Beiträge von salisburgensis

    Zitat

    Original von Felipe II.
    ...wer es der Chöre wegen kauft, die neuere.



    Wer das Magnificat mit excellentem Chor sucht, sollte lieber zu Herreweghe oder Hengelbrock greifen...


    herzliche Grüße,
    Thomas

    Ad acta gelegt:


    Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen.
    - Georg Philipp Telemann -



    Dieses Zitat stammt aus Telemanns erster Autobiographie von 1718. Hätte er damals gewußt, wie viele Lebensjahre noch vor ihm stehen, hätte er sicher keine Zeit dafür verschwendet... Aber sei's drum; der vollständige Vers geht so:


    Singen ist das Fundament zur Musik in allen Dingen.
    Wer die Composition ergreifft / muß in seinen Sätzen singen.
    Wer auf Instrumenten spielt / muß des Singens kündig seyn.
    Also präge man das Singen jungen Leuten fleißig ein.



    Diese Signatur hat mich fast die gesamte Zeit meines Hierseins begleitet. Jetzt ist aber Zeit für etwas Neues...



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Servus,


    sehr lobend möchte ich folgende, noch recht neue CD jedem Freund von Chormusik (und allen anderen auch... :D ) ans Herz legen:



    Edvard Grieg: Chorwerke


    Det Norske Solistkor
    Grete Pedersen



    Das ist nicht nur Chormusik vom Allerfeinsten, sondern auch noch das Ganze auch noch hervorragendst dargeboten. Die Chormusik Skandinaviens und Englands hat ja generell - ähnlich wie die des Baltikums - eine ganze Menge zu bieten. Vor allem die romantische Literatur aus dem hohen Norden gehört meines Erachtens zum Schönsten, was die Chormusik zu bieten hat.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Servus,


    2007 ist Geschichte, Zeit also, hier mal eine Auswertung zu machen.


    Die Auswertung der Nennungen ergibt folgende Rangliste:

    • cpo 24 mit Nennungen


    • Brilliant 14
    • Naxos 10
    • harmonia mundi 10
    • alpha 9


    • MDG 3
    • raumklang 3
    • alia vox 2
    • hyperion 2
    • chandos 2
    • wergo 2
    • naive 2
    • Hänssler 2
    • sowie etliche weitere Labels mit jeweils einer Nennung


    Das Ergebnis ist doch sehr eindeutig. cpo hat mit großem Abstand die Nase vorn. Danach folgt eine Gruppe von vier Labels, die je zur Hälfte mit Billigheimern und mit eher im Hochpreissegment anbietenden Labels besetzt ist. Beide Wirtschaftsmodelle sind offenbar mit Erfolg zu betreiben.


    Bei den Labels aus der dritten Gruppe handelt es sich zum überwiegenden Teil um Bediener von Nischenmärkten. Insofern kann man deren Abschneiden als folgerichtig bezeichnen.


    Diese Umfrage ist damit beendet, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass einer unserer Umfragefetischisten heuer auch wieder nach dem beliebtesten Labels fragen wird. :D



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Servus,


    das Ensemble Weser-Renaissance Bremen widmet sich der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts, also einer Zeit, in der mit dem Übergang zwischen Renaissance und Barock eine der aufregendsten Veränderungen in der Musik stattfand. Gelegentlich reicht die Spanne aber auch über den gesetzten Zeitrahmen hinaus, z.B. wenn in der kürzlich begonnenen Konzertreihe zum Thema "Kapitäne und Kantoren" unter anderem Musik von Keiser und Telemann erklingen wird.


    Mit Manfred Cordes, dem Gründer und Leiter des Ensembles, steht eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Bremer Musikszene am Pult. Er ist nicht nur Professor für diverse musiktheoretische Fächer sowie Ensemble an der Hochschule für Künste Bremen, sondern seit diesem Jahr auch der Rektor dieser Institution. Doch er ist jedoch nicht nur theoretisch bewandert, sondern kennt als Posaunist, Sänger und Continuospieler auch die praktische Seite sehr gut. Und schließlich gilt er als ausgesprochener Kenner der Musik des 16. und 17. Jahrhunderts. Beste Voraussetzungen also für die Wiederbelebung längst vergessener Werke.



