaftlichen Verhältnissen, in denen er lebte und wirkte, mit seinen musikalischen Ideen, mit der Textvorlage, mit den tieferen Schichten der Komposition und des Stückes (nur einige Beispiele) genügen Dir nicht als "Ehrerbietung" vor dem Autor und seinem Werk? Da kann ich nur sagen, dass ich es wesentlich weniger "ehrerbietig" finde, wenn jemand lieblos an der Oberfläche entlang inszeniert, konventionelles Theater mit Standardstücksituationen bietet und damit den Autor und sein Werk nicht ernst nimmt (oder beidem nichts zutraut).


    Zitat

    Ein Modernist hat jede Möglichkeit, sich moderne Opern anzuschauen, inkl. Uraufführungen. Dies ist dem "Staubi" (beinahe hätte ich "Stauni" geschrieben) leider verwehrt.


    Das wird ja durch die dauerhafte Wiederholung der Behauptung nicht richtiger. Diese 60er und 70er Jahre Inszenierungen, die sterben aus, klar. Wer soetwas mit Musiktheater verwechselt, hat das Nachsehen. Aber: auch, wenn der Zeitgeschmack sich wandelt - konventionelle Inszenierungen, die dem Zuschauer nicht allzuviel abverlangen, gibt es immer noch - und werden vom breiteren Publikum auch akzeptiert.


    Zitat

    Ich denke, es geht hier garnicht so sehr um den persönlichen Geschmack des beschwerten Besuchers.


    Wir wären einen gewaltigen Schritt weiter, wenn das endlich mal anerkannt würde, dass es hier vorrangig um den persönlichen Geschmack geht. In zweiter Linie geht es dann um die Frage, was soll Theater leisten, welcher Theaterbegriff steht hinter einer bestimmten Haltung? Das erklärt viel mehr, als das Beharren darauf, dass man den Willen der Autoren eines Musiktheaterwerkes kenne und deshalb wisse, was dem Werk gerecht wird und was eben nicht.


    Eine völlig konträre Auffassung vertrete ich auch bei der Frage, ob ein Opernbesucher sich vorab informiert haben sollte. Ja, sollte er. Wenn ich ein Buch kaufen möchte, informiere ich mich über den Autor und/oder den Inhalt, nicht jeder Film im Kino sagt mir zu, also informiere ich mich vorher, was mich da erwartet, für das Fernseh- und Radioprogramm gilt das gleiche. Nur beim Theater, da soll das plötzlich ganz anders sein? Kann ich nicht erkennen.


    Zitat

    Das ist in Konzert und Oper aber auch nicht anders und gerade - wie ich oben bereits schrieb - das Reizvolle daran.


    Eben - und wenn "Tafelspitz mit grüner Sosse und Wachtelei" auf der Karte steht, kann das auch schon mal wie ein Gemälde von Mondrian aussehen (und supertoll schmecken - so zu erleben bei Sven Elverfeld).


    In diesem Sinne...


    :hello:

    Man stelle sich den umgekehrten Fall vor: ein Opernfreund langweilt sich drei Stunden lang in einer konventionellen Inszenierung und klagt dann vor Gericht, weil er eine der zeitgemässen und vermeintlich allenthalben üblichen Inszenierungen erwartet hat.


    Den Mann würde man - freundlich formuliert - für reichlich seltsam halten. So geht es mir mit dem Klageführer im vorgestellten Fall auch.


    Nix für ungut, aber Theater ist nunmal kein Museum. Ich muss sicher Ulli nicht daran erinnern, dass selbst er sich über die Mozart-Inszenierungen von Peter Sellars freundlich geäussert hat - es geht also anscheinend doch in erster Linie um den persönlichen Geschmack oder um die Frage, ob man eine Inszenierung für gelungen oder misslungen hält, unabhängig von der Präsentation.


    Und das man Geschmacksfragen nicht vor Gericht verhandeln kann, ist zumindest für mich keine "Frechheit".


    Was jetzt die Küche angeht: viele Köche schreiben nur Grundprodukte auf ihre Karten, was dann serviert wird, sind oft kleine Kunstwerke, die mit vielen Anreicherungen daherkommen, die eben nicht auf der Karte stehen. Ein "normaler" Koch kombiniert drei, vielleicht vier Aromen auf dem Teller, ein Spitzenkoch schafft auch schon mal das doppelte.


    Da haben wir noch gar nicht von der Molekularküche geredet: da schmeckt nämlich das, was serviert wird, mitunter ganz anders als das, was das Auge wahrnimmt - sphärische Oliven z. B. sind da noch harmlos.


    So, und jetzt muss ich ganz langsam in eine Opernpremiere, die gewiss wenig konventionell ausfällt - zum einen ist das Stück gar keine Oper und zum anderen ist der Regisseur für spannendes, zeitgemässes Musiktheater bekannt.

    Zitat

    Original von Harald Kral
    Die Düsseldorfer Symphoniker spielen unter dem Dirigat des neuen Generalmusikdirektor Axel Krober.


    Ist das ein Schreibfehler? Handelt es sich um Axel Kober?

    Für mich sind in 2009/2010 zwei Produktionen in Amsterdam von besonderem Interesse:


    am 10.11.2009 hat "Salomé" von Richard Strauss Premiere, es dirigiert Stefan Soltesz, die Regie übernimmt Peter Konwitschny, Bühne und Kostüme: Johannes Leiacker, Dramaturgie: Bettina Bartz, Gabriel Sadé singt den Herodes und Doris Soffel die Herodias.


    01.02.2010: "Der fliegende Holländer" von Wagner, D: Hartmut Haenchen, R: Martin Kusej, B: Martin Zehtgruber, K: Heide Kastler


    In Dresden liebäugle ich mit "Notre Dame" von Franz Schmidt - der Vorverkauf für die Saison 2009/2010 beginnt dort am kommenden Mittwoch, dem 11.03.2009


    Hier nur als erster Hinweis: das Stadttheater Bielefeld plant für den 07.11.2009 Chabriers "L´Etoile" und für den 19.06.2010 Zemlinskys "König Kandaules"


    Passau kündigt noch ohne Datum die Koppelung von Dallapiccolas "Prigioniero" mit Madrigalen von Gesualdo an.


    Details folgen, wenn sie bekannt sind.

    Das Heidelberger Theater hat immer wieder für überregionales Aufsehen gesorgt. Johann Kresnik hat hier gearbeitet, Mario Venzago war hier GMD und hat u. a. Schoecks "Venus" dirigiert, Cornelia Kallisch, Ulrike Sonntag oder Ruth Ziesak haben ihre Karriere in Heidelberg begonnen.


    Z. Zt. hat Heidelberg mit Cornelius Meister (der knapp 30 Jahre alt ist) einen interessanten, jungen Dirigenten als GMD, einige sehr gute Stimmen im Ensemble, ein für die Grösse des Hauses beachtliches Orchester und einen immerhin soliden Chor.


    Dazu hat Heidelberg allein in dieser Spielzeit Henzes "Phaedra", die "Goyescas" von Granados und Martinus "Drei Wünsche" im Programm.


    Der Blick nach Heidelberg lohnt und es bleibt zu hoffen, dass die Intendanz mit diesem Konzept auch die nächsten drei Spielzeiten überstehen wird: Heidelberg gönnt sich (dringend notwendig) eine Umgestaltung ihres kleinen Hauses. In dieser Zeit wird das Theater in ein Zelt (sic!) umziehen, was das für einen Theaterbetrieb bedeutet, kann sich wohl jeder vorstellen.


    Ich möchte mit meinen kritischen Anmerkungen auf keinen Fall vom Besuch der Aufführung abraten, bin aber auch nicht bereit, über konzeptionelle und handwerkliche Fehler hinwegzusehen.


    Der Regisseur Aron Stiehl hat zu beiden Stücken nichts mitzuteilen, er kann weder mit "Goyescas", noch mit den "Pagliacci" irgendetwas anfangen. Es fehlt schon ein gedanklich überzeugender Grundeinfall für die Inszenierung.


    Manches (zum Beispiel bei der Chorführung) kommt recht bewegt daher, aber eben eingebettet in ein nicht überzeugendes Gesamtkonzept. Dem stehen dann absolut hilflose Arrangements bei Arien oder Duetten gegenüber.