    Manfred Cordes


    Bereits im Jahr der Gründung des Ensembles Weser-Renaissance Bremen, nämlich 1993, wurde für cpo die erste Plattenaufnahme gemacht, eine CD mit dem Titel "The Spirit of the Renaissance, von Josquin des Prez zu Hans Leo Hassler". Diesem Label ist man bis heute treu geblieben, und seither erschienen dort rund zwei Dutzend CDs. Ein großer Schwerpunkt ist dabei das Oeuvre von Heinrich Schütz, ein zweiter die Musik aus den großen Hansestädten.


    Die Vokal- und Instrumentalbesetzung variiert von Mal zu Mal, je nach den Anforderungen der Werke. Bei älterer Musik wird man eher Blasinstrumente, Zinken, Posaunen, Dulziane etc. antreffen, bei barocker Musik mehr Streicher und abwechslungsreich besetztes Continuo.


    Ohne jetzt schon auf einzelne Aufnahmen speziell eingehen zu wollen, so kann ich generell alle Aufnahmen des Ensembles wärmstens empfehlen. Die musikalische Qualität ist durchweg Spitzenklasse. Und vor allem Entdecker, die vor unbekannten Komponistennamen nicht zurückschrecken, kommen voll auf ihre Kosten. Sehr hilfreich sind auch die informativen und gut geschriebenen Texte in den CD-Beiheften, die Cordes üblicherweise selbst verfasst.


    Wer also auf musikalische Entdeckungsreise an die Grenze zwischen Renaissance und Barock gehen möchte, für den ist das Ensemble Weser-Renaissance eine der allerersten Adressen.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Servus,


    ich möchte etwas näher auf die oben von Bernhard schon gezeigte CD eingehen:



    Dietrich Buxtehude: Eine Lübecker Abendmusik
    Benedicam Dominum BuxWV 113;
    Gott hilf mir BuxWV 34;
    Wie wird erneuet, wie wird erfreuet BuxWV 110;
    Wo soll ich fliehen hin BuxWV 112;
    Mein Gemüt erfreuet sich BuxWV 72;
    Herr, ich lasse dich nicht BuxWV 36;
    Ihr lieben Christen freut euch nun BuxWV 51


    La Capella Ducale, Musica Fiata
    Roland Wilson



    Die hier aufgenommenen Werke sind hauptsächlich groß und bunt besetzte Stücke - so wie es für Wilsons Aufnahmen ziemlich typisch ist. Und auch hier hat er wieder tief in die Trickkiste mit den Klangeffekten gegriffen und gedämpfte Trompeten und Posaunen sowie ein "cymbalo", ein großes Hackbrett, das bei einigen Stücken die Continuogruppe verstärkt, hervorgezaubert. Was der Mann an Kenntnissen in Instrumentenkunde hat, das ist phänomenal! Aber noch beidruckender ist für mich, dass er ein treffsicheres Gespür dafür hat, an welchen Stellen solche exotische Instrumente die wirkungsvollsten Klangeffekte und -bereicherungen abgeben.


    Aus der illustren Sängerrunde möchte ich den Bassist Wolf Matthias Friedrich hervorheben. Der hat eine Energie in seiner Stimme, das ist unglaublich. Kraftvoll zupackend, mit enormem Tonumfang und mit toller Gestaltung seiner Partien ist er für mich der Glanzpunkt einer in allen Belangen wunderbaren CD.