    Bei den "Pagliacci" überzieht der Regisseur seine Personenzeichnung derart, dass nur Schablonen zu sehen sind, die Figuren haben überhaupt keinen Charakter, sie agieren von Anfang an in der Outriertheit der Klamotte. Deshalb funktioniert das Ende nicht - es gibt keine Fallhöhe, es gibt keinen Punkt, wo die Handlung kippt.


    So kann man vielleicht Operette oder Musical inszenieren, bei "Pagliacci" bleibt das Stück auf der Strecke.

    Mit „Goyescas“ schuf Enrique Granados einen Klavierzyklus, der, inspiriert von den Gemälden Francisco de Goyas, beim Publikum sehr beliebt wurde. Kein Wunder, dass die Pariser Oper dem 1867 geborenen Komponisten den Auftrag erteilte, aus dem musikalischen Material seiner „Goyescas“ eine Oper zu machen.


    Der Ausbruch des ersten Weltkriegs verhinderte, dass die Oper „Goyescas“ in Paris uraufgeführt werden konnte. Fertiggestellt wurde „Goyescas“ im Auftrag der New Yorker Met und dort kam das Werk, gekoppelt mit den „Pagliacci“ von Ruggiero Leoncavallo, am 28.01.1916 zur Uraufführung.


    Der Erfolg für Enrique Granados war so durchschlagend, dass man ihn ins Weisse Haus einlud, was dazu führte dass Granados und sein Frau das Schiff verpassten, das sie wieder nach Europa zurückbringen sollte. Der Dampfer „Sussex“, mit dem die Eheleute dann nach Hause fahren wollten, wurde von einem deutschen U-Boot torpediert und sank. Beim Versuch von Granados, seine ertrinkende Ehefrau zu retten, kam auch er ums Leben.


    Erst am 21.02.2009 fand im Stadttheater Heidelberg die deutsche Erstaufführung von „Goyescas“ von Enrique Granados statt, wie bei der Uraufführung in New York gemeinsam mit „I Pagliacci“ von Leoncavallo.


    Der kleine Dreiakter dauert kaum mehr als eine Stunde. Das Stück beginnt mit einer Gruppe von Menschen, die spielerisch eine Strohpuppe immer wieder hochwerfen, wie man das auf dem Gemälde „El Pelele“ von de Goya sehen kann. Der Torero Paquiro macht den Mädchen Komplimente, ist aber schon mit Pepa liiert, was alle wissen. Da taucht Rosario auf, die ihren Liebhaber Fernando sucht. Paquiro lädt Rosario zum Laternenball ein, aber Rosario zeigt wenig Interesse an dieser Einladung. Trotzdem reagiert Fernando mit starker Eifersucht, ist er sich doch der Treue seiner Rosario alles andere als sicher. Ohne Rosario zu fragen, beschliesst Fernando, dass Rosario mit ihm den Laternenball besuchen wird.


    Auf dem Laternenball provoziert der Torero Fernando, in dem er Rosario zum Tanz auffordert. Die Situation schaukelt sich hoch und die beiden Rivalen verabreden sich zum Duell.


    In einem Garten treffen Rosario und Fernando ein letztes Mal aufeinander. Fernando wird im Duell von Paquiro getötet und stirbt in den Armen von Rosario.


    „Goyescas“ lebt vor allem von der traditionell-spanisch gefärbten Musik. Aber auch lyrische Stücke sind da zu hören oder ansatzweise rhythmisch-moderne Momente, bei durchweg dankbaren Gesangspartien für zwei Sängerinnen und zwei Sänger.


    Der Regisseur der Heidelberger Produktion, Aron Stiehl, setzt auf eine stilisierte Umsetzung der „Goyescas“. Man sieht in der Mitte der grauen Einheitsbühne quasi vier kleine Zimmer ohne Wände, „Seelenräume“ nennt Stiehl das im Programmheft. Die vier Personen sind mit sich selbst beschäftigt, ganz links Pepa, dann Paquiro im traditionellen Torerokostüm, lesend Rosario und in der Maske de Goyas Fernando beim Betrachten von Bildern.


    Ganz vorne rechts lehnt die bekleidete Maya, eines der berühmtesten Bilder de Goyas, am Proszenium.