    Fazit: ein grandioser Beitrag zum bald zuende gehenden Buxtehude-Jahr.


    herzliche Grüße,
    Thomas

    Liebe Freunde,



    Meine Heimat, das Erzgebirge, ist als DAS Weihnachtsland schlechthin bekannt. Über Jahrhunderte hinweg hat sich dort eine Tradition entwickelt, die das Licht zum Mittelpunkt hat, und die noch immer gepflegt wird. Man sagt, das hinge mit dem im Erzgebirge allgegenwärtig (gewesenen) Bergbau zusammen. Wenn die Bergleute früh morgens in den Schoß der Erde hinab fuhren, war es zur Winterzeit noch dunkel. Und wenn sie nach vollbrachter Schicht wieder ausfuhren, war es schon wieder dunkel. Tageslicht sahen die meisten Bergleute also nur am Sonntag. Und das über Monate hinweg.


    Nun wird das Weihnachtsfest seit je her als Fest des Lichtes gefeiert. Christus, das Licht, kommt in die Welt, sagt die Bibel. Und so verbanden sich die Sehnsucht nach den Sonnenlicht mit der Sehnsucht nach dem spirituellen Licht.


    In der Adventszeit gibt es im Erzgebirge da, wo Menschen sind, keine Dunkelheit. Überall sind Lichter, auf den Tannenbäumen vor den Häusern, in den Fenstern die beleuchtete Schwibbögen, alles funkelt und glitzert im Schein der Lichter.


    Aber das ist nur ein Teil der weihnachtlichen Tradition. Es gibt noch eine ganze Menge mehr. Jeder kennt das sicher aus den Läden, die erzgebirgische Volkskunst anbieten und die es mittlerweile fast überall gibt. Den Weihnachtsstern, die Pyramiden, Bergmann und Engel, Schwibbögen, Nußknacker und natürlich die Raachermannln (Räuchermännchen). Und letztere möchte ich euch noch etwas näher vorstellen.


    Bereits seit weit mehr als 150 Jahren werden die Raachermannln im Erzgebirge hergestellt. Ursprünglich wurden sie noch geschnitzt - das Schnitzen war generell ein Nebenerwerb vieler Bergleute - , heute erledigt man das auf der Drechselbank. Sie dienen zum Abbrennen von Räucherkerzen in ihrem Inneren, die aromatische Düfte verströmen. Auch diese werden schon seit langer Zeit im Erzgebirge hergestellt und bestehen aus Holzkohle, Kartoffelmehl, Sägespänen von verschiedenen Hölzern und verschiedenen Duftstoffen. Im klassischen Räucherkerzchen ist das der Weihrauch. Die Zutaten werden zu einem zähen Brei verrührt, in Form gebracht und getrocknet.


    Einmal an der Spitze entzündet, glimmt das Räucherkerzchen langsam nach unten ab und verströmt dabei den aromatischen Rauch. Das passiert üblicherweise im Inneren des Raachermannls, und der Rauch entweicht durch die Mundöffnung der Figur.


    Die Raachermannln gibt es inzwischen in allen möglichen und unmöglichen Formen. Da sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Klassische Figuren sind solche, die als Berufstände weit verbreitet waren, also beispielsweise der Förster, die Holzsammlerin, der Vogelhändler, Polizist, Tischler, Bergmann etc.


    Mein Lieblichsraachermannl, das mich seit meiner Kindheit begleitet, ist jedoch der Lehrer Lämpel, frei gestaltet nach Wilhelm Buschs Max & Moritz (Also lautet ein Beschluß, dass der Mensch was lernen muß. ). An dieser Figur hängen so viele Kindheitserinnerungen...





    Wie sehr die Erzgebirgler ihre Raachermannln lieben, weil sie die Vorboten für das kommenden Licht sind, wie groß die Vorfreude ist, wenn die Kisten mit dem Weihnachtsschmuck vom Dachboden geholt und die Figuren ausgepackt und in der Wohnung dekoriert werden, und natürlich von der Sehnsucht nach dem Licht, davon singt ein altes Lied:



    Kehrvers
    Wenn es Raachermannl naabelt
    un es socht kaa Wort drzu,
    un dr Raach steicht an dr Deck nauf,
    sei mer allezamm su fruh.
    Und schie ruhig is in Stübl,
    steicht dr Himmelsfriede ro.
    Doch in Harzen lachts un jubelts:
    Ja, de Weihnachtszeit is do!