    Der Chor, in unterschiedliche Grautöne gekleidet, steht zu Beginn vorne an der Rampe und bewegt sich in einer festgelegten Choreografie, ein Geschehen beschreibend, dass im Zuschauerraum imaginiert wird. Später wird der Chor hinter den „Seelenräumen“ auftauchen, immer als Masse, nicht individuell gezeichnet.


    Die Handlung verläuft dann wenig schlüssig inszeniert, Stiehl beschränkt sich darauf, seinen Solist/innen ein relativ strenges Gesten- und Bewegungsrepertoire abzuverlangen, wenn er diese nicht gleich etwas hilflos auf der Szene herumstehen lässt.


    Zwingender ist der Schluss des ersten Aktes, wenn Fernando vom Chor in Zeitlupe wie der „Pelele“ herumgestossen wird, überinszeniert die Zwischenspiele, wenn Fernando über das Gemälde der Maya rutschen muss, bis zu Beginn des dritten Aktes das Bild nur noch als Farbspur über einem Spiegel erkennbar ist.


    Der dritte Akt erstarrt in Konvention: die beiden Liebenden sind durch einen Gazeschleier voneinander getrennt, sie bewegen sich aufeinander zu, wechseln die Position und bewegen sich wieder voneinander weg, das ist uninspiriert und langweilig.


    Aron Stiehl verzichtet auf eine inszenatorische Klammer zwischen beiden Stücken. Der einzige Berührungspunkt ist der Auftrittsapplaus für den Dirigenten nach der Pause – da kommen plötzlich noch einmal die vier Solist/innen der „Goyescas“ durch den Vorhang und verbeugen sich nochmals brav.


    Der Prolog der „Pagliacci“ wird von einem Tonio in einem billigen Anzug vor einem zweiten Bühnenvorhang gesungen, die Szene zeigt dann einen Bühneneingang eines nicht mehr ganz taufrischen Theaters, eine Menge von Fans wird von Polizisten mit dem Baden-Württembergischen Länderwappen auf den Jacken in Schach gehalten und eine Tafel verkündet für 23.00 Uhr „Ring-Ding“ – und wer jetzt schon an Elisabeth Volkmann und Wichart von Roell denkt, wird (leider) nicht enttäuscht werden.


    Canio und seine Frau Nedda treten auf – er im Anzug, sie als Marilyn-Monroe-Imitat, Blitzlichter flammen auf, Autogramme werden gegeben, Nedda posiert für das Volk und die Journaille. Weil das Leben als Star an der Seite eines ungeliebten Mannes so grausam ist, trinkt Nedda aus einem Flachmann und wirft zwischendurch Pillen ein.


    Die Szene wechselt, man befindet sich jetzt auf der Bühne des Theaters, sie ist für eine Probe vorbereitet worden, im Hintergrund erkennt man einige Stuhlreihen für das Publikum.


    Weinend singt Nedda ihre Arie, Tonio bedrängt sie und wird mit Pfefferspray auf Distanz gehalten. Silvio, ein einfach gekleideter Mann, bei dem sich fragt, wie der zu dieser Frau passt (eine Frage, die auch die Regie nicht interessiert zu haben scheint), kommt dazu und in der Szene Nedda – Silvio klappt die Regie wieder vollständig weg, da wird quälend konventionelles Theater abgeliefert, das ausser Langeweile nichts zu bieten hat. Unglaubwürdig die szenische Lösung, wenn Tonio den Canio hereinführt – die beiden Liebenden hätten beide sofort bemerkt und an Flucht wäre für Silvio gar nicht zu denken gewesen, ausserdem ist Silvio für Canio recht gut zu sehen, der muss sich nicht fragen, mit wem seine Frau da zu Gange ist.


    Der Vorhang geht zu und so stehen die Protagonisten vorn an der Rampe – auch Canio, der nichts weniger tut, als den Rivalen zu verfolgen, auch diese Szene zeugt von einer erschütternden Hilflosigkeit des Regisseurs.


    Wenn sich der Vorhang zum „Vesti la giubba“ wieder hebt, sieht man vier Schminktische, ohne Spiegel, so dass die Gesichter der Sängerin und der Sänger gut zu sehen sind. Das ist zumindest optisch ein hübscher Einfall.


    Das Schlussbild zeigt links ganz nach vorne gezogen die Zuschauerreihen und rechts auf gleicher Höhe die Bühne für die Komödie, d. h.., dass der Chor das Geschehen auf der Bühne rechts gar nicht sehen kann, aber das Publikum im Zuschauerraum den Chor genauso präsent vor sich sitzen hat, wie es das Geschehen auf der rechten Bühnenseite verfolgen kann.


    Aron Stiehl zeigt nun diese Komödie im Stil von „Klimbim“ – und Silke Schwarz, die Darstellerin der Nedda, ist eine überzeugende Elisabeth Volkmann. Die Szene spielt in einem Hotelzimmer – und wird schnell mehr als nur klamottig. Der Arlecchino hat ruckzuck das Hemd aus und die Hosen unten und präsentiert sich mit männlich-markanter Brustbehaarung in einer „Superman“-Unterhose, aus der er erst mal die zwecks Vorgaukelung falscher Tatsachen hineingesteckte Banane entfernt.


    Da wird sich im Kühlschrank, genauso wie im Kleiderschrank versteckt, bis endlich Opa Klimbim, Verzeihung, Canio die Bühne betritt.


    Canio erschiesst seine Frau, deren Liebhaber und sich selbst. Als Tonio verkündet, dass die „Commedia“ jetzt zu Ende sei, lachen einige Heidelberger Zuschauer/innen.


    Die gesamte Inszenierung ist oberflächlich, flach und nichtssagend, das Ende geradezu belanglos und beiläufig, es lässt kalt und berührt nicht. Die grauenhafte Ausreizung jedes Einfalls durch ewige Repetition schmerzhaft. Sollte Aron Stiehl der Auffassung sein, die „Pagliacci“ seien nur eine Soap-Opera, die man nicht ernstnehmen muss, dann hat seine Inszenierung das ihrige dazu getan, diesen Eindruck zu verstärken.


    Gut die musikalische Seite: Cornelius Meister dirigiert sowohl beim Granados, wie bei den „Pagliacci“ ambitioniert, spannend, manchmal weitausschwingend, aber immer konzentriert, oftmals zupackend und in der Dynamik an Grenzen gehend. Das Orchester war gut aufgelegt, kleine Wackeleien waren nicht der Rede wert.


    Dem Chor kam zugute, dass er oftmals vorne positioniert wurde, das ermöglicht Klangstärke und doch eine zufriedenstellende Genauigkeit – für ein Haus dieser Grösse eine beachtliche Leistung.


    Gabriel Urrutia Benet sang den Tonio und den Paquiro, ein Bariton, der mitunter mächtig aufdrehen kann, der schön gestaltet und auch zu Differenzierungen fähig ist.


    Silke Schwarz, die Nedda und die Rosario, zeigte schon am Ende der „Goyescas“ leichte Ermüdungserscheinungen, die sich dann in den „Pagliacci“ fortsetzten. Beide Partien sind für die Sopranistin Grenzpartien, Silke Schwarz hielt durch und bemühte sich, auch am Ende noch präsent zu bleiben.


    Emilio Pons, Fernando und Peppe, überzeugte mit einem etwas grobkörnigen, stimmstarken Tenor, Sebastian Geyer, der Silvio, zuverlässig und etwas blass.


    Aufhorchen liess die Pepa Jana Kurocová – ein ausdrucksstarker, intensiver und auch in der Höhe überzeugender Mezzosopran, der Heidelberg in Richtung Berlin verlassen wird.


    Winfrid Mikus, der Canio, warf sich mächtig ins Zeug, sang etwas pauschal über manches in seiner Partie hinweg, verrutschte Töne inklusive.


    Starker Beifall für alle Beteiligten im sehr gut besuchten Heidelberger Theater.

    Lieber Edwin,


    ein vergleichbarer Eindruck wie beim "Parsifal" stellt sich auch beim "Tristan" ein. Ich habe mir das Ende, also den "Liebestod", angehört und auch da fliesst nichts, alles kommt mit einer in Stein gemeisselten Starre daher, die dem Charakter der Musik und der Stücksituation nicht gerecht wird, dazu dann ein Orchester, das grundsolide, aber bestimmt nicht erstklassig ist. Die Sopranistin, Linda-Esther Gray, leidet unter dem zähen Tempo, schafft es an einigen Stellen aber geradeso hinzukommen und setzt ansonsten auf ihre ausladende Stimme unter Verzicht auf jegliche Differenzierung.