    Strophe 1
    Gar für Gar giehts zun Advent
    offn de Buden nauf,
    ward a Mannl aufgeweckt:
    »Kumm, nu stiehst de auf!«
    Is es unden in dr Stub,
    rührt sichs net von Flack.
    Stieht wus stieht, doch bal giehts lus:
    Blästs de Schwoden wag.


    Strophe 2
    S'hot zwee stackendürre Baa
    un enn huhln Leib,
    zieht bedächtig an dr Pfeif
    zu senn Zeitvertreib.
    S'hot a fei schiens Gackel a,
    offen Kopp an Hut.
    Ober Maul un Nos sei schwarz,
    weils viel dampfen tut.


    Strophe 3
    Kimmt zen Fast dr gruße Gung
    aus der Fremd a ham,
    springt der klaane rüm ver Fraad,
    ach, dos is a Laam!
    Bricht dernooch de Dammring rei,
    namm mer’n Raacherma,
    stellne mitten offn Disch,
    zündn aa e Karzel a.


    Strophe 4
    Is der Heilge Omnd nu raa,
    werd jeds ze an Kind,
    wieder warn in jeden Haus
    Lichter agezünd.
    Jeeds hofft, dass zen Heilgen Christ
    aah a Packel kriecht,
    überol is Glanz un Pracht
    un wie gut das riecht.



    In diesem Sinne wünsche ich euch allen ein freudig erregtes Warten auf das Licht.
    herzliche Grüße,
    Thomas

    Heinrich Finck ist einer der ersten deutschen Komponisten, der uns namentlich bekannt ist. Viel ist aber nicht über sein Leben bekannt, lediglich sein häufigen Wechsel des Arbeitgebers sind überliefert. So war er in der Kapelle des polnischen Königs, in der Stuttgarter Hofkapelle, in Salzburg und zuletzt in Wien angestellt. Obwohl die prestigeträchtigsten Posten seiner Zeit anderen vorbehalten waren, war er der erste deutsche Komponist, dem die Ehre einer Gedenkmünze zuteil wurde. Diese Münze dürfte zugleich auch das einzige Bildnis sein, das von ihm überliefert ist. Sie zeigt Finck im Profil, mit beeindruckender Hakennase, und bezeichnet ihn als Musicus Excellentissimus.


    Das Ensemble Stimmwerck, bestehend aus vier Sängern, hat neben der Missa Dominicalis - also einer Messe für den normalen Sonntag - eine Reihe von vierstimmigen Liedern aufgenommen und so einen halbwegs repräsentativen Querschnitt von Fincks Werken erstellt.


    Die vier Sänger von Stimmwerck harmonisieren perfekt miteinander und pflegen einen warmen, angenehm entspannten Klang. Sie lassen die Töne fließen ohne jemals zu forcieren. Besonders beeindruckt dabei der Countertenor Franz Vitzthum, bei dem selbst die höchsten Töne niemals unkultiviert oder schrill werden. Das ist vokale Klangkultur vom Feinsten!



    Heinrich Finck (1444-1527)
    Missa Dominicalis
    Lieder: Von hin scheid ich; Auf gut Gelück; O schönes Weib;
    Habs je getan; Mein herzigs G; Ach herzigs Herz


    Stimmwerck
    (Franz Vitzthum, Countertenor, Klaus Wenk & Gerhard Hölzle, Tenor, Marcus Schmidl, Baß)
    erschienen bei Cavalli Records



    herzliche Grüße,
    Thomas


    Heinrich Finck: Missa Dominicalis
    Lieder: Von hin scheid ich; Auf gut Gelück; O schönes Weib;
    Habs je getan; Mein herzigs G; Ach herzigs Herz


    Vokalquartett "Stimmwerck"



    Wenn sich jemand an das Rästel von BBB erinnert (es war im Herbst 2005), da wurde nach diesem Komponisten gefragt, nämlich: Welchem deutschen Komponisten wurde zum ersten Mal eine Gedenkmünze gewidmet. Heinrich Finck war die richtige Antwort. :D



    :hello:
    Thomas

    Servus,


    ich möchte jedem die Charpentier-CD empfehlen, die Bernhard weiter oben schon erwähnt hat.