    Es ist für mich ganz erstaunlich, dass die Wiederbegegnung mit den Goodall-Aufnahmen bei mir doch eher kritische Anmerkungen auslösen, die ich so vor vielleicht zehn Jahren nicht gemacht hätte. Dafür mitverantwortlich sind sicher die Wagner-Aufführungen, die ich in der jüngeren Vergangenheit vor allem Live gehört habe. Dirigenten wie Zagrozek, Metzmacher oder Soltesz entsprechen ganz klar mehr meinem Verständnis von Wagners Musik. Stefan Soltesz zeigte gerade kürzlich in Essen beim "Rheingold", wie man dieses Stück mit ganz aufgehelltem Klang, mit geradezu scherzo-hafter Leichtigkeit und vorwärtsdrängenden Tempi zu einem abwechslungsreichen, spannenden Theaterabend machen kann.


    In den "Rape"-Mitschnitt möchte ich nochmal hineinhören (Amsterdam 1946), an den habe ich keine klare Erinnerung mehr.

    Zitat

    Original von pt_concours
    Wie wurden denn in Frankfurt die beiden Tanznummern aufgeführt?
    Und gab es auch extra einen original spanischen Flamencosänger und –gitarristen?


    Das andalusische Lied "Ay! Yo canto per soleares!", das vom "El cantaor" gesungen wird, ist nunmal von Manuel de Falla für einen Flamenco-Sänger und Gitarre komponiert worden und wird selbstverständlich in Frankfurt auch genauso vorgetragen. Wobei der Sänger José Parrondo in der Premiere sehr gut war.


    Während er sein Lied vorträgt, sieht man zwei Tänzerinnen und einen Tänzer in klassischen Kostümen, der Mann als Torero, die Frauen würden in jeder konventionellen Inszenierung der "Carmen" beste Figur machen. Eine der instrumentalen Nummern begleitet die Hochzeitsgesellschaft über die Bühne, der zweite Tanz wird zur wilden Einlage bei der Hochzeit, inklusive einer Art Table-Dance an Stangen, in akrobatischer Verausgabung von den zwei Tänzerinnen und dem Tänzer dargeboten.


    Ich finde es auch schön, dass man "vida breve", gekoppelt mit der "L´heure espagnol" überhaupt mal zeigt und ich freue mich sehr auf den Vergleich von "vida breve" zwischen Frankfurt und Freiburg. Bieito dürfte dieser Stoff sehr liegen.

    Lieber Edwin,


    ich muss zugeben, dass ich diesen "Parsifal" unter Reginald Goodall lange nicht gehört habe und gestehe gerne, dass das ausschnittweise Hören anlässlich dieses Threads keine Freude bereitet hat. Zuerst muss ich meinen Eindruck von Warren Ellsworth korrigieren, der Tenor ist zwar um seine Partie bemüht, aber insgesamt doch reichlich schrecklich. Sicher macht ihm das Tempo zu schaffen, das ist deutlich hörbar, aber die von Dir angesprochene Stelle ist später: Ellsworth ist bei "Enthüllet den Gral, öffnet den Schrein" zu schnell und wartet einen Moment bei "Schrein" auf das Einsetzen der Harfen, die tatsächlich sehr präsent sind, was aber auch an der Aufnahmetechnik liegen mag. Insgesamt ist dieser Zeitlupenparsifal reichlich spannungs- und auch glanzlos.


    Bei "Götterdämmerung" muss ich fairerweise sagen, dass mir das Dirigat nicht in der von Dir beschriebenen Weise negativ aufgefallen wäre. Sicher, das transportierte Klangbild ist ausgesprochen reaktionär und gehört zu einer Form der Wagnerinterpretation, die viele Dirigenten heute als falsch begreifen.


    Beim "Ring" ist es das "Rheingold", das mir am wenigsten gefällt. Während ich den Beginn, wenn die Musik langsam zu fliessen beginnt, noch ganz schön finde, passt diese tatsächlich bleischwer-lastende Musik nicht zur bewegten, abwechslungsreichen und "leichten" Komposition.