    Te Deum & Messe pour plusieurs instruments au lieu des orgues


    Choeur de Chambre de Namur
    Les Agremens, La Fenice
    Jean Tubery



    Diese Aufnahme des allbekannten Te Deums (Charpentier hat ja nicht nur dieses eine hinterlassen) ist meiner Meinung nach die Beste am Markt.


    Und dazu bekommt der geneigte Hörer auch noch eine der ungewöhnlichsten Vertonungen des Ordinarium Missae auf die Ohren. Denn im Prinzip ist das ein reines Orchesterwerk, der Text wird zwischen den Sätzen von einer Gregorianikschola gesungen. Aber noch im Prinziper :D ist es ein Orgelwerk, der Titel weist bereits darauf hin, geschrieben zu einem festlichen Anlaß, nämlich der Heiligsprechung des spanischen Bischofs Pierre Pascual. Das Problem war nur, dass die Orgeln nicht rechtzeitig fertig waren, man die Feierlichkeiten aber nicht verschieben wollte. Also setzte Charpentier das ganze für normales Orchester mit reichlicher Bläserbesetzung, aber eben im Stile eines Orgelwerkes.


    Das Ergebnis ist höchst eigenwillig (daher vielleicht Bernhards Einschätzung als "dumpf"), aber auch sehr reizvoll - eben völlig anders als gewohnt.



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Servus,


    obwohl ich wie viele meiner Vorschreiber, speziell wenn sie die HIPpe Interpretationskunst bevorzugen, mit Rillings Bach wenig bis gar nichts anfangen kann, so gehe ich dennoch nicht soweit, seine Verdienste um Bachs Musik herab zu würdigen. Ganz zweifellos ist Rilling ein exzellenter Bachkenner und – um bei Begriff zu bleiben – ein Bachgroßmeister. Wer auf eine derart umfängliche Bachdiskographie verweisen kann, wer sich so lange mit diesem Komponisten beschäftigt hat und wer sich so für Bach stark gemacht hat (und noch immer macht) wie Rilling, dem kann man diese Anerkennung gar nicht verweigern.


    Zu welchen Schlüssen Rilling bei seiner Beschäftigung mit Bach gekommen ist, welches Klangideal und welche Musizierpraxis er dafür einsetzt, mag heutzutage antiquiert wirken. Das konservative Publikum weiß es aber zu schätzen und für alle anderen, die auf schlankes bewegliches Musizieren stehen, gibt es jede Menge Alternativen. Immerhin zeigt beispielsweise seine letzte h-moll Messe, dass er sich den Erkenntnissen der historisch informierten Aufführungspraxis nicht völlig verweigert.


    Man muß ja bei Rillings Bachauffassung mittlerweile von einem Nischenprodukt sprechen, da man heutzutage barocke Musik kaum noch so un-HIP wie bei ihm zu hören bekommt. Selbst die großen Orchester der Rundfunkanstalten holen sich für Programme mit Barockmusik Dirigenten entsprechender Provenienz ans Pult. Und auch die Kantoren in der Provinz holen sich für ihre Konzerte immer häufiger Originalklangensembles.


    Also, so wenig ich mit Rillings Musizierstil anfangen kann, so weiß ich doch seinen Einsatz für Bach (und nicht nur für Bach, Mendelssohn ist ja auch einer, dem Rilling viel Zeit und Engagement widmet) zu schätzen.


    herzliche Grüße,
    Thomas



    Hat zwar nichts direkt mit dem Thema zu tun, aber dem muß ich widersprechen: im Jahre 1994 ist HIP schon lange erwachsen gewesen. Bereits zu Beginn des 20. Jh. gab es Bestrebungen in diese Richtung, beispielsweise Nadia Boulangers (die Schwester von Carolas Avatar) Bemühungen um Claudio Monteverdi oder Wanda Landowska, die Bach, Rameau und Consorten auf dem Cembalo spielte (auch wenn's grausam klingende Kisten waren). Damit ist der Grund bereitet worden. So richtig los ging es dann in der 60er Jahren, allen voran: Nikolaus Harnoncourt.



    :hello:
    Thomas

    Nachdem weiter oben schon die Ur-Vertonung der Orpheus-Sage durch Claudio Monteverdi unter meinen Unverzichtbaren zu finden ist, so sehe ich mich gezwungen, den Orpheus von Georg Philipp Telemann ebenfalls zu nennen.


    Telemanns Orpheus basiert auf einer gleichnamigen Oper von Louis Lully, dem Sohn vom Obergeneralhauptspitzenmusikus des Sonnenkönigs. In dieser Oper wurde die bekannte Geschichte um Orpheus und Eurydike um eine entscheidende Part erweitert: nämlich um Orasia, die thrazische Königswitwe, die mehr als nur ein Auge auf Orpheus geworfen hat. Sie ist es, die für Eurydikes Tod durch den Schlangenbiss sorgt, in der Hoffnung, dann Orpheus für sich gewinnen zu können. Der hat aber nichts besseres zu tun, als in die Unterwelt hinabzusteigen und seine Braut wieder an's Licht zu führen. Außer sich vor Wut erwartet Orasia die beiden am Tor zu Unterwelt, bereit ihren Mord zum zweiten Mal auszuführen. Wie man weiß, ist das aber gar nicht nötig, weil sich Orpheus nicht an Plutos Umdrehverbot hält. Ohne weiteren Lebenswillen weist Orpheus Orasias Ansinnen zurück und ergibt sich seiner Trauer. Orasia ist außer sich und ruft die Bacchantinnen herbei, die den Unglücklichen zerreißen. Als sie wieder zu sich kommt, bereut sie aber ihre Tat bitterlich, ist aber noch mehr entsetzt darüber, dass Orpheus und Eurydike nun wieder vereint sind. So nimmt sie sich konsequenter Weise auch das Leben, um die beiden Liebenden auch noch im Jenseits zu verfolgen.


    Hier gibt es übrigens eine bemerkenswerte Parallele zu Monteverdis Orfeo, denn es gibt neben dem bekannten happy end mit Jupiter als deus ex machina auch hier das tragisches Ende mit dem Tod des Orfeo durch die Bacchantinnen. Soweit ich weiß, ist dieses Finale aber nur als Textfassung überliefert.


    Telemann Musik zeichnet sich durch eine Vermischung der verschiedenen europäischen Nationalstile aus. Zwar ist Telemann ohnehin bekannt als Meister des vermischten Geschmacks, aber hier nutzt er das auf besonders einfallsreiche und subtile Weise aus. So sind beispielsweise Wutausbrüche in italienischen da-capo Arien, herzzerreißende Liebesseufzer in französische Airs gegossen. Und nicht musikalisch ist die Oper multilingual, denn zur Musik wird auch die entsprechende Sprache benutzt. Johann Mattheson, Hamburgs Kritikerpapst zu der Zeit - er war mit Telemann befreundet, was ihn aber nicht von scharfzüngiger Kritik abhielt - bezeichnete die Oper deswegen als elenden Mischmasch. Tja, auch Kritiker sind nicht vor Irrtümern gefeit...



    Musikalisch, dramatisch, interpretatorisch ist diese Aufnahme einfach umwerfend. So lebendig und mitreißend, jede Regung voll auslotend und -kostend. Man fühlt das Herzklopfen zwischen Orpheus und Eurydike, man spürt die Erlösung, die sich durch Orpheus' himmlischen Gesang in der Unterwelt breit macht, man vergießt mit Orpheus zusammen Tränen der Trauer ob des zweifachen Verlustes seine Angebeteten, man fühlt selbst die Wirrungen der meuchelnden Orasia hautnah nach.





    Georg Philipp Telemann (1681 - 1767)
    Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe


    Dorothea Röschmann ..... Orasia
    Roman Trekel ................ Orpheus
    Ruth Ziesak ................... Eurydike
    Maria Cristina Kiehr ......... Ismene
    Werner Güra ............... Eurimedes
    Isabelle Poulenard .......... Cephisa
    Axel Köhler ...................... Ascalax
    Hanno Müller-Brachmann ..... Pluto


    RIAS-Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin
    Rene Jacobs
    erschienen bei harmonia mundi



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Zitat

    Original von miguel54
    Wie ich gerade sehe, hat Warner die Gesamteinspielung von Olivier Baumont schon im April als 10 CD Box wiederaufgelegt, Preis liegt um die € 50,00.



    Nach der Box juckt's mir schon eine ganze Weile in den Ohren zum Zwecke der Vervollständigung von Baumonts Couperin. Ich habe schon zwei der vier ehemals bei Erato erschienenen Teile und mir gefällt das ausgesprochen gut, was Baumont macht.


    Was mich bisher abgehalten hat, ist die Frage nach der Umfang des booklets, welches Warner dieser Box beigefügt hat. Entspricht das dem, was in den Einzelboxen drin ist, oder gibt's nur eine Sparversion?


    fragende Grüße,
    Thomas


    Georg Philipp Telemann: Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe


    Dorothea Rönschmann, Roman Trekel, Ruth Ziesak, Maria Cristina Kiehr,
    Werner Güra, Isabelle Poulenard, Axel Köhler
    Rias-Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin
    Rene Jacobs



    Für diese Oper laß ich alles Gleichaltrige links liegen. Was für ein Werk!!!! :faint:
    Das ist so endlos weit entfernt von den sonst in Hamburg zur der Zeit üblichen Klamaukstücken, die sich in Peinlichkeiten und derbem Klamauk überbieten.


    herzliche Grüße,
    Thomas

    Zitat

    Original von Oolong
    Wo steckt er nur?



    Hallo Stefan,


    es gibt immer mal wieder Aussetzer bei der Versorgung mit dem jpc-Courier - vorzugsweise dann, wenn man mal ein paar Monate lang nichts mehr bei jpc bestellt hat. Dann stellen die die Lieferung, zumindest nach meiner Erfahrung, einfach ein, selbst wenn man jahrelanger Stammkunde ist. Da hilft nur eine neue Bestellung oder ein Anruf beim Kundenservice.



    :hello:
    Thomas


    Georg Philipp Telemann: Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe


    Dorothea Rönschmann, Roman Trekel, Ruth Ziesak, Maria Cristina Kiehr,
    Werner Güra, Isabelle Poulenard, Axel Köhler
    Rias-Kammerchor, Akademie für Alte Musik Berlin
    Rene Jacobs



    GENIAL!!! :jubel: :jubel: :jubel:



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Zitat

    Original von Robert Stuhr
    Gibt es eine exemplarische Einspielung mit einem Cembalo von Fleischer? Dann könnte man den Klang mit einem Hass vergleichen.


    Grade am andern Ort schonmal gezeigt, aber macht ja nix. :D


    Einen Fleischer, und zwar Johann Christoph, gibt es auf dieser CD:



    Georg Friedrich Händel: Cembalosonaten


    Colin Tilney



    Tilney hat nicht nur den Fleischer für seine Einspielung benutzt, sondern auch ein Instrument von Christian Zell. Prima zum Vergleichen...



    herzliche Grüße,
    Thomas

    Zitat

    Original von Hildebrandt


    Bis jetzt auch das einzige wirklich angemessene Händel-Cembalo. GFH hat so etwas Ähnliches zu Hause gehabt.
    Warum werden Hass- und Zell-Cembali nicht auch von anderen verwendet (übrigens auch von Ross nicht)? Es gibt eine Reihe gut spielbarer Originale und mittlerweile Nachbauten sonder Zahl.



    Colin Tilney drückt seinen Händel je zur Hälfte auf einem Zell und einem Fleischer, beides restaurierte Originale. :beatnik:





    :hello:
    Thomas